Andere Fahrer

Ich bin gerade von einem miserablen Wochenende heimgekommen und hätte durchaus noch zwei Taxigeschichten, aber der Heimweg machte mir einen Strich durch die Rechnung, denn dort habe ich mir ansehen können, wie die busfahrende Kollegenschaft mit Unannehmlichkeiten umgeht. Oder zumindest mein Ersatzverkehr-Busfahrer. Und ich bin nicht ganz überzeugt.

Passiert ist folgendes:

Der Busfahrer hatte seine letzte Tour diesen Abend auf der S7-Ersatzstrecke. Offenbar begleitete ihn sein vielleicht 13-jähriger Sohn an diesem Abend, zumindest war da ein Kind, dass dauernd mit dem Fahrer sprach und schon 20 Sekunden nach dem Start dem Fahrer mitteilte, dass einer der Fahrgäste offenbar etwas von seinem Bier verschüttet hat.

Als jemand, der Berlin nachts kennt, hatte ich nicht damit gerechnet, was dann passierte. Der Busfahrer hielt unmittelbar am rechten Straßenrand, ging nach hinten und forderte den Typen auf, auszusteigen. Der entschuldigte sich und stellte sein Bier nach draußen.

„Nee, aussteigen!“

Da mischte sich der Kumpel des Biertrinkers ein und meinte, er hätte doch das Bier rausgestellt.

„Aussteigen, ick diskutier nich!“

Die nächsten 5 Minuten vergingen damit, dass der Biertrinker bat, doch bitte weiterfahren zu können, da das Bier jetzt draußen sei, der Busfahrer ihn anging, dass er wegen dem Scheiß jetzt noch eine halbe Stunde putzen müsse und bekam zum Ausgleich das Angebot des Fahrgastes, er wische das gerne auf. Daraufhin drohte der Fahrer mit der Polizei, wenn er nicht aussteige, was dessen Kumpel leicht genervt, aber sehr ruhig mit einem „Nee, bleib drin, dit is nich ok!“ gewissermaßen eskalierte. Der Busfahrer bestand auf seinem Hausrecht, der Kumpel darauf, dass sie doch wirklich keinen Ärger machen wollten und schließlich wurde der Motor abgestellt und die Polizei gerufen. Nach dem Anruf sagte der Fahrer noch einmal, dass sie mit einem Aussteigen weiteren Ärger verhindern könnten, er würde dann die Polizei abbestellen – ein Angebot, das die beiden letztlich annahmen. Daraufhin wurde auch die Polizei abbestellt und die Fahrt ging nach den 5 Minuten weiter.

Dann hörte ich, wie sich der Fahrer mit seinem Sohn darüber unterhielt, wie schlimm er es gefunden hätte, dass kein Anderer eingegriffen habe und machte eine ironische Durchsage durchs Mikrofon, dass er heute wieder gelernt hätte, wie sich jeder selbst der nächste sei, obwohl doch wir es wären, die gerne nach Hause wollten.

Tja, puh.

Ich war im ersten Moment rein berufsbedingt schnell auf der Seite des Busfahrers. Ich meine, es ist nicht ok, das Fahrzeug zu verdrecken. Auch wenn mir die halbe Stunde Putzaufwand bei ebenem Boden und einer 100ml-Bierlache etwas übertrieben erschien. Aber ja, er hat die Kiste wahrscheinlich vor der letzten Fahrt durchgecheckt, um schnell Feierabend machen zu können. Wenn das schief geht, isses ärgerlich, kenne ich ja auch.

Aber die Dynamik der Situation war weit komplexer. Denn der Fahrgast war super kooperativ, hat sich entschuldigt und man sollte an der Stelle durchaus miterwähnen, dass es nunmal die letzte Fahrt in die Außenbezirke war. Vor allem aber schien mir das ein sehr ungesundes Beispiel dafür zu sein, wie Männer ihren Söhnen zeigen, wie man mal ordentlich durchgreift. Denn gerade das theatralische Gejammer am Ende, wie er der einzige Held war … also ich persönlich hatte zum Beispiel keine große Lust, mich einzumischen, weil ich das Angebot, sauberzumachen, ziemlich fair fand, aber wieso sollte ich so blöd sein, mir meine Heimfahrt zu versauen, indem ich mit jemandem diskutiere, der mehrfach laut und aggressiv „Ick diskutiere nich!“ durch den Bus ruft? Zumal die beiden anderen wirklich null gefährlich waren oder so. Und wie hätte ich, wenn ich eine andere Meinung gehabt hätte, dem Busfahrer helfen sollen. Er hat mit der Polizei gedroht, sie sogar angerufen, was hat er erwartet? Dass wir die Jungs gewaltsam rausschmeißen? Was er ja offenbar selbst nicht vorhatte …

Im Endeffekt fand ich das dann nur noch ziemlich trauriges Mackergeprolle, weil dem Fahrer kurz vor Feierabend wohl die Lust gefehlt hat, ein kleines Problem vielleicht einfach zu lösen, ohne einmal über den Tellerrand zu schauen. Mir war es leidlich egal, aber wir können hier durchaus mal festhalten, dass er (die beiden Läufer mal ganz außen vor gelassen) dem Rest der Fahrgäste zusammengezählt schnell mal zwei bis drei Stunden Lebenszeit geklaut hat. Nur um hart rüberzukommen. Putzen musste er ja trotzdem noch, es hat sich ja nix geändert dadurch.

*slow clap*

Ich meine, ich hab’s auch hundert mal geschafft, in Bus und Bahn Bier zu trinken, ohne es zu verschütten, das war schon doof von dem Typen. Aber ich bin irgendwie auch der Meinung, dass Scheiße passieren kann und dass es ab da um eine Lösungsfindung gehen sollte. Das hat auch bei mir Grenzen und ich bin da natürlich auch nicht immer perfekt in der Einschätzung gewesen, aber ein bisschen unnötig fand ich das vorhin dann schon. Hey, ich hab in meinem Taxi auch schon Leute putzen lassen. Und das war meist völlig ok und befriedigt das Ego wirklich ausreichend.

Der Frosch

Der gleichzeitig glücklichste und erfolgloseste Zechpreller aller Zeiten

Bahnhof Marzahn, zwei Taxen, zwei volltrunkene Russen. Ich war erster, sie kamen zu mir. Der Hinüberste sollte mitkommen, sein etwas wenig praller Kumpel half ihm ins Auto. Nur wollte er da nicht hin. Vielleicht war ich ihm unsympathisch, man hat ja besoffen die seltsamsten Macken. Der Kollege hinter mir hat gleich das Auto verriegelt und dankbar den nächsten Funkauftrag angenommen. Deswegen hat sich der Fahrgast auf den Gehsteig gelegt und eine Runde schlafen wollen. Die Logik gibt’s mit der zweiten Flasche Wodka gratis dazu.

Aber sein Freund hat ihn überredet und ich bekam keinen Funkauftrag. Natürlich war meine Freude nur so mittel, aber ich hatte auch schon so gute Fahrten mit fast schon verflüssigten Russen, da war alles drin. Der Freund versicherte mir, dass der Fahrgast Geld hätte und bat mich, ihn in die Möllendorffstraße, Ecke Herzbergstraße zu bringen. 15 Euro, nur Hauptstraßen, das schaffe ich selbst mit dem noch.

Das war auch eine richtige Einschätzung, denn der Typ war selbst zum Kotzen schon zu blau. Der war kurz vor Koma, das sollte die gute Tat des Abends werden, passt schon.

Am Ziel angekommen hat er natürlich längst gepennt, also hab ich das Auto schon mal artig eingeparkt, denn dass das nun dauern könnte, war mir klar. Ich hab den bis dahin vorbildlichen Fahrgast also wachgerüttelt, ihm mitgeteilt, wo wir sind und ihm das Taxameter mit dem Betrag gezeigt. Er kündigte an, erst einmal auszuschlafen. Da das streng genommen nicht ganz mit meinem Beförderungsauftrag übereinstimmte, habe ich ihn abermals aufgeweckt, woraufhin er sich ans Aussteigen machte. Ich hab ihn sachte zurückgehalten und auf mein Geld bestanden, woraufhin er mich sehr langsam und gewissenhaft versuchte zu beschimpfen.

Da er in seinem Zustand ungefährlicher war als ein Rudel durchgeimpfter Stubenfliegen, hab ich ihm in aller Deutlichkeit, aber scheißfreundlich zu verstehen gegeben, dass es jetzt wirklich sehr sehr unnötiger Stress sei, den er sich da einhandeln würde. Aber – und da sprach der Übermut der dritten Flasche aus ihm – er lallte mir zu, ich solle doch die Polizei rufen, das sei jetzt mein Problem.

Ich hab ihn an dieser Stelle erst einmal aussteigen lassen und es geschah mit nahezu perfekter Übereinstimmung, das was ich erwartet hatte: Er verlor nach einem kurzen Ausfallschritt das Gleichgewicht, fiel neben dem Auto um, landete am Ende zwischen Fahrzeug und Bordstein mit dem Gesicht unter der Beifahrertüre und blieb liegen. Er schaffte es noch, diese zu schließen und dann hatte ich wieder Ruhe im Auto und konnte die Kavallerie anrufen.

„Nur damit ich Sie richtig verstehe: Rufen Sie uns jetzt an, weil er sie nicht bezahlt hat, oder weil er da liegt?“

„Eigentlich wegen beidem.“

Nachdem das erledigt war, hab ich die Uhr wieder angestellt, denn wie der Fahrgast richtig bemerkt hat, bin ich ein Arschloch und als solches bestehe ich aber sowas von zu 100% auf den korrekten Wartezeittarif.

Kurz darauf wollte der Typ nochmal aufstehen, was ich verhindert hab, indem ich ihm die Hand auf die Schulter gelegt hab und meinte, er solle doch einfach noch kurz warten. Er hat kurz überlegt, die Idee für gut befunden und es sich auf dem Gehsteig so richtig bequem gemacht. Ich hatte fortan ein paar nette Passantengespräche und dabei festgestellt, dass ein komatöser Russe auf dem Gehweg so eine Art bester Wingman zu sein scheint: Wenn Du mit sowas umgehen kannst, finden das alle super cool!

Als die Polizei kam, hab ich das Taxameter gestoppt, nun war es ein Zwanni. Das passte schon.

Die Staatsmacht kam in Form einer Good-Cop-Bad-Cop-Combo und der gute hat meinen süß träumenden Fahrgast auch nur rund viermal wecken müssen, bis der das mit der Polizeisache verstanden hat. Weiter nicht verstanden hat er, dass er das Taxi bezahlen müsste und hat die Cops mehrfach gefragt, weswegen sie Geld von ihm haben wollen.

Dabei war das selbstverständlich bereits Teil des Deals zwischen mir und der Polizei: Wir hatten alle keinen Bock aufs ganz große Tara und die beiden sollten ihn überreden, mir das Geld zu geben und fertig. Keine Nacht auf der Wache, keine Anzeige. Und ohne wirklich Widerstand zu leisten hat mein Kunde wirklich alles getan, um die Geduld der beiden Staatsdiener zu strapazieren. Was „Bad Cop“ dann irgendwann auch mit dem Ausspruch

„Es reicht jetzt langsam, du Frosch!“

quittierte. Der andere hielt sich ans Protokoll und wollte dem Typen den inzwischen gefundenen Fuffi nicht einmal gewaltsam abnehmen, sondern ihn überreden. Aber mein Kunde kam mit so viel Mathe noch nicht klar und hat nicht so wirklich eingesehen, warum er seinen Fuffi gegen lächerliche dreißig Euro tauschen sollte. Am Ende hat’s dann doch der Bad Cop erledigt.

„Hörma! Hier sind drei Leute, die dir eigentlich nur Stress ersparen wollen und Du machst hier rum! Knallt glei!“

Zu guter Letzt waren bis auf den Frosch alle zufrieden. Der hat sich eine teure Nacht erspart, die 120 Euro fürs Revier waren ihm längst mehrfach angedroht worden. Ein bisschen panne für seinen Abendverlauf war vielleicht, dass sich rausgestellt hat, dass er eigentlich in Adlershof wohnt. Ich hab kurz überlegt, ob ich ihm die Fahrt dorthin für 30 Euro anbieten sollte, bin dann aber doch lieber schnell weg.

Zu früh aufgegeben

Manchmal ermüdet der Konkurrenzkampf im Taxi. Aber ein Fahrer gestern Abend hätte vielleicht mal mehr Vertrauen in die Kollegenschaft haben sollen.

Als ich den Bahnhof Friedrichsfelde-Ost angesteuert habe, war ein Kollege vor Ort, aber es stand bereits Kundschaft an seiner Tür. Gute Ausgangslage. Als ich dann heranfuhr, kamen die Kunden zu mir gelaufen, obwohl der Kollege noch dastand.

OK?

Ich ließ das Fenster runter.

„Schelling?“

„Wie bitte?“

„Kommen Sie für Schelling? Wir haben bestellt.“

„Oh. Nein, sorry. Der Kollege kommt sicher gleich.“

Und sie haben gewartet. Sehr nett. Nach vielleicht drei Minuten kam auch ein Taxi. Aber es fuhr nur kurz die Seddiner Straße ab, hat kurz 50 Meter entfernt gestoppt und ist dann wieder weggefahren.

Ich gebe ja zu: Wenn ich an einen schwach frequentierten Bahnhof wie diesen bestellt werde, dort erst einmal keine Kundschaft, dafür aber zwei Kollegen sehen würde … ich würde wohl auch davon ausgehen, dass sich da jemand die Tour gemopst hat. In dem Fall hat das halt leider nicht gestimmt und wenn der Fahrer wenigstens mal zu uns geschaut hätte, hätten wir ihm die Kundschaft auf dem Silbertablett serviert. Aber da er das gelassen hat, kam der Kollege an Position 1 aus seinem Auto und hat den Leuten gesagt, dass sie jetzt besser nicht weiter warten, sondern mit ihm mitfahren sollten.

Und er hatte recht. Bis ich 10 Minuten später eine Tour hatte, ist kein anderes Taxi vorbeigekommen.

Die erste echte Januarschicht ’18

Der Januar kickt nach Silvester immer übel rein, inzwischen geht mir das erstaunlich wenig auf den Keks. Es ist zwar irgendwie schon deprimierend, aber so schnell wie diese Nacht sind meine Stunden bei so wenig Kundschaft noch nie rumgegangen. Es war also mies, blabla, keine Überraschung. Aber wie sagt man so schön:

Erst hat man kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu!

Und so ist mir vorhin eine Tour entgangen, wie sie mir noch nie entgangen ist. Der Kollege am Stand vor mir war eingeschlafen, was ich ihm in Anbetracht der Umstände nicht einmal vorwerfen will. Ich hätte in meine 9 Stunden auch bequem 7 Stunden Schlaf packen können. Dummerweise stand er noch eher so an Position 2 oder 3 in Friedrichsfelde-Ost, obwohl die vor ihm schon weg waren. Und hinter mir stand auch ein Kollege. Und so konnte ich die Kunden, die behutsam am Schläfer vorbeigeschlichen sind, gar nicht mitnehmen, weil mir die Durchfahrt versperrt war. 🙁

Aber in dem Fall muss ich auch sagen, dass ich dem Kollegen letztlich die Fahrt gegönnt habe. Wer weiß, wie lange er da schon stand …

Was die Kollegen so treiben

OK, OK, ich hab’s  nicht wie versprochen gestern zum Bloggen geschafft. Als ich gesagt habe, ich äußere mich mal zu dem, was mein Fahrgast sonst noch so erzählt hat. Das ist natürlich immer mit Vorsicht zu genießen, denn dass jemand, der gerade schlechte Erfahrungen mit einem Taxifahrer hatte, gerne schlechte Erfahrungen mit Taxifahrern teilen will – ob es sie gibt oder nicht – kann auch ein rein psychologisches Phänomen sein. Das ist nicht böse gemeint, so ticken wir Menschen halt. Was für mich die Glaubwürdigkeit des Kunden erhöht hat, war, dass er eben gerade nicht in einer Schimpfkannonade festhing, sondern eigentlich eher amüsiert war und durchaus zufrieden damit, dass er mit mir eine gute Fahrt hatte. Ein paar Reflexe und sonstige Fehler fallen also schon einmal weg. Und so nett und beiläufig, wie er das erzählte, als ob es nix gewesen sei …

Und was?

Nun ja: Einen Fahrer hätte er mal wecken müssen. Der sei an einer Ampel eingeschlafen. Finde ich übelst krass, aber da ich selbst nachts auch schon von Müdigkeit übermannt wurde und das kaum verhindern konnte, und zudem von Kollegen weiß, dass ihnen das genau so auch passiert ist, halte ich es nicht für weit hergeholt.

Und unter weiterem kramte er eine Tour hervor, bei der der Fahrer – „Schwörisch, Bruda!“ – mindestens vier, vielleicht auch mehr, rote Ampeln überfahren hat. Ich  kenne (gleichermaßen plausible wie glaubhafte) Stories über zwei Ampeln. Aber MINDESTENS vier?

Was soll’s? Daran ändern kann ich nix und ich bin zum einen froh, dass wohl nie was passiert ist; und zum anderen, dass der Kunde dementsprechend mit mir mehr als zufrieden war.

Wie gesagt: Ich warte derzeit auch auf einen weiteren Liebesbrief vom Polizeipräsidenten und will mich entsprechend wirklich nicht zur moralischen Instanz aufschwingen. Ein kleines WTF bleibt aber halt doch …

Ein bisschen Umsicht (1)

Ich staunte nicht schlecht, als ich am Bahnhof stand und plötzlich ein Streifenwagen auf mich zugerast kam, vor mir scharf bremste, quer über den Halteplatz hielt und die Beamten auf mich zukamen. WTF?

Dann ertönte plötzlich ein „Hey!“ über den Platz und der Wagen verschwand zur Bank hinter mir. Dort hatte offenbar ein Kollege Probleme mit Fahrgästen, was ich aber trotz nur 40 Metern Entfernung überhaupt nicht registriert hatte. Aber gut, es war wohl eine eher leise Auseinandersetzung um Zahlungsschwierigkeiten und der Kollege hatte auch nicht Hilfe über Funk angefordert. Ein bisschen überrascht hinterlässt einen solch eine Nähe zu Ärgernissen dann halt trotzdem.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Eine lustige EC-Karten-Nebengeschichte

Wir haben in Berlin nun seit einiger Zeit eine EC-Karten-Annahmepflicht. Das ist an und für sich eine gute Sache, aber ich hab vor der Pflicht ja auch damit gehadert, ob das wirklich sein müsse. Und wie im Taxigewerbe üblich kann ich nun nach zwei Jahren sagen: Ja, natürlich ist die Neuerung gut, andererseits ist es aber auch völlig unnötig und außerdem glaubt bitte ja nicht, dass nur wegen einer gesetzlichen Regelung irgendwas im Taxigewerbe wirklich funktioniert!

Denn:

Ja, seit der Einführung habe ich ein paar Fahrten auf Karte gemacht. Letzten Monat erstmalig mehr als 10%. Also nicht 10% der Fahrten, sondern 10% vom Umsatz, es waren überwiegend lange Touren. Dafür hab ich mir halt auch eine völlig neue Kategorie von stressigen Fahrten erschlossen. Denn erstaunlicherweise funktionieren Karten öfter nicht als dass sich Kunden beim Bargeld täuschen. Da der Anteil aber sowohl anteilig an den Kartenfahrten gering als auch insgesamt völlig zu vernachlässigen ist, ist das kein Argument gegen Karten, ich wollte es nur erwähnen.

Dass deswegen alle Fahrer Karten akzeptieren: Nope. Tatsächlich kriege ich die meisten Kartentouren nur, weil der Kollege vor mir sie nicht fährt. Ob er keinen Kartenleser hat, keinen Bock oder wirklich nur ausnahmsweise mal einen technischen Defekt am Gerät … ich will ehrlich sein: Ich will’s nicht einmal wissen!

Ich bin nach wie vor ein Freund der Taxiordnung, aber mich mit Kollegen anzulegen, die mir lukrative Touren zuschanzen … dafür fehlt mir wirklich die Energie. Zumal ich ja wirklich nur die Fälle mitkriege, bei denen es dann für die Kunden und für mich ok ist.

Nun aber zum lustigen Nebenaspekt, den ich angekündigt habe: Zu einem relevanten Teil kriege ich von den Kollegen Touren zugeschanzt, die am Ende bar beglichen werden. Ehrlich! Vielleicht sogar mehr als 50%, aber ich erhebe da keine Statistik, ich kann’s also nicht belegen, deswegen schreibe ich nur „relevant“.

Da spielen unterschiedliche Faktoren mit rein:

  1. Das Bezahlen mit Karte ist umständlich. Ich weiß, dass es tausend Möglichkeiten gibt, bei denen das nicht so ist, aber ein Großteil der Kunden nutzt keine App und ein Großteil der Taxis hat keine Kontaktlos-Bezahlen-Funktion. Ergo: Schneller als „Hier ein Zehner, stimmt so.“ ist einfach nicht drin.
  2. Die Gebühr für bargeldloses Zahlen. Natürlich schreckt die ab, aber schon in Anbetracht von Punkt eins (zusätzlich zu den Geräte- und Abrechnungskosten und den gelegentlichen Fehlern) finde ich die unter den gegebenen Umständen nicht falsch. Ja, vermutlich wird das irgendwann anders sein und über die Höhe darf man immer streiten, aber noch macht es halt mehr Arbeit. Und da 1,50€ nicht nichts sind, schwenken viele dann halt doch um.
  3. Wie ich seit Jahren predige: Die Kunden glauben, Taxifahren sei viel teurer als es wirklich ist. Und auch jetzt, nach zahlreichen Tariferhöhungen stimmt das noch. Und ja, zunächst fragen die Kunden also nach Kartenzahlung. Aber wenn man das bejaht hat, zahlen sehr sehr viele am Ende doch bar, weil: „Ach, DAS hab ich auch noch so!“

Die entsprechende Mustertour heute Nacht:

Ich stehe als zweiter an der Halte. Die Kundin geht zum ersten Kollegen, kommt danach zu mir. Ob ich EC-Karte nehmen würde.

„Sicher. Ich möchte bloß im Vorfeld sagen, dass ich dann auch die 1,50€ für unbare Bezahlung aufschlagen muss.“

„Kein Problem. Geht in die XYZ-Straße.“

Eine Minute später:

„Ich würde auch bar zahlen, aber ich hab halt nur noch so 15 bis 18€.“

„Naja, das reicht ja locker.“

„Ehrlich?“

„Sicher. Ob wir’s mit einem Zehner schaffen, weiß ich nicht, ich hätte jetzt aber grob auf 11 – 12€ geschätzt. Und hey, die 1,50€ würden Sie immerhin sparen.“

Ergebnis: 10,50€. Und gekriegt hab ich sogar die ganzen 15€. 🙂

Und so oder so ähnlich läuft das wirklich sehr oft. Dementsprechend muss ich etwas entgeistert feststellen: Ja, das mit der Kartenannahmepflicht ist gut. Für mich persönlich aber nur, weil ich mich daran halte, das aber nicht alle Kollegen tun und die Kundschaft trotzdem eigentlich nicht übermäßig kartenaffiner geworden ist als in all den Jahren davor.

Was unterm Strich bedeutet, dass es mir zugute kommt, dass ich wenigstens glaubhaft behaupten kann, ich hielte mich an die Taxiordnung.

Das allerdings ist – Ironie der Geschichte! – nun wirklich nix neues in unserem Gewerbe. 😉