Sash, der Kasten-Weise

Manchmal sind sogar Idioten ein Grund, sich zu freuen. Ehrlich!

Klar, ein bisschen kennen wir das alle, wenn wir uns schadenfroh irgendwelche Epic-Fail-Videos auf Youtube anschauen, aber das Reallife ist da nicht unbedingt weniger so. Zum Beispiel am Taxistand. Ich kam gerade am Ostbahnhof an und hab mich gefreut, dass gerade einmal drei Kollegen dort standen. Das versprach eine kurze Wartezeit – und da Zeit bekanntlich Geld ist, war ich eben happy.

Gar nicht happy sahen aber drei Jungs aus, die dort am Stand rumlungerten. Erstaunlicherweise, denn jeder von ihnen hatte einen ganzen Kasten Bier bei sich. Es war dann ein bisschen so, wie es immer beim Flirten ist: Ein paar erwartungsfrohe Blicke wurden ausgetauscht und irgendwann bewegten sich die beiden Seiten aufeinander zu. In diesem Fall kam einer der Jungs zum Taxi und fragte an, ob ich sie denn auch mit den Kästen mitnehmen würde. Was sollte ich da sagen:

„Natürlich. Es sei denn, ich soll die alle trinken. Da müsste ich nach spätestens einem halben Kasten aber ernstlich passen!“

Die Jungs waren – wie man eigentlich schon daran erkennen konnte, dass die Kästen noch voll waren – völlig nüchtern. Chips hatten sie auch noch am Start, es war also ganz offensichtlich der Auftakt zur Party. Die Tour sollte in die Axel-Springer-Straße gehen. Keine rekordverdächtige Tour, aber mit knapp 9 € auch nicht gerade das Schlimmste, was einem passieren kann.

Dennoch hatten alle drei Kollegen die Fahrt abgelehnt. Alle drei!

Keine Ahnung, was die Herren Elite-Chauffeure sich dabei gedacht haben, sie waren schlichtweg Idioten. Die Jungs waren nämlich nett, ruhig, angenehme Fahrgäste in jederlei Hinsicht. Die Kästen haben sie selbst in den Kofferraum gewuchtet und sogar ein durchschnittliches Trinkgeld haben sie am Ende gegeben. Alles nicht aufsehenerregend, aber genau deshalb auch eines: kein Grund, die Tour abzulehnen! Ganz normale Fahrgäste. Nur hatten sie statt Koffern Bierkästen dabei und wollten statt für 8 € zum Paul-Lincke-Ufer für 9 € zur Axel-Springer-Straße.

Ich könnte mich jetzt hier noch eine Weile lang auskotzen darüber, was für arrogante Arschlöcher besagte Kollegen waren. Und das völlig zu Recht. Hab ich aber nicht vor. Denn ich hab mich gefreut, die Kunden haben sich gefreut und am Ende hatten somit alle etwas davon, dass ich die Tour bekommen habe. Abgesehen von den paar Euros, die ich schneller als die Kollegen verdient habe, bleibt mir zudem aber noch etwas, das die drei sicher eher selten zu hören bekommen:

„Yeah, immerhin ein korrekter Taxifahrer in Berlin!“

21 Kommentare bis “Sash, der Kasten-Weise”

  1. sightshigh sagt:

    Das ist mal ne richtig schöne Geschichte, die meine Taxi-Erfahrungen voll bestätigt: Nicht alle TaxifahrerInnen sind von der angenehmen Sorte.
    Da ist es klasse, wenn man ein nettes Exemplar findet, und weil ich gern an eine bessere Welt glaube, lese ich Deinen Blog so gerne. So einfach ist das. 😉

  2. Christian sagt:

    Manchmal bin ich doch froh, dass ich in einer Kleinstadt wohne. Wenn ich ein Taxi brauche, dann bekomm ich es auch, selbst wenn ich nur eine Straße weiter möchte… Allerdings ist mir das in Berlin schon wirklich sehr oft aufgefallen, das viele Fahrer nicht wirklich lust auf ihren Job haben.

  3. Mausflaus sagt:

    Vielleicht waren die Kollegen alle Moslems, deren Gewissen es verbietet, Alkohol zu transportieren.

  4. Klaus sagt:

    Ich schließe mich @Mausflaus an. Sollte das der Fall gewesen sein, solltest du wenigstens die „arroganten Arschlöcher“ zurücknehmen.

  5. Naja gut… aber wer damit nicht umgehe kann, sollte den Job auch nicht machen. Wenn ich kein Blut sehen kann, werde ich kein Chirurg und wenn ich mit Menschen nicht umgehen kann, werde ich kein Pädagoge.

    Aber ich finde es toll, dass du sie mitgenommen hast. Eine Freundin und ich wurden nach einer Gothicveranstaltung auch nicht vom Taxifahrer mitgenommen, weil dieser „nichts mit Satanisten zu tun haben wolle“. Der nächste Taxifahrer durfte sich dann über eine schöne Strecke und ein sattes Trinkgeld freuen und ich hatte nicht das Gefühl, dass ihm die Fahrt mit usn unangenehm war.

  6. ednong sagt:

    Ich faß es nicht – wie kann man so eine Fahrt ablehnen? Haben die denn das den Fahrgästen ggü. nicht begründet? Ich mein die Geschichte mit dem Alkohol und den Moslems, hm, ich mein, die Fahrer trinken nichts davon, nichts ist davon im Innenraum – ich weiß nicht, wäre vielleicht ein wenig dürftig.

  7. Bernd K. sagt:

    Wie sieht das mit der Beförderungspflicht aus? Es sollte doch egal sein, ob ich mit Koffer oder einem Kasten Bier oder dem Wocheneinkauf transportiert werden möchte. Meine letzte Taxifahrt war übrigens mit meinem neu erworbenen PC im grossen Karton.

    Solange das Auto nicht beschädigt und verschmutzt wird und die Verkehrssicherheit gegeben ist, sollte doch (fast) alles transportiert werden dürfen.

  8. MsTaxi sagt:

    @mausflaus, @Klaus

    Ich nehme mal an, ihr meint euren Beitrag ironisch? *hoffnungsvoll schaut* Es hat nämlich dem Taxifahrer vollkommen Banane zu sein, ob er für sich selbst aus religiösen, gesundheitlichen oder sonstigen Gründen etwas ablehnt, was seine Kunden für gut halten. Ich kann mich als CDU-Anhängerin nicht weigern, Delegierte zum „die Linke“-Parteikongress zu fahren oder aber als passionierte Schachspielerin Fussballfans zum Pokalspiel. Eine Gesinnungsprüfung im Taxi findet nicht statt. Und das PBefG gibt ganz klare Vorgaben, wann ich eine Tour innerhalb des Tarifgebietes ablehnen darf und wann nicht.

    @Bernd K.

    Es sollte fast alles möglich sein, sofern dem Kunden klar ist, dass wir eigentlich nur für den Transport von Personen und Gepäck da sind. Soll heißen, wer sein heißgeliebtes Chinaporzellan im Taxi von altem zu neuem Wohnort fahren lassen will, darf sich nicht wundern, wenn ihm der Taxler sagt: „Ich bin keine Umzugsspedition, etwaiges finanzielles Risiko im Falle von Bruch geht auf deine Kappe“ bzw. „Ich schleppe dir deinen Plünnen nicht auch noch ins Haus.“

    Sashs Kunden waren nüchtern, nicht aggressiv, unverletzt, bluteten nicht, hatten nicht in ihre Hosen uriniert oder defäkiert o.ä. und wollten nur mit ihrem verschlossenen, nicht auslaufenden „Einkauf“ innerhalb des Tarifgebietes gefahren werden. Auch bei großzügigster Betrachtungsweise kann ich hier keinen Grund für einen Tourenablehnung erkennen.

    Wer so eine Einstellung zum Kunden hat, ist in unserem Job falsch. Wer es nicht ertragen kann, dass unsere Fahrgäste manchmal angetrunken sind, sehr alt und deshalb mehr Zeit beim Aus- und Einsteigen brauchen, einen Rollator benötigen, damit sie sich ungehinderter bewegen können o.ä., der ist sollte bei Mäckes oder dem Würger-König Pommes salzen. Und wird sich wahrscheinlich bald nach seinen lustigen Zeiten im Taxi zurücksehnen…

  9. Klaus sagt:

    Ich wurde mal vor längerer Zeit zu einem Getränkehändler gerufen. Dort stand ein sichtlich aufgebrachter Mann mit mehreren Getränkekisten, der mit leeren Kisten in einem Taxi dorthin gefahren war. Er bat den Fahrer zu warten, um ihn wieder zurück zu fahren. Der Kollege erkundigte sich, ob er auch Kisten mit alkoholischen Inhalt transportieren müsse. Ja, zwei Kisten Bier seien dabei. Daraufhin verweigerte der Kollege die Rückfahrt aus religiösen Gründen. Der Witz an der Sache: Der Kunde war selber Moslem.
    NEIN, es war nicht ironisch gemeint. Ich habe ein Problem mit dem Ausdruck „arrogante Arschlöcher“. Vor allem ohne die Hintergründe zu kennen. Punkt.
    JA, das verstößt gegen die Beförderungspflicht und eigentlich darf man sowas nicht durchgehen lassen.

  10. Bernd K. sagt:

    @Ms Taxi:
    Danke für die klaren Worte. Eine ähnliche Diskussion hatten wir ja schon mal bei Bernds Taxi-Blog (Dresden). Mein Meißner Porzellan verpacke ich natürlich ausreichend bruchgeschützt, erwarte aber, dass der Fahrer nicht durch jedes Schlagloch mit Miximalgeschwindigkeit fährt. Und die Hilfe beim Tragen ist abhängig von der Freundlichkeit von Fahrer und Fahrgast, der Konstitution der Beteiligten und dem Trinkgeld. (Meiner Nachbarin trägt der Fahrer den Einkauf immer bis vor die Wohnungstür.)
    Ich glaube wir sind uns da ziemlich einig und du hast diesbezüglich sicher schon mehr erlebt als ich mir vorstellen kann.

  11. Sash sagt:

    @sightsigh:
    Es ist ja auch nicht so, dass das allzu oft passiert – aber sagen sollte man es halt auch mal.

    @Christian:
    Ja, den Eindruck hatte ich hier auch.

    @Mausflaus:
    Hmm, wenn, dann eher konvertierte Moslems 😉

    @Klaus:
    Ja, zugegeben: Das mit den „arroganten Arschlöchern“ war hart. Hab ich aber bewusst so geschrieben, weil es mich wirklich angekotzt hat. Die Fahrer waren mir zwar nicht bekannt, aber von der „üblichen“ Altherren-Riege, die gerne mal nachmittags am Ostbahnhof steht, wenn ich raten müsste, würde ich vermuten, dass es eher der Schlag von Fahrer ist, der es ablehnt, Moslems zu befördern …
    Ich schreib sowas auch wirklich ungern über Kollegen, aber ich hab einfach keinen Grund gefunden, diese Tour sinnig begründet abzulehnen. Wie gesagt: Die waren für Kiddies sogar ausgesprochen höflich und hätten auf jede Hilfe beim Einladen verzichtet, usw. usf. Natürlich ist es in gewisser Weise immer noch geraten, aber ich vermute einfach pauschale Abneigung gegen jugendliche Kundschaft oder sowas. Und das ist einfach scheiße!

    BTW: Krasse Geschichte mit dem Getränkemarkt. Die sollteste auch mal verbloggen! 🙂

    @zartbitterdenken:
    Wie ich ja auch geschrieben habe: So lange es am Ende dann mit einem anderen Fahrer gut passt, ist es ja noch ok. Blöd wird es halt, wenn die dann alleine an der Halte stehen …

    @ednong:
    Ich hab keine Ahnung, wie und warum die das gemacht haben. Zumindest meine Kunden haben mir keine Begründung genannt.

    @Bernd K.:
    Klar war das ein Verstoß. Und die drei Bierkästen konnte man in nun wirklich jedem Kofferraum angemessen unterbringen.

    @MsTaxi:
    Naja, wenn ich mir anschaue, was ich für Kundschaft nachts zum Mäc fahre … 😉

  12. Aro sagt:

    Was hat das mit Moslem zu tun? Darf ich als einst getaufter Katholik auch keine Geschiedenen transportieren? Oder Paare, die unverheiratet zusammenleben?

  13. Micha I sagt:

    @ Aro

    bei den krassen Moslems ist das tatsächlich so, das sie sich weigern, da ihre Glaubensvorschriften Alkohol verbieten.
    Es gab mal den Fall, das ein moslemischer Mitarbeiter in einem Supermarkt sich weigerte, das Weinregal einzu räumen.

  14. Mausflaus sagt:

    ja, es war ein scherz. und ich find die „arroganten arschlöcher“ auch nicht zu hart. wobei; vielleicht waren sie zu sash auch netter als zu seinen 3 vorgängern, nachdem sie gemerkt haben, dass sie mit der pöbel-tour nicht weiterkommen ^^ (und ja, auch das war nicht ernst gemeint)

    @Micha
    ja und der hat sogar recht bekommen…. daher ist das was MsTaxi gesagt hat, von wegen man wäre im job gezwungen ALLES zu machen, auch unzutreffend. unter umständen darf man etwas schon verweigern, wenn man gute gründe dafür hat.

  15. Der Banker sagt:

    „Krasse“ Moslems dürfen übrigens auch keine Geldzinsen annehmen, das kommt bei uns schon mal auf.

    Ich frage mich, ob sich ein muslimischer Taxifahrer, der wegen seiner religiös begründeten Weigerung, Alkohol zu transportieren (der sich genaugenommen ja in jedem Besoffenen befindet) und deswegen fliegt, wegen religiöser Diskriminierung klagen kann.

  16. Will Sagen sagt:

    Wenn ich mal Taxi fahre, setze ich mich erst rein und sage dann mein Fahrtziel. Schmeißen mich die Kollegen dann wieder raus, oder wie geht das?

  17. Anonymous sagt:

    @Mausflaus: man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass Anweisungen des Arbeitgebers anders bewertet werden müssen als Gesetze.

    Außerdem: wenn man es ablehnt, Flaschen, die bis zum Rand mit Alkohol gefüllt sind, zu transportieren, hat man zumindest als Nachtfahrer ein Problem. 😉

  18. Will Sagen sagt:

    Naja, randvoll? In den Bierflaschen war allenfalls 5% Alkohol. Das kann bei manchen Fahrgästen natürlich anders aussehen.. 😉

  19. Sash sagt:

    @Will Sagen:
    Ja, auch sowas kommt vor. Leider 🙁

  20. Apotheker-Typ sagt:

    @ Arno:
    Als gläubiger Katholik verbietet Dir der Papst, Päarchen in Deinem Auto zu transportieren, die sich unverheiratet in Deinem Auto der Unzucht hingeben – insbesondere dann, wenn sie dabei mit einem Kodom verhüten.
    Ob Du Dich daran hälst, musst Du allerdings mit Deinem Gewissen (und eventuell mit der Sitzreinigungsfirma) ausmachen! 😉

    @ Will Sagen:
    Mehr als 5% (pro cent = auf hundert) Alkohol im Fahrgastblut? Das ist dann aber ein Fahrgast für ein schwarzes Taxi mit langer Ladefläche…. Selbst bei gut trainierten Menschen setzt die Alkoholvergiftung locker bei 5 0/00 (pro mille = auf tausend) ein….. 😉

    @ Sash:
    Prinzipiell seh ich es genau so wie Du. Unprinzipiell kann ich aber auch verstehen, dass es Gründe gibt, einen Kundenwunsch nicht nachzukommen, die durchaus im Gewissen liegen. Ich verweigere öfter mal die Abgabe von Chemikalien, wenn ich mir nicht schlüssig bin, ob der Kunde auch wirklich weiß, was er treibt. Das mache ich einerseits aus haftungsrechtlichen Gründen, aber andererseits auch als „aufgezwungener Fremdschutz“, der mir ja laut Gesetz so nicht zusteht (nach meiner Überzeugung aber schon!). Gut, die Beispiele lassen sich nicht vergleichen. Und warum die Jungs mit dem Bier da solange stehen mussten, klärt es auch nicht… aber ich war auch schon mal eine „ausscheidende Körperöffnung“ aufgrund vorstehender Zeilen…. 🙂

  21. Sash sagt:

    @Apotheker-Typ:
    Der Unterschied ist halt, dass ich ihnen das Bier ja nicht verkaufen wollte, sondern sie damit zu ihrer Bude fahren. Man könnte auch sagen, ich trug mit dazu bei, dass sie nicht versuchten, das Bier alleine zu trinken – oder in der U-Bahn schon mit Saufen anfangen 🙂

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