Fans …

Ich will nicht lügen: Natürlich kommen immer wieder mal Kunden und beschweren sich, dass mein Auto zu hoch, zu unbequem oder zu billig sei. Von den seltenen Erwähnungen abgesehen: Natürlich tue ich das gerne als dekadenten Scheißdreck ab. Ich würde ja nie behaupten, dass ich eine schwarze Luxus-Limousine fahre. Ich fahre Taxi im Rahmen des öffentlichen Nahverkehrs und ich finde es voll ok, dass ich in meinen Opel reinpasse und keine E-Klasse von Mercedes fahren muss. Und andererseits kann ich gut damit leben, dass mich ein paar Kunden zugunsten besagter Mercedes stehen lassen, weil diese wiederum für sie perfekt sind. Wie ich gerne anmerke: DAS perfekte Auto für alle gibt es (leider) nicht. Und ich bin deswegen ehrlich gesagt sogar froh drum, dass wir nicht einheitliche Autos wie in manchen US-Städten haben.

Aber  dennoch erfreut hat mich dann der Winker, der gleich rief:

„Schwer genug, hier ein Taxi zu finden. Aber dass ich dann auch noch einen Opel kriege! Geil!“

Und ja, ich bin abgehärtet! Ich hab das auch zunächst für Ironie gehalten. Aber nein:

„Ich fahr selbst Opel, bin’n Riesen-Fan! Preis-Leistung ist super, finde ich prima!“

Ehrlich gesagt: Ich bin nicht mehr up-to-date bei Autos. Aber ich hab ihm zumindest grundsätzlich geglaubt, dass er für das Geld, das er für seinen Insignia mit massenhaft Sonderausstattung gezahlt hat, von BMW oder Mercedes nur ein Standard-Modell bekommen hätte. Und ja, ich weiß: Manch Extra wäre bei denen schon Standard gewesen, ich bin nicht bescheuert. Aber der Typ war mit seinem Auto zufrieden und mit meinem auch. Mal ganz ehrlich: Wer will da schon eine Detail-Schlacht eröffnen? 😉

PS: Mich würde mal interessieren, was die Mercedes-Fahrer unter den Kollegen über die anderen Autos erzählt bekommen. Und einmal mehr: Das ist nicht polemisch gemeint, ich finde es wirklich ok, dass Kunden, denen das wichtig ist, ein bequemeres Auto nehmen. Schon alleine, weil ich das Gemecker nicht brauche.
Ich als Opel-Fahrer kenne im Grunde nur entweder die Cool-mal-keine-Luxus-Karre-Typen oder die Solltest-mal-ein-echtes-Auto-kaufen-Kunden. Lästern die Kunden im Daimler auch über die Opel oder gibt es sogar solche, die lieber einen Maybach hätten? Im Ernst, Kollegen: Ich finde die Frage spannend!

„Etwas“ nervös

Er winkte mich hektisch an den Fahrbahnrand, noch locker 500 Meter vor der Ecke, wo ich eigentlich Winker erwartet hätte. Er nannte eine Straße in Mitte, die mir nicht sofort was sagte, aber als er den nächsten Platz 200 Meter weiter nannte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

„Klingt, als wäre es eilig …“

„Kann man wohl sagen! Meine Frau bekommt jetzt unser Kind!“

Ich hab kurz den etwas schnelleren Weg eingeschlagen und mal nachgefragt, wie dringend es ist und wie so der Plan wäre. Hätte ja sein können, dass mir am Zielort erst die eigentlich spannende Fahrt bevorsteht. Aber nein. Auto ist vor Ort, ein guter Freund auch noch, sie wäre also nicht alleine. Aber der Plan wäre halt, dass sie auf ihn warten. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er feiern war, aber eigentlich sollte es halt auch erst in anderthalb Wochen soweit sein.

„Sag mal, kann man bei Dir rauchen, nee, kann man nicht, was? Geht ja nicht mehr, ich bin nur so nervös, das ist alles so ein Mist, ich freu mich so, was glauben Sie, wann wir da sind … oder Du, darf ich Dich duzen, äh Sie …?“

„Mach das Fenster runter!“

Ich erkenne eine Tendenz: Seit ich nicht mehr rauche, erlaube ich mehr* Leuten, im Auto zu rauchen. Eigentlich aber fand ich nur die Idee ganz gut, dass er abgelenkt ist und gelegentlich eine Sprechpause einlegt. 😉

*Das war Nummer zwei in einem Dreivierteljahr

Zweimal in schön

Unspektakulärer Kunde, eine nun wirklich nicht gerade nervenaufreibende Fahrt. Mehr Durchschnitt, als man für möglich halten wurde.

„Na dann wünsche ich noch einen schönen Abend!“

„Danke. Bis bald … vielleicht?“

„Man sieht sich immer zweimal.“

„Ja, stimmt. Das, das wäre in dem Fall echt schön.“

Man bekommt öfter Komplimente. Oder ich zumindest. Aber das war auf schwer erklärbare Weise grandios. Einfach weil „Man sieht sich immer zweimal“einer von ein paar Sprüchen ist, die ich netter Kundschaft nicht unehrlich, aber dennoch mehr oder minder automatisch nachwerfe. So sehr ich Leute auch sehr individuell mag, ich bin Dienstleister, das gehört dazu.

Und seine Antwort war eben genau das nicht. Kein „Stimmt!“, kein „Da haste recht!“, kein „Man wird sehen!“.

Vielleicht bin ich da als Dienstleister und gleichzeitig Blogger vorbelastet, aber das kam dermaßen ehrlich und spontan rüber, dass ich sagen würde, dass das nicht oft passiert. Wie dem auch sei: I like! 🙂

Guter Kunde, schlechter Kunde?

(Die Master-Edition)

Als er mir am Ostbahnhof ins Auto gekraxelt ist und angegeben hat, dass er bis ins tiefste Treptow-Köpenick fahren wolle, war das Business as usual. Sogar sehr nett eigentlich, eine Dreißig vor dem Komma war sicher. Mitte fünfzig, vielleicht leicht einen im Tee, aber wayne? Nachtschicht, das Übliche.

Rückblickend bin ich mir sicher, dass er’s nicht böse gemeint hat, aber als er auf halber Strecke angefangen hat zu erzählen, dass er die letzten drei Tage auf der Straße gepennt hätte und erst jetzt einen Platz in dem Obdachlosenheim bekommen hätte, da hat er natürlich dafür gesorgt, dass sich mir die Zehennägel hochgerollt haben. Drei Tage auf der Straße gepennt, aber dann 30€ fürs Taxi?

Wir haben uns aber erst einmal nett unterhalten und obwohl ich mir sicher bin, dass er auf seiner Seite auch einiges beschönigt hat, hat er den Eindruck eines zumindest momentan den Umständen entsprechend sehr korrekten Menschen gemacht. Ja ja, seine Ex hätte jetzt nach der Trennung die Wohnung, aber sie habe die Kinder zugesprochen bekommen und die sollten es ja zuallererst mal gut haben, er käme schon klar. Wie gesagt: Ich fürchte, der Background ist wesentlich weniger nett gewesen, aber ihn nach der letzten kühlen Nacht so ohne Zorn zu sehen – ich geb zu, dass ich das beeindruckend fand.

Und ihm schien’s zu gefallen, dass jemand zuhört und hat mit der Zeit auch ungeniert sein offenes Bier aus der Innentasche seiner Jeansjacke genommen und nach einer höflichen Nachfrage ein paar Schluck genommen. Er sei halt Alki, nicht schön, aber den Kindern ginge es gut und er hätte jetzt ja immerhin mal einen Unterschlupf.

Ich hab mein Geld sprichwörtlich wegflattern sehen, aber da waren wir dann auch schon in Köpenick. 30€, vielleicht noch 5€ bis zum Ziel …

Da irgendwann hat er dann auch gemerkt, dass das vielleicht etwas komisch auf mich wirken könne, hat mir versichert, zu bezahlen und nochmal die Geschichte erläutert, wie er wegen den Klamotten, die er bei einem Kumpel gewaschen hatte, dem S-Bahn-Ausfall und der spät ausgezahlten Amtskohle überhaupt im Taxi gelandet war. Und wie sehr er sich freue, dass ich ihn mitnehme. Ich solle stolz sein darauf, dass ich ’nen ordentlichen Job mache.

Am Ziel dann ein „Keine Sorge, jetz‘ kriechse deine Kohle!“ und beim Bücken nach dem Rucksack ergoß sich das Bier aus der Jackentasche auf seine Hose und natürlich den Sitz.

-.-

Sein Entsetzen war nicht gespielt. Jetzt hatte er’s doch verkackt! Es war ihm sehr unangenehm.

„Meista, mach ick Dir sauber. Haste Lappen, ick mach dit, ehrlich!“

Ich hab abgewunken. Ich hätte ihn das natürlich machen lassen können, aber ich putze das Auto ständig, schon aus Zeitgründen wäre das Unsinn gewesen. Und auch wenn verschüttetes Bier aus einem gepflegten Taxi schnell einen 30 Jahre alten Kneipenbus macht: Dafür haben wir Ledersitze, die nächsten Kunden haben schon nix mehr bemerkt.

Auf der Uhr war die Tour 33,70€ wert, bekommen hab ich seine gesamten letzten 40€. Und ich könnte schwören, dass die wertvoller aussehen als die letzten 6€ Trinkgeld, die mir irgendein Clubgänger vermacht hat. Trotz Bier.

Trinkgeldkleinigkeiten

Trinkgeld war heute mal wieder so mittel. Keinen großen Anteil daran hatte eine einzelne Kundin, die ich aber dennoch erwähnen muss, denn sie hat seit langem mal wieder ein sehr seltsames Trinkgeld gegeben: Die leicht überzogene Kurzstrecke für 5,50€ hat sie mit 5,80€ beglichen.

Gleich vorweg: Ja, damit fällt man weit (!) mehr auf, als wenn man kein Trinkgeld gibt. 😉

Ansonsten war das für heute Nacht bedeutsam, weil sie damit endgültig dafür gesorgt hat, dass ich Scheine in Münzen wechseln musste, denn nach den 4,20€ Wechselgeld hatte ich wirklich nur noch 80 Cent in der Tasche, sowas passiert wenn’s hochkommt alle drei Jahre mal.

Lustigerweise passt das auch zu einem Artikel, den mir Sören zugeschickt hat, bei dem es um einen Polizeieinsatz wegen ganzen drei Cent (!) Trinkgeld geht. Für Nichtklicker: Der Fahrgast hat drei Cent Trinkgeld gegeben, der Taxifahrer hat es abgelehnt. Der Kunde schmeißt’s ins Auto, der Fahrer aus dem Fenster und daraufhin will der Fahrgast nicht aussteigen.

So weit, so absurd. Aber ich weiß ja von einigen Kommentaren hier, dass manche Kollegen bei solchen Beträgen auch schnell genervt sind und ebenso handeln würden. Im Übrigen hab ich beim Verlauf der obigen Geschichte durchaus die Vermutung, dass das „Trinkgeld“ in diesem Fall wirklich herablassend gemeint war. Aber ich möchte da auch mal ganz ehrlich und nicht böse gemeint genau jene Kollegen fragen: Was bringt’s Euch eigentlich? Also mal abgesehen davon, dass ich persönlich glaube, dass man da auch einigen Kollateralschaden unter einfach nicht nachdenkenden Kunden anrichtet: Was gibt einem das, wenn man dann seinerseits herablassend ist?

Ich meine, Ihr habt recht: Auf den einen Kunden oder diese paar Cent kommt’s natürlich nicht an. Aber ist das nicht eigentlich eine Bestätigung für den Kunden, dass man kleinlich ist oder sich schnell ärgern lässt? Ich hab diese Kunden ja auch, aber ich hatte nach dem oberflächlichen „Schönen Abend noch!“ nie das Gefühl, dass da einer ausgestiegen ist, der glaubte, es mir jetzt aber gezeigt zu haben oder dergleichen. Dazu all der Stress … ich blick’s echt nicht. Deswegen wäre ich echt froh über Erklärungen, die einen Schritt über „Ich lass nicht alles mit mir machen“ rausgehen. 🙂

Sprungbrett-Tour

Ich hatte mich bereits damit abgefunden, die viel zu spät gestartete Sonntagsschicht zweistellig abzuschließen. Aber dann kam ein Aufrtrag von der Bahn. Eine 50€-Tour ins Umland auf Coupon, yeah! \o/

Die Freude hielt so lange leider nicht an. Der Fahrgast war ein Nörgler sondersgleichen und natürlich war wie bei allen weinerlichen Typen jenseits der fünfzig „die Politik“ schuld an allem Übel. Ich bin nun wirklich ein großer Freund differenzierter Debatten über die Grundübel der Gesellschaft, aber ganz so kompliziert sah das der Fahrgast natürlich nicht. Schuld wäre erst einmal „die Merkel“ und ihre „Ausländerpolitik“.

Ach Gottchen! Hat sich also doch noch ein Deutscher gefunden, dem ernsthaft irgendwas passiert ist, seit wir 2015  mal sowas wie Humanität auf Bundesebene ausgeübt haben?

Natürlich nicht.

Nein, es ginge um die Kürzungen bei der Bahn …

Für einen Moment war ich sogar erfreut, denn er beleuchtete die AfD in einem bisher unterrepräsentierten Licht:

„Diese Partei ist doch nur ein Karrieresprungbrett für Vollidioten!“

Dann aber erging er sich in Lobeshymnen für Guttenberg, nicht ohne verschwörungsmäßig angehaucht zu verkünden, dass sein „damaliges Absägen“ doch auch nur von „Gruppen“ insziniert worden sei, die „Veränderungen nicht wollen“. Ach herrje! Radikale Christsoziale! Das hatte mir gerade noch gefehlt. Aber ich hatte das trotz reichlicher Gegenworte an der Backe, wie so eine Wespe, die nicht vom Himbeerkuchen weichen will.

In seinen Augen also ist der Adlige zurückgekehrt, um Deutschland mit irgendeiner nicht näher benannten Revolution zu retten. Vor den Ausländern,  vermute ich mal. Aber ich hab nicht näher nachgefragt, sorry.

Fakt ist seiner Ansicht nach, dass Kopieren und Lügen im wissenschaftlichen Bereich schon ok ist, weil das ja alle schon mal getan haben, siehe Klimawandel …

Wo bleibt der verständnisfördernde Hurrikane, wenn man ihn braucht?

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Hello. AGAIN.

Ich hab die Kunden am Sisyphos wirklich so begrüßt:

„Oh, well. Hello AGAIN.“

Denn es war keine drei Minuten her, dass ich sie genau dort abgesetzt hatte. Der Grund für ihre prompte Wiederkehr war dann auch ganz klassisch die Schlange, die ungefähr anderthalb Stunden tristesseoptimierte Ereignislosigkeit versprach. Oder mit den Worten der einen Kundin:

„See, we love Techno. But: No!“

Ich kann’s nachvollziehen. Denn dazu muss man nicht einmal Techno lieben. 😉