Notfall-Umwege

Es gibt so Momente, da überlegt man nicht lange. Ich hatte dieses Wochenende zum Beispiel eine Fahrt mit Jo, aber als ich auf halbem Wege zu ihm war, meldete die Zentrale plötzlich, dass in etwa einem Kilometer Entfernung ein Kollege von einem Fahrgast angegriffen wird. Da wird auch eine Zusage unter Freunden erstmal zweitrangig.

Und es ist schön zu sehen, dass ich da nicht alleine bin. Obwohl ich keine zwei Minuten nach der Meldung vor Ort war, war die Straße bereits restlos mit Taxen zugestellt. Sicher zehn Autos, vielleicht auch mehr.

Ein paar Leute haben aufgebracht diskutiert, es ging scheinbar darum, dass Kotzer keine Notwendigkeit zum Bezahlen des Schadens gesehen haben – weil’s ja „nicht so schlimm“ war. Wie schlimm genau es aussah, hab ich dann aber gar nicht erst in Augenschein genommen. Alle Beteiligten waren vor Ort und mit der Polizei war in Kürze dann ohnehin zu rechnen. Und es sah auch nicht so aus, als ob es entgegen der eigentlichen Erwartung Kunden gegen Taxifahrer zu verteidigen galt – obwohl die sichtbar aufgebracht waren, dass der Fahrer plötzlich nicht mehr in der Außenseiterposition war. Was mich im Übrigen durchaus zu einem solidarischen Schmunzeln ermuntert hat, denn selbst wenn sich mein bisheriger Stress mit Kunden in engen Grenzen hält:

Es gab da auch schon Kandidaten, bei denen ich mir gewünscht hätte, dass die Drei-gegen-einen-Situation sich spontan in eine Neun-gegen-drei verwandelt … denn natürlich gibt es Leute, die das – mal so und mal so – versuchen auszunutzen, dass man als Taxifahrer alleine ist.

Da ich schnell weiter zu Jo bin, weiß ich nicht, wie das am Ende ausgegangen ist. Meine Theorie: Für den Kollegen ziemlich gut. 😉

Im Ernst: Es gibt immer noch eine Menge Überfälle auf Taxifahrer – und da das nun ein Thema ist, das im Gewerbe seit Jahrzehnten aktuell ist, gibt es entsprechend auch schon lange eine Menge Gegenstrategien. Und im Gegensatz zu manch anderen Punkten klappt dort auch die Solidarität unter den Kollegen noch (weitgehend) sehr gut. Falls Ihr böses im Schilde führt: Ich hab Euch gewarnt!

Und noch eine Tour …

Die Vermutung, man bekomme als netter Taxifahrer auch mal ein paar Touren mehr, ist strittig. Leider. Zu zufallsbasiert ist das Gewerbe, zu egal ist es manchen Kunden, wenn es mal eilt.

Aber nun, auf Position vier, standen sie vor mir: zwei junge Damen, aus Polen, wie ich noch erfahren sollte, und freuten sich:

„Wow, sehr schön, dass Du noch hier! Wir fahren mit Dir!“

Ihre S-Bahn war wohl ewig nicht gekommen, jetzt also doch das Taxi. Obwohl es 15 Minuten vorher noch zu teuer war. Wie hab ich mir diese Sonderstellung, mal eben eine sehr nette Tour bevorzugt zu bekommen, verdient?

Eine Viertelstunde zuvor:

„Wir wollte fragen, was kosten bis Fiensehnvagochstrase? Nöscheniuha … Schienöheuha … äh …“

„Vincent-van-Gogh-Straße, Neuhohenschönhausen, ja?“

„Ja genau. Kollege sagt 30 €.“

„Na, so viel wird es nicht. Aber 20 bis 25 € werden es auf jeden Fall sein.“

„Sooo viel? Aber wir bezahle von Reinickendorf nur 25!“

„Das kann sein. Aber auch wenn wir deutlich östlich von Reinickendorf sind, sind wir hier doch auch deutlich weiter im Süden. Und deswegen ist es nicht arg viel näher dran, sorry.“

Nennt mich schleimig, aber ich finde das eine absolute 08/15-Aussage, eine einfache Erklärung des Preises, den ich für meine Arbeit verlange. Wir haben uns nach diesem kurzen Gespräch kurz nett verabschiedet, obwohl da klar war, dass sie Bahn fahren würden. Auch da würde ich sagen, sehen große verbale Heldentaten anders aus. Aber ja: Deswegen sind sie dann bei mir eingestiegen:

„Warst Du einzige, der hat korrekt gesprochen mit uns. Andere nur so: ’30 Euro!‘. Und nicht mal angeguckt!“

Tja, damit waren die 23 € dann mein. Und eine nette Fahrt war’s obendrein.

Unter den Bkloppten ist der Gehirnamputierte Professor. 🙂

Zuständigkeitserfreunisse

Ja, liebe Dudenredaktion: Nehmt „Zuständigkeitserfreunisse“ ruhig in die nächste Ausgabe mit auf. Denn es gibt sie!

Ich bin an Silvester irgendwann quer durch Buckow in Richtung Osten gefahren. Ich würde das in jeder anderen Schicht eher vermeiden, weil ich zwischen Lichtenrade und Kreuzberg auf dem Damm mehr Kundschaft erwarten würde … aber hey, Silvester! Irgendwo winkt sicher wer. Und 5 Minuten Pause wären auch kein Weltuntergang …

Aber, siehe da, da winkte es. Ich hab angehalten und es doch gleich ein wenig bereut. Silvester ist bekannt dafür, dass alle betrunken sind, und so war es bei mir in der Schicht bisher natürlich auch. Dann aber kamen von der linken Straßenseite zwei Frührentnerinnen angewatschelt und schleiften dabei einen Typen in ihrem Alter mit sich mit. Ja: schleiften.

Während meine Gedanken nur darum kreisten, ob mit dem Kerl jemand mitfahren würde und ob das medizinisch gesehen schon grenzwertig sein könnte, trällerte die eine Helferin nur:

„Na, dann sind sie wohl das bestellte Taxi!“

Puh.

„Nee, leider nicht, ich war nur zufällig hier.“

„Ach? Hmm, na was machen wir denn nun?“

„Naja, ich fahre gerne, aber der Kollege ist sicher schon unterwe … ach, sehen Sie mal: Da vorne kommt er ja schon!“

Und ja, ein suchender Kollege mit ausgeschalteter Fackel tastete sich langsam heran. Als er mich ansah, hab ich auf die inzwischen hinter mir stehenden Kunden verwiesen und zugesehen, dass ich Land gewinne.

Er hat mir schon leid getan, ganz ehrlich. Da nimmt der arme Kerl tatsächlich Bestellungen an Silvester an – und dann sowas! Aber, um das mal in Perspektive zu rücken:

Ja, auch das ist ein guter Grund, an Silvester nur Winker mitzunehmen, denn die kann man sich vorher anschauen! Darüber hinaus: Die Kollegen, die Bestellungen annehmen, finden nix mieser, als wenn irgendwer sie vor ihnen einsackt – und das mache ich nach wie vor nicht. Dass da auch mal eine Niete hängenbleibt, passiert halt. Und zu guter Letzt: Wie ich von vielen meiner Fahrten mit total zerstörten Leuten ja auch weiß: Es kann ja trotzdem eine gute Tour geworden sein! Vielleicht ist der Typ gleich eingepennt, hatte eine 50€-Tour und hat am Ende mit einem Hunderter und „schdimmso“ gezahlt, weil er’s nicht mehr gerafft hat. Und ablehnen können hat der Kollege auch noch. Man sollte meine Schadenfreude, so man sie denn aus diesem Text herauslesen könnte, wirklich nicht überbewerten.

Aber ja: In einer Schicht mit 50€-Stundenschnitt war ich heilfroh, dass dieser Kelch Kerl an mir vorüberging!

OK, dann geht das in Ordnung …

Frohes Neues erstmal! \o/

Bevor ich mich hier über die Silvesterschicht auslasse, muss ich nochmal einen Kollegen aus dem letzten Jahr loben. Dabei war mir anfänglich gar nicht danach. Er hat eine Ampel genutzt, um auf einer weniger befahrenen Spur an mir vorbeizuziehen. Mit angeschalteter Fackel natürlich – also genauso frei wie ich.

Wie ich schon öfter erwähnt habe: Das ist scheiße! Wenn man frei ist, überholt man freie Kollegen nicht. Da gibt es kein Gesetz für, es ist einfach eine stille Übereinkunft aller Taxifahrer mit einem Rest von Berufsethos. Natürlich hätten wir alle gerne die nächsten Winker, aber es gibt auch wenig Sinn, wenn immer die sie kriegen, die sich trauen, am schnellsten zu fahren …

Besagter Kollege blieb auch vor mir, denn da er ca. 65 km/h bei 50 erlaubten fuhr, schien mir ein Überholen nicht wirklich sinnvoll zu sein. Ein Arschloch eben.

Und es kam, wie es kommen musste: An der nächsten roten Ampel war er erster, und just dort standen zwei Winker, die dann auch prompt auf ihn zuliefen und einzusteigen gedachten. In meiner Fantasie ramme ich solche Kollegen ja gerne mal und gebe mich danach höchst bestürzt darüber, dass sie nun doch keine Fahrt hätten, sondern mit mir auf die Polizei warten müssten. In Wirklichkeit wünsche ich ihnen einfach eine Massenkarambolage mit 12 Gefahrenguttransportern und allem, was man sich als fantasiereicher Mensch an Folgen gerade noch so vorstellen kann. Oder kurz gesagt: Ich hab wirklich ein kleines Problem mit unfairem und unkollegialem Verhalten.

Und nun hatte die Drecksau meine Fahrgäste!

Aber nee: Der Kollege verschloss die Türen und gestikulierte winkenderweise – und am Ende kamen die Kunden, immerhin nur leicht irritiert, zu mir gewatschelt.

Offenbar wollte der Kollege doch einfach nur schnell heim, zu seiner Halte oder zu einer Bestellung und hat vergessen, die Fackel auszumachen. Oder es für unnötig erachtet oder tatsächlich nur meinetwegen aufgegeben und die Kunden weitergereicht. Ist mir von der Sache her dann sogar wieder vergleichsweise egal. Immerhin war er insofern ein fairer Mitspieler, als dass er wusste, dass er mich überholt hatte, obwohl er das eigentlich nicht hätte sollen. Dann will ich mal nix gesagt haben.

Ach ja, Schicksal, diesen „Blitz beim Scheißen“-Wunsch kannste auch ad acta legen …

Silvester und Taxifahren

oder: Alle Jahre wieder

Seit ich an Silvester Taxi fahre, schreibe ich jedes Jahr, wie das für uns Taxifahrer ist, was es in dieser Nacht für Kunden so zu beachten gibt und versuche ein wenig zu allgemeinem Verständnis aufzurufen. Von der Sache her würde ich’s heute wieder tun, aber als ich mir den Text von letztem Jahr durchgelesen hab, musste ich anerkennen, dass ich ihn nicht nochmal besser schreiben kann. Alle, die noch so neu sind, dass sie meine Hinweise nie gelesen haben, ist hier der Link:

Taxifahren an Silvester

Wesentlich besser kam aber die kurze und etwas frechere Liste vom Jahr davor an. Deswegen hab ich diese einfach nochmal kurz (inkl. Brot-Witz) in eine Grafik gepackt, die jeder gerne teilen kann, wo immer es gerade beliebt:

So wird das mit dem Taxifahren an Silvester was! Quelle: Sash

So wird das mit dem Taxifahren an Silvester was! Quelle: Sash

Auf eine Verlinkung bestehe ich nicht, aber ich rate es Euch. Dann landet die Wut auf Taxifahrer auch dort, wo sie hingehört: Bei mir (obwohl ich natürlich auch nix für den wie auch immer gearteten Anlass kann). 😉

Wenn überdies trotz der Grafik und des hyperinformativen Links noch Fragen offen sein sollten, dann scheut Euch nicht, sie in den Kommentaren zu stellen. Ich beantworte sie nach Möglichkeit gerne – und ein paar Fahrer aus anderen Städten schauen hier ja auch gerne mal vorbei …

Für all die, die bis dahin nicht mehr hier reinschauen: Guten Rutsch Euch!

So macht man’s, genau so!

Wie ich hier und da vielleicht schon habe durchklingen lassen: Die letzten Tage vor Weihnachten waren nicht so der Bringer. Ich hatte versucht, mir mit ihnen die aktuelle freie Woche zu erkaufen, finanziell geklappt hat’s nur bedingt.

So fuhr ich eines Abends nach einstündigem Warten und einer anschließenden Kurztour wieder am Ostbahnhof vor – allerdings nur, um dem Kollegen, mit dem ich mich dort unterhalten hatte, mein Leid zu klagen. Und theatralisch zu betonen, dass ich mir das nicht noch einmal antun würde. Er sah mich über den Rand seiner Brille fragend an und sagte:

„Ja und? Wo willste denn sonst was kriegen?“

„Keine Ahnung. Ich hatte vorher schonmal Winker am Boxi, vielleicht fahr ich da wieder vorbei …“

„Winker! Tss. Heute, is‘ klar …“

wischte er meine Idee beiseite. Wir verabschiedeten uns und ich fuhr los. 20 Meter die Straße runter, links ab, 100 Meter die Pariser Kommune entlang und … Winker!

OK, es war nur eine Kurzstrecke. Und ja, auch die zweite, anschließende, Winkertour war eine eben solche. Selbst die Schicht insgesamt ist am Ende alles andere als perfekt gelaufen. Aber in diesem einen Moment, nachdem ich die Halte wegen Winkern verlassen und 120 Meter später welche bekommen habe, in dem Moment hab ich mich gefühlt, als könne mir diese Arschkrampe von Zufall mal sowas von gar nix. Ich hatte alles im Griff!

Ist genauso Bullshit wie sich über kurze Touren ärgern. Aber Motivation hat ja auch einen Wert an sich! 😀

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

40€-Bartwuchs

Ich stand mit einem Kollegen alleine am Ostbahnhof. War schon spät. Da tauchten plötzlich zwei potenzielle Kunden auf, ein junges Paar:

„Entschuldigen Sie, nimmt einer von Ihnen auch Kreditkarte?“

Ich hab stellvertretend für uns beide (ich kenne ihn) geantwortet, dass wir das tun würden und so eine leichte Handbewegung in seine Richtung gemacht, da er eben erster war. Die Dame wirkte hin- und hergerissen, grinste dann mich an und meinte:

„Wir nehmen Dich. Du hast den hübscheren Bart!“

OK, zugegeben, ich hab mich vor der Schicht rasiert – aber der Kollege hatte ein neueres Auto!

Die Fahrt brachte am Ende durch zwei Fahrtziele und einen längeren Zwischenstopp amtliche 35,50 € auf die Uhr. Dazu 1,50 € Zuschlag für Kartenzahlung – und am Ende noch die 3 € Trinkgeld, die auf glatte 40 noch gefehlt hatten. Sagen wir’s mal so: Ich hab dem Kollegen einen Tag später für seine Art des Rasierens gedankt. 😉

So … und jetzt frohe Weihnachten, werte Lesergemeinde!