Ach, Kollege!

Kaum war ich am Sisyphos angekommen, winkte mich der Kollege von Position 1 ganz nach vorne. Ich war Achter oder so. Da ich den einzigen Großraumwagen fuhr, bin ich einfach mal vor, obwohl die Kommunikation eher hilflos verlaufen war über die Entfernung.

Vorne angekommen erwarteten mich jedoch keine fünf Leute, sondern zwei. Hä?

„Fahren Sie uns zum Ostkreuz?“

Im Grunde wäre ich gerne ausgestiegen und hätte dem Kollegen eine auf’s Maul gehauen. Dieses blöde Kurze-Touren-Ablehnen … ich entwickele da echt noch eine Allergie dagegen. Zumal das Ostkreuz als Fahrtziel ja echt immer noch 6,80 € bringt. Das ist nicht dicke Knete, aber zum S-Bahnhof Rummelsburg ist es knapp ein Euro weniger. Und was ich als Fahrer am Ostbahnhof schon alles für Fahrten hatte …

Auf der anderen Seite war es ja immerhin mal nett, dass er einen Kollegen besorgt hat, der die Tour macht. Lustig wäre die Situation sicher geworden, wenn er da auch auf einen Kurzstreckenmuffel getroffen wäre. Aber ich hatte die Kunden im Auto, eh kein Problem mit der Tour – und genügend Ahnung von Psychologie, um zu wissen, dass es der Kundenbindung eher weniger dienen würde, wenn ich jetzt Streit mit dem „Kollegen“ anzetteln würde.

Wie unberechenbar das Taxigeschäft ist – und wie unnötig damit das Ablehnen von kurzen Touren – zeigte diese Fahrt. Die beiden Mädels kamen trotz der kurzen Strecke lebhaft ins Gespräch darüber, ob ich sie nicht doch noch bis zum Savignyplatz mitnehmen sollte. Mal eben runde 10 km und fast 20 € mehr …
Erst im allerletzten Moment war klar, dass das nix wird. Schade, natürlich.

Da ich nun ja nicht weit gekommen war, hab ich eine Kehrtwende gemacht und bin wieder ans Sisyphos rangefahren. Mit Kundschaft. Und unvorhersehbar war das nicht. Eine Menge Leute winken da mal eben für eine Kurzstrecke. Als ob das nun mit 10,80 € auf 4 Kilometer in knapp 7 Minuten nicht schon eine hammergute Ausbeute gewesen wäre, stand ich nun am Sisyphos an zweiter Position. Und hatte binnen 3 Minuten schon wieder eine Fahrt. Dieses Mal für gute 20 €.

Natürlich kann man da nicht sicher sein, aber ich würde wetten, dass der Kollege mit seiner Tour und den vielleicht 5 Minuten Vorsprung nicht mehr als 30 € gemacht hat in der Zeit. Aber nach wie vor gilt: Ich bin ja der Idiot, der Kunden auch so kurze Wege fährt, die sie eigentlich laufen könnten/sollten. Nee, is‘ klar …

6 Kommentare bis “Ach, Kollege!”

  1. Michi sagt:

    Ich stell mir das gerade vor. „Hallo, wir möchten gern nach Drei-Straßen-Weiter“ – „Dafür bin ich nicht zuständig, das macht der Kollege [lies: Depp] da hinten. Komm mal rüber!“ *wink*

    Als Kunde hätte ich da ein ganz großes WTF im Gesicht.

    Und da Bäckervergleiche immer gehen: „Hallo, ich hätte gern 3 Brötchen“ – „Sorry, 10 Stück Mindestabnahme. Geh mal zum Bäcker gegenüber!“

  2. Buscher Christel sagt:

    Hallo das gibts wohl nicht…wie ist das bei euch. Beförderung Pflicht ???? Da müßten wir den ganzen Tag ablehnen….wir sind doch ein Dienstleistungsunternehmen…ni bei wünsch dir was

  3. Sash sagt:

    @Michi:
    Sehr schön ausgedrückt. 🙂

    @Buscher Christel:
    Es sind ja nicht alle so. Aber diese Spezialisten wirste nie ganz los hier …

  4. ednong sagt:

    Ich glaub, der Knabe hat den Begriff „Dienstleistung“ noch nicht gehört. Und wohl auch den Begriff „Beförderungspflicht“ überlesen (oder alternativ: es hat ihm diesen niemand definiert). Man man.

    Wenn er wüßte, was er sich damit selber an Schaden zufügt …

  5. Ana sagt:

    Vermutlich hatte er grad einen Krampf im Fuß und konnte aus Sicherheitsgründen nicht fahren.
    Ihr denkt immer gleich das schlechteste von den Menschen 🙁

  6. woody.bangkokstreets@gmail.com sagt:

    …in meinen augen bedeuten mehr kurzstrecken mehr tipps für mich, in nächten wo was los is, lass ich das telefon links liegen und „jage“ das is mir das liebste …

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