Schichtende (1)

OK, gleich vorweg:

Dieser Eintrag wird etwas länger und ich schreibe ihn, bevor ich ins Bett gehe. Es kann also sein, dass die Fehlerdichte etwas höher ist als sonst. 🙂

Es geht ganz aktuell um das Ende der heutigen Schicht. Meine Planungen für selbiges waren eigentlich recht ausgereift. Das Auto pünktlich auf spätestens 3 Uhr waschen und tanken, danach eine Runde zum Matrix. Wenn es schnell geht und ich eine kurze Tour erwische, dann schaff ich die Bahn um 3.50 Uhr nach Hause, andernfalls die um 4.20 Uhr. Danach war in Marzahn Kochsession mit meiner besseren Hälfte und Kässpätzle angesagt. Bis zum Punkt mit Waschen und Tanken lief alles astrein.

Am Matrix fand ich mich in dritter Position wieder. Um 3 Uhr kann das alles zwischen einer Minute und einer Stunde Wartezeit bedeuten. Meine dauerte rund 20 Minuten. 2 Mädels enterten das Auto, wobei die eine nicht gerade den fittesten Eindruck machte. Da man aber von Fahrgästen alles erwarten, nicht aber unbedingt das, wonach es aussieht, hab ich erst einmal gute Miene zum bösen Spiel gemacht und gefragt, wo es hingehen sollte.

Eine Straße im selben Stadtteil wie mein eigenes Domizil. 20 €, vielleicht ein bisschen mehr. Na holla die Waldfee! Glück muss man haben – und die Schicht war so schon ganz ok.

„Gibt es irgendwo Spucktüten?“

holte mich die blonde der beiden Grazien aus meinen Träumen zurück. Ihrer Cousine gehe es nicht so gut. Och nöö!

Ich hab gesagt, dass ich keine dabei habe und dass vielleicht der beste Weg erstmal wäre, sie von der Tür mit der Kindersicherung umzusetzen.

„Aber das Fenster geht auf?“

„Ja, natürlich. Aber das ist keine gute…“

„Schnell! Aufmachen, schnell!“

Ficken!

Da stand das Auto, noch keinen Meter vom Fleck bewegt, und hinten links reiherte mein Fahrgast einen sprudelnden Mix aus unglaublich absurd riechenden Alkoholika aufs schöne Pflaster. Die Cousine hing hinten an ihr dran, hielt sie an den Schultern und erklärte ihr, dass sie das „ganz fein“ mache. Ob wir nicht irgendwie? Also trotzdem?

„Also ohne Tüten geht gleich dreimal nix! Seid froh, dass es bisher nicht INS Auto ging!“

„Vorschlag: Ich halte sie und sie holen eine Tüte!“

„Äh, nein? Wenn ich eine Tüte dabei hätte, dann hätte ich sie doch längst schon geholt. Und woher soll ich jetzt eine nehmen?“

„OK, anderer Vorschlag: Sie halten sie und ich hole eine Tüte…“

Viel Spaß…

Um es abzukürzen: 2 Minuten später hielt sie es für geboten, einen Notarzt zu rufen. Gemacht hab das natürlich ich, denn das Cousinchen des Cousinchens konnte alles, nur nicht mehr gerade sitzen – was aber just in diesem Fall geholfen hätte. Der Mensch am Notruf bestätigte, sie würden in 5 Minuten etwa da sein. Puh!

Die Auswurfamsel bereitete mir da eigentlich keine Sorgen mehr, denn die saß hackeprall da, hat die verantwortlichen Giftstoffe fein säuberlich auf dem Gehsteig verteilt und professionelle Hilfe war im Kommen begriffen. Wayne? Hauptsache, sie bleibt dabei, aus dem Auto raus zu reihern…

Aber Cousinchen entwickelte einen lebhaften Bemutterungstrieb, und zwischen all den „Fein machst du das“ verlangte sie nach Licht, um ihre Pupillen zu kontrollieren, versuchte sie in zig Positionen zu halten, ihr gut zuzureden und ihr zu erklären, sie dürfe jetzt bloß nicht einschlafen. Ich hab das Ganze dann eher gelassen mit ein paar Tüchern zum Abwischen von Auto und Mund (jeweils getrennt versteht sich) unterstützt und die Heizung hochgedreht, weil es empfindlich kalt war.

Unmittelbar vor dem Eintreffen des Rettungswagens wollte Cousinchen mich schon dazu zwingen, nochmal anzurufen – obwohl nun wirklich noch nicht viel nennenswerte Zeit vergangen war.

Der Sani hat erst einmal den wichtigsten Satz des Abends gesprochen:

„Nee, das is jetzt nich euer Ernst!“

Ob das darauf bezogen war, dass die Dame noch recht unzugänglich im Taxi lag oder daran, dass er sich ihr erst nähern konnte, nachdem er mit den Fußsohlen schonmal Kontakt zum Corpus Conflicti  aufnehmen musste, weiss ich nicht. Fakt ist, ich hätte ihn auch längst bringen sollen!

Die erste sinnvolle Handlung jedenfalls war dann, Cousinchen zu entfernen. Die hat die folgenden Minuten damit verbracht, einem Helfer auf die Nerven zu gehen mit den Worten:

„Aber sie fahren jetzt nicht mit meiner Cousine los? Das tun sie nicht, oder? Bitte fahren sie nicht los!“

[…]

„Und??? Was ist??? Was hat sie???“

„Na, die is betrunken.“

Danke! Das hat mich mit der Situation auch versöhnt. Cousinchen begann, sich ausschweifend zu entschuldigen und bestand darauf, mir die Seitenschweller des Wagens nochmal zu putzen. Und Geld wollte sie mir auch unbedingt geben.

Ja, in Anbetracht der Tatsache, dass ich inzwischen mindestens 6 Kollegen besetzt habe wegfahren sehen, war es nur ein fairer Deal. Verschmutzungen gab es indes keine mehr. Ich fand es ok, dass sie mir einen Zehner zugesteckt hat, obwohl mehr jetzt in Anbetracht der Ekligkeit ihrer Verwandschaft nicht übertrieben gewesen wäre.

Definitiv übertrieben war allerdings der nervige Kollege hinter mir, der zwar nix sinnvolles zur Situation beigetragen hat, aber Cousinchen und mich dringend davon überzeugen wollte, dass ich jetzt eine 300€-Rechnung schreibe.

Denkzettel für Kotzer schön und gut. Dass Wartezeit auch Geld ist – ja. Aber wenn das Taxameter gelaufen wäre, wären vielleicht 15 € draufgestanden und am Auto war wie gesagt nix. Warum einer letharigischen Koma-Braut und einer hysterischen und offensichtlich geschockten Angehörigen da das Leben noch schwerer machen?

Naja, bald darauf waren die Helfer mit den beiden Mädels gen Krankenhaus verschwunden und ich stand da. Etwas genervt, kurz vor meinem eigentlichen Feierabend-Zeitpunkt, und neben der Hintertür erstreckte sich eine Lache ziemlich übelriechenden Zeugs.

Während ich darüber nachdachte, wie man das am Besten verbloggt, traten zwei Mädels auf. Beide betrunken, eine hangelte sich nur an der anderen entlang, und sie fragten:

„Taxi? Bist du etwa frei?“

„Ja, jetzt schon…“

Und was aus dieser Tour geworden ist, das schreibe ich morgen!

14 Kommentare bis “Schichtende (1)”

  1. Rolo sagt:

    Wie ich es doch liebe hier zu lesen 😀 Immer wieder herzerfrischend,toll beim Morgenkaffee. Bin schon wirklich gespannt wie es weitergeht. Wünsche angenehme Bettruhe 🙂

  2. Sash sagt:

    @Rolo:
    Bin sogar noch wach. Aber für den Rest reicht der Elan gerade auch nicht mehr 🙂
    Aber danke für das Kompliment und den netten Wunsch!

  3. Der Maskierte sagt:

    Da schmeckte das Frühstück gleich doppelt lecker.

  4. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Und von meinem Frühstück handelt die nächste Folge 😉

  5. Der Maskierte sagt:

    @Sash

    Du weißt ja, dass auf Cliffhängerei Prügelstrafe steht? 😛

  6. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Trau dich doch! 😉

  7. Der Maskierte sagt:

    @Sash

    Alles klar, wenn ich nach Berlin komme, lege ich dich übers Knie! 😛

  8. Chefarbeiter sagt:

    Wie langweilig… hätte die nicht bis zur ersten Ampel warten können? Hätte den Spaßfaktor für uns doch noch mal erhöht 😀

  9. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Na da bin ich gespannt 🙂

    @Chefarbeiter:
    Aber da hätte sie es ja rund 300 Meter verkneifen müssen. Fazit: Unmenschlich!

  10. idriel sagt:

    Argh, Cliffhanger! Menno!

  11. Marius sagt:

    sash, aufwachen! die cliffhanger-geschädigte meute probt sonst noch den aufstand! 😉

  12. ednong sagt:

    Was ist das hier? Ein noch immer ungelöster Cliffhanger? U.n.m.ö.g.l.i.c.h!

  13. Sash sagt:

    @all:
    Es waren eigentlich mal wieder zwei eigene Geschichten mit nur einer kleinen Verbindung. Macht doch nicht immer gleich so eine Panik! 😉

  14. […] Wunsch der Fahrgäste (und in dem Fall wahrscheinlich wirklich unnötig) hab ich bei dieser Tour zum Telefon […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: