Vielen lieben Dank, Kollege!

Ich schreibe hier so oft aus verschiedensten Anlässen schlecht über Kollegen. Und das unfreiwillig, ganz ehrlich. Ich mag unseren Job ja und ich bin zudem der Überzeugung, dass die meisten Kollegen den ja wie ich auch machen: Vielleicht nicht immer perfekt, aber zumindest mal gewissenhaft und eigentlich gut. Und  deswegen möchte ich heute zur Abwechslung mal eine Danksagung loswerden:

Vielen Dank, lieber unbekannter Kollege, der Du vor kurzem eine Kundin in die Otto-Nagel-Straße gefahren hast!
Sie hatte für die Fahrt nicht ausreichend Geld dabei und Du hast beschlossen, dass Du eine einsame Frau nachts nicht alleine in einem Plattenbauviertel aussetzen willst, sondern hast sie trotzdem noch ein ganzes Stückchen weiter bis vor die Haustüre gebracht. Einfach so. Du wolltest nix von Kartenzahlung wissen, sondern hast sie für den Zehner, den sie noch dabei hatte, sicher heimgebracht. Obwohl Du sicher wie ich unter knapper Kohle leidest, die Sache mit der Tarifbindung kennst und natürlich auch immer Gefahr läufst, aufgrund deiner Gutmütigkeit von Hinz und Kunz beschissen zu werden.

Ich überbringe hiermit die frohe Nachricht: Du hast in dieser Nacht das Richtige getan!

Die Kundin hat mich korrekt nach Tarif bezahlt und mir ein gutes Trinkgeld gegeben. Und sich anerkennend dahingehend geäußert, dass sie das, was sie mit Dir derletzt erlebt hat, nicht für selbstverständlich erachtet und es deswegen so unglaublich toll fand.

Du hast eine überzufriedene Kundin hinterlassen, die deiner Ausnahme wegen nicht bezweifelt, dass unser Tarif schon eigentlich eingehalten gehört und ihr trotzdem in einer Notsituation über die eigenen Befugnisse  hinaus geholfen. Ich danke Dir von ganzem Herzen dafür und ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr ich hoffe, dass das Bild, das Du als Taxifahrer hinterlassen hast, das ist, das möglichst viele Menschen im Laufe der Zeit mitnehmen werden.

Kollegiale Grüße, gute Kasse und jede Schicht einen Fuffi Trinkgeld von meiner Seite!

Sash

Sash, 34, Knöpfchenexperte.

Eigentlich war mir nach vier Touren in Folge ja so langsam mal nach einer Pause. Nikotinentzug und so. Vom Ostbahnhof trennte mich kaum mehr ein Kilometer, es lief alles blendend. Dann eine Hand.

Der Typ war ein paar Jahre älter als ich, sah nach einer durchzechten Kneipennacht aus und äußerte ohne jegliche Begrüßungsfloskel nur den Namen eines bekannten Puffs in Schöneberg. Nette Tour eigentlich. Dann folgte allerdings sofort der Hinweis, er müsse noch zu einer Bank. So weit auch ok. Ich hab gar nicht wegen Kartenzahlung angefangen, denn dass der weitere Abendverlauf ebenso Geld kosten würde, war offensichtlich.

An der nächsten Kreuzung war gleich ein Automat, den mein Kunde auch begeistert empfing, er hatte beim Raustorkeln nicht einmal mehr die Kraft, die Autotüre hinter sich zu schließen. Aber gut, ich hatte dicht am Bordstein gehalten, so gesehen kein Problem. Tja, dann stand er da und drückte rum. Am Ende kam er wieder und meinte, es würde nicht gehen. Das ist nun nicht gerade was, was einem Freundentränen und Hoffnungsschimmer entlockt, aber der Weg war noch lang und ich war ehrlich gesagt so zufrieden mit dem Abend … selbst der Kilometerschnitt war gut genug, um die Fahrt in den Sand zu setzen, wirklich! Also nicht, dass ich das vorgehabt hätte, aber der Gedanke an eine unbezahlte Fahrt hat mich einfach nicht so beunruhigt, wie das sonst der Fall gewesen wäre.

Die nächsten zwei Banken hatten zu und dann wurde es auch so langsam eng. Mein Fahrgast war eh genervt, obwohl ich wirklich den absolut kürzesten Weg gefahren bin. Am Ende hab ich 300 Meter vor dem Puff an einer Taxihalte schnell eine Kollegin gefragt, ob sie einen Automaten in der Nähe kennen würde. So sehr ins Blaue fahr ich echt nur selten. Aber siehe da, sie kannte einen quasi direkt gegenüber des Zieletablissements. Also hab ich im Vorbeifahren die Uhr ausgemacht und mich darauf eingestellt, dass ich das jetzt eben würde regeln müssen. Im Zweifelsfall hätten die wahrscheinlich sogar im Puff selbst noch eine Option gehabt.

Nun aber eine Bank, von der ich nie gehört hatte, der Kunde vor dem Automaten und abermals die Meldung, dass es nicht gehen würde. Da wir uns ohnehin auf Englisch unterhalten haben, seine Muttersprache aber eher russisch oder so war, hab ich ihn gefragt, ob er das Menü auch in Englisch gewählt hätte. Da kam dann sogar Deutsch hinzu:

„Beide. English und Deutsche!“

„OK, show me!“

Datenschutz hin oder her, ich hab auch schon die PIN für Leute eingegeben. Natürlich nur auf Wunsch, aber beachtlich find ich’s eigentlich trotzdem.

Naja, da standen wir also und er folgte dem englischen Menü bis zur PIN-Eingabe. Er hackte ein paar Zahlen ein, wobei ich nachfragte, ob er sich mit denen auch sicher sei.

„Da! Yes, yes! Of Course!“

Und dann zuckte er mit den Achseln, während auf dem Bildschirm deutlich lesbar stand, dass er die grüne Taste zur Bestätigung drücken solle. Das hab dann nach 5 Sekunden Ratlosigkeit seinerseits ich übernommen. Und – o Wunder! – er durfte nun auswählen, welche Summe er abheben will!

Im Folgenden war das mit dem Abheben und der Bezahlung meiner Wenigkeit recht schnell und leider ziemlich trinkgeldlos erledigt, aber das störte mich ja nun auch kein Bisschen an dem Abend. Er versicherte sich nochmal, dass der Puff auch wirklich das Haus mit den roten Lichtern sei, wankte davon und musste fortan nur noch einmal von mir zurückbeordert werden.

„HEY, GUY, ONE LAST THING!“

„What?“

„Guess you’d like to have your backpack with you …“

Denn außer mit grünen Knöpfchen kenne ich mich halt auch mit dem Blick auf die Rückbank aus. 😉

„Mein“ Taxi und ein netter Kollege

Als mich Jens bei Facebook angeschrieben hat und mir mitteilte, dass er mir unbedingt ein Taxi zeigen müsse, das er in Tiflis leider erst beim zweiten Mal ablichten hätte können, war ich gespannt und klickte auf das Foto. Hmm, ein Golf, ist zwar hier eher selten, aber ein neueres Modell hatte ich sogar in Berlin schon mal gesehen. Etwas später ist es mir dann auch aufgefallen …

Im Nachfolger dieses Modells hab ich den Führerschein gemacht! Quelle: Jens

Im Nachfolger dieses Modells hab ich den Führerschein gemacht! Quelle: Jens

Ich gebe zu, das hat Stil. 🙂

Da wir zufällig beide gerade online waren, hab ich im Chat von Jens erfahren, dass er tatsächlich ein Kollege ist – und zwar im besagten Tiflis! Und auch wenn das vielleicht etwas „Special Interest“ ist: Er hat dort ein Taxiunternehmen, das spezialisiert ist auf internationale, dank ihm also auch deutschsprachige Fahrgäste. Die Story dazu, wie er von der Schweiz nach Georgien ins Taxi gelangt ist, gibt es laut seiner Aussage zu jeder Fahrt gratis dazu. Also falls irgendwelche Leser oder Leserinnen in der Zukunft einen Trip nach Georgien planen: Ich kann nur empfehlen, im Vorfeld mal bei „Euro Taxi“ vorbeizuschauen oder anzurufen. Ich würde es jetzt jedenfalls machen!

Und wenn Ihr es wirklich macht, outet Euch als GNIT-Leser. Just for fun. 🙂

PS: Das hat sich wirklich so zugetragen und das ist kein Werbelink. Ich krieg nix dafür, auch das Foto hat Jens mir dankenswerterweise einfach geschenkt, ohne auf einen Link zu bestehen.

Da lang?

„Hi, wir hätten eine Frage: Zum Fritzclub*, wo müssen wir da hin? Da lang?“

Sprach’s und deutete auf die Mühlenstraße.

„Kann man machen …“,

hab ich geantwortet.

„Aber einfacher wär’s, gleich das Gebäude hier vorne zu nehmen.“

Die Gruppe hat gelacht, sich bedankt, alles prima. Dann hab ich zu dem Kollegen, mit dem ich mein Gespräch wegen dieser Anfrage unterbrochen hatte, gemeint:

„Ich mag’s, wenn sie noch so klein sind. Da lachen sie auch über den letzten Bullshit.“

Da hat er dann auch angefangen zu lachen.

Ich mag’s, wenn die Leute um mich rum lachen. 🙂

*Ja, der Club heißt inzwischen Postbahnhof- oder Pbhf-Club, aber sie haben selbst den alten Namen verwendet.

So Fahrten, nach denen man Urlaub braucht …

Wenn’s eh schon den ganzen Abend schlecht läuft, kommen auch noch Spanier an.

Kleiner Scherz, ich hab echt nix gegen Spanier und schon sehr nette Touren mit ihnen gehabt – aber die Sache mit dem Trinkgeld sollte man auf der iberischen Halbinsel wirklich mal erklären, denn das Klischee trinkgeldloser Fahrten mit Spaniern hat sich auch bei mir in nunmehr siebeneinhalb Jahren zu ungefähr 80 – 90% erfüllt.

Aber da stand nun ein Typ mit drei Begleitern vor mir und wollte ein Taxi für sechs Personen. So viel hab ich verstanden. Warum er dann zwei Minuten nch meinem Ja/Yes/Oui/Si mit fünf Freunden wieder auftauchte und sie in zwei Taxis einstiegen … eher weniger. Aber das sollte nur der Beginn der Verständigungsprobleme sein. Habt Ihr Zeit mitgebracht? Hoffentlich. Ich hatte nämlich eine Weile mit der Gruppe zu tun.

Drei stiegen nun also beim Kollegen vor mir ein, drei bei mir. Anstatt einer Adresse wurde mir gesagt, ich solle dem anderen Taxi folgen. Kann man natürlich machen, aber ich mag’s ehrlich gesagt nicht so. Zumal ich auch nicht sicher war, ob der Kollege wusste, dass ich ihm folgen sollte. Aber er startete, ich bin notgedrungen hinterher – und nach 300 Metern stoppte er und winkte mich heran:

„Kollege, die wollen zur Arena Charlottenburg? Kennst Du das?“

„Nee, nie gehört.“ *

„Ich auch nicht.“

„Kollege, wieso fährst Du denn dann los?“

„Na, die wollten eigentlich erst zu Puff XY, aber jetzt soll’s vorher noch …“

Da standen wir dann. Super. Nach ein bisschen Kauderwelsch war klar: OK, direkt zum Puff passt. Na dann. Den kannte ich zwar auch nur vom Namen her, aber der Kollege hat mir wenigstens die Straße gesagt – immerhin eine größere im Westteil der Stadt. Anstatt mir nun auch die Hausnummer oder Straßenecke zu verraten, meinte er aber einfach:

„Komm, fahr mir nach!“

Orrr!

Immerhin wusste er nun ja, dass ich ihm folge und er war nicht der schlimmste Konvoi-Partner, den man sich vorstellen könnte. Ja, das mit den Spurwechseln war nicht so sein Ding, aber immerhin hat er eine ähnliche Geschwindigkeitsphilosophie wie ich gehabt und bei gelben Ampeln lieber gebremst. Wir haben es also gut in den Westen geschafft. Mit den Fahrgästen hatte ich kaum was zu tun, keiner von ihnen beherrschte mehr Deutsch oder Englisch als ich Spanisch.

Der Puff, an dem wir landeten, sagte mir wie gesagt nur vom Hörensagen etwas, aber der Kollege meinte gleich:

„Warte kurz. Die zahlen.“

Nicht so viel wie die Top-Läden, aber irgendwas um die 10€ pro Fahrgast. Was bei drei Leuten ja doch immerhin ganz ansehnlich gewesen wäre. Aber ach: Da standen sie nun im Eingangsbereich und es entspann sich eine lautstarke Diskussion mit ihnen und den Türstehern. Einer kam sofort wieder raus, ein anderer kurz danach. Die dicke dunkelgraue Kohle gab es hier also auch nur bedingt zu verdienen. Und dann wollte einer der Kunden auch noch weiter.

Und jetzt bin ich dumm dagestanden. Wie der Kollege auch. Wir hätten uns gerne die Belohnung vom Bordell abgeholt, aber einer von uns sollte jetzt wegfahren. Und es war der Verständigung wegen auch nur sehr schwer, herauszufinden, wohin überhaupt. „U-Bahn“ konnte man verstehen, aber das bedeutet in einer Großstadt eben ziemlich genau das: „Bahnhof“ verstehen!

Inzwischen stand auch schon ein dritter Ex-Passagier diskutierend vor dem Club und das war alles ziemlich aussichtslos. Einer der Bordell-Türsteher hat dann übersetzt und gesagt, dass es zurück zum Ostbahnhof gehe. Ähm … ok!?

Ich meine, die Hinfahrt hat 20 € (und ja, es war dieses Mal echt Trinkgeld dabei!) gebracht, das nochmal zurück – und der Kilometerschnitt wäre spitze gewesen! Andererseits wäre das ja nix gegen potenzielle 40, 30, 20 (da war schon wieder einer nicht reingegangen!) Euro, die man als Kopfprämie hätte absahnen können.

Der Kollege – ich habe ihn im Übrigen noch nie im Leben bewusst wahrgenommen! – meinte dann:

„Fahr Du doch zurück. Und bleib am Bahnhof. Wenn’s hier noch was gibt, dann komm‘ ich vorbei und geb dir die Hälfte!“

Ja, klar! Aber eine Rücktour für zwanzig, super Kilometerschnitt … und vielleicht meint der Kollege das mit dem Bonus ja wirklich ernst …

Also hab ich mir den Spatz in der Hand gesichert. Ein junger Spanier in meinem Alter, der statt Eintritt im Puff zu zahlen lieber nochmal mit mir den gleichen Weg zurück zum Hotel fahren wollte. Und los!

Seien wir ehrlich: Er hat’s mir nicht schwer machen wollen. Wir haben es sogar geschafft, uns auf die gemeinsam schlechtestmöglich gesprochene Sprache Französisch zu einigen. Der Großteil der Fahrt war trotzdem Schweigen. Ich glaube, zwischendrin hat er mal gesagt, dass seine Kumpels eigentlich Familie wären und er im Gegensatz zu den anderen nicht das Geld verdienen würde, mehr als hundert Euro fürs Vögeln auszugeben. Aber nagelt mich nicht darauf fest.

Am Ende unserer Spezialodyssee standen wir wieder genau dort, wo er und seine Kumpels/Familie eingestiegen waren und er hatte keine Ahnung, wo er ist. Na, herzlichen Glückwunsch zu der Tour, Sash!

Wenn er jetzt – nach der zwölften Bestätigung, es würde sich hier wirklich, wirklich um den Ostbahnhof handeln – ausgestiegen wäre, hätte es mir ja so mehr oder weniger egal sein können. Aber verständlicherweise wollte er das klären. Mittels Telefon. Also hatte ich kurz nach der Ankunft am Ziel die beschissenste Handyverbindung aller Zeiten mit einem Spanier am Ohr, wobei dieser mir folgende Information zukommen ließ:

„Ostbahnhof.“

Ja, schon klar, super! Danke, Junge!

Der Spaß sollte aber weitere fünf Minuten dauern, in denen mein Fahrgast stets neue Sprecher hervorholte, die jedes Mal genau das zu mir sagten:

„Ostbahnhof.“

Ich hab meinem Fahrgast die großen blau leuchtenden Lettern gezeigt, auf Englisch und Französisch unmißverständlich bestätigt, dass wir hier am Ostbahnhof seien, aber es hat alles nix genutzt. Am Ende erzählte er mir was von einer Metro weit oben und ich hake das mal als Ortskundegenialität ab, dass ich nach den ersten zwei Minuten tatsächlich an den Metro-Markt ums Eck mit dem großen Schild und nicht etwa eine Hochbahn gedacht habe. Ob er jetzt wirklich im nahe des entsprechenden Schildes gelegenen „Ostel“ residierte oder irgendwo nebenan – ich hab’s nicht mehr rausgefunden. Aber nachdem ich ihn prophetengleich einmal ums Eck gefahren hatte, sprang er dankbar raus und bezahlte genau passend.

Da ich keine 200 Meter entfernt war und es sich ohnehin um meine wohl liebste Halte handelt, hab ich mich am Ostbahnhof angestellt. Nicht, dass ich glaubte, der Kollege würde – hör mir auf!

Aber er kam. Er entschuldigte sich für sein spätes Erscheinen, fügte auch an, dass wirklich nur noch zwei Leute reingegangen wären, gab mir aber immerhin einen Zehner ab. Ich glaube nicht wirklich, dass es 50% vom Erlös waren, aber ehrlich gesagt ist mir das egal. Der Kollege ist vom Westen extra nochmal rübergefahren, um mir etwas von der Kohle abzugeben, die im Puff angefallen war, während ich eine bezahlte Tour bis hierhin hatte. Da wir uns nicht einmal kannten, hätte er mir auch einfach in zwei Wochen erzählen können, die wären alle wieder rausgekommen. Insofern ziehe ich ehrlich meinen Hut vor so viel Kollegialität!

Um ehrlich zu sein: Wirklich gut geworden ist die Schicht deswegen nicht. Aber erträglich. Und sie war zudem gut für diesen ausgesprochen langen Blogeintrag, den ich jetzt ohne allzu intensive Rechtschreibüberprüfung online stellen werde. Ist doch auch was. 🙂


*hab auch nach kurzem Googeln eher eine Sportsbar in Schöneberg gefunden. Aber ladet Infos gerne bei mir ab. Man lernt nie aus!

Voll besetzt

Ganz eilig kam der Winker an der wilden Renate angerannt, um mich ja noch auf ihn aufmerksam zu machen. Dabei hatte ich ihn schon zuvor gesehen und nur auf sein Winken gewartet. Ich war etwas verwundert, weil er neben einem Taxi stand, aber gut, wird das halt im Zweifelsfall eine Kurzstrecke. Besser als nichts. Ich war eh nur dort, um ggf. Winker einzusammeln und mit etwas Glück am Sisyphos vorbeizukommen, um zu sehen, ob sie offen haben.

„To the Sisyphos, please!“,

meinte mein Fahrgast und in diesem Moment fuhr auch das andere Taxi besetzt weg. All die Leute, die sonst noch so da rumstanden, wandten sich mir zu und alles sah ein wenig nach einer Großraumtour aus. Nur dass das Zählen bei all dem Gewusel etwas schwer fiel. Aber als dann vier im Auto waren und zwei gefragt haben, ob sie auch noch mitkommen könnten, hab ich zugesagt und die anderen wieder aussteigen lassen. Eigentlich etwas umständlich – aber bis die sich von alleine organisiert hätten …

Ich hab gleich gesagt, dass ich mir nicht sicher wäre, ob der Laden offen hat, aber es ging erst einmal los. Unterwegs Gewissheit: Die anderen (im Auto des Kollegen von eben) waren schon da und es war zu. Egal, ich solle bis dort hinterherfahren, sie beraten dann. In Anbetracht dessen, dass es danach eventuell noch ins Kosmonaut gehen sollte, war das ein lohnender Umweg.

Die Beratungen ergaben dann, dass wir zum Ostkreuz müssten. Dort würde eine Freundin zusteigen. Mit Fahrrad. Ich hab etwa so geguckt:

0.o

Ja, nee, beim Kollegen. Vielleicht auch ohne Fahrrad.

Auf dem Weg zum Ostkreuz hab ich ihnen dann erklärt, dass sie besser mit ihrer Freundin ausmachen, dass sie auf der richtigen Seite – Ausgang Sonntagstraße – warten solle, da der Weg zum Kosmonaut sonst wirklich ein wenig arg verzwiebelt wäre. Alles klar, aber während ich gerade dafür sorgte, den inzwischen mir hinterherfahrenden Kollegen in unserem kleinen Konvoi nicht abzuhängen, war das Geschrei groß und ich solle doch hier, also gleich, oder wenn’s geht zumindest bald mal anhalten, da wäre gerade die Freundin gewesen!

Das alles war auf den nachtleeren Straßen völlig stressfrei. Aber reichlich verplant hat’s schon gewirkt.

Während der Kollege ebenfalls mit Warnblinker hinter mir anhielt, die halbe Besatzung beider Autos raussprang, um die Fahrradfahrerin zu begrüßen, hab ich mir das mit einem Lächeln, aber etwas skeptisch angesehen. Der Kollege hat mich auch gleich zu sich gewunken und gefragt:

„Äh, hast DU noch Platz bei Dir?“

„Nee, absolut null!“

Und als wir das so halbwegs verklickern konnten, kamen Pläne mit Hin- und Zurückfahren, einem weiteren Taxi und sonstwas auf. Ich war dann mal nicht besonders geschäftstüchtig und hab die Leute drauf hingewiesen, dass das Kosmonaut nur noch ungefähr 500 Meter entfernt sei und das mit dem Fahrrad echt kein Ding sein sollte.

Nach der Wegbeschreibung sind zwar am Ende drei Leute ausgestiegen, um die Dame zu begleiten – und das Tempo der Ankunft weiter zu verzögern – aber was machte das noch aus? Am Ende waren das 22 € für eine Route, die auf dem kürzesten Weg (und ohne Großraumzuschlag und Wartezeit natürlich) ungefähr für eine Kurzstrecke machbar gewesen wäre. Mir soll’s recht sein. Mein Kilometerschnitt war prima heute Nacht. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Überqualifizierte Taxifahrer

Es ist nicht nur ein gängiges Klischee, sondern tatsächlich ein weit verbreitetes Phänomen, dass Taxifahrer nicht einfach nur Taxifahrer und schon immer Taxifahrer sind. Ich bin so gesehen fast schon eine Ausnahme, denn obwohl ich nebenher schreibe, hab ich ja tatsächlich nicht einmal eine reguläre Ausbildung, ein Studium oder dergleichen absolviert.

Die Kollegen, mit denen ich gelegentlich quatsche, waren beim Bau, haben Küchen montiert, einer repariert noch heute nebenher Computer, einer arbeitet in der Erwachsenenbildung. Abgesehen vom nötigen umfangreichen Stadtplanwissen ist das Chauffieren von Fahrgästen in aller Regel selbst unter den etwas einfacheren Gemütern ja meist nicht die Quintessenz aus mehreren Jahrzehnten Geistesleistung. Entsprechend verbreitet sind auch viele Hobbies, die sich entweder nebenher im Taxi (am Stand) verwirklichen lassen – ich denke da an den Kollegen mit der Gitarre oder die vielen, die mehr als nur die Bild lesen oder den Kollegen, der am Stand eigentlich immer nur vom Kochen erzählt. Von den inzwischen zahlreichen Bloggern ganz zu schweigen.

Und ja, auch die Mythen über iranische Doktoren oder wenigstens hängengebliebene Studenten (siehe meine Chefs z.B.) sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern existieren. Und – das möchte ich auch anmerken – vermutlich wirklich öfter als in anderen Berufszweigen. Weil wir auch während der Arbeit Zeit haben, weil wir durch laufend neue Menschen auch stets Input haben, weil wir vergleichsweise flexibel sind. Das begünstigt trotz teils immenser Arbeitszeit enorm die Verfolgung anderer Interessen.

Obwohl ich immer noch der Meinung bin, man sollte den Job Taxifahrer nicht runterspielen (anfangs hab ich das „Studieren Sie?“ ja wirklich gehasst.), kann ich inzwischen verstehen, warum so viele Kunden auf die Idee kommen, dass man ja noch was anderes macht.

Schräg wird’s immer dann, wenn sie spezielle Vorstellungen haben. Ich wurde schon gefragt, ob ich Psychologe sei, Wirtschaftswissenschaftler, Philosophie-Student, Musiker oder Türsteher.

Und dann kam letzte Woche ein Österreicher an, brabbelt ein bisschen vor sich hin und meint dann:

„Na, Sie können mir bestimmt schnell mal sagen, warum mein Handy kein Netz hat, oder? Sie sehen so aus.“

Ähm.

Ehrlich gesagt bin ich selbst überfragt, wenn mein Handy derartiges meldet und meine kleine Nerd-Phase um die Jahrtausendwende hat allenfalls dazu geführt, dass ich Win98-Systeme so tweaken kann, dass auch Ego-Shooter drauf laufen oder wie man in einer 5-Leute-WG eMule zu halbwegs paritätischer Downloadverwaltung überreden kann – etwas, das sich erstaunlich schlecht zu Geld machen lässt heutzutage.

Also hab ich ihm gesagt, er soll’s mal neustarten. Und – die IT-Supporter unter meinen Lesern werden es erahnen – es hat nicht wirklich das Problem gelöst, aber immerhin mal ausgespuckt, dass er das Limit seines Auslandsvolumens aufgebraucht hat. Warum das so kurz nach seiner Ankunft der Fall war … das wird er wohl mit dem Kundensupport seines Anbieters zu klären haben, aber ich denke, für 12,90€ (15,00€ inkl. Trinkgeld) binnen weniger Minuten inklusive Transport zum Hotel hab ich dann als Taxifahrer doch mein Soll übererfüllt. 😉

Ansonsten muss er halt demnächst mal einen Kollegen fragen, der sich WIRKLICH mit sowas auskennt. Schätze, davon gibt es auch genug. 😀