Des Taxifahrers Gekritzel

Inzwischen wissen ja die meisten, dass ich eine Statistik über meine Arbeit führe. Das ist nicht wirklich notwendig, mir macht es aber Spaß. Und als kleine Gegenkontrolle für die Abrechnung im Chefbüro ist es ja auch nicht schlecht. Wenngleich ich bisher nie irgendwelche Probleme beim Abrechnen hatte.

Nun ja, um Statistiken zu erstellen, braucht man abgesehen von zu viel Zeit natürlich Daten. Und die erhebe ich logischerweise unterwegs. Ein kleines Ringbuch im Format DIN A6 begleitet mich seit dem ersten Tag, den ich geschäftlich auf Berlins Straßen unterwegs bin. Naja, vielleicht auch erst seit dem 5. Tag. Auf jeden Fall schon voll lange.

Und was schreibe ich da so rein? Das hier:

Handbuch eines Mathe-Psychopathen? Vielleicht. Quelle: Sash

Handbuch eines Mathe-Psychopathen? Vielleicht. Quelle: Sash

So sieht das also in etwa nach einer Schicht aus in dem Buch. Alles ein wenig kryptisch? Da ich gerade zu viel Zeit habe, mich wachhalten muss und außerdem kein Taxi-Text mehr aufs Veröffentlichen wartet, will ich das doch gerne näher erläutern. Für alle die, die ähnlich viel Zeit haben wie ich oder einfach interessiert an kleinen Unnötigkeiten sind.

Vergrößern und gliedern wir das Ganze doch erst einmal, dann kann man mehr damit anfangen. Hier also Seite 1 in Großaufnahme mit Nummerierung:

Vergrößert wirkt es auch nicht einleuchtender... Quelle: Sash

Vergrößert wirkt es auch nicht einleuchtender... Quelle: Sash

So, und was hat das Kauderwelsch nun zu bedeuten? Soo schwierig ist es gar nicht:

1)
Das Datum der Schicht. Steht hier – wie auch bei meiner Lohnabrechnung – für den Tag, an dem ich die Schicht begonnen habe.

2)
Kilometer- und Euro-Stand des Taxameters vor und nach der Schicht. Die Differenz daraus rechne ich noch ganz altmodisch im Kopf aus. Den Kilometerstand brauche ich nur für meinen Kilometerschnitt, der Geldbetrag ist (wenn nicht noch Fehlfahrten abzuziehen sind) der, den ich meinem Chef bei der Abrechnung zu zahlen habe, also damit der, nach der sich mein Gehalt bemisst. Gelegentlich verrechne ich mich nämlich unten oder vergesse mal eine Tour, weil gleich im Anschluss – bevor ich zum Notieren komme – neue Kundschaft da ist. Ist insofern auch eine Kontrollzahl. Taxameter lügen schließlich nicht. Zumindest meines nicht.

3)
Wie unschwer erkennbar ist, ist das nur die Spalte für die Nummerierung der Touren.

4)
Das ist der zu zahlende Fahrpreis, der Endbetrag, der auf dem Taxameter steht. Inklusive Zuschläge. Wie man am Ende der Tabelle auf Seite 2 sieht, rechne ich aber nicht zwingend alles am Ende nochmal zusammen. Ich könnte es machen, erschreckenderweise ähneln die Zahlen der aus 2) aber meist ziemlich…

5)
Die Summe, die mir der Fahrgast gegeben hat, inklusive Trinkgeld.

6)
Hier ist das Trinkgeld noch einmal extra aufgeführt. Zum einen als Gegenkontrolle, zum anderen sind die Zahlen leichter zu addieren und es ist übersichtlicher. Dadurch hab ich immer einen aktuellen Überblick, wie viel Trinkgeld ich eingenommen habe. Das Ermitteln des Trinkgeldes gibt nicht nur für die Statistik Sinn, da ich mein Portemonnaie nicht jeden Tag neu bestücke. Ergo: Mit der Zahl weiss ich wenigstens, was ich mir rausnehmen kann.

7)
Seit etwa Anfang des Jahres notiere ich mir zu den Touren auch noch die Uhrzeiten. Bisher hab ich dafür keine Verwendung – aber es könnte ja sein, dass ich irgendwann mal ausrechnen will, wie viel umsatzstärker die Zeit zwischen 1 und 3 Uhr im Vergleich zu der zwischen 20 und 23 Uhr ist. Oder so. Muss ja nicht alles einen Grund haben. Die Zeit bezieht sich auf den Abschluss einer Tour, weil ich dann auch alles andere eintrage, kurz nachdem der Kunde weg ist. Es wäre zwar fast sinnvoller, sich die Einstiegszeit zu notieren, aber natürlich hab ich zu diesem Zeitpunkt ganz andere Dinge im Kopf und sich die Zeit über die Tour hinweg zu merken ist bei meinem Sieb von Gedächtnis nicht wirklich praktikabel.

8 (Mist, mit Klammer wird es ein Sonnenbrillen-Smiley!)
Das Z steht für Zwischensumme. Wollte ich nur mal erwähnen. Nicht für Zusammen, nicht für Zuzahlung, nicht für Zahl, für Zombies oder für Zentralverriegelung. Zwischensumme! Ganz einfach…

So, dann sind wir schon auf der zweiten Seite:

O je, noch mehr Gekritzel! Quelle: Sash

O je, noch mehr Gekritzel! Quelle: Sash

Die Tabelle setzt sich ggf. hier noch fort – was aber fast nur am Wochenende der Fall ist. So oft habe ich unter der Woche nicht über 15 Touren. Obwohl man das dringend einführen sollte 😉

Zu den Zahlen:

9)
Das ist die wahrscheinlich wichtigste Ecke für alle, die das hier lesen. Die ist nämlich nicht für die Statistik, sondern für den Blog! Hier notiere ich mir in Stichworten, oftmals in einer mir zu späteren Zeitpunkten selbst zu unleserlichen Schrift, über was aus der Schicht ich bloggen könnte. In der Regel schaffen es nicht alle Ideen in den Blog, weil ich bei manchem nicht weiss, wie ich es umsetzen soll, manches nach etwas Bedenkzeit gar nicht mehr bloggenswert ist und ich manches schlicht und ergreifend nicht mehr entziffert kriege. Im obigen Fall haben es zwei von drei in den Blog geschafft, manchmal sind es 0 von 2 oder 8 von 10. Meine Tage sind ja glücklicherweise abwechslungsreich.

10)
So, das ist die Ecke für den Psychopathen in mir. Das sind allerlei Ziele, die ich auf unterschiedlichste Weise aus meinen Statistiken herausgepfrimelt habe, und die dienen ziemlich genau zwei Zwecken. Zum einen ist es bewiesen, dass Listen zum Abhaken die Motivation fördern. Das trifft auf mich ganz besonders zu. Dass ich mir morgens keine Liste mit Kleidungsstücken mache, die ich anzuziehen habe, ist auch alles. Zum anderen ist es ein netter Trost, wenn es mal nicht so läuft, wie es sollte: „Ach komm, 3 von 8 Zielen haste ja geschafft…“

Die Kürzel erkläre ich jetzt nicht, dazu sollte man ein halbes Fachsemester Sashtistikologie studiert haben, sonst bleibt es einfach unsinnig. Aber ich höre gerne, wofür sie stehen könnten 😉

Alle andere Kritik wird mit „Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?“ beantwortet…

32 Kommentare bis “Des Taxifahrers Gekritzel”

  1. Ana sagt:

    „Meine Tage sind ja glücklicherweise abwechslungsreich.“ weshalb nur denke ich, diesen satz niemals von einer frau zu hören?

  2. Matthias sagt:

    Na das sind ja offensichtlich Schichtumsatzziele.

    SMV = Sonntag auf Montag-Verdienst
    SJV = Sehr jeringa Vadienst
    (Durchschnitt)
    SZ = Sieh Zu, dass de besser wirst
    SMO = Samstäglich-mittlerer Obolus
    ZZSO = Zur Zeit sieht’s OK aus
    WZ = Wow, Zahltag!
    SJO = Sehr jut, oder?
    SJ1 = Schicht des Jahres!!1!1

  3. Anise sagt:

    Hach, Listen. Toll.
    Ich geh mal eben meine Liste abhaken. 😀

  4. Nick sagt:

    SZ ist die Superzahl, das weiß doch jeder!

  5. Nihilistin sagt:

    Mich fasziniert eher, dass Du eine amerikanische Eins schreibst (Strich runter ohne kurzen Aufstrich). Ist mir auch schon bei anderen Leuten aufgefallen. Ich habe mir bis heute den kurzen deutschen Aufstrich nicht abgewöhnen können.
    Ist das ne SchreibLernSache oder hast Du Dir das selber so angewöhnt?
    Oder bin ich nur zu alt, und seit 1975 lernen alle Kinder nur noch die amerikanische 1 in der Schule?

    Und ansonsten erkläre ich SMV für SonneMondVerkauf
    🙂

  6. Sash sagt:

    @Ana:
    Hmm, die Frage kann ich dir nicht beantworten 🙁

  7. Sash sagt:

    @Matthias:
    Genau deswegen hab ich den vorletzten Satz noch eingefügt 🙂
    Herrlich!

  8. Sash sagt:

    @Anise:
    Hmm, hab keine Liste gefunden, die ich jetzt deswegen abhaken… Moment.
    Muss kurz eine Liste schreiben, auf der ich „Kommentare beantworten“ abhaken kann 😉
    OK, das war jetzt etwas übertrieben.

  9. Sash sagt:

    @Nick:
    Und ich hab meinem Taxameter dennoch nicht angewöhnen können, zu klingeln, wenn die Superzahl geknackt wird 😀

  10. Sash sagt:

    @Nihilistin:
    Ja, das ist komisch. Vor allem, weil ich durchaus manchmal den Aufstrich mitnehme. Das ist jetzt wirklich durch Zufall eine Seite, auf der keine einzige 1 aus der Reihe fällt. Gelernt hab ich es aber auch noch anders. Was man sich halt so angewöhnt…

    Ach ja: Danke noch (etwas spät) für die Mail. Mir ist bisher vor lauter Fassungslosigkeit noch nichts dazu eingefallen. Vielleicht krieg ich es die Tage ja hin. Zu sagen hab ich dazu genug 🙁

  11. Jo sagt:

    Sash :
    Vor allem, weil ich durchaus manchmal den Aufstrich mitnehme.

    Welchen? Nutella oder Erdbeermarmelade? Oder doch eher grobe Leberwurst?

  12. Aro sagt:

    Taxifahrer haben eindeutig zu viel Zeit.

  13. Sash sagt:

    @Jo:
    Meistens alles in Kombination. Sieht aus wie Auswurf und schmeckt auch so. Aber die heiteren Seiten des Lebens kommen dagegen plötzlich viel besser zur Geltung 😉

  14. Sash sagt:

    @Aro:
    Klar. Immer.

  15. ednong sagt:

    Da sieht man es mal wieder — letzlich zählt nur noch das Trinkgeld (auf der zweiten Seite) 😀

    Interessant ist es allemal. Die Kürzel würden mich natürlich auch interessieren. Ich denke, du rechnest da diverse Schnitte aus und jeweils das Maximum und das Minium. Also von den gefahrenen Kilometern pro Schicht, den Einnahmen und dem Trinkgeld.

  16. Sash sagt:

    @ednong:
    Das liegt aber eher daran, dass das Taxameter kein Trinkgeld berechnet. Die andere Summe müsste ich ein zweites Mal ermitteln – das spart man sich gerne, wenn es ungefähr passt. Trinkgeld ist sonst nirgends verzeichnet.

    Zu den Kürzeln:
    Sind alles nur Umsatzwerte. Keine Kilometer, kein Trinkgeld.

  17. Wolfram sagt:

    SMV = Statistischer Monatsverdienst
    SJV = Statistischer Jahresverdienst
    Kreis mit Strich durch = Durchschnitt
    SZ = Schichtziel
    ZZSO = Zwischenziel Sonntag (statistisch)
    WZ = Wochenziel
    SMO = Schicht-Monat-Soll
    SJ0 = Schicht-Jahr-Soll
    SM1 = Schicht-Monat-Ist
    SJ1 = Schicht-Jahr-Ist

    🙂 Wäre zumindest meine Logik.

  18. Sash sagt:

    @Wolfram:
    Ein paar Dinge stimmen 😀

  19. Nick sagt:

    Statistischer Monatsverdienst bei 93,79€?
    Dann könnte sich der Sash aber wohl weder Internet noch Essen leisten. 😉

    Ich würde hier eher auf Schicht-MindestVerdienst tippen.
    Und dann vielleicht jeweils immer der Vergleich mit dem Vorjahr.

    Ansonsten hätte ich auch manches so übersetzt, aber die Zahlen passen nie zu den Kürzeln (Wochenziel liegt bei Sash ja nicht bei 200 Ören).
    Wobei, da fällt mir ein, das könnte natürlich auch das Tagesziel sein um das Wochenziel zu erreichen.

  20. Ozie sagt:

    Als einzige Person hier die einen Bachelor in Sashtistikologie hat, kann ich euch ja nicht so hängen lassen. Ich geb also mal 2 Tipps:

    1. Tipp: ZZSO = Sashs Sauklaue ;)= 2250

    2. Tipp: Saldo fängt auch mit S an.

    Angefangen hat alles übrigens mal mit einem simplen Exel-Dokument mit den Umsätzen und Kilometern jeder Schicht. Und dann habe ich die entscheidende Frage gestellt: „Soll ich da noch ne Formel reinbasteln, die dir sagt, was du pro Schicht verdienen müsstest um am Ende des Monats auf dein Geld zu kommen?“

  21. ednong sagt:

    [quote]“Als einzige Person hier die einen Bachelor in Sashtistikologie hat …“[/quote]
    Hehe, Ozie du bist gut. Und dann noch deine provokative Frage — da konnte Sash ja gar nicht widerstehen. Wieviel Formeln haste denn noch eingebaut?

  22. Wolfram sagt:

    Na, Sash… dann klär uns doch mal auf: WELCHE waren bei mir richtig? Und welche stehen noch zur Debatte? 🙂

  23. Sash sagt:

    @all:
    Ich bin etwas zu platt, aber ich werde noch aufklären. Versprochen. Nehmt mir mein digitales Schweigen nicht übel!

  24. Nobody sagt:

    Oh hat dir das Ozie etwa alle Lebenskraft wieder mal aus den Körper geholt? Kenne ich da bin ich dann auch erstmal für Stunden nicht zu gebrauchen.
    Vielleicht hast du ja auch Frühlingsgefühle entwickelt obwohl ja Philosophen und Mediziner seit jeher über die Ursachen orakeln. 🙂

  25. Sash sagt:

    @Nobody:
    Frühlingsgefühle treffen es nicht so gut. Mich schlaucht eher der Frühjahrsputz 😀

  26. Nick sagt:

    Juhu, Sash klärt uns auf.
    Haste schon die Täfelchen mit den Bienchen und den Blümchen bereit?

  27. Sash sagt:

    @all:
    OK, dann betreibe ich halt mal Aufklärung. Ohne Bienchen und Blümchen, dafür aber mit komischen Rechenoperationen 😉
    Dass das Ganze solche Wellen schlägt, hätte ich auch nicht gedacht. Hier die Abkürzungen:

    SMV = Saldo Monat Verbesserung
    Ich habe mein Ziel pro Monat und pro Jahr auf den einzelnen Tag umgelegt. D.h. wenn ich vereinfacht 3000 € pro Monat machen will, ist das Tagesziel 100 €. Wenn ich am ersten Tag 80 € schaffe, ist mein Saldo bei -20 €. In dem Fall wäre SMV = 100 €, weil ich damit meinen Saldo verbessere. Wenn ich im o.g. Fall 101 € schaffe, liegt mein Saldo nämlich nur noch bei -19 €…

    SJV = Saldo Jahr Verbesserung
    s.o.

    SZ = Schichtziel
    Mein Jahresziel geteilt durch die Anzahl der Schichten, die ich zu fahren gedenke. Im Gegensatz zum Saldo sind hier bereits freie Tage und Urlaub mit eingerechnet.

    SM0 = Saldo Monat (Tag) 0
    Heisst: Mit der Kohle ist mein Monatssaldo ausgeglichen. Ich hab das Soll für diesen Tag also erreicht. Wenn statt der Null eine 1 hinten ansteht, dann bedeutet das, dass das Ziel für morgen erfüllt ist, 2 steht folglich für übermorgen etc.

    WZ = Wochenziel
    Das ist eine relativ ungenutzte Angabe, die davon ausgeht, dass ich mein Soll pro Woche erreiche, wenn ich unter der Woche je 133 und am Wochenende 200 pro Tag schaffe…

    …ansonsten hat das mit dem Durchschnitt natürlich gestimmt, und Ozie hatte mit der Sauklaue recht: Es sollte 2250 heissen. Das ist der Gesamtmonatsumsatz. Ich setze mir alle 250 € einen Orientierungspunkt in meine Ziele, damit ich nicht vergesse, wie wenig ich erst zusammen habe 😉

    So, ich hoffe mal, dass nun alle zufrieden sind 😀

  28. […] Dachte er sich zumindest und verlangte mit Händen und Füßen ein Blatt Papier. Ich hab ihm mein kleines Büchlein gereicht. Daraufhin stand dort […]

  29. […] immer schon erledigt. Allerdings hab ich ja jede Menge Zeug im Auto verteilt. Trinken, Essen, mein Büchlein, Lektüre, Geldbeutel und nicht zuletzt die CD im Laufwerk wollen alle eingetütet werden. Dann […]

  30. […] wenn ich so in mein kleines Büchlein schaue, dann muss ich feststellen, dass meine Kunden in den letzten Tagen beinahe schon […]

  31. […] ist, dass ich sie in all den Jahren bei GNIT nie erwähnt habe. Im Grunde stehen zwar wie bei meinem Büchlein auch einfach endlos viele Zahlen drin, aber die sind noch öder als das, was ich für mich privat […]

  32. […] ich genau jetzt das erste Mal ausgeschlafen, vielleicht fällt mir bis morgen beim Blick in mein heiliges Büchlein ja noch was […]

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