„Blitzmarathon“

Bundesweit wird heute von der Polizei extrem viel geblitzt. Alleine in Berlin an 250 Stellen (pdf), kurzfristige Verschiebungen nicht eingerechnet. Es ist nicht so, dass ich das jetzt irgendwie total geil finde. Für Blitzer gilt in meinen Augen das selbe wie für jegliche Art Überwachung in der Gesellschaft: Man sollte sie auf das Minimalste beschränken. Ich bin kein Law-and-order-Typ, mich nervt die Scheiße hier ungemein.

Aber wir haben hier in Deutschland manchmal auch ein etwas gestörtes Verhältnis zu unseren Autos, das muss auch ich als hauptberuflicher Fahrer sagen. Das Internet ist schon wieder voll von Prolls, die „Abzocke!!!“ schreien, ohne zu bemerken, dass sie das nur schreiben können, weil die Aktion seit einer Woche angekündigt und promotet wird. Was bei näherem Hinschauen reichlich wenig Sinn gibt, denn man kann sich recht einfach dagegen wehren, geblitzt zu werden. Das einfachste (wenn auch sicherlich nicht einzige) Mittel ist: nicht schneller fahren als erlaubt.

Ich kenne auch eine Menge in meinen Augen unsinnige Geschwindigkeitsbegrenzungen und ich ärgere mich sicher auch darüber, wenn ich in so einem Bereich mal geblitzt werde, weil ich gewohnheitsmäßig zu schnell bin (z.B. Am Treptower Park, 22 – 6 Uhr Tempo 30, Fickt Euch!). Aber wenn es mich heute erwischt, dann nur, weil ich zu blöd war und nicht darüber nachgedacht habe.

Mein Schein (hier der P-Schein) ist schneller weg als Euer Lappen. Und ich fahre mehr als viele private Fahrer. Dennoch ist mein Punktekonto bei null und war nur einmal bei 3. Irgendwie hab ich also die Vermutung, dass ich heute überdurchschnittlich entspannt in den Tag starten kann, aus Gewohnheitsgründen. Und mir macht Autofahren immer noch Spaß.

Denkt wenigstens kurz darüber nach.

Und habt selbstverständlich eine gute Fahrt heute, ohne überteuerte Fotos und ohne sonstigen Stress. Das würde mich natürlich am meisten freuen. 🙂

Die andere Seite

Wenn man sich die Nachrichten anschaut, hat man schnell genug von der Welt. Mord und Todschlag allenthalben, und wenn nicht vor der eigenen Türe, dann irgendwo anders. Man hat das Gefühl, die Ellenbogengesellschaft ist so langsam auf dem Höhepunkt angelangt und ohne Stress und Nerverei sei man ohnehin doch der letzte Doofe auf der Welt. Und dann sowas:

Als der Arm kurz vor dem Ostbahnhof in der Straße der Pariser Kommune hochgeschnellt ist, hab ich mich nur bedingt gewundert. Hier war Endstation für Ersatzbusse, die zwischen dort und der Warschauer Straße einmal blöd im Kreis fahren mussten. Und nun eine ältere Frau, oh nee, Moment mal! Ein Typ in meinem Alter mit zwei Kindern war auch noch dabei.

„Sagen Sie, haben Sie zwei Kindersitze?“

„Ja, hab ich.“

„Wie viel würde das denn kosten, wenn Sie ihn und die Kids zum Hauptbahnhof bringen würden?“

„Ich sag jetzt sicherheitshalber mal 15 €.“

„Und danach in’n Tiergarten?“

„Im schlimmsten Fall kommen da 20 zusammen, aber wahrscheinlich deutlich weniger.“

„Das ist ok. Ich hab halt auch nur noch 25 dabei …“

So weit, so gut. Nachdem wir die Kids – und zudem einen ganzen Berg Gepäck – verstaut hatten, lief die Fahrt wie jede andere. Nette Kundschaft, kein Stress. Erst währenddessen hab ich so langsam mitgekriegt, was Sache war. Die Frau und der Typ gehörten nicht zusammen. Sie hatte ihn mit einer Freundin zusammen aufgelesen. Er kam mit seinen zwei Kids aus Marokko, um seine Freundin, die Mutter der beiden, zu besuchen. In Wolfsburg. Nun hatte sein Flieger drei Stunden Verspätung gehabt, was ihn ohnehin seinen Zug verpassen lassen hat. Zu allem Überfluss war er aber just in Berlin gelandet, als der Schienenersatzverkehr gerade seinen Höhepunkt erreicht hatte; und das Chaos für einen einzelnen Mann mit quasi null Deutschkenntnissen, einem schlafenden und einem heulenden Kind, sowie drei Koffern ein klitzekleines Bisschen zu viel wurde. Bis zur Warschauer Straße war er wohl gekommen, wusste dann aber absolut nicht weiter. Überfordert und auf das kleine weinende Kind einredend wurde er dann von den beiden Damen gefunden. Und die beschlossen, dass das ja kein Zustand wäre. Zunächst haben sie dem Dreiergespann den Weg zum Ersatzverkehr gezeigt und ihm beim Tragen geholfen. Als sich die Wege der Freundinnen trennten, beschloss meine jetztige Beifahrerin dann, dass sie ja auch mal ein Taxi nehmen und zwischendurch den fertigen Mann am Hauptbahnhof absetzen lassen könnte. Dem war der Rummel um seine Person zwar vermutlich auch ein bisschen zu viel, aber kaum im Auto, fielen ihm auch hier und da mal die Augen zu. Ein bisschen Entspannung tat ihm sichtlich gut.

Am Bahnhof wartete ich dann ein paar Minuten; die resolute Dame ließ es sich nicht nehmen, ihn eigenhändig zum Schalter zu führen, wo ihm dann (hoffentlich) weitergeholfen wurde.

Auf der weiteren Fahrt zu ihr bedauerte sie, dass es offenbar sonst niemanden interessiert hat, dass der Typ da so verloren war. Als sie anfing, sich bei mir zu bedanken, hab ich trotzdem unterbrechen müssen. Ich hatte ja nun wirklich nichts getan, was nicht meiner Arbeit geschuldet war. Ich ließ mich von ihr ja bezahlen und die Tatsache, dass ich meinen Kunden hier und da beim Gepäck oder dergleichen behilflich bin, ist nun wirklich eine andere Nummer, als wildfremde Leute auf eigene Kosten durch die Stadt zu begleiten. Am Ende sollte ich dennoch ein gutes Trinkgeld bekommen. Mehr noch hat mich, so kitschig das auch klingen mag, an dem Abend aber gefreut, dass es solche Leute wie die zwei betagten Damen noch gibt. Ja, am Ende hab ich mir gedacht, dass ich es eigentlich in genau solchen Ausnahmefällen doch auch mal nicht so genau nehmen sollte mit der Bezahlung.

Hunni Nummer 1

So langsam sind wir durch mit den Geschichten, die zur Entgegennahme von drei Hundertern am letzten Freitag geführt haben. Nur einer fehlt noch: der erste. Angefangen hat es wie die absolute Durchschnittstour an dem Abend. Da die S-Bahn zwischen Ostbahnhof und Ostkreuz ausgefallen war, sollte das genau mein Weg sein. Zu Hilfe kam mir ein Telefongespräch, das mein wenig auffälliger Fahrgast umgehend führte. Seine Frau oder Freundin erzählte ihm irgendwas von weiteren Schwierigkeiten ab Ostkreuz. Ich hab gehofft und gehofft, schließlich gab es auch einen Ersatzverkehr nach Erkner. Wenn er die Strecke jetzt mit dem Taxi fahren sollte … na, holla die Waldfee!

„Sagen Sie, was würde das denn kosten, wenn wir nach Erkner fahren?“

„So 40 bis 50 €. Nach Außerhalb ist Verhandlungssache, ich würde da aber gerne nach Uhr fahren.“

Und er nahm an. Yes!

Meine Freude war wirklich groß, das brauche ich Euch vermutlich nicht erklären. Mal eben 40 € sofort statt 9 €, ich hab schon wegen weniger Geld Blogeinträge geschrieben. 😉

Aber das sollte es nicht gewesen sein. Kaum zwei Minuten später folgte eine weitere Frage:

„Sagen Sie, kennen Sie Fürstenwalde?“

„Kennen? Naja. Ich war zweimal dort. Also ich weiß grob, wo’s ist.“

„Was würde es mich kosten, wenn wir dahin fahren?“

„Dann kommen wir in den dreistelligen Bereich. Hundert Euro fix.“

„Wenn Sie 80 machen, fahren wir hin.“

Das war alles andere als ein Superdeal. Wenn wir realistisch einfach mal den Schnitt betrachten, dann sind 80 € für 70 km (die Strecke über die Autobahn) eigentlich nicht drin. Das wäre allenfalls sinnvoll, wenn ich auf dem Rückweg gleich in Rahnsdorf Kundschaft gehabt hätte. Wovon nicht auszugehen war, da ich ebenfalls über die Autobahn zurückfahren wollte.

Aber ich hab angenommen. Ich hätte es wohl nicht getan, hätte er mich am Stand gleich gefragt. Aber nun saß er schon im Auto, ich wusste schon, dass es eine angenehme Fahrt werden würde. Außerdem hatte er klargestellt, dass es die Fahrt sonst gar nicht geben würde. Die beste Begründung für mein Einlenken hat er allerdings unbewusst ein paar Minuten später auf der Autobahn gegeben:

„Ich pendel seit 11 Jahren und das ist das erste Mal, dass ich Taxi fahre …“

Da hab ich keinen Dauerkunden mit Billigpreisen geködert, sondern aus einer einmaligen Fahrt nochmal ein Plus von 40 € rausgeholt. Das ist ok.

Für mich im Übrigen sowieso. Bei dem Thema laufen zwei Argumentationslinien durcheinander. Für mich als Fahrer hätten sich auch 60 € noch gelohnt. Denn die Fahrt hat mich keine zwei Stunden inkl. Rückfahrt gekostet. Und 30 € Stundenumsatz sind außerhalb Silvesters einfach hammergut, selbst an Tagen mit Bahnausfällen. Weniger lohnend war das vor allem für meine Chefs, weil die nun pro gefahrenem Kilometer einfach verdammt wenig Geld bekommen haben. Ein paar Rechenschritte überspringend sehe ich im Ergebnis für die Tour nur rund 25 ct/km für sie zur Verfügung, um das Auto zu unterhalten und (kleiner Scherz bei der Zahl) Gewinn fürs Unternehmen zu erwirtschaften, während es sonst eher 40 bis 45 ct sein dürften. Dauerhaft solche Fahrten und ich wäre arbeitslos. Aber, und das ist das Schöne daran: Als Ausnahme kann man das mal machen und sich über das Plus im eigenen Portemonnaie freuen. Deswegen bin ich froh, die Chefs zu haben, die ich habe. 🙂

Ach ja, um zur Fahrt zurückzukommen: Die wurde mir dann mit den „eisernen Reserven“ des Fahrgastes gezahlt, die er für Notfälle dabei hatte. Das Stadium, immer einen Hunni als Notfallgeld im Portemonnaie zu haben, möchte ich ja auch gerne mal erreichen. Was ich dann allerdings im Gegensatz zu meinem Fahrgast machen würde, ist Trinkgeld geben …

Notiz 4

„In die Tierstraße bitte.“

„Tierstraße?“

„Tierstraße.“

Hat sich am Ende als Thaerstraße herausgestellt. Ist vom Ostbahnhof nicht weit. Aber gut, besser als nichts. Ich brachte den Kunden also zur „Tierstraße“, kassierte und fuhr weiter. Und da stand dann jemand und wollte nach Marzahn. Auf die 7,20 € mal schnell 18 € zusätzlich obenauf. Aber ja, ich bin ja einer von den „Idioten“,. der die Kunden auch nur mal kurz ums Eck fährt …

Notiz 3

„Rauchst Du?“

„Ja.“

„Dann nimm mal ’ne Kippe als Trinkgeld.“

„Ach lass, das passt schon …“

„Nee, nimm!“

Ja, ich rauche. Und ja, ich rauche auch viel. Wobei beim Rauchen ja eigentlich alles über Null zu viel ist.
Aber abgesehen davon: Ich lehne Kippen als Trinkgeld immer ab. Ich rauche lieber meine eigenen, Sucht hin oder her.

Aber klar, lieb gemeint war es sicher.

Notiz 2

Auch sehr schön: Man nimmt eine Truppe junger Schotten als Winker fast direkt nach der letzten Tour auf. Sie wollen zwar nur rund anderthalb Kilometer weit, dennoch keine Kurzstrecke. Am Ende fallen unschottische 1,80 € Trinkgeld auf nur 5,20 € Fahrpreis an. Und im Weggehen hört man noch ein Gespräch von zweien mit:

„Hey, the driver was a nice guy.“

„Yeah, really nice.“

„Berlin guys are really great, I love the city. You gave him a tip?“

„Of course …“

„I love Germany.“

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Notiz 1

Heute wird ein Tag der Kurznotizen. Kleine Begebenheiten, die für längere Beiträge nicht reichen. Hier folgt Nummer eins, der Rest im Laufe des Tages.

Ach, was hab ich mich gefreut. Der absolute Lieblings-Kollege vor mir hat mal wieder eine Fahrt abgelehnt. In dem Fall nicht, weil er nur offenbar ungerne Kurzstrecken fährt, sondern weil er einer der alten Taxifahrer ist, „die das noch richtig machen“: Er stand an Position zwei am Stand, also schickte er die Leute zu Taxe eins. Ich weise darauf zwar auch gerne aus Höflichkeit hin, aber ich verriegele nicht meine Türe deswegen …

Die Tour ging an den ersten, alles ok.

Die nächste Kundin aber ging deswegen an seinem Auto sicherheitshalber vorbei und kam zu mir. Eine Fahrt bis nach Ahrensfelde, rund 25 €. Herzlichen Glückwunsch, Du Depp!

(Sorry, aber ich habe echt reichlich erlebt mit dem Kollegen, nur leider nie was gerichtsverwertbares …)

OK, kleiner Wehrmutstropfen: Sie hat mit einem der drei Hunnis bezahlt. Ich will gar nicht wissen, was der „Kollege“ dazu gesagt hätte …