Chefs und Überweisungen

Auch wenn ich sicher bin, dass nicht alles im Leben zwingend einen Sinn ergeben muss – dass ich Taxifahrer geworden bin und noch dazu bei meinen jetztigen Chefs gelandet, das hat seine Richtigkeit.

Wie die meisten wissen dürften, werde ich nach meinem Umsatz bezahlt, habe also keinen festen Lohn. Ich habe schon von ziemlich vielen Leuten gehört, dass sie sich das nicht vorstellen könnten, immer diese Unsicherheit und so …
Nun, das ist nicht weiter schlimm. Für mich zumindest. Eine wirklich große Unsicherheit gibt es nicht dabei. Letzten Endes ist es nur so, dass ich mir während des Monats überlege, wie viel ich arbeite. Läuft es gut, arbeite ich mal einen Tag weniger – läuft es schlecht, dann muss ich hier und da mal eine Stunde ranhängen oder euch anbetteln, dass ihr mehr über meinen Amazon-Link kauft. Oder beides 🙂

Am Ende sehe ich für mich vor allem den Vorteil, meinen Lohn selbst bestimmen zu können. Brauche ich gerade einen Fuffi mehr, dann ab auf die Straße! Freiheit bedeutet halt auch Eigenverantwortung, da liegt der Hase im Pfeffer.

Das wirkliche Drama dieser ganzen Unsicherheit spielt eigentlich im Chefbüro. Denn ausrechnen, wer jetzt wann wie viel Geld kriegt – das muss nicht ich. Diesbezüglich kann ich meine Chefs nur loben. Auch wenn ich mal im Einzelfall am sechsten des Monats erst Abrechnung mache, landet der Lohn pünktlich zum fünfzehnten (meist eher am zwölften oder dreizehnten) auf meinem Konto. Verspätungen und Irrtümer sind quasi inexistent. Und dass das bei rund 40 Fahrern Arbeit ist, glaube ich gerne und ich bin wirklich froh darum, dass ich den Papierkram nicht an der Backe habe.

Aber auch bei den Besten läuft mal was schief.

Als ich Mitte des Monats auf mein Konto gesehen habe, war ich geringfügig verdutzt. Dass ich für den Februar nur sehr wenig Geld kriegen würde, war mir bewusst. Immerhin war ich anderthalb Wochen krankgeschrieben und konnte auch sonst nicht gerade mit übermäßiger Arbeitslust punkten. Dass aber nur halb so viel wie erwartet auf dem Konto landet … ähm ja, so sehr hatte ich mich noch nie verrechnet. Also hab ich gestern mal angerufen. Ich vermutete, dass vielleicht das Krankengeld vergessen wurde oder so. Aber als ich Christian am Telefon hatte, stellte der fest, dass das gebucht wurde.

Hm. Das war kurios.

Wir gingen kurz die Posten durch, alles schien ok. Bis er meinte:

„Und dann hast Du 515 € Vorschuss genommen …“

Bitte was?

Dazu muss man sagen, dass dergleichen ständig passiert. Mir zumindest. Wenn ich Abrechnung mache und mein Key z.B. 2000 € Umsatz geloggt hat, dann hab ich schon mal was davon ausgegeben und gebe nur 1900 € ab. Das ist gar kein Problem, Christian speichert das ab und ich kriege dann 100 € weniger überwiesen als ich eigentlich kriegen würde. Das ist quasi die absolute Krönung finanzieller Flexibilität. Besser haben es nur noch die Kollegen, die ihren Anteil Pi mal Daumen gleich nach der Schicht einbehalten.

Vorschuss kommt also vor, absolut regelmäßig sogar. Aber 515 €?

Die Lösung war recht schnell gefunden: mein zweiter Key. Als ich noch kaum Geld mit dem Schreiben verdient habe, hatte ich mir ja einen zweiten Key erbeten – und ihn bekommen. Seit ich nur noch wenig fahre, wird der von mir nicht mehr wirklich genutzt, sondern liegt im Auto – wo ihn mein Tagfahrer gelegentlich in Gebrauch hat. Das lässt sich auch alles gut umbuchen, aber eben nur, wenn man es weiß und nicht irgendeine Info verloren geht. Und so war es in dem Fall: mein Tagfahrer hat auf dem Key, der offiziell mir zugeordnet ist, mal eben runde 500 € Umsatz gespeichert. Diese wurden bei der Abrechnung mir zugewiesen.
Ist natürlich erst einmal nett, da sieht der Monat in meiner Statistik doch gleich viel besser aus. Da ich aber natürlich rund 500 € weniger im Büro abgegeben hatte, wurde mir das am Ende vom Lohn abgezogen. Weil es für die Firma ja nun mal so aussah, als hätte ich dieses Geld zwar eingefahren, aber schon ausgegeben …

Das kann man ärgerlich finden, das ist es natürlich auch. Ich zitiere kurz Christian:

„Orrrr! Krätze!!!“

Aber wir haben da eben auch eine Firma, in der so ein bedauerlicher Fehler schnell geklärt werden kann. Cheffe erbat sich etwas Zeit und eine Stunde später kam der Anruf, dass das fehlende Geld bereits überwiesen ist. Alles also halb so wild. Eine Ausnahme, die ich in Anbetracht des Durcheinanders bei der Abrechnung verstehen kann.

Und wahrlich tausendmal besser als die Kirchengemeinde in Stuttgart, die damals meinen Sold für den Zivildienst zahlte: regelmäßig zwei Wochen zu spät und auch dann nur vollständig, wenn ich Glück hatte.

Nee nee, Fehler dürfen passieren! Es ist nur die Frage, wie man damit umgeht …

12 Kommentare bis “Chefs und Überweisungen”

  1. martin sagt:

    Wir haben ein ähnliches system.Ich nehme seit 2 jahren keinen vorschuss mehr..aus mitleid mit der buchhaltung 😉 . Aus dankbarkeit runden die chefs jetzt immer zu meinen gunsten auf. Vorschuss hat mir früher oft geholfen. Viele meiner kollegen haben aber massive probleme….weil das geld am ende des monats einfach fehlt. Mfg martin

  2. Micha sagt:

    Schön das es noch solche Arbeitgeber gibt, wo Gehaltszahlungen unproblematisch laufen. Gerade bei kleineren Betrieben hört man da immer öfter mal Gegenteiliges.
    Aber der beste Satz, den ich in der letzten Zeit gelesen habe, ist: „Freiheit bedeutet halt auch Eigenverantwortung“ So viel Wahrheit in den paar Worten.

  3. sb sagt:

    Da bin ich als Freiberuflerinmit meinem derzeitigen Auftraggeber auch sehr zufrieden: er hat ein Zahlungsziel von 2 Wochen, meistens habe ich das Geld 3 – 5 Tage nach Abgabe der Rechnung. Und das bei einer Überweisung aus dem Ausland. Einmal habe ich mich zu meinen Ungunsten verrechnet, kam sofort die Aufforderung, eine korrekte Rechnung zu erstellen mit Hinweis auf meinen Fehler.

    Aber es gibt auch andere…

  4. Sash sagt:

    @martin:
    Ich würde auf Vorschüsse auch gerne verzichten, manchmal klappt’s halt nicht.

    @Micha:
    Ja, das ist insbesondere in kleinen Betrieben und im Niedriglohnsektor weit verbreitet. Gerade da, das ist echt übel. Aber meine Chefs haben mir zu Beginn versprochen, dass das Geld IMMER pünktlich ist. Und das war keine Übertreibung. Irgendwann letztes Jahr hab ich mich mal gewundert, weil es wirklich „erst“ am Stichtag, dem fünfzehnten, kam. Rekord war meines Wissens der zehnte, normal ist, was ich oben geschrieben habe …
    Und was die Freiheit angeht: ja, das ist es. Und wahrscheinlich ist es unterschwellig auch das große Problem, das viele mit Freiheiten haben. Jetzt mal nicht auf den Lohn bezogen – da war die Verwendung des Wortes ja schon fast etwas unangemessen …

  5. Panama Jack sagt:

    Achja, der Vorschuss …

    Das gab’s in dem Kino, in dem ich mal gearbeitet habe, auch.

    Hat der Kassiererin und mir aber mal seeehr hektische 20 Minuten beschert, bis uns eingefallen ist, dass ein Kollege ein paar Stunden vorher da war und der Kassenabschluss deswegen um 50 € daneben liegt.

  6. Pascal sagt:

    Und dein Tagfahrer hat dementsprechend € 515 zuviel bekommen, oder wie?

  7. Sash sagt:

    @Panama Jack:
    Naja, ein bisschen koordinierter sollte es halt schon laufen. 😀

    @Pascal:
    Das kann ich nur vermuten. Aber über die Lohnabrechnung von Kollegen werde ich natürlich nicht einfach so in Kenntnis gesetzt. Sollte verständlich sein.

  8. Aro sagt:

    Ich gebe grundsätzlich nur das Geld ab, das der Chef auch kriegt. Die 36 Prozent, die ich netto bekomme, behalte ich immer gleich ein. Da ich zuhause nach jeder Schicht den Umsatz in eine Excel-Tabelle schreibe, wird mir sofort ausgerechnet, wieviel in den Chefkoch-Umschlag kommt. Und den Rest kann ich sofort verprassen.

    Eines aber wundert mich bei Dir (nicht zum ersten Mal): Wenn es schlecht läuft, arbeitest Du länger, schreibst Du. Bei mir ist es umgekehrt. Ich hänge lieber ein, zwei Stunden ran, wenn es brummt. Und bei Flaute ist auch schon mal nach 6 Stunden Schluss.
    Aber so ist das eben, jeder wie er will und kann.

  9. Bernd sagt:

    „Fehler dürfen passieren“ – Das ist richtig. In diesem Fall war der Fehler der im Wagen liegende Key. Wer sein Portemonaie aus dem Wagen mitnimmt, sollte auch den Key nicht dortlassen! 😉

  10. Jens sagt:

    Das hoert sich ja im Sinne des Finanzamtes alles ziemlich wild an 🙂

  11. Sash sagt:

    @Bernd:
    Wieso? Notfallkey im Wagen ist doch eine prima Geschichte. Seit ich ihn kaum noch nutze, macht das halt mein Tagfahrer. Ich glaube, du hast das „Zweit-“ überlesen. Der lag absichtlich da.

    @Jens:
    Wieso? Die vom Finanzamt kriegen davon ja am Ende eher wenig mit. Allerhöchstens stellen die mal bei einer Kontoüberprüfung fest, dass weniger Geld da war, als angegeben wurde. Und die Erklärung dafür ist ja recht einfach, bzw. lässt sich notfalls hier nachlesen. 😉

  12. Sash sagt:

    @Aro:
    Nee, wirklich länger arbeite ich nicht unbedingt. Das ist eher so gemeint:
    Wenn ich bislang wenig Umsatz gemacht habe, fahr ich halt am Monatsende eine Schicht mehr. Das „wenig Umsatz“ liegt dabei aber meist an meiner Arbeitslust.

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