Nachdem ich heute morgen nach Christians Beispiel mal wieder so hart gegen die Kollegen gewettert habe, die kurze Fahrten ablehnen, bzw. Fahrgäste nach hinten schicken, etc. pp., wollte ich mal einen (halbwegs) sachlichen Text für genau diese Kollegen schreiben. Um einfach eventuelle Missverständnisse auszuräumen.
Warum man keine kurzen Touren ablehnt:
1. Ihr gewinnt dabei nix!
Ich weiß, für die meisten von uns zählt in erster Linie mal der Kassenstand nach der Schicht. Unser angestrebtes Ziel erreichen wir dabei nicht immer, unser Wunschziel eigentlich nie. Und wenn man mal eine Stunde steht, will man auch eine 20€-Tour haben, um wenigstens noch eine Chance zu haben, das wieder reinzuholen.
Dabei ist die Bezahlung der kurzen Touren doch nicht schlecht. Wir verdienen mehr an ihnen als an langen Fahrten. Unser Problem ist das Warten davor. Und ratet mal, was eines der ganz großen Kriterien für die Kunden ist, nicht Taxi zu fahren? Ja, im Ernst: dass es so stressig ist, eine kurze Strecke zu fahren! Die haben Angst, dass sie am Stand angemeckert oder sowieso nicht gefahren werden. Wenn sie mal müssen, dann entschuldigen sie sich tausendfach und vermeiden es nächstes Mal trotzdem wieder. Natürlich steigt nicht jeder Kunde auf eine Alternative um, aber wer langsam kackt, kriegt auch ’nen Haufen – und ihr verkackt unser Gewerbe schon seit Jahrzehnten.
Ja, das sieht man nicht am selben Abend auf dem Taxameter. Aber seid Ihr es nicht, die mir erzählen, dass früher alles besser war? Man braucht nicht Wirtschaftswissenschaften zu studieren, um den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Anzahl der Kunden zu verstehen. Und statistisch verlieren alle Taxifahrer Geld, wenn auch nur eine Fahrt wegfällt. Ihr merkt das nicht sofort, aber irgendwann werdet auch Ihr auf die Fahrten länger warten müssen.
Ich weiß, dass die Miete diesen Monat bezahlt werden muss. Aber in 5 Jahren ebenfalls – und billiger wird sie kaum werden bis dahin. Und wenn Ihr jetzt behauptet, dass Eure Umsätze seitdem aber gestiegen sind: Sie hätten noch mehr steigen können.
2. Ihr nervt Leute, die nix für Eure schlechte Laune können!
Glaubt Ihr wirklich, die Kunden wollen uns ärgern mit kurzen Strecken? Wann seid Ihr das letzte Mal umgezogen, um möglichst weit vom Bahnhof weg zu wohnen, falls Ihr mal mit einem Taxi heim müsst? Seit wie vielen Generationen ist es bei Euch in der Familie üblich, sich die Beine zu brechen, um Taxifahrer mit kurzen Strecken zu nerven? Löst Ihr im Bus immer ein Ticket für alle Zonen, damit sich das für die Verkehrsgesellschaft auch richtig lohnt?
Wir sind öffentlicher NAHverkehr und unsere Fahrgäste nutzen uns dementsprechend. Es gibt unsere Jobs, weil Menschen von A nach B müssen, nicht weil wir gerne Geld hätten. Wenn man mit dem Taxi nicht mehr von A nach B kommt, interessiert sich auch keiner einen feuchten Dreck darum, ob wir dabei pleite gehen. Wenn Ihr immer nur dieselben Strecken fahren wollt, dann werdet Busfahrer! Außerdem zahlen unsere Kunden für kurze Strecken ein Schweinegeld, warum sollten wir sie da noch anmaulen? Ein Kilometer im Taxi kostet in Berlin einen Fünfer. Und das wir darauf ewig warten mussten, haben wir mehr Euch zu verdanken als dem Kunden, der gerade fahren will.
3. Ihr versucht, Eure Kollegen abzuzocken!
Obwohl das auf den ersten Blick ein Widerspruch zu 1. zu sein scheint: indem Ihr versucht, Euch die langen Fahrten zu holen, bescheißt Ihr alle ehrlichen Kollegen (und nein, nicht nur mich, auch Eure Kumpels!).
Langfristig verlieren wir alle Fahrten, aber davor betreibt Ihr auch noch Rosinenpicken. Wir haben so viele Freiheiten in dem Job, jeder kann durch seine Arbeitsweise auf vielerlei Arten versuchen, mehr Umsatz zu machen. Die richtige Zentrale wählen, mehrere Apps nutzen, Stammkunden werben, in die richtigen Ecken fahren, die besten Stände zur richtigen Zeit anfahren, Kunden mehr Trinkgeld aus den Taschen zaubern …
Warum stattdessen Fahrgäste um ihr Recht und Kollegen um ihre Fahrten betrügen? Seid Ihr so schlechte Taxifahrer, dass Ihr mich zugezogenen Neuling nicht anders überbieten könnt? Natürlich fahre ich die Fahrgäste, die Ihr zu mir nach hinten schickt. Weil ich nicht das von Euch aufgebaute Klischee von streitlustigen Taxifahrern erfüllen will und versuche, die Kunden zu halten, die Ihr beinahe vergrault hättet. Aber natürlich habe ich dadurch im Zweifelsfall eine kurze Fahrt mehr, und das, weil ich den Job mache, in dem Ihr schlicht und ergreifend versagt habt.
4. Ihr wisst doch gar nicht, was passiert!
Natürlich: eine kurze Tour ist erst einmal kurz. Und dass direkt danach ein Winker eine lange Tour hat ist auch recht selten (obwohl es regelmäßig vorkommt). Aber von jeder einzelnen Tour hängt Eure komplette Schicht ab. Jeder Tag, an dem Ihr schlechten Umsatz macht, lag es sowohl an der abgelehnten 5€-Tour, als auch an der tollen 35€-Fahrt. Glaubt ja nicht, dass das Ablehnen einer Tour am Ende wirklich zu einer besseren Schicht führt. Es kann, und Eure Chancen steigen ein wenig, sicher. Aber oft genug hat genau der Depp, der Eure Tour hinter euch annimmt, einen Hammertag deswegen.
5. Ihr habt kein plausibles Rechenmodell!
Die Punkte oben zeigen schon ganz gut, dass Euer Ablehnen von kurzen Fahrten sicher berechenbar nur für den Moment gilt. Wenn Ihr nach 20 Minuten Warten bereits eine 8€-Tour ablehnt, solltet Ihr also konsequenterweise nach 40 Minuten auch eine 16€-, nach einer Stunde auch eine 24€-Fahrt ablehnen. Einfach, damit es Sinn ergibt, was Ihr tut. Um den Stundenschnitt zu halten, den Ihr glaubt, damit erreichen zu können. Tatsächlich lehnt keiner von Euch 24€-Touren ab, und kann ich mir recht simpel erklären: Ihr seid mit absoluten Zahlen zu beeindrucken, die leider in der Regel kaum was aussagen. Eine 30€-Tour ist gut, fertig! Sicher, längere kriegt man in der Innenstadt kaum – aber Ihr seid damit nicht weiter, als wenn Ihr den kurzen Stich nach kurzer Zeit angenommen hättet. Ganz davon abgesehen, dass es z.B. Trinkeld pro Tour gibt und es prozentual bei kürzeren höher ausfällt. Glaubt es oder nicht: oft klaut Ihr damit eine Schachtel mit 10 Keksen, obwohl man Euch auf ehrlichem Wege 12 Kekse geschenkt hätte. Und damit sind wir bei 6.:
6. Ihr begebt Euch auf dünnes Eis!
Zu all den logischen Argumenten kommt noch das juristische: es ist schlicht illegal, was Ihr macht. Ihr regt euch vermutlich ähnlich wie ich gerade über Uber auf und seid doch keinen Deut besser. Ihr versucht, auf illegalem Weg aus der Personenbeförderung für euren eigenen Geldbeutel am meisten rauszuschlagen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und mit jeder abgelehnten Fahrt riskiert Ihr, dass irgendwer Euch anzeigt oder eurem Chef Bescheid sagt. Und das erste Mal ist vielleicht nicht folgenreich, das zweite Mal auch nicht. Aber Ihr seid nicht gut in Statistik und im vorausschauenden Denken, da ist das alles eine Frage der Zeit. Und wenn ich euch meistens keine Aufmerksamkeit widmen kann, weil ich eure Kunden zu betreuen hab: meine Leser sind zahlreich und die könnt Ihr nicht an einer Konzessionsnummer oder einem Bild im Internet erkennen. Ihr könnt Euch nie sicher sein, wem Ihr da die Fahrt verweigert und irgendwann geratet Ihr mal an wen, der seine Rechte kennt … und gerade Ihr unterschreibt doch gerne, dass jedes Taxi weniger auf der Straße ein Erfolg ist, nicht wahr? 😉
