Thomas hat mir zu meinem Text über die versemmelte Funkbestellung in den Kommentaren den Link zu einem Video von Kabel1 geschickt. Hab ich natürlich mal draufgeklickt…
Gleich vorweg: Ich bin Taxifahrer und ich fahre in Berlin. Das allerdings tue ich ohne Funk. Ich hab noch uralten Sprachfunk (einer anderen Zentrale) im Auto, aber ich nutze ihn nicht. Insofern bin ich als Fachmann sicher nicht erste Wahl.
Ein paar Kleinigkeiten wollte ich gerne dennoch anmerken. Ich orientiere mich hierbei (so Pi mal Daumen) an den Zeitmarken des Videos, das sollte einfacher nachzuvollziehen sein.
0.00:
Ich möchte nur mal erwähnen, dass es vielleicht die größte Zentrale Deutschlands ist, sie aber keineswegs alle Taxen in Berlin erreicht, bzw. dort die einzige ist. Die Größte: ja.
0.50:
Koordinatoren wie hier an der Messe sind extrem selten. In der Regel organisieren wir Fahrer unsere Aufstellung vor Veranstaltungen selbst. Und nicht, dass ich das Einladen außerhalb der dafür vorgesehenen Plätze verteidigen will – oder die Funkzentrale diskreditieren – aber den Tonfall, mit dem der Kollege hier mit dem Fahrer spricht, der nicht mal für die Zentrale fährt (es fehlt der Kleber in der Scheibe) müsste nun ja auch nicht sein. Aber ich sollte mich raushalten: Mich hat es als Nachtfahrer bisher noch nie zur Messe verschlagen. Vielleicht sagt ein Tagfahrer mal was dazu.
1.25:
„Rein rechtlich haben Taxikunden eigentlich die freie Wahl“ klingt ein bisschen herabwürdigend – bei allem Verständnis dafür, dass Ordnung hier Not tut. Aber ich halte dieses Recht für wichtig!
3.02:
Ja, so hat man sich das an Silvester vorzustellen: Der Kunde steigt ein, und überall Beschwerden, er wäre nicht dran. Ist für den einzelnen Fahrgast immer blöd, als Fahrer hat man leider auch keinen Überblick…
4.00:
Ich persönlich finde es nur lustig, dass die erste Szene am Spittelmarkt spielt, der Fahrer die Fahrt dann aber woanders (Reichstag, oder?) annimmt. Aber das lassen wir mal als Dramaturgie gelten 😉
6.07:
Das mit dem Gehalt trifft nicht auf jede Stadt zu, aber da es um Berlin geht, ist das wohl richtig.
6.30:
150 € Umsatz mindestens? Naja, ich hab einen niedrigeren Lebensstandard, wie mir erscheint. Wobei ich zweifelsohne froh wäre, wenn es so laufen würde…
6.35:
Also Kollege! Degressiver Tarif? Es stimmt ja, dass das Fahren ab dem 7. Kilometer billiger wird – aber nicht „immer um ein paar Cent“. Die ersten 7 Kilometer kosten derzeit 1,65 €, die danach 1,28 €. Da gibt es keine Zwischenschritte oder sonstwas. Ich würde es mit meiner bescheidenen Kenntnis von Tarifmodellen eher für einen Stufentarif halten. Aber ich hab auch Leute bei mir in der Firma, die nach Jahren noch nicht wissen, wie sich ihr Gehalt errechnet…
7.00:
Der Kollege darf von 20 € nur 7,50 € brutto behalten. Das sind 37,5%. Falls du das siehst, Kollege: Ich weiss, wo man deutlich mehr bekommt…
7.20:
Soso, ein Taxi wird nach dreieinhalb Jahren ausgetauscht? Mal ganz im Ernst: Das halten alle 5.000 voneinander unabhängige Taxiunternehmen also genau gleich? An dem Punkt merkt man dann, dass man nicht blind allen Zahlen vertrauen sollte…
7.45:
Folien sind tatsächlich eine Alternative zu Lackierungen. Allerdings ist es natürlich nicht gerade neutral, was die werte Dame da erzählt. Zum einen fahren immer noch viele Taxen lackiert und nicht foliert herum. Dann ist der Lack natürlich am Ende gewissermaßen neuwertig, die Entfernung der Folie aber keinesfalls kostenneutral – und es wird oft vergessen, dass Taxen auch nach kurzer Laufzeit enorm viele Kilometer runtergerissen haben. Die Schwankungen wegen der Lackierung beim Verkaufspreis eines Fahrzeugs, das zwischen 200.000 und 600.000 km hinter sich hat, ist nicht ganz so entscheidend, wie es hier vielleicht klingen mag 🙂
8.27:
Betrug unmöglich? Ich würde es gerne glauben. Aber die einfachste Betrugsvariante ist, nach dem Eichen kleinere, und zum Eichen wieder größere Reifen aufzuziehen… was es noch an Optionen für technisch versierte Leute gibt, kann ich nicht einschätzen – mit der Vokabel unmöglich wäre ich aber vorsichtig!
8.45:
Auftritt Axel. Axel ist auch mein Lehrer gewesen – ein sehr netter Kerl übrigens. Er gibt auch den Spezialatlas heraus, eine prima Hilfe zum Lernen auf die Ortskundeprüfung. Ohne seinen „Werbeauftritt“ jetzt diskreditieren zu wollen: Normalerweise macht man keine Übungsfahrten zum Lernen – es sei denn, das ist sein neues Konzept – zum anderen wird das sicher nicht über die Zentrale vermittelt. Sieht nett aus, keine Frage. Aber in der Realität steht Axel dann doch eher vor einem Stadtplan und fragt ungemütliche Sachen à la „Wie kommen wir denn am besten vom Brandenburger Tor zum Unfallkrankenhaus Berlin?“
Und so läuft auch die Prüfung ab. Man muss keine Bedingungen erfüllen, um sie zu machen. Legt 55 € auf den Tisch – je nach Jahreszeit beim TVB oder der Innung – macht einen Termin aus und nehmt teil! Axel ist hier keine Instanz, die über die Zulassung zur Prüfung richtet, seinen Kurs kann ich dennoch empfehlen, denn er erhöht die Wahrscheinlichkeit, es zu schaffen.
Außerdem steht Axel hier jenseits des Taxistandes im absoluten Halteverbot 😉
9.52:
Die Prüfer sind „relativ streng“? Die Wortwahl kenne ich von Axel eher nicht. Lag wohl an der Kamera. Wer das unzensiert hören möchte, sollte sich an ihn wenden 😀
10.00:
190.000 mögliche Routen? Ich hab Axel angefragt, die Zahl ist seine Berechnung. Ich hab hier noch leise Zweifel, aber die Angabe lässt sich sowieso nicht genau bestimmen., weil es viele Überschneidungen gibt. Man kann grundsätzlich sagen, dass es verdammt schwer ist, genau die zwei Strecken zu erraten, die einem in der Prüfung vorgelegt werden 🙂
10.18:
Das Lachen nach der Frage, ob man nachts schon von den Straßen träumt, war echt. Das kenne ich von Axel zur Genüge 😉
10.50:
Übrigens: Ich zweifel die 18.000 Kollegen mal an. Das ist das erste Mal, dass ich diese Zahl höre. Natürlich kann sie stimmen, ich hab bisher aber immer nur von 12.000 gehört. Wer hier irgendwelche verlässlichen Daten hat, kann mir die gerne zukommen lassen. Aber vorerst halte ich aufgrund der meist doch etwas längeren Schichten und der vielen (meist selbständigen) Alleinfahrer die Annahme für wahrscheinlicher, dass es pro zugelassenem Taxi weniger als 2 Fahrer gibt, und nicht beinahe 3. Und die Zahl der Taxen liegt knapp über 7000.
11.05:
Ganz im Ernst: Das ist nervige Werbung für die neue App! Ehrlich: Natürlich ist es eine tolle Idee (mal abgesehen davon, dass sie sich aufs iPhone beschränkt), aber es spricht nicht viel dafür, dass eine herkömmliche Funkvermittlung zwingend langsamer sein muss. Selbst wenn sie das ernstlich ausprobiert haben – was ich bezweifle – ist das eine nette Anekdote, keine verlässliche Messung.
Ansonsten: Wer am Potsdamer Platz überhaupt ein Auto bestellt, ist selten dämlich bei der Menge an Taxen, die da rumkurvt. Ich würde am Funk auch keinen Auftrag dahin aufnehmen, da die Wahrscheinlichkeit, dass die Kunden einen zufällig vorbeifahrenden Kollegen anhalten, irgendwo jenseits der 90% liegt…
13.25:
Und mal wieder – wie im Bild-Artikel vor einiger Zeit – ein ungerader Betrag…
Seit dem ersten Juli 2009 ist das unmöglich! Das Taxameter zählt in 20ct-Intervallen! Verdammt nochmal! Die Preise kriegt man nur mit Zuschlägen hin. Und was eine einzelne Person ohne Gepäck an Zuschlägen kostet, soll mir mal jemand erklären…
Ich will den Beitrag nicht unnötig schlechtreden. Es hat schon schlimmere Berichte über mein Gewerbe gegeben, das muss ich anerkennen. Aber ganz ehrlich: Manchmal nehmen sie es hier wirklich an unnötigen Punkten (siehe der letzte) nicht so genau. Zum Abschluss zitiere ich eine Mail, die Axel an die Verantwortliche nach der Ausstrahlung geschrieben hat:
“Hallo S., war ja ein lustiger Beitrag. Allerdings zugleich
beeindruckend, wie viel frei erfundener Schwachsinn in ein paar Minuten
Sendezeit passt. Warum fragt Ihr uns denn nicht, wenn Ihr Sachen nicht
wisst? Du hast mich doch als auskunftswillig erlebt. Ich würde sagen, so
haben die Zuschauer kaum Fakten erfahren.“