Da lief die Schicht (wie vom Januar erwartet) völlig unterirdisch – und was mache ich? Ich hab mir in Lichtenberg gesagt, dass ich jetzt lieber in Karlshorst nach Kundschaft gucken will als in Mitte. OK, Nichtberliner wundert das jetzt vielleicht nur minimal, aber in Karlshorst um 3 Uhr Winker zu bekommen, ist utopisch. Nun gut, ich bin also in den Süden gegurkt und hab … in Karlshorst eine Winkerin bekommen.
Tja, aber hallo! Einmal mit Profis arbeiten …
13 € nannte sie ihr eigen und wollte „so nahe wie möglich an Prenzlauer Berg ran“.
„Aber ich guck mal, ob ich noch mehr finde …“
Nun hat meine Ortskenntnis sich eingemischt und das ziemlich schnell verworfen. Also bis Prenzl’berg selber wird das nix. Nicht mal die südlichsten Ausläufer am alten Schlachthof hätte ich erreicht. Also ging es mehr so in Richtung Warschauer, damit sie mit der Bahn weiter könnte. Die inzwischen zusammengesammelten 16,80 € hätten da wohl gereicht – allerdings bei weitem nicht bis in die Paul-Robeson, wo sie eigentlich hinmusste. Zu allem Überfluss sah es mit der Reisetauglichkeit bezüglich Bahn eher mau aus. Zunächst hat sie noch ein paar nette Worte über ihr Studium und anschließend über mich verloren, dann gestand sie aber:
„Tut mir leid, ich bin viel zu besoffen, um mich zu unterhalten.“
Nun denn, so weit es geht. Das wäre in solchen Fällen bei 16,80 € also so ungefähr bis an die 20€-Grenze – vorausgesetzt, es ergibt sich dadurch ein Vorteil – wie z.B., dass man unterwegs die Bahn noch überholt und Wartezeit erspart. Aber noch bevor es soweit war, standen wir in Friedrichshain an einer Ampel und sie meinte:
„Oh, das ist praktisch. Ich mach kurz die Tür auf, ok?“
„Äh, weswegen das?“
„Ich würde mich gerne übergeben.“
Im Ernst jetzt? „Ich würde mich gerne übergeben“? So ganz sachlich, als kleiner Wunsch vorgetragen. Wie „Ich fahre da vorne immer gerne links, da sind weniger Ampeln.“ Ich hab noch nie so gefeiert, während ein Fahrgast gekotzt hat! 😀
Ich muss dazu sagen, dass ich bei der netten Anfrage ja auch gleich automatisch in den Dann-isses-nicht-so-wild-Modus verfallen war und gemeint hab:
„Dann einen Moment noch, ich fahr eben ein Stück weiter nach rechts …“
Wenn das mit dem Kotzen schon Zeit hat, dann sichere ich die Situation doch auch gegen potenzielle in diesem Moment rechts überholende Radfahrer ab. Wobei das sicher als ekligster Unfall in die Annalen Berlins eingegangen wäre. 😉
Die Kundin war nun während der ganzen Aktion natürlich nicht würdevoller als alle Menschen es sind, die sich würgenderweise ihr Essen nochmal durch den Kopf gehen lassen. Aber sie hat sich Zeit gelassen, keine Hektik, weil man ja schnell weiter muss oder so. Nachdem sie dann ein Tuch zum Abwischen angenommen und ein Bonbon abgelehnt hatte, war sogar ich sehr überzeugt davon, dass es das jetzt wirklich gewesen sei. Wobei der verbleibende Weg ja nun auch nicht mehr sehr weit war. Obwohl …
„Äh, sag mal? Kann ich auch mit Karte zahlen?“
„Sicher.“
„Ach, dann hab ich ja quasi so viel Geld wie ich will … dann bring mich mal heim. Paul-Robeson XY – und danke!“
In aller Regel bin ich ja nur mäßig begeistert, wenn bei Kotzern mal eben ein paar Kilometer obenauf kommen. Aber heute hab ich mich nur gefreut. Auf dem weiteren Weg ist dann das buchstäbliche Nichts passiert. Meine Kundin hat nur selten mal die Augen aufgemacht, von Reden und Kotzen wollen wir gar nicht erst anfangen …
Für so komplexe Aktionen, wie während der Kartenzahlung ein Trinkgeld anzusagen, war sie am Ende leider schon zu hinüber. Ich tröste meine sehr im Rahmen befindliche Stimmung jetzt halt damit, dass ich anscheinend „der netteste Taxifahrer aller Zeiten“ bin. Ich meine, bei anderen Kunden bleibt nicht mal das Auto sauber. Und, nicht vergessen: „Ich würde mich gerne übergeben.“ 😉
„Äh, sag mal? Kann ich auch mit Karte zahlen?“
„Sicher.“
Wie kann man nur etwas anderes denken! Wieviele Wochen ist es eigentlich her, dass das nicht ging? 😉
Da sieht man mal wieder: Kontext ist wichtig.
Sonst würde jemand der mir sagt „ich würde mich gern übergeben“ eventuell als Kritik an mir, meinen Werten oder Handlungen wertbar sein. Nicht das das nötig wäre, denke ich- aber das ist ja immer subjektiv.
Es gibt auf der anderen Seite auch Menschen, denen ich das so gerne ins Gesicht sagen würde. Durchaus als Kritik.
Sash, Du bist nicht dabei, dafür lese ich Dein Blog zu gerne.
An deinem Funkgerät kann man mit JEDER Karte bezahlen? Ich hab das gleiche Funkgerät und bei mir gehen nur Kreditkarten. Und von denen wiederum AmericanExpress nicht. Ist das bei dir echt egal?
Gruß aus Ulm.
Marco.
@Andreas:
Das kommt geschrieben aber auch wesentlich polemischer rüber, als ich es gesagt habe. 🙂
Aber was die Wortwahl an sich angeht: Es ist hier in Berlin jetzt seit weit über einem halben Jahr Pflicht, Karten anzunehmen. Da geht das vermutlich in Ordnung, einfach so, um sich an die neue Zeit zu gewöhnen.
@Peter:
Um das so zu interpretieren, müssen aber in der Regel noch andere Dinge hinzukommen. Zum Beispiel eine zeitliche Nähe zu einer Aktion des anderen oder so. Und insbesondere, wenn der Satz „Ich bin zu besoffen zum Unterhalten“ schon gefallen ist, werde ich das eher weniger persönlich nehmen … 😉
@Marco:
Naja, JEDE ist sicher übertrieben. Keine Ahnung, was es alles für gruselige Ausnahmefälle gibt – vielleicht ist Amerivan Express einer – und natürlich funktionieren manche Karten schon wegen Defekten oder so nicht. Aber deine Frage zielte auf EC-Karten ab, und die funktionieren bei mir im Wesentlichen tadellos. Gut, so ich Kollegen glauben kann, sollen irgendwelche ganz besonders neuen nicht gehen – ist mir aber noch nicht bewusst untergekommen, so ein Fall.
Ihr meint sicherlich die Maestro-Karten, da gibt’s mittlerweile auch welche ohne girocard.
Das sind zwei verschiedene ELV-Anbieter.
Früher war es da einfacher, da gab’s nur EC, das gibt’s heute nicht mehr (wenn auch teilweise fälschlicherweise von den Geschäften beworben).