Hunni Nummer 1

So langsam sind wir durch mit den Geschichten, die zur Entgegennahme von drei Hundertern am letzten Freitag geführt haben. Nur einer fehlt noch: der erste. Angefangen hat es wie die absolute Durchschnittstour an dem Abend. Da die S-Bahn zwischen Ostbahnhof und Ostkreuz ausgefallen war, sollte das genau mein Weg sein. Zu Hilfe kam mir ein Telefongespräch, das mein wenig auffälliger Fahrgast umgehend führte. Seine Frau oder Freundin erzählte ihm irgendwas von weiteren Schwierigkeiten ab Ostkreuz. Ich hab gehofft und gehofft, schließlich gab es auch einen Ersatzverkehr nach Erkner. Wenn er die Strecke jetzt mit dem Taxi fahren sollte … na, holla die Waldfee!

„Sagen Sie, was würde das denn kosten, wenn wir nach Erkner fahren?“

„So 40 bis 50 €. Nach Außerhalb ist Verhandlungssache, ich würde da aber gerne nach Uhr fahren.“

Und er nahm an. Yes!

Meine Freude war wirklich groß, das brauche ich Euch vermutlich nicht erklären. Mal eben 40 € sofort statt 9 €, ich hab schon wegen weniger Geld Blogeinträge geschrieben. 😉

Aber das sollte es nicht gewesen sein. Kaum zwei Minuten später folgte eine weitere Frage:

„Sagen Sie, kennen Sie Fürstenwalde?“

„Kennen? Naja. Ich war zweimal dort. Also ich weiß grob, wo’s ist.“

„Was würde es mich kosten, wenn wir dahin fahren?“

„Dann kommen wir in den dreistelligen Bereich. Hundert Euro fix.“

„Wenn Sie 80 machen, fahren wir hin.“

Das war alles andere als ein Superdeal. Wenn wir realistisch einfach mal den Schnitt betrachten, dann sind 80 € für 70 km (die Strecke über die Autobahn) eigentlich nicht drin. Das wäre allenfalls sinnvoll, wenn ich auf dem Rückweg gleich in Rahnsdorf Kundschaft gehabt hätte. Wovon nicht auszugehen war, da ich ebenfalls über die Autobahn zurückfahren wollte.

Aber ich hab angenommen. Ich hätte es wohl nicht getan, hätte er mich am Stand gleich gefragt. Aber nun saß er schon im Auto, ich wusste schon, dass es eine angenehme Fahrt werden würde. Außerdem hatte er klargestellt, dass es die Fahrt sonst gar nicht geben würde. Die beste Begründung für mein Einlenken hat er allerdings unbewusst ein paar Minuten später auf der Autobahn gegeben:

„Ich pendel seit 11 Jahren und das ist das erste Mal, dass ich Taxi fahre …“

Da hab ich keinen Dauerkunden mit Billigpreisen geködert, sondern aus einer einmaligen Fahrt nochmal ein Plus von 40 € rausgeholt. Das ist ok.

Für mich im Übrigen sowieso. Bei dem Thema laufen zwei Argumentationslinien durcheinander. Für mich als Fahrer hätten sich auch 60 € noch gelohnt. Denn die Fahrt hat mich keine zwei Stunden inkl. Rückfahrt gekostet. Und 30 € Stundenumsatz sind außerhalb Silvesters einfach hammergut, selbst an Tagen mit Bahnausfällen. Weniger lohnend war das vor allem für meine Chefs, weil die nun pro gefahrenem Kilometer einfach verdammt wenig Geld bekommen haben. Ein paar Rechenschritte überspringend sehe ich im Ergebnis für die Tour nur rund 25 ct/km für sie zur Verfügung, um das Auto zu unterhalten und (kleiner Scherz bei der Zahl) Gewinn fürs Unternehmen zu erwirtschaften, während es sonst eher 40 bis 45 ct sein dürften. Dauerhaft solche Fahrten und ich wäre arbeitslos. Aber, und das ist das Schöne daran: Als Ausnahme kann man das mal machen und sich über das Plus im eigenen Portemonnaie freuen. Deswegen bin ich froh, die Chefs zu haben, die ich habe. 🙂

Ach ja, um zur Fahrt zurückzukommen: Die wurde mir dann mit den „eisernen Reserven“ des Fahrgastes gezahlt, die er für Notfälle dabei hatte. Das Stadium, immer einen Hunni als Notfallgeld im Portemonnaie zu haben, möchte ich ja auch gerne mal erreichen. Was ich dann allerdings im Gegensatz zu meinem Fahrgast machen würde, ist Trinkgeld geben …

9 Kommentare bis “Hunni Nummer 1”

  1. Senfgnu sagt:

    Man muss dazu nicht unbedingt viel haben. 100 ist eigentlich in meinen Augen durchaus vernünftig, denn was hilft ein Zehner im Notfall?

    Frau im Krankenhaus? Für einen Zehner fährt da kein Taxler hin. Man muss schnell ans andere Ende von Deutschland? In der zweiten Klasse reicht der Hunni knapp. Jemanden bestechen? Hmja, könnte auch gehen.

  2. impetrare sagt:

    Man muß ja nicht mal so weit ausholen.
    EC-Terminal streikt mal wieder? Wuffel hat (_mal wieder_, das Mistvieh) die EC Karte zerknabbert …
    Ein wenig Bargeld kann nicht schaden, und für den einen sind es halt hundert EUR, für den anderen 500 und für den nächsten noch mehr. Seit ich mal in Hsinchu stand und garkeine Karte mehr wollte habe ich immer eine gewisse Barreserve dabei die mich Notfalls eine Weile über Wasser hält, 100EUR wären da sehr wenig.

  3. Hans Olo sagt:

    Klingt für mich danach, als wenn er sich auf 90 Euro hätte eingelassen.

    „Die fahrt kostet 100 Euronen fix“

    „Wenn Sie 80 machen, fahren wir hin“

    „Gut, dann treffen wir uns in der Mitte und bei 90 fahren wir los“

  4. Mario sagt:

    Ich vermute mal, dass der Fahrgast das Trinkgeld innerhalb des Festpreises sah. Wie funktioniert in so einem Fall die Abrechnung? Immerhin könntest du doch dem Chef sagen, dass 75 Euro abgemacht waren und 5 Euro als Trinkgeld einsacken, oder?

  5. koma sagt:

    Also 80€ für 70km sind wirklich schon arg wenig und er saß ja wohl schon im Auto, also hätte ich ihm das auch klar gemacht, das 80€ bei einem „Uhrpreis“ von knapp 100€ ein Rabatt von 20% sind.
    Und das „20% auf alles“ ja nicht weit führt hat uns ja erst kürzlich irgend so ein Baumarkt vorgemacht;-)
    Da muss ich ganz ehrlich sagen, ich fahr lieber ne vernünftig bezahlte 50€-Tour als eine unterbezahlte 80€-Tour.

    Und @Mario: Das kannste natürlich immer machen, aber bei einer schon unterbezahlten Tour auch noch die Chefs „bescheissen“ fällt halt in die Kategorie Fahrer, die sich normalerweise nicht lange in einer Firma halten, und da gehört Sash denk ich mal garantiert nicht dazu;-)

  6. wurst sagt:

    Der Sash hat in Wirklichkeit 90€ verlangt und hat jetzt 10€ Trinkgeld in der Tasche. Die Geschichte steht hier nur, damit die Chefs sich nicht über die 80€ Tour wundern 😀

  7. Sash sagt:

    @Senfgnu:
    Ja, aber man muss ihn trotzdem übrig haben und nicht ständig was davon kaufen … 🙂

    @impetrare:
    Das ist schon klar. Kommt halt auch darauf an, wie viel man unterwegs ist. Im Geldbeutel bei mir brauche ich z.B. selten viel Geld.

    @Hans Olo:
    Durchaus möglich.

    @Mario:
    Könnte ich grundsätzlich natürlich machen. In dem Fall stehen die 80 € aber auf der Uhr. 🙂
    Ansonsten: Siehe den Kommentar von koma.

    @koma:
    Ich fahr auch lieber vernünftig bezahlte Touren, keine Frage. Und wie gesagt: Hätte er mich am Bahnhof gefragt, hätte ich 100 gesagt und wäre da nicht abgewichen. Das hat sich so aus der Situation ergeben und war in dem Fall ok für mich. Du weißt, dass ich nicht grundsätzlich Werbung für schlecht bezahlte Fahrten mache.

    @wurst:
    Könnte so sein, ja. 🙂
    Aber ganz ehrlich: Wenn es um konkrete Beträge in Relation zu Kilometern geht, bleibe ich gerne bei der Wahrheit, weil das immer schwierig zu konstruieren ist.

  8. Joern sagt:

    In dem Fall stehen die 80 € aber auf der Uhr. ==> könnt Ihr Festpreis-Fahrten in den Taxameter einbuchen?

  9. Sash sagt:

    @Joern:
    Ja, das geht wohl. Hat mir aber niemand erklärt und gezeigt, ich hab’s nur mal in der Anleitung zum Taxameter gelesen. Hab ich aber noch nie gemacht. In dem Fall jetzt lief die Uhr ja sowieso, weil wir nur Richtung Ostkreuz gestartet waren. Da hab ich sie halt bis 80 € weiterlaufen lassen.

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