An sich hab ich den Schlenker über die Frankfurter Allee ja nur gemacht, um vielleicht noch Winker zu finden. Was ich stattdessen sah, hab ich besser mal ignoriert. Da hatte zwar jemand die Hand auf die Straße gestreckt, allerdings hielt er gar nicht nach Taxen Ausschau, sondern schwankte einfach in Fahrtrichtung vor mir her. Als ich neben ihm an einer Ampel halten musste, stellte sich heraus, dass er das wirklich für winken gehalten hatte, denn er stieg ein. Eigentlich fiel er eher.
„Guten Abend.“
„Sh. Ssse sml ls amlsllalalss …ssss!“
Ich hab mir selbst auf die Schulter geklopft, dafür einen Umweg gefahren zu sein.
Der junge Mann hielt ein Smartphone am Ohr und hauchte hinein:
„cajutoaim? Cajutoooaim!?“
Na dann gib halt her! Ich weiß, die meisten lesen jetzt Bahnhof – und zwar auf vogonisch. Tatsächlich war mir in dem Moment klar: Ich hatte es mit einem Briten (beim Ausüben des inoffiziellen Nationalsports) zu tun, der seinen Kumpel am anderen Ende der Leitung bat, mit mir zu reden. Can you talk to him – so schwierig ist drunken english dann ja auch nicht. 😉
Ich nahm mir das Telefon und der Kumpel am anderen Ende hatte immerhin etwa 2 Promille weniger. Für gänzlich fehlerfreie Kommunikation hat’s nicht gereicht. Er bat mich, seinen Freund zum nächsten Krankenhaus zu bringen. Komische Bitte, aber irgendwie nur so mittel absurd, wenn man sich den Kandidaten mal angeschaut hat. Ich fragte nach, ob es ein bestimmtes oder einfach nur das nächste sein sollte, woraufhin es in der Leitung raschelte und mich eine ernste Stimme eines Dr. XY wissen ließ:
„Die sind im Klinikum am Friedrichshain. Sie warten dort am Eingang zur Rettungsstelle.“
War der Druffi jetzt ein entlaufener Patient? Nicht ganz. Er hat die ganze Fahrt über weiter telefoniert. Die ersten 2 Minuten hat er seinen Kumpels immerzu erklärt, er wäre in 5 Minuten da. Die letzten 2 Minuten hat er hauptsächlich damit verbracht, mich zu fragen, wie lange es dauern würde. Nach ungefähr 30 Nachfragen (Wie gesagt: 2 Minuten!) stellte ich am Tor der Rettungsstelle fest, dass leider kein Arzt wartete. Noch besser: Statt den Spezialpatienten abliefern zu können, hatte ich jetzt noch zwei zusätzliche:
„Could you bring us to our hostel? We, we would give you money!“
Na, mit dem Geschäftsmodell haben sie mich aber überrascht. Und was sollte es schon. Das waren nochmal 5 Minuten und 5 € mehr – und ich hatte mich so langsam dran gewöhnt, bei jeder Rechtskurve den Ellenbogen hochzuhalten, um den Kerl neben mir wieder zurückzuschubsen, weil er ein wenig zum Umkippen neigte. Der Wortführer war auch wirklich noch erträglich betrunken. Der zweite auf der Rückbank klagte indessen über mörderische Kopfschmerzen und der neben mir hatte auf nichts mehr Zugriff, was nicht unmittelbar der Lebenserhaltung diente. Mit der Zeit hab ich mich sogar gefragt, ob ich mir nicht unnötig Sorgen machte und er einfach sogar zum Kotzen zu blau sein könnte.
Ohne größere Verluste haben wir es dann bis zum Hostel geschafft und mit 12,40 € war das Ganze für eine Familienzusammenführung im Krankenhaus mit anschließender Heimreise sogar noch bezahlbar für die Jungs. Der eine, der das noch konnte, entschuldigte sich auch tausendfach und dankte mir in einem fort. Beim Bezahlen preschte er mit einem Zehner voran, legte auch den Zweier gleich obenauf und wollte dann Geld von den beiden Lädierten haben. Mein Beifahrer entzog sich der Zahlung durch einen Sturz auf den Gehweg, dem ich in Gedanken wegen des Torkelns zuvor und der eleganten Landung eine 9,5 in der B-Note gab. Der zweite konnte zwischen seinen Kopfschmerzattacken erst einmal nur ein 10-Cent-Stück rausrücken. Dann nach einigem Gefluche und auf Nachfrage noch ein zweites. Als er ausgestiegen war, konnte er noch ein Drittes entbehren.
Während ich darüber sinnierte, ob das jetzt nicht ein wunderbares Ende für die Fahrt wäre – dass ihnen läppische 10 Cent zum Begleichen der Rechnung fehlen – warf der Nüchterndste dann einfach nochmal einen Zweier hinterher und bat mich abermals um Entschuldigung.
Die werden heute Schmerzen haben, für die ich mir nicht einmal Worte ausdenken könnte. Und ich hab 14 € und bin eigentlich ganz zufrieden. 😀
Wie schön 🙂
Mal etwas off-topic: hast du irgendwas im Blogmenü verändert? irgednwie wird mir die Seite so…komisch anders…angezeigt.
Klingt sehr vertraut die Situation. Aber man muss Briten zu Gute halten dass sie zwar meist im Suff laut sind und jeder Satz mehrere Flüche beinhaltet, aber meinen Erfahrungen nach respektieren sie den Taxifahrer.
Wo ich bei Trunkenbolden aus anderen Nationen nur still bin und die Kommunikation auf ein „hm“ beschränke, kann man mit Briten sogar noch humorvolle Gespräche führen.
Was da die Kollegen aus Mallorca für Erfahrungen haben 😉
Oh man,
da komm ich aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Und ja, die werden heftige Schmerzen haben, das befürchte ich auch. Und sich wohl an nichts mehr erinnern.
@Taxiblog Bremen:
Ja, ich hab ein eMail-Formular aufgenommen, Archiv und Kategorien zu einem Drop-Down-Menü verkürzt und teste nebenbei „Meistgelesen in den letzten Tagen“. Außerdem gibt es ein komplett neues Mobile-Theme. Ich weiß jetzt nicht, was genau dir aufgefallen ist, aber irgendwas davon wird’s wohl sein. 😉
@Sternennacht:
Stimmt, mit den meisten Briten läuft das ganz gut. Wobei das „meist“ bei mir eigentlich auf alle Gruppen zutrifft. Ausnahmen bestätigen natürlich überall jede Regel … 😀
Sash, willste mal lachen? Ich hab in Deiner Aufzählung @TaxiblogBremen gelesen „Mittagessen in den letzten Tagen“ und dachte mir: „Das meint der doch nicht ernst!“ Wobei ich zwei Blogs kenne (will sagen: kannte), die bestehen prinzipiell *nur* aus diesem Thema.
@opatios:
Foodblogs also? 🙂
Wenn ich alles zusammenrechne komme ich sogar auf 14,30 Euro: Ein Zehner, zwei Zweier, drei zehn-Cent-Stücke.
@Erbsenzähler:
Ich hab das im letzten Satz bewusst gerundet. Aber Du hast natürlich recht.