Burgbewohner

Nummer 1.

Nummer 2.

Bei beiden Kollegen ist er abgeblitzt. Ich, an dritter Stelle, war folglich etwas skeptisch, als er an mein Taxi trat. Man weiß ja nie. Für einen Zehner nach Karlshorts, Kartenzahlung, Fahrt gegen Sex – ist ja nicht so, dass ich nicht auch einige Dinge ablehnen würde oder müsste. Stattdessen dann was total belangloses:

„Sag mal, isses ein Problem, wenn mein Hund hier im Fußraum sitzt?“

„Nee, überhaupt nicht. Ist er das Autofahren denn gewöhnt?“

„Absolut.“

Wie so oft war das keine Lüge. Der durchaus recht üppig geratene Mischlingsrüde trollte sich auf Anweisungen in den Fußraum und sah mich nur gelegentlich interessiert an. Ein über alle Maßen friedlicher Hund, total niedlich.

„Mich ham ’se hier aus’m Bahnhof jeschmissen, weil ick keene Leine beihatte.“

Na klar. Rechtliche Bestimmungen hin oder her: Der Köter hätte wahrscheinlich noch vor Käfern Reißaus genommen …

„Wo soll’s denn hingehen?“

„Karow.“

„Wow.“

Ernstliches „wow“. Immerhin mal eben eine 25€-Tour. Der Hundebesitzer, ein nicht unbedingt gernzenlos sauberer Mittzwanziger mit Kapu und Vollbart, meinte, er zeige mir dann schon, wohin genu. Oder vielleicht würde ich die Wagenburg dort ja kennen.

Leider nicht. Aber das sollte kein Problem darstellen, mein Fahrgast war nüchtern und zurechnungsfähig. Und so haben wir uns auch unterhalten. Ich bin nach wie vor ein großer Freund von Leuten, die ihren eigenen Weg gehen, unabhängig von dem, was man gemeinhin so „seriös“ nennt. Also fragte ich, ob er sich nur aus finanziellen Gründen in die Wagenburg verzogen hätte, oder ob es doch eher aus politischer Sicht geschehen sei. Ganz eindeutig konnte er das nicht beantworten, er meinte jedoch, dass er keine Lust hätte, 50% von dem, was er bei seiner gelegentlichen Arbeit als Netzwerkadministrator verdient, in eine Wohnung zu stecken, die seines Erachtens nach Menschenrecht sei. Da konnte ich – obwohl ich dergleichen tue – nur zustimmen.

Er war wirklich kein nerviger Agitator, eher ein liebenswerter Mensch, der mir bereitwillig Auskunft erteilt hat. Ich hoffe, ich habe ihn nicht genervt. Er führte mich souverän ans Ziel, selbst ein Umweg wäre ihm egal gewesen.

Natürlich hatte ich zwischendurch kurz die Befürchtung, er würde die Fahrt nicht bezahlen können oder wollen. Aber das Risiko nehme ich bei netten Menschen in Kauf. Und ich habe es nicht zu Unrecht getan. Am Ende war sein Trinkgeld zwar nicht exorbitant, dennoch aber für diese Schicht recht hoch. Traurig war das allenfalls für die Kollegen, die sich das haben entgehen lassen.

Sicher, die TaxO schreibt nicht vor, dass man Hunde mitnehmen muss. Mir würde aber was fehlen, wenn ich die Fahrten stets verweigert hätte.

19 Kommentare bis “Burgbewohner”

  1. elder taxidriver sagt:

    Da fällt mir gerade ein , dass ich mal in der Dämmerung in dem Wagen vor mir eine wunderschöne Frau gesehen habe, mit langen brünetten Haaren , schulterlang und einem ganz grazilen Kopf, anscheinend hochgewachsen , saß sie auf dem Rücksitz hinter dem Fahrer und ich dachte, die musst Du Dir von vorne anschauen. Ich fuhr also vorbei und es war : Ein Irischer Setter.

  2. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Jetzt hättest Du wirklich fast dafür gesorgt, dass ich den Bildschirm durch Prusten ein wenig in Mitleidenschaft ziehe. 😀

  3. Wahlberliner sagt:

    @elder taxidriver: Sehr schön!

    @sash: mit von vorherein geöffnetem Mund lachen ist gesünder! 😉

    Und: Warum sagst Du nein, wenn Du gefragt wirst, ob es OK ist, den Hund mitzunehmen? War das irgend so eine Art Ironie oder so?

    Ich [s]kenne[/s]kannte übrigens die Adresse der Wagenburg – das war damals meine erste Meldeadresse in Berlin (und nicht nur meine, sondern die von vielen „Neuzuzöglern“ ohne festen Wohnsitz, so wie es hieß. Ich weiß aber nicht, ob die das heute auch noch machen). Beziehungsweise die Adresse von einer der beiden Wagenburgen, zumindest damals gab es zwei: „Pankgrafenstraße Am Jagen“ (Die Nummer weiß ich mir nicht mehr so genau, war aber 3-stellig). Ich fand den Straßennamen selbst für Berliner Verhältnisse sehr … extravagant! Wobei, Berlin hört da ja gerade auf, und man steht im Grünen. Sicher nicht die schlechteste Wohngegend. Interessanterweise ist dieser Straßenname, welcher der offizielle war, und so auf Briefen stand, die dorthin an mich geschickt wurden, nicht im web aufzufinden. Da ihn auch mein Navi nicht kennt, nehme ich mal an, er wurde geändert. War wohl etwas *zu* extravagant…

  4. Sash sagt:

    @Wahlberliner:
    Sorry, hatte den Wortlaut nicht mehr im Kopf und bin mit zwei Formulierungen durcheinander gekommen. Hab jetzt seine Frage korrigiert, dann passt das wieder … hab natürlich eben nicht abgelehnt!
    (Was einem um die Uhrzeit nicht alles passiert beim Schreiben …)

  5. Caron sagt:

    Und was essen die Leute, die dieses Menschenrecht bauen und instandhalten?

  6. Sash sagt:

    @Caron:
    Ich hab doch gar nichts dagegen gesagt, dass die leben können. Deswegen sollte Wohnraum trotzdem auch für sozial Schwache bezahlbar bleiben. Ich will auch nicht sagen, dass das überall nicht der Fall ist, aber ich sehe da trotzdem unschöne Tendenzen.

  7. Kieler Taxe 107 sagt:

    Hunde sind für mich meistens kein Problem, im Gegenteil. Ich schaue mir Herrchen oder Frauchen an und entscheide dann, ob ich den Hund mitnehme oder nicht. Wie der Herr, so’s G’scher 😉

  8. leserin sagt:

    elder taxidriver, bitte eröffne auch nen blog!!

  9. Sash sagt:

    @Kieler Taxe 107:
    Ich glaube auch, dass die Herrchen meist die größere Gefahr sind. 🙂
    Wobei ich zugeben muss, auch immer erst einmal zu fragen, ob der Hund denn z.B. das Autofahren gewöhnt ist.

    @leserin:
    Dass ICH da noch nicht dran gedacht habe!
    Genau @elder taxidriver. Du schreibst hier so viele wunderbare Anekdoten in die Kommentarspalten, wo es kaum jemand mitbekommt. Warum nicht mal eine Nummer größer?

  10. Bernd K. sagt:

    @ @leserin: Gute Idee! Muss ja nicht gleich so in Arbeit ausarten wie beim geschätzten Sash. Aber so ein, zwei oder auch drei Geschichtchen und Gedanken pro Woche von e.t. wären wirklich eine Bereicherung für das deutsche Blogwesen. Ernsthaft!

  11. der Olli sagt:

    Netzwerkadminstrator ? Na wenn das mal nicht „der Maskierte“ war ?…..

  12. Sash sagt:

    @der Olli:
    Nee, sicher nicht. Der kommt nächsten Monat erst auf eine Fahrt vorbei. 🙂

  13. Aro sagt:

    Ich hatte mit Kötern süßen Hundchen leider schon weniger Glück. Nachdem ich einmal das Gelbe und ein anderes mal das Braune wegmachen durfte, nehme ich keine mehr mit. Außer, sie sind klein und sitzen auf dem Schoß des Fahrgastes.

  14. Sash sagt:

    @Aro:
    Das ist natürlich ärgerlich. Auf die Negativerfahrungen warte ich noch. Besser gesagt: Ich hoffe, ich hab Glück.

  15. Wahlberliner sagt:

    @Aro, @Sash: Ich wette mit Euch, diejenigen Fahrer, die Hunden gegenüber positiv eingestellt sind, haben das nie, während diejenigen, die eher widerwillig einen Hund mitnehmen, solche braunen und/oder gelben Erfahrungen machen 😉

  16. Sash sagt:

    @Wahlberliner:
    Meinste, die Hunde ändern bei Antipathie ihre Einstellung? 😉

  17. Wahlberliner sagt:

    @Sash: Ja, das auch. Dazu kommt, dass man je nach Einstellung Murphy’s Gesetz heraufbeschwört. Ist wie mit roten Ampeln (OK, die kennst Du nicht, aber ich mein ja nur): Je mehr man sich über die ärgert, umso öfter sind sie rot und man muss warten.

  18. Sash sagt:

    @Wahlberliner:
    Wieso sollte ich rote Ampeln nicht kennen? Ich hab sogar schon mal drei Punkte wegen so einem Ding kassiert.

  19. Wahlberliner sagt:

    @Sash: OK, das war natürlich zu stark pauschalisiert auf Deine Nacht-Fahrtätigkeit bezogen. Klar gibts auch nachts rote Ampeln, aber die meisten sind halt entweder aus, oder auf den Hauptverkehrsadern oft grün. Und wenn sie mal rot sind, stehen wenig genug Autos davor, so dass man bei der nächsten Grünphase ganz sicher durchkommt. Alles das ist tagsüber radikal anders. Aber egal, es war eh nur ein Beispiel…

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