Irisches Doppel

Ach, dieser Ärger mit den Kunden, wie furchtbar! Da steht man als Taxifahrer eine halbe Stunde am Bahnhof rum und dann wird man total unhöflich gefragt:

„I’m sorry, excuse me: would you please tell us where the Berghain is?“

Nicht mal siezen können die, diese Englischländer!

Man bleibt hart, stellt klar, dass man nicht die Auskunft ist und schon folgt die nächste Frechheit: Da fragen die doch tatsächlich nach, ob man sie dann vielleicht dorthin fahren könnte! Im Ernst! Zum Berghain, dreimal ums Eck! Gott sei Dank wissen die Ausländer nix von der Beförderungspflicht, dieser albernen … ach, ich reg mich schon wieder zu sehr auf!

Naja, wenn man sie dann los ist, fährt man wenigstens für 7,50 € irgendeinen anderen Idioten nach Kreuzberg.

Sowas liest man natürlich nicht hier. Das ist ein fiktiver, nicht realer Blogeintrag, wie er glücklicherweise wohl nur selten geschrieben wird. Die meisten bloggenden Kollegen haben ja doch ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl bei der Kundschaft. Die fragenden Touris gibt es natürlich wirklich, der Wortlaut stammt genau genommen von einer Zweiergruppe am vergangenen Donnerstag. Da war ich der erste Taxifahrer und hab die beiden natürlich nicht weggeschickt. Ich hab ihnen den Weg erklärt, sie wollten mitfahren – und am Ende ist eine recht erheiternde Geschichte geworden.

Natürlich war meine Begeisterung für 4,40 € auf der Uhr nicht übertrieben groß, die beiden Jungs aber waren lustig. Saulustig. Zunächst schmissen Sie sich fast unter den Sitz, weil der Rechtsverkehr ihnen unheimlich war. Dann reagierten sie mit gespielter Empörung, als ich fragte, ob sie etwa aus England oder Australien kämen:

„No way, man! We’re irish!“

Ups. Fettnäpfchen.

Aber da war die Fahrt dann auch schon zu Ende. Eines fehlte natürlich noch. Ein Wort, mutmaßlich Bestandteil der irischen Hymne. Ganz genau:

„Just gimme two back, because you had to listen to our fucking bullshit!“

Acht Euro bei Viervierzig auf der Uhr: Strike! Damit aber nicht genug: vor der Tür standen zwei – Überraschung! – Iren, die „to the nearest S-Bahn“ wollten. Ergo zum Ostbahnhof. Womit ich bei 8,80 € und über vier Euro Trinkgeld nach 5 spaßigen Minuten und weniger als zwei gefahrenen Kilometern stand. Nicht ohne echt irische Wertschätzung übrigens:

„Fucking great you’re here, man!“

Es lässt sich gut leben mit kurzen Touren, ehrlich liebe Kollegen …

12 Kommentare bis “Irisches Doppel”

  1. Quacki sagt:

    Wobei ich sagen muss, wenn ich das so lese hätte ich echt mal Lust einen Blog von einem chronisch unhöflichen, cholerischem Taxifahrer zu lesen. Was denkt der? Wie sieht der die Welt? Warum sind immer alle so gemein zu ihm? 😀 Hier sind immer alle nett, die Situationen klären sich, man fühlt sich beim Lesen richtig gut – brr! 😉

  2. Der Banker sagt:

    Hihihi, jaja, der Linksverkehr!
    In meiner wilden Zeit hat mich eine Internetbekanntschaft aus den USA, als er England besuchte, kurzerhand eingeladen, doch auch mal eben rüberzukommen und zusammen mit weiteren Freunden aus England London unsicher zu machen. Wir müssen uns ein paarmal gegenseitig das Leben gerettet haben, denn wir waren den Linksverkehr ja beide nicht gewöhnt.

  3. Jens sagt:

    Womit bewiesen wäre, dass sich Double Irish nicht nur für Großkonzerne lohnt. 😉

  4. elder taxidriver sagt:

    Habe bei Englischsprachigen einer lieben Gewohnheit entsprechend und aus Phantasielosigkeit immer irgendwie
    ‚the Queen‘ ins Gespräch eingeflochten. Wenn dann gefragt wurde ‚which one?‘ wusste ich : Es sind Iren.

  5. Bernd K. sagt:

    @Quacki: der Blog hier hier ist nix für Misanthropen 😉

    @elder taxidriver: ein reicher Erfahrungs- und Wissensschatz, der sich bei dir angesammelt hat. (Danke für das nette Celan-Gedicht). Deine Biografie würde mich interessieren.

  6. Aro sagt:

    @Quacki
    Einen solchen Blog gibt es tatsächlich – leider.

  7. Sash sagt:

    @Quacki:
    Ach, die mir bekannten Arschloch-Kollegen haben in der Regel gleich noch so einen an der Klatsche, dass ihr Geschmiere nur noch peinlich wäre.

    @Der Banker:
    Ich glaube, mich als passionierten Autofahrer würde das auch gleich doppelt und dreifach schocken … 🙂

    @Jens:
    Naja, meine Double-Irish-Variante erhöht doch auch das steuerfreie Einkommen. So lange die Trinkgelder bei Angestellten landen, passt das also 😉

    @elder taxidriver:
    Clevere Strategie!

  8. elder taxidriver sagt:

    @ Bernd K:

    meine Biografie?
    Das ist ganz leicht: 9 Schulen in drei Bundesländern, ca. 6 Abend-Abitur-Versuche (Abituhr?).
    Taxischein. Weiteste Fahrt: Cottbus. Auf dem Rückweg hat mich keiner überholt. Bitte nicht weitersagen.

  9. Bernd K. sagt:

    @elder taxidriver: ich hätte eher auf die „klassische“ Taxifahrervorbildung mit div. Semestern Philosophie, Kunstgeschichte etc. getippt 😉

  10. hrhrurur sagt:

    „Nicht mal siezen können die, diese Englischländer!“

    Eigentlich sind die sogar so höflich, dass sie JEDEN siezen. „Thou“ ist das englische „Du“ und es ist ausgestorben.

  11. Tom sagt:

    Fährt man die Kunden bei solchen Anfragen vom Berghain aus dann eigentlich zur Nordseite des Ostbahnhofes? Wenn sie zur S-Bahn wollen, ist das ja für sie dort ja erheblich näher als wenn sie vom Haupteingang einmal durch die Halle und an allen Gleisen vorbeilaufen.

  12. Sash sagt:

    @Tom:
    Die Durchfahrt zum Nordeingang ist noch nicht ewig offen, folglich hab ich die Leute – wenn sie nichts anderes gewünscht haben – immer zum Haupteingang gefahren. Das allerdings wirklich nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil es mir einfach naheliegend erschien.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: