Ich hab nur gesehen, dass zwei Männer in der Halle des Ostbahnhofes aneinandergeraten sind. Es wurden ein oder zwei Schläge ausgeteilt, irgendjemand hat sie getrennt, im Nachhinein keine große Sache.
Einer der beiden kam wutentbrannt rausgerannt, hat sich eine Minute mit einem Kollegen unterhalten, dann ist er als Fahrer in eine abgestellte Taxe gestiegen und losgefahren. Was war da bitte los?
Ich hab den Kollegen gefragt, und nach dem war die Geschichte folgende:
Der oben erwähnte Kollege stand offenbar am Ostbahnhof in der Schlange ganz vorne. Dort bekam er einen Funkauftrag zum Fritz-Club, direkt Ecke Straße der Pariser Kommune. Das ist im Grunde 40 Meter hinter Platz 1 in der Schlange, wirklich nur einmal über die Straße. Obwohl immer wieder auch Kollegen dort vor dem Club direkt warten, was einer der wenigen Streitpunkte an der Halte ist, hat er seinen Fahrgast dort auch angetroffen und aufgenommen. Und jetzt soll es so gewesen sein, dass dieser als Fahrtziel tatsächlich den Ostbahnhof angegeben hat. Also mit Wohlwollen 50 Meter Fahrtweg.
Die kurze Fassung des ebenso unbeteiligten Kollegen lässt einige Fragen offen, insbesondere, was wohl im Taxi genau passiert ist. Fakt ist wohl, dass der Fahrer ihn tatsächlich dahin gebracht hat, und der Fahrgast mit den Worten „Du Arschloch!“ das Taxi verließ und die Tür zugeknallt und/oder dagegengetreten hat.
Um diesen Vorfall zu bewerten, fehlen mir die Infos. Ich weiss nicht, was für Flüche der Kollege ausgestoßen hat, ich weiss nicht einmal, ob der Fahrgast das Taxi mit oder ohne Bezahlung verlassen hat.
Aber eine grundsätzliche Frage hat das Ganze aufgeworfen, und ich hab mit meiner besseren Hälfte unerbittlich einige Zeit über die Problematik diskutiert. Ist es ok, wenn ein Kunde eine derartige Strecke fährt, bzw. was soll so schlecht daran sein?
Meine Position war zunächst die Seite der Fahrer. Es ist allgemein bekannt, dass kurze Strecken jetzt nicht gerade das Wunderelexier sind, das uns Fahrer zum lächeln bringt. Ich selbst mache ja auch wirklich jeden Mist mit, aber kann man in so einem Fall nicht davon ausgehen, dass sich jemand über einen lustig machen will? Dass jemand 300 Meter fahren will, weil er sich kurz aufwärmen will – ok. Dass einem fußlahmen Menschen 400 Meter zu weit zum Laufen sind – ok. Dass wer sich nicht merken will, an welcher Ecke auf den 500 Metern Weg er abbiegen muss – ok. Aber 50 Meter? Mit Sichtkontakt zum Zielort? Ist das nicht ein Zeichen für „Mit dem Deppen kann ich mir mal einen Spaß erlauben“?
Die Argumentation meiner diskussionsfreudigeren Hälfte war dagegen, dass wir abgesehen von der rechtlichen Verpflichtung zur Fahrt ja durchaus auch hier durch den Startpreis entschädigt werden – wir kriegen die 3,20 € hier ja für sichtbar wenig Arbeit hinterhergeschmissen. Oder: Ist das Ganze nicht eigentlich nur deswegen schlimm, weil wir uns als Fahrer über kurze Strecken aufregen? Für 20 € ertragen wir ja auch 15 Minuten lang den ein oder anderen Deppen. Für 10 € auch noch gute 10 Minuten. Warum also sollte eine Minute, selbst wenn es nur eine abschätzige Geste ist, für 3,20 € so schlimm sein? In allen Fällen haben wir unsere Arbeit vielleicht mal nicht überragend gerne gemacht, aber ist es wirklich ein Problem dieses Kunden oder doch des Tarifs in dem Fall – also dass die Wartezeit in dem Fall zu wenig berücksichtigt ist?
Und damit einhergehend: Braucht ein Kunde wirklich einen Grund für eine Fahrt, oder sollte uns als Fahrer das nicht egal sein?
Ganz ehrlich: Ich finde unter all dem oben genannten nichts wirklich falsch. Ärgern würde ich mich wahrscheinlich dennoch über den Typen… auch wenn ich deswegen keine Schlägerei anzetteln würde.
Irgendwelche Gedanken dazu?
Ich denke Respekt kann man von Kunden erwarten, die eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, und dieser zeigt sich beispielsweise darin, das man vermeidet in ein Taxi zu steigen nachdem man die Kanalisation durchschwommen hat.
Aber ich denke, was die Länge der Fahrt angeht ist es einfach Sache des Tarifs einen angemessenen Preis festzulegen. Der Kunde sollte nicht überlegen müssen, ob die Länge der Strecke für den Fahrer zumutbar ist, sondern der Fahrer die für ihn annehmbar Gegenleistung fordern. Vielleicht wollte er die Strecke fahren um nicht zu Fuss an unanbenehmen Bekannten vorbei zu müssen? Es gibt tausend Gründe in die man keinen EInblick haben kann und der Kunde sollte ja nicht gezwungen sein sich zu rechtfertigen.
Anderes Beispiel: Ich habe sehr lange volle Haare. Beim Friseur gab es ein Angebot zum Tönen für jede Haarlänge. Ist es mein Problem, das sie dabei nicht an meine Haarlänge gedacht haben? Anstatt mir einen anderen für ihn angemessenen Preis zu nennen hat der Friseur mich nach Hause geschickt mit Verweis, das er dabei draufzahlt. Wer ist im Recht?
Wahrscheinlich hat der Kunde nicht gewusst, dass es nur 50 Meter sind und war dswegen sauer af den Fahrer, dass der nur eine Kurve gemacht hat und dann kassieren wollte. Das würde das „Du Arschloch“ erklären.
Andererseits, wieso bestelltman sich überhapt telefonisch ein Taxi, wenn die Taxischlang nicht mal 50 Meter weit weg ist?
Zu Deinem konkreten Fall kann ich naturgemäß (nicht mal so nah dran wie Du) nichts sagen, aber prinzipiell sollte der Unternehmer ein Freund von Kurzstrecken sein (er hat einen super Kilometerschnitt!), der Fahrer kann Kurzstrecken wahrscheinlich nur lieben, wenn die Anzahl pro Stunde und das Trinkgeld dazu stimmen. Aber ansonsten gilt natürlich Beförderungspflicht, das heißt, selbst wenn das Fahrtziel in Sichtweite ist, muß man den Fahrgast dahin fahren. Ein Kollege von mir hat einmal eine ältere Dame die 50m bis zu ihrem Ziel rückwärts befördert weil es so wesentlich einfacher und schneller ging :-).
@Soru: Bei deinem Friseurfall bist du ganz klar im Recht, weil der Laden das Angebot jasicher nicht bis Haarlänge XYZcm festgelegt hat.
@Sash: Also wenn ich (selten wies vorkommt und es nicht der Sash is) bei uns ein Taxi per Telefon bestell werd ich immer nach Abfahrts-, ZIELORT und Anzahl Passagiere gefragt. Hat wohl auch was mit Sicherheit zu tun.Klappt das bei euch net? Ändert aber ja wohl nichts dran, dass trotzdem jemand ihn abholen hätte müssen oder?!
@Kük:
Falsch 🙂 Das Schild bei Friseur ist eben kein Angebot, sondern eine unverbindliche Aufforderung an die werte Kundschaft, ein Angebot abzugeben (lat. „invitatio ad offerendum“). Insofern darf der Friseur das ablehnen. Ob er sich damit besonders viele Freunde macht, wenn eine solche Ablehnung öfters kommt… andere Baustelle.
Ist doch ganz einfach:
Kunde, verplant und/oder verstrahlt, will vom Fritz nach Hause, hat noch irgendwie in Erinnerung dass der Ostbahnhof in der Nähe ist und ruft ein Taxi. Der Zentralist ist auch etwas neben sich und nimmt den Auftrag an, ohne nochmal nachzufragen, ob der Kunde wirklich 50m gefahren werden will.
Kunde steigt ins Taxi und als er sieht, dass er zu Fuß schneller und billiger dagewesen wäre fühlt er sich verarscht. Den Fehler bei sich selbst zu suchen, ja, das kriegen ja viele nicht mal tagsüber in klarem Zustand hin. Er hätte natürlich kombinieren können, dass der Fahrer nur den Auftrag der Zentrale ausführt und wenn, dann der Zentralist das Arschloch wäre. Aber wer vom Fritz den Ostbahnhof nicht sieht, der kommt gedanklich so weit natürlich nicht …
Innerhalb der Innenstadt wird der Kollege in der Funkzentrale nicht nach dem Zielort fragen, das ist nur bei Adressen weiter außerhalb üblich. Ansonsten hätte er den Kunden sicher darauf hingewiesen, dass er zu Fuß schneller am Bahnhof ist, als auf’s Taxi zu warten.
Ich denke aber auch, dass dem Fahrgast nicht bewusst war, dass er quasi schon am Bahnhof ist. Wir wissen ja nicht, wie er dort hingekommen ist und ob er sich dort auskennt.
Die Situation ist natürlich für beide ärgerlich, aber das „Arschloch“ ist trotzdem nicht angebracht. Eine Schlägerei deswegen aber erst recht nicht.
@Soru:
Ich stimme dir zu. Mich hat bei der Geschichte eben zuerst der Gedanke gestreift: „Der macht das extra.“
@Manuel:
Schade, dass ich wahrscheinlich nie erfahren werde, ob der Fahrgast das wusste oder nicht. Das mit der telefonischen Bestellung macht die Sache wirklich kurios.
@Taxi 123:
Hast schon recht. Und dass die Beförderungspflicht hier greift, ist klar. Rechtlich ist das klar umrissen.
@Aro (und Kük Piep):
Bei Handy-Fahrten wird danach offenbar schon gefragt, beim 3. Aufruf wird das zumindest beim Innungsfunk doch gleich mit angegeben. Da war der Kollege hier wohl zu voreilig 😉
@T:
Durchaus auch eine denkbare Variante der Ereignisse.
OK. Beim Würfel kenne ich das anders.
Sash, ich weiß es nicht. Ich kann mich nur an einen deiner Kollegen erinnern, der sich mal geweigert hat, mich vom Flughafen Tegel nach Kreuzberg zu fahren, weil er nicht der erste in der Reihe war. Ich glaube, ich habe ihn „Arschloch“ genannt, und auch das f-Wort fiel ein paar Mal, weil ich da gerade aus Indien kam und nach drei Monaten Englisch einfach nicht mehr so gut Deutsch sprach. Und, ja, gut, ich sah nicht wie ein vertrauenswürdoger Fahrgast aus.
@Cliff McLane:
Die Regelung in Tegel ist aber auch ein Spezialfall. Da dürfen wir ja nur an der Ladeleiste Kunden aufnehmen. Dort allerdings herrscht offiziell (kein Plan, wie die Kollegen es da halten) auch die freie Fahrzeugwahl. Das ist schon deswegen bekloppt, weil es kein Kunde verstehen kann. Für den Ablauf ist es natürlich nicht unsinnig. Aber wer beschäftigt sich normalerweise mit der Organisation von Taxifahrern?
Insofern würde ich das Arschloch auch nicht für angemessen halten, zumal ich bei einer Tour nach Kreuzberg davon ausgehe, dass der Kollege nicht aus Lust und Laune abgelehnt hat, weil ihm die Tour zu kurz war, sondern weil er es musste.
Ich habe gewaltig einen an der Waffel und pöbel wie ein Kind in fremden Blogs rum…
(Originalkommentar wegen galoppierender Blödheit entfernt, Sash)
@Idiotmensch
Höre ich da versteckten Selbsthass?
@Aro:
Auf jeden Fall ist es zu lustig, um sich drüber ernstlich aufzuregen 🙂
Ich sach nur „Pflichtfahrgebiet“. Da machste nix. O.K. Wenn ich so eine Tour bekomme, dann hört man mich danach auch durch die geschlossenen Fenster… Aber was nützt es.
@Taxi224
Und wenn du dafür noch 1-2 EUR Trinkgeld bekommst? Dann hat sich die Sache doch fast wieder gelohnt.
@Taxi224:
Die Tour zu fahren steht für mich auch gar nicht zur Debatte. Aber ist es ein Grund, sich zu ärgern? Es gibt ja auch erlaubte Dinge, die einen ärgern. Ich würde kurze Strecken da auch nicht dazu zählen, aber ich gebe zu, ich käme mir hier vielleicht verarscht vor.
Fahren würde ich, keine Frage.
@Der Maskierte:
Vom Arbeitsaufwand her lohnt es sich zweifelsohne. Mit anderthalb Stunden Warten davor kann es einem aber vielleicht trotzdem die Laune verhageln.
Yo, der obligatorische 5. ist meist drin 🙂
ohne diskussion fahren.innerlich meckern,wenn fahrgast weg ggf.laut meckern(ist gut für den magen und die psyche!).habe schon öfter grosse trinkgelder bekommen mit der bemerkung „weil sie nicht gemeckert haben!“
persönlicher rekord als tagfahrer,nach 1,5 std wartezeit,fahrgast steigt ein nach 10 metern „stopp,ach hier
hat meine frau das auto geparkt.“ 3,20 eus passend!!!!!!! als fahrgast weg war nicht wiedergebbare flüche
ausgestossen …….
@hans:
Ach, ich bin nicht der Typ, der sich gleich fürchterlich aufregt über sowas. Und was weiß ich, wem ich schon durch Unüberlegtheit ein gutes Geschäft versaut habe…
Fahrgast nicht angehen ist natürlich Pflicht – und die Nicht-Mecker-Trinkgelder kenne ich auch. Ich fahr ja auch die ganzen Kunden, die ängstlich vor dem Wagen stehen und zitternd fragen, ob denn eine kürzere Strecke jetzt irgendwie ok wäre. Die sind immer so herrlich erleichtert, wenn man sie gut gelaunt einsackt 🙂
Kann mir nochmal jemand das Problem erklären? Für quasi null Arbeit 3,20€ zu kassieren ist doch wahrlich kein Grund sich aufzuregen.