Ja, wow und so, ne?

Ich stand so mit einem Kollegen aus meiner Firma am Ostbahnhof. Er hatte nur kurz auf der Durchfahrt angehalten, ein kleiner Luxus der Nachtschicht. Da bleiben die Taxifahrer schon mal in zweiter Reihe stehen, um zu quatschen. Ich selbst stand auf Position vier, hatte also noch ein wenig Wartezeit vor mir. Dachte ich zumindest. Denn unser Gespräch wurde recht jäh unterbrochen von einem jugendlichen Kerl, der mich mit folgenden liebenswerten Worten anquatschte:

„Was‘ los, bisse frei? Machnwer Erkner?“

Ja, scheiß doch die Wand an! Prima Tour ins Umland, auf dem berüchtigten Silbertablett serviert. Die Verabschiedung des Kollegen fiel quasi komplett aus – auch etwas, das man lernt als Taxifahrer. Wir haben unglaublich viel Zeit, „während der Arbeit“ miteinander zu quatschen, dann aber kommt wer und das Gespräch endet schonmal so in etwa:

„Nee, und ganz interessant bezüglich des neuen Navis ist, oh Kundschaft, man sieht sich!“

Und die ganz große Herausforderung für uns alle ist, unseren Freunden und Partnern zu erklären, dass wir auch Telefongespräche mal derart beenden müssen. 🙂

Aber man will so eine Tour ja auch nicht verlieren, nur weil man sich noch ausquatschen muss. In dem Fall hat das gut geklappt und ich hatte den Fang bei mir im Auto sitzen. Also Erkner. Schon ein paar Mal war ich da, aber ehrlich gesagt trotz Nähe zur Stadtgrenze immer mit Navi. Das ist jetzt echt kein tolles Eingeständnis, aber ich bin halt Zugewanderter. Ich hab wie blöde auf die Ortskundeprüfung gelernt, die aber ist mit komplett Berlin schon umfangreich genug. All mein Wissen übers Umland habe ich nur (!) aus den Fahrten dorthin. Und die sind einfach mal selten. Deswegen schätze ich da heute noch vieles falsch ein. So viel im Vorfeld dazu, dass ich erst darüber nachdachte, über die Autobahn zu fahren. Schließlich gibt es doch auf dem Weg nach Frankfurt einen Abzweig nach Erkner …
Ja, ist Bullshit. Der Umweg ist so groß, dass man keine Zeit spart – das hab ich erst während der Tour von meinem Navi erfahren. Das dadurch anfänglich etwas blöde Umhergegurke beendete ich dann immerhin halbwegs rechtzeitig und der Umweg hielt sich in Grenzen. Aber so ganz ohne Grund war das auch nicht, denn der junge und sehr relaxte Kerl hatte es eilig. Richtig eilig!

Er wollte einen Zug erwischen, für den wir die Strecke in irgendwas knapp über einer halben Stunde hätten schaffen müssen. Deswegen die verzweifelte Suche nach einer schnellen Route.

Hektische Fahrten sind immer mies. Denn hier geraten die eigenen und die Kundeninteressen ganz massiv aneinander. Sicher, die Tour schnell rumbringen wollen wir auch, aber keine einzige Fahrt, die einem durchschnittlich auch nur einmal passiert als Taxifahrer, ist auch nur einen einzigen Monat Fahrverbot wert. Selbst eine Fahrt in meine Heimatstadt Stuttgart ersetzt mir nicht den Lohn eines Monats Arbeit. Und die Fahrt nach Erkner wäre schon für’n Arsch gewesen, wenn auch nur 20 € Bußgeld anfallen würden – was bei einem Blitzer und 11 km/h Übertretung der erlaubten Geschwindigkeit schon der Fall wäre …

Das kann man sich ruhig mal vor Augen halten, wenn man der Meinung ist, der Taxifahrer da fahre doch ein bisschen lahm.
(Und ja: Ich weiß, dass viele Kollegen trotzdem rasen wie die Irren. Dafür, dass nicht alle ganz knusper sind, kann ich auch nix.)

Auf der anderen Seite will man ja auch ein guter Dienstleister und/oder einfach nett sein. Auch mal locker sein. Ein bisschen mehr geben, als es jetzt notwendig gewesen wäre, einen besonders guten Eindruck hinterlassen. Oder dafür Sorge tragen, dass ein Kunde nicht nachts stundenlang auf einem Provinzbahnhof stehen muss.

Ich hab mein Kistchen also unter Einbeziehung aller notwendiger Vorsichtsmaßnahmen so gut befeuert, wie es nur ging. Straßenrand und Tacho im Auge behalten, bei bekannten Abkürzungen kurzen Prozess gemacht, die Gelbphasen bis aufs Letzte genutzt. Und mein Kunde war ein Guter. Ehrlich. Er hat mich nicht zum Rasen gezwungen. Ich hab versucht, es ihm recht zu machen, mehr nicht. Wir haben uns viel unterhalten und er hat sogar ausdrücklich klargemacht, dass es ihm leid tue, dass er mir das jetzt indirekt so stressig machen würde. Sein Onkel Harry sei ja auch Taxifahrer, bei ihm im Dorf, er kenne ja die Geschichten. Aber mehr als den Fuffi jetzt hätte er halt nicht, sonst hätte ich ihn gerne bis ganz nach Frankfurt bringen können, dann wäre die Zeit auch egal …

Traumkunde. Also wenn man vom Zeitplan absieht.

Und hey: Der Onkel ist Taxifahrer, er hat einen Fuffi und die Fahrt wird nur knapp über 40 kosten … ja, man denkt bei solchen Touren auch mal übers Trinkgeld nach. 😉

Diesen Teil hat der Kollege Harry aus einem Kaff bei Oldenburg aber offenbar eher stiefmütterlich behandelt. Denn obwohl die Fahrt stressfrei verlief und wir am Ende unter Ausnutzung einiger wirklich nur sehr schwer noch als grau definierbarer StVO-Grenzbereiche 5 Minuten vor dem Zug am Bahnhof Erkner ankamen, ergab sich folgender Dialog:

„Tja, bitte! Das hätten wir. Gerade so, aber immerhin. Dann wären wir bei 41,80 €.“

„Ja, hier. Mach einfach 42.“

Ja, wow und so, ne? 🙁

Aber gut, der Umsatz war klasse, es ist mal wieder alles gut gegangen, da wollen wir wohl besser nicht meckern.

Kleiner Link am Rande: Eine der tollen Touren nach Erkner war diese hier: Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

5 Kommentare bis “Ja, wow und so, ne?”

  1. SaltyCat sagt:

    ist sicherlich mies, aber vielleicht wollte er sich im zug noch nen beruhigungskaffee ziehen oder direkt am bahnhof hinterher ne schachtel fluppen …

  2. elder taxidriver sagt:

    Früher sind bei den Taxiprüfungen eher die Berliner durchgefallen als die Zuwanderer. Weil erstere zu siegessicher waren. Dachten sie kennen schon alles. Und wussten dann die Straßennamen nicht von dem was sie kannten..
    Und die Zuwanderer wussten von vornherein: Ich bin ein klitzekleines Nichts hier in dieser großen Stadt. Und haben sich entsprechend auf den Hosenboden gesetzt und die Straßen und Plätze und Objekte gepaukt wie Vokabeln. Meist mit Erfolg.

    Und Erkner:
    Da war vor dem Krieg mal die Firma BAKELITE, benannt nach dem Erfinder Leo Hendrik Bakeland. Was dann später auf den Transitstrecken als Werbe-Aufschrift auf den Autobahnbrücken stand: ‚Plaste und Elaste aus Zschopau‘.

  3. elder taxidriver sagt:

    Plaste und Elaste aus ‚Schkopau‘ natürlich. Aber die Sprache ist ja dehnbar wie Thermoplaste woher auch immer sie kommen..

  4. Aro sagt:

    Ach, Erkner ist doch immer wieder schön. Und die Strecken durch den Wald sind auch relativ blitzersicher, jedenfalls nachts.
    Und auf dem Rückweg gleich hinter Rahnsdorf noch 10 min. an den Müggelsee gesetzt? Das genieße ich immer, wenn ich mal in den fernen Osten komme.

  5. Sash sagt:

    @SaltyCat:
    Ach klar, Gründe gibt’s immer und es ist ja keine Pflicht. Bisschen schade halt, dass er 50 € gezahlt hätte, wenn wir’s fix ausgemacht hätten. Aber ich hab halt gesagt, dass ich guck, ob’s auf Uhr passt und nur ausmache, wenn’s mehr wird.

    @elder taxidriver:
    Ich würde es nicht auf Siegessicherheit schieben, sondern schlicht falsches Wissen. Das ist schwerer anzupassen, als neues zu lernen.

    @Aro:
    Obwohl ich mir ja wirklich keinen Stress beim Arbeiten mache: Entspannungspausen lege ich eigentlich nie wirklich ein. Da hab ich zwischen Schicht an- und abmelden keinen großen Nerv für. Aber dass es sicher angenehm ist, glaube ich aufs Wort!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: