Dreister als dreist

Ich hab’s grad nicht so mit der Arbeit. Die macht mich gerade fertig, ich krieg’s nicht gebacken. Also hab ich mich heute nach einem viel zu kurzen Besuch auf Berlins Straßen gleich wieder vom Acker machen wollen. Ich schielte im Vorbeifahren auf die Anzeige der Straßenbahnhaltestellen. Noch 4 Minuten bis zu meiner Bahn! Das ist das praktische daran, dass der Weg zum Abstellplatz parallel zu meiner Bahnlinie verläuft. Ich kann immer sehen, wie viel Zeit ich haben werde, wenn ich heimfahre.
Gut, ich kann bei den letzten paar Stopps ein bis zwei Minuten rausschlagen, aber ein wenig Eile wäre bei 4 Minuten schon angebracht. Der ganze Papierkram im Auto benötigt ja auch seine Zeit …

Nun aber: rote Ampel. So weit, so gut. Ampeln liegen natürlich auch auf dem Weg, aber die sind in der Rechnung schon mit drin.

Dann aber das Beste: Winker vor der Ampel. Drei … hmm, Jugendliche? Zumindest aber mal junge Erwachsene. Da sich meine Arbeitsunlust ganz bestimmt nicht gegen Kunden richtete, hab ich mich sogar gefreut. Na gut, also doch noch eine Tour! Finanziell mehr als notwendig – und zudem sind Winker immer ein Glücksfall. Touren, auf die man nicht warten muss, reißen das Ergebnis immer nach oben raus, da spielt es – außer vielleicht an Silvester – überhaupt keine Rolle, wie weit es letztlich geht.

Ich halte an der Ampel und damit direkt vor dem Winker. Der Rest der Truppe scheint sich gar nicht für das Taxi zu interessieren. Na gut, dann will wohl nur er heim.
Ich lasse einfach mal das Fenster runter und er beugt sich tatsächlich herab, anstatt gleich die Türe aufzumachen. Dann mal schauen …

„Sorry? Haste vielleicht Feuer?“

Ich bin ein lieber Mensch. Ich hab ihm also Feuer gegeben und es hat auch alles so gepasst, dass ich als es grün wurde durchstarten konnte. Aber mal im Ernst: Leute, das ist wirklich scheiße! Schön und gut, dass wir Taxifahrer tatsächlich fast immer reagieren, wenn man uns den Arm hinhält – aber wir machen das, um Geld zu verdienen! Wenn wir anhalten und ein ebenfalls freier Kollege an uns vorbeizieht, dann versaut uns das die Chance auf den nächsten Kunden. Diese Nettigkeit kann uns empfindlich Geld kosten. Und es ist reichlich unfair, dass ausgerechnet die netten Fahrer am Ende draufzahlen, oder?

In dem Fall war wie gesagt die Ampel rot und mir war es ohnehin recht egal, was aus diesem Abend noch wird. Ich hätte trotzdem in dem Moment gerne die Zeit gehabt, dem Kerl mitzuteilen, was ich nun hier geschrieben habe. Aber das hatte ich eben nicht. Bahn in 4 Minuten und so …

Gerade zurück …

…und schon geht es wieder voll los.

Das ist wohl immer so. Ich beispielsweise komme gerade von einem ziemlich ausgiebigen Partywochenende, einige von Euch haben ja bereits gemerkt, dass ich nicht so wirklich anwesend war. Aber da es mich bis ins Ausland verschlagen hat, hab ich mal komplett Abstand davon genommen, in irgendeiner Form erreichbar zu sein. Wie man sieht: Auch Ihr habt es überlebt – wobei das bei mir eigentlich wesentlich fraglicher war. (Gruß an alle, die dabei waren an dieser Stelle!)

Kulturprogramm vor Ort, an dem ich nicht teilgenommen habe. Quelle: Sash

Kulturprogramm vor Ort, an dem ich nicht teilgenommen habe. Quelle: Sash

Während ich mich trotz weit mehr als 1500 zurückgelegten Bahnkilometern nicht über die DB beschweren kann, treffe ich beim Arbeiten ja meist auf Leute, die es etwas schlimmer erwischt hat. Ist auch verständlich, schließlich steigt die Bereitschaft, ein Taxi zu nehmen, enorm, wenn man sowieso schon zu spät ist, da treten solch verzerrte Wahrnehmungen auf. Während meine Taxikundschaft also in der Regel mehr als 30 Minuten Verspätung mit der Bahn hat, habe ich das am ganzen Wochenende mit allen Zügen nicht zusammenbekommen.

Letztes Wochenende war es dann überwiegend die S-Bahn, die mal wieder für Unmut im östlichen Berlin gesorgt hat, so dass ich an meinem Lieblingsbahnhof ganz gut zu tun hatte. Einige meiner Kollegen beschwerten sich anschließend, dass sie zwar auch stets nur kurz gewartet hätten, dann aber auch nur ums Eck gekommen sind. Einmal zur Warschauer bitte, was kostet das bis zum Ostkreuz und reicht das mit acht Euro bis zum Wismarplatz?

Ich hatte nach 5 Minuten eine Fahrt nach Köpenick. So kann’s gehen. 🙂

Erfreulich war vor allem, dass ich auf dem Rückweg gleich noch eine mit zwölf Euro immerhin durchschnittliche Tour nach Kreuzberg hatte. Meckern können hätte ich also nicht einmal über den Kilometerschnitt. Und das, wo wir Taxifahrer das doch so gerne machen …
Ich hatte nun aber nach den ersten 70 oder 80 Minuten bereits 40 Euro Umsatz, da wäre ich sogar einer kleinen Pause nicht abgeneigt gewesen. Da ich sowieso gerade nur zwei Kilometer entfernt war, hab ich mich also wieder in Richtung Bahnhof aufgemacht, um mich dort für zumindest eine Zigarettenlänge wieder an den Taxistand zu schmeißen, der – wie ich bereits bei der Anfahrt erkennen konnte, wenigstens mit zwölf bis vierzehn Taxen besetzt war. Die heiße Phase der S-Bahn-Störung war wohl vorbei. Aber noch vor dem Intercity-Hotel, quasi an der letzten Nachrücke (an der ich nicht einmal stehen zu bleiben gedachte), schnellte ein Arm empor und ich hatte die nächste Tour. Nach Karlshorst, wieder überdurchschnittlich. Gerade zurück und dann sowas …

Es gibt so Momente, da ist man einfach zufrieden.

So wie ich jetzt. Dank sehr großzügiger Reiseplanung, die unter anderem den wohl langsamsten ICE Deutschlands mit eingeschlossen hat (8 Stunden Fahrt von München nach Hannover), war ich von gestern Mittag um 13 Uhr bis heute morgen um 7.30 Uhr nur unterwegs. Für eine Kippe hab ich mich sogar kurz am Ostbahnhof an den Taxistand gestellt, als Fußgänger. Mehr als einen Gruß an einen Kollegen bin ich aber nicht losgeworden, ich hab die S-Bahn genommen. Mit dem nächsten Ausfall warten wir einfach, bis ich wieder im Taxi sitze. Und das wird diese Woche bereits am Mittwoch der Fall sein.

Zum Abschluss noch ein Foto für die, die lange kein Fernweh mehr hatten:

BERG – (für) Berliner Einheimische Rätselhaftes Gebilde. Quelle: Sash

BERG – (für) Berliner Einheimische Rätselhaftes Gebilde. Quelle: Sash

Hektik

Hektik ist eine schlimme Sache in meinem Job. Insbesondere, wenn man ihn so ausübt wie ich: ohne Hektik.

Ich hab vor Ewigkeiten mal hier und da damit geprahlt, dass ich dank meines Jobs als Taxifahrer seit wasweißichwielang nicht mehr auf eine Bahn gerannt bin. Und das ist gut so. Aber manchmal haben es dann eben die Fahrgäste eilig.

Und da gibt es haufenweise Meinungen aus dem Gewerbe zu. Glücklicherweise geht der Tenor da in meine Richtung: Wir können nicht alles richten und unser Führerschein ist zweifelsohne mehr wert als ein lausiges Trinkgeld. Und selbst wenn lausig im ein oder anderen Fall mal in den zwei- oder (soll es alles schon gegeben haben) dreistelligen Bereich geht.

Dass Taxifahrer wie die Irren durch die Gegend heizen ist ein gängiges Klischee. Und wie immer gibt es natürlich auch hier Leute, die dies bestätigen. Das müssen nicht einmal die schlimmsten sein, ich kenne sogar nette Kollegen, die schon mehrmals eine „Auszeit“ vom Job nehmen mussten, weil sie wirklich schnell unterwegs waren.
Aber wie bei vielen irrationalen Verhaltensmustern von Taxen auf der Straße ist das mitunter auch den Kunden geschuldet. Das soll keine Rechtfertigung für mieses Verhalten sein, aber ja: Manchmal springen Kunden auf die Straße um uns anzuhalten und manchmal wollen sie „nach links“, wir setzen den Blinker und dann wird nach rechts gezeigt. Hatte ich alles auch schon und es ist manchmal wirklich schwer für uns, da die Kundenzufriedenheit und die Verkehrssicherheit unter einen Hut zu bringen. Letztere sollte immer im Vordergrund stehen, das ist klar – aber natürlich hab auch ich mich da schon mal falsch entschieden.

Ganz so wild war es bei der Tour nicht. Ich war bereits fast am Ostbahnhof, hab zumindest keine Winker mehr erwartet. Aber an einer Ampel stieg mir dann doch eine junge Frau zu und wollte nach Tegel. Na holla! Lockere 20 bis 25 €, das ist von der Straße weg Luftsprünge wert. Obwohl sie keinen Flieger erwischen musste, sondern nur wen abholen, war es natürlich dennoch eilig. Na klar …
Um 22 Uhr sollten wir da sein, aufgesammelt hab ich sie um 21.43 Uhr am Franz-Mehring-Platz. Dass das nix wird, hab ich ihr gesagt, aber es war ja auch klar, dass mit Landung, Gepäcksuche und Auschecken noch ein paar Minuten mehr übrig bleiben würden.

Wir haben verschiedene Routen diskutiert, sie war selbst passionierte Autofahrerin. Was schon mal schön war. Viele haben da sehr unrealistische Ideen …

Wir einigten uns auf die Linden und einen späteren Stich in den Norden, dann aber war natürlich dort Stau. Also Ausweg über die Friedrichstraße, letztlich folgten wir der Müller- bis zur Seestraße. Was für ein dusseliger Umweg! Aber vermutlich die schnellste Möglichkeit. Gibt ja doch mehrere Kenngrößen im Taxigeschäft – ich orientiere mich normalerweise halt eher am kürzesten und damit preiswertesten Weg. Da haben Tagfahrer natürlich ganz andere Gedanken, das weiß ich.

Durch das viele Hin und Her, teilweise mismutigste Ampelschaltungen und meiner Weigerung, in der Stadt schneller als 70 zu fahren, kamen wir tatsächlich erst um 22.10 Uhr an. Sollte gereicht haben. Mitbekommen habe ich es nicht mehr. Meine Kundin war so sehr in Eile, sie hat mir für die 25,40 € einfach 30 gereicht und „Stimmt so!“ gerufen, bevor sie rausgerannt ist.

Für den Preis hätte ich noch eine ganze Weile warten können und sie günstiger als die anderen Kollegen (kein Einstiegspreis, keine teureren ersten 7 km) heimbringen können. Aber um das zu sagen, hätte ich ja erst einmal die Zeit haben müssen.

Ihr merkt schon: Hektik ist nicht gut, ehrlich nicht …

Erste Hilfe

ist grundsätzlich erstmal kein schönes Thema. Schließlich bedarf irgendwer dieser Hilfe und ist in dem Moment dann zweifelsohne in einer nicht so sonderlich schönen Situation.

Ich hab den Aufruf von Paul im Blog „Alltag im Rettungsdienst“ schon vor ein paar Tagen wahrgenommen, mich aber auch zunächst gedrückt. Paul hat mich nochmal persönlich angefragt und irgendwie ist mir dann klargeworden, dass mein Wegschauen ja auch irgendwie wieder symptomatisch für die ganze Problematik mit der ersten Hilfe ist. Ich zähle auch zu den vielen Leuten, die sich immer Sorgen machen, wenn es um erste Hilfe geht.

Und wenn ich ehrlich sein soll: nicht einmal vernünftige Sorgen. Ich weiß, dass im Notfall jede Hilfe besser als keine ist, aber ich mache mich auch ungern zum Löffel und hasse es, im Mittelpunkt zu stehen. Das ist im Reallife definitiv anders als beim Bloggen.

Und bislang hatte ich Glück. Noch kein Mensch in meiner Umgebung war jemals so hinüber, dass ein aktives Eingreifen vonnöten gewesen wäre, und der eine wirklich bedenkliche Fall inklusive Ohnmacht ist eine Geschichte, deren Schilderung eine Erlaubnis des Schwobs voraussetzt – wäre dann aber auch eher was für Sashs Blog … obwohl, gar nicht wahr. Ein Taxi kam da auch vor. 🙂

Naja, ich bin jedenfalls schon beruflich als Taxifahrer – noch dazu nachts – trotzdem in einer Situation, in der jederzeit hilflose Personen auftauchen können. Und ich kenne mich gut genug um zu wissen, dass ich im Ernstfall meine Zweifel, Skrupel und Ängste ablegen kann. Immerhin gab es schon einige Situationen, in denen ich zumindest mal die Kollegen von Paul um Hilfe ersuchen musste. In drei Fällen hatte das mit der üblichen Alkoholopfer-Problematik zu tun, bei der es ja durchaus mal zwischen Taxifahrern und Sanitätern Streit drum gibt, wer nun zuständig ist.

Der erste Fall, noch ganz aus der Frühzeit des Blogs, war Mark X., den ich auf der Warschauer Brücke in ziemlich leblosem Zustand gefunden habe, der sich am Ende sogar von den Cops hat heimfahren lassen.

Auf Wunsch der Fahrgäste (und in dem Fall wahrscheinlich wirklich unnötig) hab ich bei dieser Tour zum Telefon gegriffen.

Etwas unergiebig war mein Anruf beim Rettungsdienst, als der Typ mit der Jacke am Ostbahnhof rumlag. Aber gut, er hat es ja wohl wirklich auch so geschafft …

Wirklich hilfsbedürftig war natürlich ganz klar Hans Baecker, dieser Fahrt habe ich ja insgesamt ganze 8 Teileinträge gewidmet. Hier die Links zu den Texten (man kann natürlich auch alleine vom ersten durchblättern): 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8.
Die Fahrt hat mich damals echt mitgenommen und ich hoffe wirklich, dass es Hans Baecker inzwischen zumindest den Umständen entsprechend gut geht.

Privat war meine letzte Konfrontation mit hilfsbedürftigen Personen der saftenden Rentner vor meinem Hauseingang.

Was die bescheidene Sammlung auf jeden Fall zeigt, ist, dass es immer mal wieder vonnöten sein kann zu helfen. Paul hat bei seinem Aufruf ganz explizit gesagt, es geht nicht nur um spannende Reanimationsgeschichten, sondern darum zu zeigen, dass jeder hier und da mal Hilfe leisten kann / muss / sollte. Dass man keine Angst davor haben muss und dass jeder das irgendwie kann.

Ich würde mich freuen, wenn ihr die Geschichten bei „Alltag im Rettungsdienst“ mitverfolgt, ggf. selbst welche einsendet. Letzteres hab ich nicht getan, aber da ich vermute, Paul liest hier noch mit, erlaube ich hiermit die Übernahme dieses und jedes erwähnten Textes, falls einer davon besonders gut passen sollte. Weil es so viele Links waren, hier nochmal deutlich:

Alltag im Rettungsdienst – Aufruf…

Von mir!

oder: Das sonderbare Verhalten von Laufkundschaft bei Taxiknappheit

Ich mag meine Donnerstage gerade. Eine regelmäßige Lesertour mit netter Unterhaltung über 15 Kilometer zum (auch noch reichlich späten) Schichtbeginn war die letzten Wochen immer der Einstieg. Gut, ein paar Leerkilometer kommen zusammen, weil ich dafür nach Tegel rausfahre, aber so eine halbe Donnerstagsschicht versaut mir meinen Schnitt nicht ernsthaft. Bin diesen Monat z.B. immer noch bei 0,97€/km, was ziemlich nahe am 1,00-Richtwert ist, der mir von meinen Chefs mal genannt wurde.

Da das insbesondere jetzt im Winter aber immer eine schwierige Sache ist mit dem genauen Timing am Flughafen – weniger von mir, die 1925 hat noch jedes Glatteis bezwungen! –stehe ich dort auch mal eine Weile rum. Das ist aus zweierlei Gründen ein bisschen doof:

  1. Ich habe nur die Wahl zwischen eingeschränktem und absolutem Halteverbot, und eingeschränktes ist meist belegt.
  2. Man kann sich vor Kundenanfragen kaum retten.

Das mit dem Halteverbot war bislang nicht wild. Gestern ist überhaupt das erste Mal wer vom Ordnungsamt aufgetaucht und die Frau hatte Verständnis und hat mich lediglich mit der wohl nur deutschen Ordnungsamtsmitarbeitern eigenen Logik gebeten, doch bitte aus dem absoluten Halteverbot (welches dort sinnigerweise in gekennzeichneten Parkbuchten gilt) rüber auf die Straße zu fahren, um in der Folge (nach etwas stehen im absoluten Halteverbot auf der Straße) die Chance zu bekommen, (für maximal 10 Minuten!!!) ins eingeschränkte Halteverbot zu wechseln. Sei es drum, besser als ein Ticket ist das allemal.

Die Kundenanfragen hingegen …
Ich bin ja ein netter Mensch und als solcher immer bemüht, Probleme zu klären. Der Taxistand befindet sich etwa 30 bis 40 Meter entfernt und dort schicke ich die Leute dann einfach hin. Ich erkläre das völlig selbstverständlich damit, dass ich bestellt bin – und meistens wird das immerhin verstanden. Aber es gibt natürlich auch andere. Ein Ehepaar ist letzte Woche stinkwütend abgezogen, weil ich (ich nehme mal an, sie meinten mit „Depp“ mich) so unverschämt sei und „keinen Bock“ zum Arbeiten hätte.

Da muss was dran sein – ist doch allgemein bekannt, dass das Rumlungern an verschneiten Flughäfen zu den tollsten Freizeitbeschäftigungen zählt. Ich chill da so hart wie Bruce Willis in „Stirb langsam 2“, ehrlich! 😉

Viel amüsanter als die Entrüstung über 40 Meter mehr Fußweg sind aber die ganz besonderen Kunden. So gestern ein etwa 50-jähriger Schauzbartträger, zwei Köpfe kleiner als ich und in edlen Zwirn gehüllt:

„Hallo, sind Sie frei?“

„Nein. Der Taxistand ist gleich da drüben. Ich bin bestellt.“

„Ja, von mir!“

Und dann will der glatt anfangen, seine Koffer einzuladen.

Es mag ja sein, dass er bestellt hatte. Aber ich hatte nun wirklich nicht das einzige Taxi dort. Eine Nachfrage, ob ich sein Taxifahrer bin, ist ja ok. Aber mutwillig anderen Leuten die bestellte Taxe zu klauen, um ja keinen Meter zu weit zu laufen … das ist schon dreist. Für eine passende Antwort war ich dann aber doch zu sehr Dienstleister und hab ihm nur gesagt:

„Nein, Sie sind nicht meine Kundin.“

Das hat glücklicherweise gereicht. Wie gesagt: Ich mag meine Donnerstage …

Zeit- und Magenmanagement

Bestellungen von euch Lesern sind immer angenehme Touren gewesen. Rein statistisch kommt zwar sicher mal ein Psychopath auf die Idee, mir persönlich zu sagen, wie scheiße er mich findet, aber bislang hatte ich da Glück. 🙂
So gesehen ist das Schöne schon einmal, dass ich mir bei den Fahrgästen sicher bin, meist kommen auch noch ganz ansehnliche Strecken oder gutes Trinkgeld zusammen. Im besten Fall läuft es wie am Samstag, da traf auf eine Fahrt, die ich schon zum zweiten Mal gemacht hatte, alles oben genannte zu.

Nun haben aber auch die schönsten Dinge Schattenseiten – und bei Leserfahrten bedeutet das, dass es eben meist vorbestellte Touren sind. Und die haben die Angewohnheit, deutlich mehr Zeit zu kosten als sie eigentlich dauern: man kriegt einfach selten punktgenau eine Fahrt zum entsprechenden Zeitpunkt in die entsprechende Richtung.

Der Samstag lief ja blendend. Es war ziemlich schnell klar, dass die Leser-Tour um 4 Uhr meinen Umsatz in extremen Höhen landen lassen würde, denn davor gab es kaum Pausen. Als die Uhr 3.10 Uhr anzeigte, war mir trotzdem klar, dass die nun folgende Fahrt die letzte davor sein würde, danach wäre es einfach zu eng. Dann stand es plötzlich vor mir, das junge Pärchen, und wollte nach Hellersdorf.
Ich hab mit mir gerungen, denn die Tour versprach gegensätzlichstes: zum einen war es insbesondere der Wetterlage wegen eine ziemlich abenteuerliche Vorstellung, vom Ostbahnhof nach Hellersdorf zu fahren und von dort ans Kottbusser Tor – in 50 Minuten. Zum anderen gab das aber ziemlich genau die Kohle, die ich noch brauchen würde, um mein Wochenziel zu erreichen und nach der langen Leserfahrt ins Umland nach 10 bis 11 Stunden Feierabend zu machen.

Manchmal siegt der Geldbeutel übers ungute Gefühl – ich hab sie eingeladen.

Sie eine resolute junge Frau mit blondem Kurzhaarschnitt und Lippenpiercing, er eher so ein bisschen im Britpop-Stil unterwegs, dank Alkohol jedoch eher weniger eloquent und selbstsicher. Aber das war ok. Sie machte die Ansagen und lästerte darüber, dass er etwas viel getrunken hätte. Er spielte das Spiel mit, gut gelaunt.
Während ich mich durch ein paar kleinere Nebenstraßen in Richtung Landsberger Allee durch den Schnee kämpfte, zog es plötzlich kalt an meinem Rücken, ich merkte, dass er das Fenster runterkurbelte. Beinahe zeitgleich rief ich „FUCK!“ und trat die Bremse durch (was dank vereistem Boden ein extrem angenehmes Anhalten war) während Madame fragte: „Alles ok, Schatz?“ und selbiger mehr gewollt als gekonnt aus dem Fenster spuckte.

Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber es ist recht wichtig, dass er noch nicht ernsthaft kotzte. Da kam zwar was hoch, aber er hat daraufhin das Fenster aufgemacht, um es einfach auszuspucken. Hat halbwegs geklappt, einen einzelnen kleinen Fleck an der Scheibe konnte ich gleich entfernen. Aber es war ja klar, dass das nicht alles gewesen sein würde, wenn wir die Fahrt einfach fortgesetzt hätten. Ich hab ihm die Tür aufgemacht, ihn rausgelassen und das Auto am Straßenrand in eine Lücke manövriert. Der Kollege, der sich an mir vorbeizwängte, sah mich fragend und mitleidsvoll an, ich hab den Daumen gereckt und gegrinst.

War ja nix passiert. Mein Fahrgast stand auf dem Gehsteig und versuchte, beim Kotzen die Balance zu halten. Hat geklappt, sah aber irre komisch aus. 🙂
Mit der Freundin hab ich über meinen Zeitplan gesprochen, sie aber auch beruhigt, dass ich schon wesentlich peinlicheres erlebt habe. Und ich hab angeraten, dass er ruhig alles rauslassen sollte, weil sie nicht wissen will, was ich an diesem guten Abend für ein vollgekotzes Auto für eine Rechnung ausstellen würde. Neben meiner Ansprache hab ich ihm Tücher angeboten und als er abgelehnt hat, hab ich gefragt, ob er wenigstens ein Bonbon gegen den Geschmack haben wolle. Er nahm an und formulierte seinen Dank wie folgt:

„Also schbin ja jetz – oh, sdess peinlich! – schier mit kotzn unn so, nee! Aber weissu: Du bis mal echt der wirklich voll total netteste Tassifahr, den ich jejeabtab!“

Ich hab’s etwas sachlicher beantwortet:

„Hey, ich will genauso wie ihr, dass wir die Fahrt ohne Probleme über die Bühne bringen, klar?“

Die Zeit eilte mir davon, der Minutenzeiger lag bereits im unteren Viertel des Ziffernblattes. Wir haben uns trotzdem die Minute genommen, ihm zu erklären, warum ich ihn nicht mehr an der Tür mit Kindersicherung sitzen haben will und dass er gefälligst nicht dran denken soll, ob ein Stopp peinlich wäre – sondern allenfalls, ob notwendig.

Dann ging’s auf die Landsberger, die restliche Fahrt ging bis auf einmal Abbiegen immer nur geradeaus. Das hat sicher geholfen. Mir saß ein wenig die Angst im Nacken, obwohl ich  ihn nun beobachten konnte. Wie alle Alkoholopfer, die sich von ihrem Mageninhalt überraschen lassen, war er nämlich ein fertiges, zittriges Häufchen Elend, bei dem man nie so genau wusste, ob er am einnicken oder wegkippen war. Da werden 10 Kilometer verdammt lang. Natürlich hab ich mich ein bisschen verflucht dafür, die Fahrt angenommen zu haben – aber jetzt, in dem Zustand, konnte ich die beiden gleich dreimal nicht irgendwo rauslassen. Also gute Miene zum bösen Spiel und am Ende ein immerhin recht schnelles Absetzen direkt vor der Haustüre. Keine Sekunde zu früh, direkt aus dem Wagensitz hat er nochmal eine Ladung nachgeschoben. Aber brav nach draußen. Wenigstens zurechnungsfähig war er am Ende dann doch.

Etwas missmutig hab ich am Ende festgestellt, dass auch der wirklich voll total netteste Tassifahr eine Tour von 25,40 € auf den Cent genau bezahlt bekommen kann. 🙁

Inzwischen hatten wir 3:43 Uhr. Da half alles nichts. Also hab ich telefonisch dazu angeregt, die Lesertour auf 4:10 Uhr zu verschieben. Dank extrem gutem Timing haben wir uns schon 4:09 Uhr getroffen und der Weg für die Abschlusstour war frei. Nochmal 20% Umsatz und 50% Trinkgeld auf die bisherige Schicht obenauf, wichtiger allerdings: eine nette Tour ohne jeden Ärger mit viel Spaß. Und danach hab ich Feierabend gemacht. Bei meinem Glück hätten mich dieses Mal auf dem Rückweg die selben Töffel wie damals angehalten und das wäre mir echt zu viel gewesen …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wasen-Wetter

Die Samstagsschicht lief in vielerlei Hinsicht gut, besser als erwartet, bla keks. Sie hatte natürlich Höhen und Tiefen, hat Spaß gemacht und Nerven gekostet. Auf’s ein oder andere gehe ich in eigenen Blogeinträgen auf jeden Fall noch ein, das Wetter möchte ich allerdings gleich zu Beginn und ganz gesondert loben – insbesondere, da natürlich nicht jeder Kollege meine Meinung dazu teilt.

Klar, der abermalige Wintereinbruch in Berlin kam nach den ersten Sonnenstrahlen trotz Vorhersage unerwartet und ein bisschen fies daher. Ich hab auch gefroren und ich freue mich jetzt auch langsam auf den Frühling – aber das war doch wenigstens richtiger Winter, wie er Spaß macht. Nicht einfach -10°C und dicke Jacken, sondern fettestes Schneegestöber, zudem mit Flocken, die sich umgehend bis weit auf die Hauptverkehrsstraßen liegenderweise ausgebreitet haben.

„Wasen-Wetter“ hab ich das in Stuttgart schon immer genannt, denn schon damals war es mir ein Bedürfnis, die Schneeglätte im Auto wenigstens so zu nutzen, dass sie Spaß macht. Da die Stuttgarter Polizei im Gegensatz zu der in Berlin aber auch die Kapazitäten hat, kleinere Verstöße zu ahnden, hat man sich halt auf dem Wasen getroffen und dort das Auto ein bisschen durch die Gegend schleudern lassen. Das war zwar auch verboten, aber die Cops sind meist nur pro Forma eine Runde um den Platz gefahren und waren nach Minuten ohne großen Unmut zu streuen wieder weg.

Hier in Berlin bin ich so oft zu unmöglichen Uhrzeiten an ziemlich unmöglichen Orten unterwegs, da lässt sich mein Hang zum Driften auch mal in Arbeit verpacken. Kunden bringe ich zwar meist ohne Handbremse ans Ziel, kleinere Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Und nicht jeder Kollege kann folgendes im Kundenlob-Portfolio vorweisen:

„Ha, geiler Slide, Alter!“

Ganz von der Hand weisen kann ich die Aussage, dass der Winter im Alltag nervt, aber auch nicht. Immerhin wird jetzt gerade vor meinem Fenster der Schnee geräumt. Das vierte Mal in 24 Stunden. Einen Schlafrhytmus hält hier bei geöffnetem Fenster und einer gewissen Empfindlichkeit keiner durch. Und vor der Haustür wird nie geräumt. Da ist kein offizieller Gehweg, das ist wahrscheinlich so eine Zuständigkeitsgeschichte. Mit anderen Worten: auch ich muss aufpassen, dass ich nicht müde auf die Schnauze fliege, wenn es schneit.

Im Gegenzug hatte ich jetzt halt mein bisschen Spaß und hab schätzungsweise einen meiner 250 Kilometer in der Nacht auf Sonntag quer zur Fahrtrichtung zurückgelegt.

Nächste Woche lese ich dann bei euch, was am Frühling so toll ist. Deal?