Ja, ich kriege tatsächlich 6 Leute rein in die Kiste. Alles nicht so leicht, denn wir will nach hinten, wer nach vorne, wo ist vorne überhaupt, wo sind die Sitze und warum reden alle gleichzeitig? Eine ganz normale Fragestellung bei jugendlichen Großgruppen am frühen Morgen kurz vor Sonnenaufgang.
Dann, rund zwei Minuten, einige eiligst aufgerauchte Zigaretten und ungelenkes Krabbeln später sitzen wir alle im Taxi. Prima.
„Was kostet es denn zum Hans-Kennsteschon-Platz?“
„Muss ich überlegen… nee ich frag besser das Navi wegen der genauen Strecke.“
„Können wir da nicht irgendwie so einen Preis fest machen und…“
„Nee, geht nicht. Kostet Pi mal Daumen 20 €, vielleicht etwas mehr mit den Zuschlägen…“
„Komm, wir machen 15.“
„Nee.“
„16.“
„Nein. Werde ich nicht machen.“
„Komm schon, 17 €? Ist doch eine Menge Geld. Wir sind arme Studenten.“
„Ja, und ich bin armer Taxifahrer und ihr seid zu sechst und ich alleine.“
„Wir könnten einfach 16 € machen und gut ist.“
„Weisste was? Machen wir doch 22 €!“
„Ey, du hast gerade noch 20 gesagt!“
„Wenn du den Preis nicht zahlen willst, kann ich ja auch einen anderen verlangen. Ist genauso illegal wie deine Idee.“
„Ach, ist schon ok, fahr einfach…“
Man muss dazusagen, dass er inzwischen auch die Mitreisenden ziemlich genervt hat und auch von der Seite aus die Bitte kam, es doch gut sein zu lassen. Der Rest der Truppe war auch super in Ordnung, es war bisweilen sogar vonnöten, die ein oder anderen High Five zu erwidern ob mancher Sprüche. Aber Obernerv-Kandidat Beifahrer war nicht so schnell fertig:
„Ist ok, wenn ich eine rauche?“
„Nee, isses nicht. Aber wir sind ja in zehn Minuten da.“
„Also ist ok?“
„Nein.“
„Und wenn ich Fenster aufmache?“
„Auch dann nicht.“
„Also ist ok, wenn ich Fenster aufmache?“
„Nein!“
„Aber ich mach ja auch Fenster auf!“
„Trotzdem nicht. Hey, ich verkneife mir das Rauchen im Auto, und ich sitze deutlich länger drin. Die paar Minuten bringen einen auch als Raucher nicht um.“
„Also mit Fenster ist ok?“
„NEIN! Es ist nicht ok!“
„Du kannst auch einfach sagen, dass es nicht ok ist, dann passt das. Also? OK?“
„Ich hab doch schon nein gesagt – wie oft willste es denn noch hören?“
Ein paar vom Hintermann angedrohte Schläge später gab er auch das Thema mit dem Rauchen auf. Aber er machte das Fenster runter. Das war mir egal, es war ziemlich warm im Auto. Die Mitreisenden, von der 5°C kalten Zugluft umweht, fanden es nicht so toll. Dann entspann sich eine fünfminütige Diskussion übers offene Fenster, die ich zu schlichten versucht habe, indem ich anbot, dass ich die Heizung ausmache und wir das Fenster ziemlich weit schließen. Letztlich waren es doch wieder die Schläge, die ihn umstimmten.
Mit mir geredet hat der Sympathieentrückte natürlich nicht mehr. Außer beim Zahlen der 20,40 €. Da hat er etwas zerknirscht aber hochanständig
„22, stimmt so.“
gesagt.
Einer der Fahrgäste ist noch ein ganzes Stück weiter mitgefahren und hat größtes Unverständnis geäußert. Die Schlüsselsätze laueteten wie folgt:
„Ey, nüchtern ist der auch ganz anders. Du würdest dich wundern. Ich meine, der hat ja sogar einen Job, bei dem er jedem in den Arsch kriechen muss. Warum der sich jetzt so aufführt…“
Nach oben bücken, nach unten treten – mir schien das nur zu logisch. Primitiv, traurig, aber logisch und verbreitet. Naja, war jedenfalls schön, dass ich die Fahrt noch mit einem netten Gespräch beenden durfte.
Ich kann nur zu gut verstehen, dass man sich nach manchem Kunden abreagieren muss. Aber das soll man doch bitte nicht an unbeteiligten Menschen tun.
Die alte Methode, dass man im Kollegenkreis seinem Unmut Luft macht und auch dort in der Regel allerhöchstes Verständnis erntet, ist bis zu dem Kandidaten wohl nicht durchgedrungen.
@Der Maskierte:
Aber wozu gibt es Leute die noch weniger verdienen denn dann?
@Sash
Zumindest nicht als Blitzableiter für unsere Kokskrümel-Arschkriecher. 😉
@Der Maskierte:
Elegant artikuliert 😀
Was sich in so jungen Jahren schon alles für einen besseren Menschen hält… der Wahnsinn!
Und schon für den ersten Teil der Fahrt fast 8% Trinkgeld, da kann man es ja beinahe ertragen das man von Fahrgästen ein Ohr abgekaut bekommt. Auch mit dem Super-Festpreis-Thema. Wenn die Leutchen aus einem sch…teuren Etablissement herauskommen und dann für einen Zehner die 13,50 Euro Strecke fahren wollen… Immer wieder gern gesehen.
@Chefarbeiter:
Naja, unterschwellig kommt diese Ist-ja-nur-ein-Taxifahrer-Mentalität schon öfter mal durch…
@Taxi 123:
Letzteres ist in der Tat besonders nett. Diesbezüglich waren meine Lieblinge ja diese hier:
http://gestern-nacht-im-taxi.de/wordpress/2010/02/05/ein-fetter-deal-mit-korrekten-leuten/
Ach ja, die guten, alten Schläge…
@Aro:
Kommen einfach nicht aus der Mode…
Das hört sich nach BWLern mit Nebenfach SpoWi an (besonders der Teil mit den Schlägen)! 😉
@Nick:
Ich glaube, ich will gar nicht wissen, auf welche Erfahrungen du diese Aussage stützt 😉
Du willst gar nicht wissen, was an Mitstudenten manchmal in den Hörsälen sitzt.
Da fasst man sich nicht zuletzt beim Überhören von Gesprächsfetzen wie ‚das Opfer schreibt ständig an die Tafel‘ (gemeint ist der Dozent) sehr stark an den Kopf.
Guten Morgen zukünftige Elite!
p.s. heute morgen habe ich mit Erschrecken festgestellt, dass selbst die Erstsemesterinnen in den Geisteswissenschaften immer häßlicher werden, langsam überlege ich abzubrechen 😉
@Nick:
Naja, da bist du sicher nicht alleine. Denk doch mal dran, was ich so über meine Kollegen schreibe. Ist ja nicht so, dass die Kunden die einzigen wären…