Osterferien oder Januar II

Obwohl dieses Wochenende das erste Mal dieses Jahr sowas wie Ausgehwetter angesagt war, waren die Umsätze im Taxi grotesk niedrig. Auf mein normales Wochenende fehlen knapp 40%, und das hat nur bedingt damit zu tun, dass ich auch immer ein wenig früher Feierabend gemacht habe. Die 2 Stunden, die ich normal mehr runtergerissen hätte, hätten locker den doppelten Stundenschnitt von Silvester hergeben müssen, um das Wochenende noch gut zu machen. Ein Tag schlechter als der andere – aber immerhin bin ich viel zum Lesen gekommen.

Dass ich heute früher Feierabend gemacht hab, lag aber eher an der letzten Fahrt. Die Informationen, wo es letztlich hingehen sollte, waren nämlich zu Beginn sparsam, es war eine Tour mit zwei Zwischenstopps. Als wir dann am Ende aber keinen Kilometer von der Firma entfernt gelandet waren, wollte ich wirklich nicht nochmal in die Stadt zurück. Obwohl die Fahrt Laune gemacht hat. Eine besoffene Sechsergruppe inklusive einer potenziellen Kotzerin mit mauen Richtungsangaben – trotzdem toll. Manchmal machen es dann doch die Menschen hinter den Fahrgästen aus.

Und die Tour war lang und hat meinen Umsatz erheblich erhöht. 34,40 € inkl. Zuschläge. Was auch schon wieder niedlich war. Ohne die Zuschläge standen ja erst einmal 31,40 € auf der Uhr. Mir wurden 35 mit einem „Stimmt so“ gereicht. Als ich dann den bösen Knopf gedrückt habe, der beides zusammenzählt, wurde mir von einer Kundin immerhin noch eine Münze nachgereicht:

„Tut mir leid, wir dachten, es wären nur die 31,40.“

Ich hab ihr kurz das System mit den Zuschlägen erläutert und sie fand das nicht etwa doof oder unnötig, sondern schön, es zu wissen. Da sind mir die zwei verlorenen Euro Trinkgeld dann doch auch egal gewesen, verständige Kundschaft ist mir persönlich mehr wert.

Niklasgeschenke für Taxifahrer

Mich hat’s ja beim Sturm neulich nicht aus dem Haus getrieben. Ich hatte ganz regulär frei, das Auto wurde von anderen Kollegen genutzt. Ich hätte vielleicht eines bekommen können, vielleicht auch nicht. Ich hab das Ganze nicht für so wichtig genommen, dass ich mich groß bemüht hätte. Damit lag ich ganz offensichtlich falsch. Gefühlt hat jeder der Kollegen, die gelegentlich oder immer am Ostbahnhof stehen, eine oder mehrere weite Fahrten ins Umland gekriegt, weil massig Züge ausgefallen sind oder enorme Verspätungen hatten. Einer hat an dem Tag über 800 € Umsatz gemacht (dank einer gut bezahlten Fahrt nach Hamburg) – und dem glaube ich das sogar, was bei Rekordumsätzen nicht bei allen der Fall ist.

Hat einer der mitlesenden Kollegen am letzten Märztag mehr gemacht?

Da ärgert man sich als Daheimgebliebener dann schon. Auf der anderen Seite ist das gerade auch recht angenehm, dass ich das Auto nicht mehr die ganze Woche zur Verfügung hab. Da hab ich mir viel öfter gedacht, dass ich doch eigentlich noch könnte, sollte, müsste. Was ich aber eigentlich schon zur Genüge bei der Schreiberei habe, eigentlich brauche ich das nicht zweimal gleichzeitig.

Wie Hassan und ich uns kennenlernten

… weiß ich schon gar nicht mehr. Wir stehen beide gelegentlich am Ostbahnhof und am Berghain, da werden wir uns irgendwann mal angequatscht haben. Ob einfach reflexhaft mit einem „Guten Abend!“ oder mit der Bitte ums Kleinwechseln eines Fuffis, irgendsowas wird’s gewesen sein. Er ist ein netter Kerl, so ganz grob in meinem Alter. Vielleicht isser auch älter und hat sich nur gut gehalten, keine Ahnung. Wir quatschen am Stand eigentlich fast nur übers Geschäft. Seit vielleicht zwei oder drei Jahren jetzt. Sowas ergibt sich nicht mit allen.

Wir fahren für unterschiedliche Firmen und auch sonst bilden sich unter den Fahrern gerne Grüppchen, die nicht immer durchlässig sind. Traurigerweise oft genug aufgrund blödsinnigstem Rassismus. Als Taxifahrer sind wir zwar alle auf Du und fragen uns gegenseitig nach Wechselgeld, aber wehe da hat einer dunkle Haut, der ist beim nächsten Gespräch ganz schnell wieder einer von „den Kanaken“. Kann man sich nicht ausdenken im Jahr 2015, ich hab schon einige Kontakte wegen so einem Mist einschlafen lassen …

Aber darauf wollte ich gar nicht raus, obwohl man’s schon mal erwähnen sollte.

Woher Hassan kommt, weiß ich gar nicht. Ist mir auch ziemlich egal, er ist einfach ein netter Kollege. Und – das wollte ich eigentlich sagen – er hat verdammt nochmal den Mut, der mir oft abgeht. Er hat mich nämlich am Wochenende während eines Gesprächs einfach mal gefragt, wie ich eigentlich heißen würde.

Und seinen Namen kenne ich auch erst seit diesem Gespräch.

🙂

Das kommt halt auch dabei raus, wenn man sich unter Kollegen trotz fremder Firmenzugehörigkeit immer kollegial behandelt und sogar duzt: Man quatscht ewig miteinander und so ab dem zehnten Mal isses eigentlich zu peinlich, doch noch nach dem Namen des anderen zu fragen. Und das ist kein Einzelfall, so geht es mir mit vielen Kollegen, die ich an der Halte kennengelernt habe. Allen voran der, von dem ich hier zu Hause schon ironisch als „Herr Ostbahnof“ spreche und von dem ich von Wohnungswechseln über Bastelprojekte bis hin zur Krankheitsgeschichte etliches weiß – nur nicht seinen Namen. Ebenso mein russischer Freund, der mich an Silvester gerettet hat und dessen Stories schon mal für einen Blogeintrag gut sind. Oder der, der mir Starthilfe gegeben hat. Oder oder oder …

Seltsames Gewerbe. Muss man einfach mal sagen. 🙂

Die „guten“ Touren immer zuletzt

So hatte ich mir das heute morgen jedenfalls gedacht. Die Schicht war neun, abzüglich der Zeitumstellung acht Stunden alt. Nicht komplett vorbei, aber auf gutem Wege. Und die Tour war super, wenn auch noch einiges an Weg zum Abstellplatz zurückzulegen war. Noch ein oder zwei Winker hätten ja gut gepasst.

Stattdessen stieg mir nach dieser netten Plauderrunde mit fantastischem Trinkgeld sogar umgehend eine weitere Gruppe zu. An der Kulturbrauerei, direkt nach dem Absetzen des wohl besten Fahrgastes. Ich wollte schon weiterfahren, weil ein paar Kollegen dort an der Halte standen – dann aber sah ich, dass es eine Großraumtour werden würde, die keiner der Kollegen machen konnte: Der besoffenen Honks waren es fünfe. Ich möchte die Ausdrucksweise über meine zahlende Kundschaft nicht einreißen lassen, aber es waren Honks. Alles Männer zwischen 40 und 50, voll bis Oberkante Unterlippe und rumnervend wie es mir mit 17 nicht eingefallen wäre.

Aber gut, Zusatzsitz raus, gute Miene zum bösen Spiel, die rocken wir jetzt auch noch weg!

„Wo soll’s hingehen?“

„Dallgow-Döberitz.“

Fuck!

30 Kilometer, 50 Minuten. Und ich hätte sie ablehnen dürfen. Aber klar, das Geld … und sie saßen nun ja schon drin …

Aber was war das für eine Tortur. Bitten, die Uhr auszumachen – wegen 100 Meter baustellenbedingtem Umweg. Lautes Rumbrüllen, langweilige Stories … aber das steckt man als Nachtfahrer ja noch locker weg. Die waren eh so druff, die hätten nach 10 Minuten alle pennen müssen. Aber nein: Stattdessen haben sie in abwechselnder Besetzung jeden Kumpel gepiesackt, der eingeschlafen ist. Laut, mit Ohrfeigen und dummen Sprüchen. Der hinter mir trat mir gelegentlich ins Kreuz, der in der letzten Sitzreihe beschwerte sich andauernd. Dauernd Nachfragen, wann wir endlich da wären, unterbrochen durchs Brüllen derer, die wachgeohrfeigt wurden … alter Schwede. Und dafür hab ich meinen Feierabend um eine ganze Stunde verschoben.

Ich bin wirklich NICHT zu alt für den Scheiß. Ich mag die chaotischen Truppen auf eine gewisse Art ja auch ganz gerne. Aber die Kombination aus unlustig, laut, lang und nervig im Zusammenspiel mit meiner Müdigkeit, der falschen Richtung … das fällt so eben auch selten zusammen.

Aber man sollte ja auch die positiven Seiten nicht vergessen: Ich hätte sonst nicht mehr so viel Umsatz gemacht – und außerdem fühlt sich der Feierabend nach so einer Fahrt auch WIRKLICH gut an. 🙂

Das Schicksal belohnt halt doch die Unehrlichen

Ich bin ja eigentlich eine ehrliche Haut. Aber es gibt so Tage, die auch mich brechen. Ich halte die Tarifbindung im Taxigewerbe für sinnvoll und halte mich zu 99,9% daran. Und Ausnahmen mache ich meist nur, wenn ich selbst Mist gebaut habe. Und dann sind da die zwei Fahrten jährlich, bei denen ich gegen dieses Gesetz verstoße.

In diesem Fall war es eine nicht sonderlich gut gelaufene Schicht, bei der ich mich eigentlich schon auf dem Heimweg befunden habe. Keinen Bock mehr, nach anderthalb Stunden Wartezeit eine 5€-Tour, alles nicht so dolle. Dann aber ein Winker, der abgezählte acht Euro bereithielt und fragte, ob ich ihn zu einem Bahnhof bringen könnte.

Ich will’s nicht schönreden, ich hätte es nicht annehmen dürfen. Der Preis wäre eher so um die 10 bis 11 € gewesen. Aber zur Erklärung:

  1. Es war ein beschissenes Wetter.
  2. Er hatte offenbar wirklich nur noch 8 €.
  3. Er war Opfer einer undurchsichtigen Haltestellenverlegung geworden.
  4. Ich brauchte dringend Umsatz.
  5. Es lag in meiner Richtung.

Ich bin halt auch nicht perfekt und ich helfe gerne anderen Menschen. Also hab ich die Uhr nach 8 € ausgemacht. Und, was ist passiert? Ich hab danach ziemlich schnell noch einen Winker bekommen, auch fast auf dem Weg, mit gutem Umsatz und auch mit Trinkgeld. Hätte eigentlich so nicht sein sollen, freut mich aber trotzdem. 😀

Wie sich Geschäftspartner im Taxi begrüßen

Es ist ja schon kompliziert genug mit dem Duzen und dem Siezen im Taxi. Neulich wurde mir irgendwo in den Weiten der Internetkommentarspalten unter einem Zeitungsinterview bereits attestiert, unfreundlich zu sein, weil ich in einer Anekdote Kotzer geduzt habe. Zu dem Thema kann ich eigentlich nur einen alten Text verlinken.

Die Geschäftsanbahnung verläuft tatsächlich mal mehr mal weniger förmlich. Tolles Beispiel von neulich:

„Alter, Alter, Alter! Bring mir mal schnell inne XY-Straße, ich muss pissen wie’n Ochse!“

„Guten Abend erstmal.“

„Wat, Alter?“

Und um’s mal klarzustellen: Ich hab ernsthaft grinsen müssen. Ich finde Höflichkeit nichts komplett überflüssiges, aber vorteilhaft ist sie eben auch nur, wenn sie ehrlich ist. Ich fahre als Taxifahrer grundsätzlich unterschiedlichste Leute. Da sind welche dabei, die die Nase rümpfen, wenn ich auch nur eine Nachfrage habe – und andere, die mich sofort als Kumpel haben wollen und ihre Lebensgeschichte erklären; oder eben, dass sie dringend pinkeln müssen. Nichts davon rechtfertigt Beleidigungen oder so, das ist auch klar. Aber ganz ehrlich: Eine der größten Challenges in dem Job ist es, mit besoffenen Proleten direkt nach dem letzten Opernbesucher klarzukommen – und nicht, dass man nur einem davon eine angemessene Heimfahrt bietet und dem anderen Grund für eine Beschwerde gibt. Und man kann sich damit auf wirkliche Ernstfälle in allen Lebenslagen vorbereiten. Oder wann hattet Ihr das letzte Mal die Chance, einem komplett Fremden zu sagen, dass er sich auf Ärger einstellen kann, wenn er in euer Auto pisst? 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Fump, weg ist das Licht!

Die Sonnenfinsternis hatte es nicht geschafft, die Nacht dann doch.

Stromausfälle sind jetzt an sich nichts überragend berichtenswertes, würde ich eigentlich sagen. In erster Linie sind sie furchtbar nervig für alle Betroffenen. Als Autofahrer jedoch mal einen von außen zu betrachten, hat dann aber wiederum einen erstaunlich eigenen Flair. Es hat so ein bisschen was von Naturschauspiel. Und ich stand wirklich an geeigneter Beobachterposition heute Nacht.

Ich hatte einen Kunden an Bord, der in die Voigtstraße nach Friedrichshain musste, und wir näherten uns seiner Heimat vom Alex aus. Am Frankfurter Tor stand ich an der Ampel Richtung Osten, als plötzlich auf der linken (nördlichen) Seite der Frankfurter Allee alle Lichter ausgingen. Fump. Da ich mich im Verkehr nicht unbedingt auf die Straßen- und Hausbeleuchtung konzentriere, hab ich erst einmal auch nur so ein What-the-Fuck-irgendwas-hat-sich-gerade-verändert-Gefühl gehabt – aber nach ein paar Metern war klar: Da liegen mehrere Hausblöcke im Finsteren, unter anderem der meines Fahrgastes.

Und mal ganz ehrlich: Die Dunkelheit einer Neumondnacht bei völlig ausgeschalteter Beleuchtung innerhalb der betroffenen Viertel ist schon beeindruckend dunkel für Stadtgemüse wie mich. Aber Berlin wäre nicht Berlin, wenn es als Reaktion nicht gleich ein spontanes Feuerwerk, angeblich auch noch eine Spontandemonstration und – das war das einzige was ich letztlich mitgekriegt habe – eine Menge behelfsmäßiges Blaulicht gegeben hätte. Diese Stadt könnte man sich nicht ausdenken, wenn es sie nicht bereits gäbe. 😉

Mein fotografisches Zeugnis ist zwar ausgesprochen mangelhaft, aber immerhin etwas:

Die Frankfurter Allee gen Osten, 21.3.15, 3:50 Uhr. Quelle: Sash

Die Frankfurter Allee gen Osten, 21.3.15, 2:50 Uhr. Quelle: Sash