„Dit vagisste gleich wieda, ok?“

Manchmal muss man mich wieder erinnern, warum ich gerne in der Stadt fahre. Das hätten wir heute dann wieder einmal erledigt.

Ich mache selten Umlandabholungen, denn meistens ist das nicht so wirklich kilometerschnittförderlich. Dachte ich schon vor der Tour. Aber ich war am Bahnhof Ahrensfelde, also quasi direkt an der Stadtgrenze, gelandet. Und dann sagt der Funk, er hätte eine Fahrt von Blumberg nach Ahrensfelde anzubieten. Ich hab mal eingewilligt, auch wenn ich das zwischenzeitlich noch sehr bereuen sollte.

Die Entfernung betrug glatte sechs Kilometer, da ist man mit nur einer bezahlten Strecke beim Schnitt gut bedient.

Dann sagte mir das Navi, dass ich das vergessen könne, da wäre eine Sperrung. Womit es 20 Kilometer Anfahrt wären. Nun weiß ich, dass man Navis da trauen sollte, aber bei so einem grotesken Umweg schien es mir den Versuch wert zu sein, mal hinzufahren und zu gucken, ob die da die Bundesstraße nachts um ein Uhr WIRKLICH komplett gesperrt haben, oder ob man da nicht mal eben unbemerkt vorbeifahren kann. Hybris? Vielleicht. Aber erfahrungsuntermauert. Außerdem gab es kurz vor der Sperrung eine weitere Umfahrungsmöglichkeit, die „nur“ nochmal zwei Kilometer länger gewesen wäre. Also 22 insgesamt, das war den Versuch ehrlich wert.

Leider hatte ich meinen Versuch gestartet, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was die da draußen nachts anstellen, wenn sie der Großstadt entflohen sind. Ich landete nämlich noch zwei Kilometer vor der bekannten Sperrung an einem Stauende, das nicht nur viel zu weit von der Sperrung entfernt lag, sondern auch noch vor einem Hügel, so dass man nicht sehen konnte, was dahinter den Stau verursachte. Ich zuckelte mich etliche Minuten langsam vor, aber dann stiegen die ersten anderen Fahrer aus, Leute versuchten, auf der engen Straße mit Sprintern zu wenden und hin und wieder kamen ganz kluge Autofahrer an, die meinten, dass ein Warnblinker es ihnen erlaube, die Gegenfahrbahn zu benutzen. Ich überlegte also hart, was ich tun sollte und währenddessen verstrich dann die Zeit, die die Zentrale für meine Ankunft festgelegt hatte. Bis ich zwischen den anderen Tollwütigen wenden konnte, verging also eine Weile und am Ende wollte ich die Fahrt abbrechen. Allerdings: Wenn das schon so ein Horror da auf den Straßen ist: Als ob jemand anders je diese Tour machen würde!

Also hab ich gewendet und mich auf den 20km-Umweg gemacht.

Unterwegs – immerhin erst nach 15 Kilometern – rief dann die Zentrale an und fragte vorwurfsvoll, was ich da bitte machen würde, die Kunden hätten schon nachgefragt. Ich hab mich kurz erklärt und das wurde den Kunden offenbar auch mitgeteilt, denn die empfingen mich an einer Stelle, von wo aus man den Arsch der Welt beeindruckend groß vor sich sehen konnte, ausgesprochen gut gelaunt. Natürlich kannten sie die eigentliche planmäßige Sperrung und versprachen mir, wir würden da schon durchkommen.

„Zeig’n wa dia! Fahr hier mal links!“

Es bräuchte nicht viel Übertreibung um zu sagen, dass links ein Gebüsch war. Wir waren ohnehin auf einem Feldweg, aber links ging es ab auf einen Feldweg, den das Navi nicht einmal als Fußweg kannte. Zu Recht. Nach zwei Regentagen ist der Weg vermutlich eine Schifffahrtsroute.

„Dit vagisste gleich wieda, ok?“

„…“

„Den Weg.“

„Sehr gerne. Ich wollte ohnehin gerade fragen, ob man hier legal mit dem Auto …“

„Nee. Wir fahr’n jetzt durch’n Park.“

Ach so.

Die Schlaglöcher/Bodenwellen waren selten tiefer als 20 Zentimeter, wir kamen also gut voran.

„Jaja, kannste versuchen, zu umkurven, bringt abba nix. Der Weg is nich top.“

Als wir dann wieder auf der Hauptstraße waren, folgte natürlich, was folgen musste: Die andere „Sperrung“ von vorhin gab es weiterhin. Es war nicht, wie ich vermutet hatte, ein Unfall, sondern eher Straßenbauarbeiten oder so.

„Kannste wenden?“

„Sicher.“

„Na mach mal, besser als stehen. Ick kenn’n Weg, aber der is übel. Is nich top!“

Nach den Erfahrungen von vor drei Minuten hab ich angefügt, dass mein Auto technisch aber wenigstens in der Lage sein sollte, ihn zu bewältigen. Das wurde mir versichert.

„Naja, jetzt hab ich schon akzeptiert, dass das eine Abenteuer-Tour wird. Inzwischen bin ich dabei, mich zu ärgern, dass wir hier kein Glatteis haben …“

„Immahin lernste jetzt noch wat.“

„Da haben Sie recht, aber ich vermute, dass davon allenfalls hängenbleibt, dass ich in den nächsten paar Stunden keinen Auftrag mehr in Blumberg annehmen werde.“

Ach, was hat er gelacht. Die folgende Route war so absurd wie die davor. Selbst der Superauskenner musste sich dreimal vergewissern, dass wir auf den richtigen Feldweg fahren und mir wurde abermals vermittelt, dass ich das bitte bitte alles vergessen solle, während die Bundespolizisten von ihren Hubschrauberlandeplätzen aus argwöhnisch mit Blicken das Taxi verfolgten, das da mit Fernlicht an ihrem Zaun langkurvte.

Am Ende hatten wir acht Euro mehr auf der Uhr, als der direkte Weg gekostet hätte. Also 11 statt 6 Kilometer. Das hat immer noch nicht gereicht, um einen guten Schnitt zu machen und das Trinkgeld blieb (wie leider während der ganzen Schicht) weit hinter den Erwartungen zurück. Aber ohne mich stünden die morgen noch dort und lustig war’s dann ja doch. 😀

„Am Hermannplatz gesperrt“

Ob sie in der Nähe von Charlottenburg sei, fragte mich die leicht aufgebrachte Frau und sorgte damit bei mir für leichte Zweifel ob ihrer allgemeinen Zurechnungsfähigkeit, da ich keine zwei Minuten zuvor jemanden jenseits der Stadtgrenze ganz im Nordosten, in Ahrensfelde, abgesetzt hatte. Da war mit „Ach naja, was ist schon weit?“ halt auch nix mehr zu machen. Die gute Nachricht, die ich ihr überbringen konnte, war, dass die S-Bahn wirklich durchfährt, ohne Umsteigen. Aber halt trotzdem eine ganze Dreiviertelstunde.

Naja, jedenfalls sei das total schlimm und nur ihren Freunden zu verdanken, die ihr gesagt hätten, sie solle mit der U7 fahren, da am Hermannplatz alles gesperrt sei …

Mit anderen Worten: Sie hat U7 und S7 nur so mittel gut trennen können und ist mit der S7 in die falsche Richtung bis zur Endstation gefahren. Da ich jetzt nicht auf die Schnelle eine Grafik für den Linienverlauf und die Bahnhöfe Ahrensfelde, Charlottenburg und Hermannplatz anfertigen will, nehme ich eine meiner beliebten Übersetzungen ins Bundesgebiet:

Die werte Dame hat mir also in Rostock gesagt, dass sie eigentlich nach Köln wolle, nun aber hier gelandet sei, weil in Frankfurt/Main alles gesperrt sei.

Ich … verstehe. Oder so.

Im Übrigen ist da keine Fahrt draus geworden, weil ihr klar war, dass das im Taxi eine etwas teurere Angelegenheit hätte werden können. In dem Fall ungefähr 40 Euro bei absolut kürzester Strecke.

Hupschnur gerissen?

Aggressive Verkehrsteilnehmer sind ja auch so ein begeisterndes Phänomen. Gestern Abend bin ich die Warschauer langgefahren und hab an der Ampel bei der Kopernikusstraße schon zwei Leute jenseits der Kreuzung gesehen, die aussahen, als wollten sie gleich winken. Der Wagen hinter mir blinkte schon zum Abbiegen, also konnte ich nach dem Grünsignal geradeaus los und gleich den Blinker setzen, als die beiden dann wirklich winkten. Wie man das halt zwanzigmal pro Woche macht als Taxifahrer.

Dass ich dann beim Anhalten trotzdem angehupt werde, kenne ich auch schon. Je nach Laune hupe ich dann gerne zurück, wird ja schon irgendwie wichtig sein, da helfe ich gerne. Und insbesondere in Situationen wie dieser, wo ich im Vorfeld schon gesehen hab, dass da Kunden stehen, mache ich das alles locker mit rechtzeitigem Blinken und in keinster Weise hektisch. Ja, da muss man dann halt mal kurz warten, das war’s aber auch schon.

In dem Fall aber war der hinter mir super wichtig, denn seine Mami hatte ihm morgens eine Polizeiuniform rausgelegt, das entspannt so schön beim Autofahren. Und deswegen hat er auch nicht kurz gewartet, sondern musste mal eben entspannt auch die zweite Fahrspur blockieren, um neben mir zu halten und mich anzubrüllen, dass ich das ja so gefälligst nicht machen darf. (Spoiler: Ich darf!)

Also mitten auf der Straße halten. Ein paar Meter weiter wäre nämlich ein Parkplatz. Aha. Schön für den Parkplatz.

Da hat er vielleicht gemerkt, dass das mich jetzt nur so mittel beeindruckt. Trotz Rumbrüllen und Polizeiuniform. Also hat er mal flugs etwas herbeifabuliert, was weder ich noch meine Fahrgäste irgendwie bemerkt hatten. Er habe „EINE GEFAHRENBREMSUNG HINGELEGT, VERSTEHEN SIE!!!???“

Da musste ich passen. Wenn jemand eine Gefahrenbremsung ohne quietschende Reifen, aber mit Benutzung der Hupe hinlegt, dann überstrapaziert er meine Definition dieses Wortes enorm. Und im Gegensatz zu gereizten Unsympathen blinke ich auch nicht zum Spaß, sondern um ein Halten am rechten Fahrbahnrand anzuzeigen, das ist ziemlich üblich – zumal bei Taxis – und ich hab den leisen Verdacht, dass das ein Grundwissen ist, das man selbst von Polizisten erwarten kann.

Er hat dann noch ein bisschen rumgebrüllt, was bei mir in etwa wie folgt ankam:

„ICH HAB HIER DIE TEURERE HOSE AN UND BIN SAUER, DASS MEIN KAFFEE HEUTE MORGEN KALT WAR!“

Er hat dann gefragt, ob ich das verstanden hätte und das hab ich bejaht.

Und siehe da: Obwohl ich ganz offensichtlich unzählige Menschenleben gefährdet habe, durfte ich einfach weiterfahren. Ich weiß, dass viele nicht verstehen, wieso mich sowas aufregt. Die allgemeine Stimmung ist eher so „Sei doch froh, dass nix passiert ist!“.
Bin ich auch. Aber ich hab es schon oft genug hier geschrieben: Wenn ich mal Mist baue, dann stehe ich dafür gerade. Wenn ich geblitzt werde, mecker ich nicht groß rum und wenn ich sonstige illegale Dinge tue, schreibe ich das sogar mal und riskiere die Anzeige. Und hey, natürlich freue ich mich auch, wenn ein Polizist dann sagt, dass er es bei einer Verwarnung belässt. Aber sinnlos rumbrüllen, ohne irgendwas in der Hand zu haben, einfach nur, weil ihm nicht gepasst hat, dass er anhalten musste, finde ich einfach daneben. Hätte ich in dem Moment keine Kundschaft gehabt, hätte ich auf die Frage, ob ich „das jetzt verstanden“ habe, gerne ehrlich mit nein geantwortet. Ich hab’s mir drei Sekunden ernsthaft überlegt vor meinem süffisanten Ja. Wäre sicher Stoff für mehr als einen Blogeintrag geworden.

Ich hoffe, ich hab irgendwem Prügel erspart dadurch, dass der Tag des Typen etwas besser war, weil er es heute dem Taxifahrer schon mal so richtig gezeigt hat.

Sich mal nett übers Rasen streiten

Es war ja vor ein paar Wochen wieder in aller Munde: Das inzwischen wohl bekannteste Urteil zum Thema illegale Autorennen schlechthin: Dass vom Moabiter Kriminalgericht zwei Möchtegern-Rennfahrer wegen Mordes verurteilt wurden, weil sie einen Unfall verursacht hatten, bei dem ein Mann getötet wurde. In aller Munde war es dann neulich wieder, weil es durch den Bundesgerichtshof aufgehoben wurde.

Mit meinem Kunden kam ich auf das Thema, weil ich anmerkte, dass die nachts so leeren Straßen in Berlin leider manchmal auch zum Zu-schnell-Fahren animieren würden. Wir waren bezüglich meines Tempos der gleichen Meinung: Das sei schon ok. Ich war hier und da mit den berühmt-berüchtigten „10 km/h zu viel“ unterwegs, aber auch mein Kunde, dem nach „ein paar Bier“ nicht mehr so ganz wohl im Magen war, fand, dass ich einen super Job machen würde.

Um dann umzuschwenken auf oben genannten Fall. Für alle, die das wirklich verpennt haben: Zwei völlige Vollhonks haben im Februar 2016 bei einem Rennen über den Kurfürstendamm bei einem Tempo von mindestens 160 km/h (ich glaube, stellenweise gilt da Tempo 30) gleich im Dutzend rote Ampeln überfahren und einer hat dann den anderen Wagen gerammt, bzw. geradezu von der Straße gefegt.

Wie endlos dumm und falsch das ist, lässt sich kaum in Worte fassen, dennoch war die Justizlandschaft am Ende doch auch etwas baff, als das wirklich als Mord gewertet wurde. Und andersrum war der Aufschrei natürlich groß, als der BGH das Urteil kippte.

Naja, nun jedenfalls war da mein Kunde, mit dem ich über das alles plauderte und obwohl ich ihm zustimmte, dass solche Geschichten jenseits von Gut und Böse und natürlich hart zu bestrafen seien, wandte ich ein, dass ich das Urteil vom BGH völlig in Ordnung finde. Woraufhin sich eine ernsthaft faire und nette Diskussion entwickelte, die am Ende trotzdem darin gipfelte, dass wir uns uneins waren, der Kunde mir aber ein sehr gutes Trinkgeld gab.

Und natürlich möchte ich diese Stelle nutzen, um meine Sicht auf die Geschichte zu erklären und die nette Diskussion vielleicht hier fortzuführen.

Ich bin in Sachen StVO in der Regel ja eher ein Hardliner gegen die Autofraktion. Also nicht, dass ich als leidenschaftlicher und beruflicher Autofahrer so sehen würde, aber man unterstellt mir das gerne. Ich finde, dass einem der Führerschein hier oft viel zu lange gegönnt wird, ich befürworte etliche Pro-Fahrrad-Anliegen und gehe an die meisten Sachen erst einmal von Seiten des Gemeinwohls und der Umwelt heran, anstatt an meine persönliche Bedürfnisbefriedigung zu denken, der innerstädtisch Mindest-Tempo 100 und ein deutschlandweites Fahrradverbot natürlich ungemein entgegenkommen würden. 😉

Tatsächlich ist beides aber völlig egal, wenn es um das „Raser-Urteil“ geht. Nur weil ich mal 70 fahre, wo 60 erlaubt sind, ekeln mich diese beiden Schluffis an, die 30 PS mehr für ein valides Argument für was auch immer halten. Und ebenso finde ich das Mord-Urteil derart grotesk, dass ich mich frage, wie sowas auch nur möglich ist hierzulande.

Der Tod eines Menschen ist tragisch und natürlich ist es nicht entschuldbar, wenn ein bestimmter Mensch durch eine konkrete und vielleicht sogar freiwillige Handlung das herbeigeführt hat. Da stimme ich allen Mordurteil-Befürwortern zu. Und vielleicht sollte die Strafe für sowas höher liegen. Ich gebe zu, dass ich da kein großer Befürworter bin, weil ich glaube, dass viele Menschen massiv fehleinschätzen, was Haft bedeutet, aber ist für diesen Fall auch egal, denn mir geht es nicht darum, dass die Typen eine minderschwere Strafe kriegen.

Ich bin natürlich kein Jurist, der sich abschließend mit dem von den Moabiter Richtern eingebrachten Begriff des „bedingten Vorsatzes“ beschäftigt hat, aber ich glaube, man muss kein Jura-Studium absolvieren, um feststellen zu können, dass es absurd ist, wenn den Tätern einerseits vorgeworfen wird, dass sie sich sicher waren, dass ihnen nix passiert, weil sie alles unter Kontrolle haben und andererseits, dass sie jemanden töten wollten.

Natürlich sollte jeder Mensch bei klarem Verstand verstehen, dass man bei Tempo 160 in der Innenstadt jemanden töten könnte. Aber wenn jemandes Persönlichkeit in ein paar Zylinderköpfen steckt, dann hege ich starke Zweifel, dass er die freiwillig zerschreddert.

Die Sache ist die: Mord ist ein sehr extremes Verbrechen, das ganz bewusst nicht alle Tötungsdelikte umfasst. Es gibt daneben eben auch Totschlag, fahrlässige Tötung und was weiß ich noch. Ich will hier sicher nicht runterspielen, was die beiden Verantwortlichen in jener Nacht am Ku’damm angerichtet haben, aber gerade die Leute, die gerne überall mehr Strafe sehen wollen, sollten sich doch mal überlegen, wieso die zwei jetzt wegen Mordes verurteilt werden, wenn jemand, der absichtlich einen anderen überfährt, um zum Beispiel Wettschulden loszuwerden – obwohl er das Geld eigentlich hätte und es nur nicht hergeben will – nicht höher bestraft werden könnte, weil Mord halt Mord ist.

Ja, auch das ist vereinfacht, ich weiß. Natürlich gibt es noch besondere Schwere der Schuld, im Endergebnis Sicherheitsverwahrung etc. pp. Aber im Grundsatz ist es so, dass „Mord“ nun einmal der Straftatbestand ist, der hier zur Sprache kommt, wenn Leute absichtlich aus niederen Motiven getötet werden. Und eben nicht, wenn jemand getötet wird, weil er zufällig extrem dummen Leuten im Straßenverkehr begegnet ist.

Und ja: Natürlich kann man Geltungssucht, idiotische Rumprollerei und überhabenes Männlichkeitsgetue, Dreistigkeit oder chronische Selbstüberschätzung eklig finden. Aber die Typen haben sich gegenseitig beeindrucken wollen, mehr nicht. Jeder, der darüber nachdenkt, weiß doch selbst, dass das genau die eklige Sorte Mensch ist, die jeden verprügeln würde, der ihr Auto beleidigt. Es kann mir doch keiner erzählen, dass die freiwillig und absichtlich für irgendwen ihre Kiste zu Schrott fahren würden.

Wie gesagt: Ich finde das auch extrem abstoßend, Mitleid mit denen braucht ihr mir echt nicht unterstellen, so einfach isses nicht. Aber Mord? Nein! Das sollte dann doch anderen vorbehalten bleiben. Denn auch wenn es erschreckend ist: Es gibt noch ekligere Menschen da draußen!

Aus der Reihe „Auch noch nicht gemacht“: Wegen Plakaten anhalten

Manchmal hat man ja kaum eine Wahl, wenn Zeug auf der Straße liegt. Natürlich fährt man im Normalfall einfach drumrum, aber auf dicht befahrenen Straßen (in diesem Fall die Skalitzer in Kreuzberg) ist das nicht immer eine Option. Meist ist es ja harmloses Zeug, in Berlin meist Tüten, die herumgeweht werden. Trotz gelegentlichem Bedenken, ob da nicht doch noch irgendwas drin ist, was dem Auto weh tun könnte, entschließt man sich selten für eine Gefahrenbremsung.

Das Knäuel aus abgerissenen Plakaten sah zwar durchaus ein wenig groß aus, aber in mein Sichtfeld geriet es erst, als das Taxi eines Kollegen es zwischen den Hinterrädern ausspuckte. Wenn er es geschafft hat, dann werde ich es doch auch …

Nein. Nicht.

Also ja, es waren wirklich nur Plakate und dem Auto ist nix passiert, aber der Mist blieb unter meinem Auto klemmen und somit hatte ich das kleine Problem, dass ich im Versuch, drei Quadratmeter Pappe über den Asphalt zu schleifen, ziemlich großzügig Krach machte. Also hab ich ernsthaft während einer Tour angehalten, um Plakate unterm Auto vorzuziehen.

Besonders toll war, dass das nicht einmal geklappt hat und ich den letzten Rest erst nach dem dritten (!) Stopp befreit hatte. Da allerdings war die Kundin immerhin schon am Ziel und ich konnte mir Zeit lassen.

Und ja: Es kommt immer nochmal was, was man noch nie hatte! Auch im nunmehr zehnten Jahr. 🙂

Man muss auch mal aufräumen …

Und da war sie dann: Die gesperrte Straße. Eine Baustelle, eine Absperrung über die ganze Straße und jeder andere Weg hätte einen Umweg von mindestens zwei, eher drei Kilometern bedeutet.

„Keine Sorge …“

sagte ich und ließ meine etwas verdutzt guckende Kundschaft kurz im Taxi zurück. Ich hab dann die Absperrung mit drei Handgriffen zur Seite geschoben und bin wieder eingestiegen. Der Autofahrer hinter mir hat indes auch geguckt wie ein Auto.

„Meinen Sie, das …“

„Hey, ich kenn doch die Leute, die nachts unterwegs sind. Da hat sich irgendein betrunkener Spaßvogel einen Scherz erlaubt.“

Und zack und durch!

Was die Kunden nicht wussten:

1. ist etwas ähnliches vor weniger als einem Jahr in nicht einmal einem Kilometer Entfernung schonmal passiert.

2. bin ich die Straße eine Stunde vorher entlang gefahren. Samstag morgens um drei sperrt sich eine Baustelle ohne Arbeiter nicht selbständig neu ab.

3. kenne ich da jemanden, der sich vor 20 Jahren auch mal den Spaß gemacht hat, mit nur einem umgestellten Pylonen den eigenen Stadtteil für Stunden verkehrszuberuhigen. *hüstel*

Lebenslanges Lernen sag ich nur!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Quietsch-Krrrrrk-Schepper!

Mann, da stand ich „kürzlich“ erst so weit oben in der firmeninternen Unfallstatistik und dann das!

Freitag Abend, 21.10 Uhr etwa war es, da treffe ich den B-Klasse-Fahrer vor mir in Mahlsdorf sauber ganzseitig am Heck. Ein Auffahrunfall, über die Schuldfrage brauchen wir im Grunde also nicht einmal reden … fuck!

Wie zur Hölle ist das jetzt passiert?

Nun, rein rechtlich isses einfach: Ich hab zu spät reagiert, fertig. Ich war für die Verhältnisse zu dicht aufgefahren, so ist es nunmal.

Aber auch wenn ich sowas alle paar Jahre durchaus mal akzeptieren kann und gar kein Mitleid brauche, ist es ein viel zu schöner Unfall gewesen, um nicht mal eben ausführlich drüber zu bloggen. Denn obwohl sich an oben gesagtem nichts ändert: Es ist schon sehr viel zeitgleich schiefgegangen, damit es soweit kam.

Da wäre zum einen die Baustellenampel, an der wir kurz zuvor hintereinander ein Weilchen gewartet haben. Die mag zum einen mein eher dichtes Auffahren nach dem Start erklären, vor allem aber hat sie dann von zweiterem abgelenkt.

Denn zum anderen wäre da die Straßenbahn, die genau dort ohne Ampel die Straße kreuzt und Vorrang hat. Das ist so schon eine eher seltene Verkehrssituation, aber mir wurde eigentlich genau das zum Verhängnis. Denn eben weil ich „endlich“ grün hatte, war in meinem sicher ziemlich auf Verkehrssituationen geschulten Gehirn einfach kein Platz für plötzlichen Querverkehr. Natürlich muss man eigentlich auch bei grünen Ampeln achtsam sein, aber mal ganz ehrlich: Man ist es in der Realität eher weniger. Und deswegen hab ich die uns entgegenkommende Tram eben die halbe Sekunde zuviel später reagiert als mein Vordermann.

Nun waren wir beide nicht sehr schnell, wir waren ja noch am Anfahren, und ein paar Meter trennten uns durchaus. Erinnerungen sind eine schlechte Datenbasis, aber ich würde schätzen, wir hatten bei noch nicht ganz 30 km/h etwa acht bis zehn Meter zwischen uns. Das hätte in 99% aller Fälle locker für eine Gefahrenbremsung gereicht und vermutlich wäre ich da selbst mit meiner Verzögerung gut weggekommen, wenn nicht …

Wenn nicht ausgerechnet an dem Abend und an der Stelle hinter meinem Vordermann, aber vor mir ein akuter Fall von „überfrierender Nässe“ aufgetreten wäre. Ich hatte die Bremse noch nicht einmal ganz durchgedrückt, da blockierten die Räder schon und ich schlitterte einfach in das andere Auto rein. Konnte nix mehr machen, der Fisch war geputzt.

Noch vor dem (den Umständen entsprechend nicht sehr harten) Aufprall lief in meinem Kopf das ganze Programm von aggressiven Unfallgegnern, nervigen Cops, ewiger Wartezeit, nervigem Rumtelefonieren, Abschleppwagen, verkacktem Wochenende und so weiter ab. und dann: KRACH!

Glücklicherweise gestaltete sich das alles ab da beinahe angenehm. Ich hab mich mit dem Fahrer des anderen Autos verständigt, auf den Gehweg zu fahren und er und seine Begleiterin waren ab da die nettesten Menschen an diesem Abend. Sie klagten scherzhaft, dass der Abend bis jetzt so schön gewesen sei, sahen es aber umgehend fast pragmatischer als ich. Wir fanden uns fünf Minuten später schon darüber scherzend wieder, dass wir das eigentlich lieber privat und in nett klären würden, wenn nicht mit meinen Chefs noch eine dritte Partei mit im Boot gewesen wäre. Sie hatten zudem von der Versicherung bereits einen vorgefertigten Unfallberichtbogen dabei, den wir schon mal ausgefüllt haben, bevor die Cops kamen. Nebenbei haben wir lustige Unfall-Anekdoten ausgetauscht. Und der Bogen hat sogar meinen Chefs heute als Bericht gereicht, ich musste das nicht noch einmal neu ausführen.

Die nach etwa 30 Minuten anrückende Staatsgewalt zeigte sich überrascht ob so eines gut organisierten Unfalls und verblieb damit, dem Ganzen eine Nummer zu geben und die Personalien zu notieren.

Wären Autos nicht so scheißteure Geräte, wäre das am Ende eher ein netter Witz gewesen, wie ich mal andere Verkehrsteilnehmer kennengelernt habe.

An der 72 ist nahezu alles heil geblieben. Ich musste später eine Blinkerleuchte austauschen, aber nur weil die Birne einen Schlag weg hatte oder so. Ansonsten Kratzer an der Stoßstange, sonst tut alles noch. Sogar die Abstandssensoren, das Thermometer und all der Scheiß, der sonst bei unspektakulären Andockmanövern die Flinte ins Korn wirft.

Die 72. Sah schon mal besser aus. Quelle: Sash

Wie es bei den Unfallgegnern aussieht, weiß ich nicht, aber auch sie sind erst einmal weitergefahren und haben sich vom nun etwas weiteren Spaltmaß an der Stoßstange nicht groß irritieren lassen.

Fährt man rückwärts an den Baum, verkleinert sich der Kofferraum. Quelle: Sash

Der Rest ist Sache der Versicherungen.

Was am Ende zu sagen bleibt:

  1. Unfälle passieren. Sie sind nie schön und natürlich kann man viele vermeiden, aber man sollte sich bewusst sein, dass man da nicht immun gegen werden kann.
  2. Unfälle sind dementsprechend nicht per se ein Grund, noch mehr Hass und Gewalt in den Straßenverkehr zu bringen, man kann da auch einfach mal relaxt bleiben. Und ich sage das hier als Unfallverursacher in Übereinstimmung mit den Unfallgegnern.
  3. Taxifahrer in Berlin werden offensichtlich nicht einmal dann nach ihrem P-Schein gefragt, wenn sie gerade ganz offensichtlich Bockmist gebaut haben. Vielleicht sollte man sich die aufwändige Verlängerung echt sparen.

Und nicht zuletzt: Es ist nur Blech/Plastik gewesen. Alles ok, also keine Panik! 🙂