Routine

Manchmal hilft vor allem eines: Coolness. Die hatte ich bei einer meiner letzten Fahrten am Wochenende durchaus. Weit mehr aber muss ich sie meinen Mitreisenden zugestehen.

Es war eine dieser typischen schichtverlängernden Touren – wie die polnische Frau und die Festpreisverhandler neulich auch. Eine Tour, die ich eigentlich nicht machen wollte, dann aber doch irgendwie. Mein Feierabend zum Wochenende fällt nun mal gerade auf jene Stunden, in denen sich die meisten potenziellen Taxikunden auf der Straße befinden: In den frühen Morgenstunden. In der Regel fasse ich um 5 Uhr etwa den Entschluss, Feierabend zu machen. Meist hab ich dann beim Versuch, zur Tankstelle zu kommen, schon mindestens eine Winkertour – auf dem Weg zum Abstellplatz kommen meist auch noch welche dazu. Und dann mache ich zwischen 6 Uhr und 6.30 Uhr „wie geplant“ Schluss.

Nun hatte mich eine Fahrt zum Golden Gate getrieben.  Das Auto war betankt und saubergemacht, so langsam wollte ich ernst machen. Ich fuhr die Dircksenstraße Richtung Alex hoch, um dann über die Landsberger schnellstmöglich Richtung Heimat zu kommen. Aber, siehe da: Auch auf der Rückseite des Alexas lassen sich Kunden finden zu dieser Zeit. Ein junges asiatisch aussehendes Pärchen, er eigentlich ganz lässig und cool, sie nur aufrecht, weil er sie mitschleifte. Das Fahrtziel war die Martin-Luther-Straße weit im Westen, also so ziemlich genau in die entgegengesetzte Richtung. War ja klar.

Die Coolness, die Kunden nicht merken zu lassen, dass ich eigentlich anderes geplant hatte, hab ich ohnehin. Das war aber bei weitem nicht das Spannende an der Fahrt. Die beiden waren recht schweigsam. Sie rollte sich mehr oder minder zum Schlafen hinter meinem Sitz zusammen, er lümmelte mit seiner Lederjacke betont cool auf dem rechten Sitz und sah schweigend aus dem Fenster.

Irgendwann dann hörte ich Flaschengeklimper und Raschelgeräusche von der mitgebrachten Plastiktüte. Die letzten Alk-Einkäufe. Ein kleines Bissen hektische Betriebsamkeit auf der Rückbank und plötzlich das schlimmste Geräusch (wenn man explodierende Motoren mal ausnimmt): Würgen!

Mein Blick in den Rückspiegel vermochte mir nicht viel an Aufschluss zu geben – außer eben, dass alles ganz gelassen war. Er blickte desinteressiert aus dem Fenster und sie kotzte in die Tüte, aus der sie eben ein Bier und eine angebrochene Tequila-Flasche befreit hatte. Aha. Natürlich hatte ich „ein wenig“ Sorge, aber ich hab mir gedacht:

„Gut, spielen wir das eben so: Ihr sagt nix, ich sage nix. Am Ende sehen wir dann mal…“

Irgendwann hab ich dann mal kurz eine Nachfrage an die beiden gerichtet, die eher nichtssagend beantwortet wurde:

„Glaubt ihr, das klappt mit der Tüte?“

„Ja, wir haben ja extra eine Tüte.“

Äh!? Ja. Gut.

Als wir am Ziel waren, bin ich natürlich ausgestiegen, weil ich sichergehen wollte, dass auch wirklich nichts passiert ist, aber die lässige Routine der beiden hat sich als beste Umgangsform erwiesen. Sie hielt die Tüte sicher in der Hand, er die Flaschen und das Auto war sauber. Komische Umgangsform mit der Problematik „Kotzen im Taxi“, aber zur Zufriedenheit aller Beteiligter gelöst. Wenn das immer so laufen würde, fände ich Kotzer auch wirklich nicht schlimm. Leider tut es das ja eben gerade nicht

8 Kommentare bis “Routine”

  1. Ohje… Das ist etwas um das ich Taxifahrer gewiss nicht beneide.
    Ich kann mit richtig Betrunkenen nicht umgehen und wenn ich Erbrochenes rieche, habe ich das Bedürfnis selbst einen Haufen daneben zu setzen. Umso glücklicher für dich, dass das ganze glimpflich ausgegangen ist.

  2. Blogolade sagt:

    Welch Glück dass die Tüte heile war.

  3. Rike sagt:

    Bei mir hatte gottseidank der Taxifahrer noch eine von diesen Gemüsetüten dabei. Hat auch super geklappt. Ich habe allerdings mit der Entsorgung nicht bis Ende der Fahrt gewartet, sondern er ist zwischendurch mal bei einem Abfalleimer rechts rangefahren.

    Und zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, es war nicht der Alk. Ich hatte beim Chinamann was falsches gegessen.

  4. Kathrin sagt:

    @zartbitterdenken: Soso, du bekommst also ein Ka*k-Bedrüfnis, wenn andere sich übergeben? ;D

    Ich glaube, ich würde schon allein vor lauter Angst, irgendetwas dreckig zu machen, niemals in so einem Zustand in ein fremdes Auto geschweige denn ein Taxi steigen…

  5. Wolfy sagt:

    @Kathrin:

    Naja – nicht mobil, kein privaten Fahrer, Magen-Darm/Novo/Lebensmittelvergiftung – und in einem Alter und körperlichen Verfassung (außer den Brech- und Stuhlproblem), in dem die Ärzte sich weigern einen Hausbesuch zu machen… ;D

    @Topic:

    Muss man eigentlich Alkohol trinken, damit man versteht, warum Leute sich freiwillig um den Verstand saufen? o.O
    <–trinkt das Zeug aus Überzeugung nicht, kann es nicht beurteilen

  6. Sash sagt:

    @zartbitterdenken:
    Naja, sowas gibt es aber überall. Ich kann mit manch anderen Menschen nicht so gut, ich würde ungern Fußballtrainer sein z.B. 😉
    Den Geruch mag ich auch nicht – aber in dem Fall war das glücklicherweise auch eine geruchsfreie Angelegenheit. Keine Ahnung, wie sie das gemacht hat, aber es hat geklappt.

    @Blogolade:
    Allerdings!

    @Rike:
    Dummerweise hat sie ja bis Ende immer wieder mal in die Tüte ge… guckt 😉

    @Kathrin:
    Glaub mir, das geht den wenigsten so. Aber klar: Wir sind halt am Ende die schnellste und einfachste Möglichkeit – wenn man beim Warten auf die Bahn einschlafen würde: Taxi.
    Aber die Krönung war mal bei mir die Aussage: „Wenn ich gewusst hätte, dass ich kotzen muss, wäre ich mit der Bahn gefahren.“ Aha…

    @Wolfy:
    Wahrscheinlich ja, das bedingt sich wohl schon irgendwie. Zumindest erleichtert es das Verständnis. Z.B. helfen eigene Fahrerfahrungen sicher deutlich dabei, zu verstehen, weswegen Menschen darauf stehen, schnell zu fahren, Rennen zu fahren. Ein gewisser Erfahrungshintergrund ist da wohl schon nötig. Allerdings muss ich als Alkoholtrinker auch mal anmerken, dass man vielleicht irgendwann seine Grenzen kennen sollte, wenn man schon gerne pichelt.

  7. Arno.Nyhm sagt:

    „Dummerweise hat sie ja bis Ende immer wieder mal in die Tüte ge… guckt “

    lol …. ge … guckt 😉

  8. […] billig und je nach Ausführung platzsparend. Und zweimal hat eine Tüte – in diesen Fällen zwar keine dafür vorgesehene, aber wayne? – tatsächlich schlimmeres verhindert. Vielfach bringen sie aber gar […]

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