Nur ein Zehner …

„Was kost’s nach Hohenschönhausen?“

„Ich würde mal so 15 bis 25 € einplanen, je nachdem wohin.“

„Wir haben aber nur 10.“

„Das reicht nicht, sorry.“

„Liegt aber ganz am Anfang, Hauptstraße*.“

„Sind  in dem Fall trotzdem mindestens 15 €. Eher mehr.“

„Aber wir haben nur 10.“

„Dann habt Ihr jetzt echt ein Problem mit Eurer Ausgehstrategie.“

„Hä? Wieso?“

„Ich hätte Euch jetzt gerne den Weg mit der Straßenbahn erklärt, aber das kostet für 6 Leute 15,60 €**.“

Mal ehrlich: 6 Leute feiern einen ganzen Abend lang und wollen um 4.15 Uhr heimfahren. Von diesen 6 Leuten hätten – sofern sie überhaupt die Wahrheit gesagt haben – nur 2 je ein Bier oder vielleicht sogar nur einer einen Cocktail weniger trinken müssen, um die ganze Truppe im Taxi schnell heim zu befördern. Zu einem Preis, der dem Normalpreis der BVG zudem verdammt nahe war. Und weil es 6 Leute kollektiv zu doof ist, an sowas zu denken, sollen sowohl mein Chef als auch ich auf je ca. 3,50 € von den insgesamt wahrscheinlich 17 € Umsatz verzichten?

Ich hab nix gegen’s Feiern und noch nicht einmal was gegen Verplantheit. Solche Abende sind auch mal toll. Aber dass von 6 Leuten nicht einer noch einen Notfall-Zehner dabei hat – oder meinetwegen 8 € im Sparschwein zu Hause, Geld auf dem Konto, was weiß ich! – das ist doch schlicht Bullshit.

Ich bin – auch wenn einige das hier vielleicht anders wahrnehmen – auf der Straße gar nicht so schlecht darin, mal ein Auge zuzudrücken, wenn es dafür Gründe gibt. Aber ich verdiene leider wirklich zu wenig Geld, um nebenbei mal aus Jux und Dollerei jugendlichen Spaßvögeln ihre Sauferei zu finanzieren, bzw. ihnen durchgehen zu lassen, dass sie am Ende lieber irgendwem einen Drink bezahlen als mir meine Arbeit zu vergüten.

Der Fall jetzt war ja nur so mittelernst. Sie haben das bei mir und den zwei Kollegen am Stand schnell aufgegeben. Ich werte das auch wirklich nur als ein „Wir können ja mal versuchen, ob wir nicht auch’n Taxi kriegen …“
Aber genau deswegen habe ich auch so absolut kein schlechtes Gewissen, da nein gesagt zu haben.

*“Anfang“ ist gut. Da fährt man schon 3 Kilometer durch den Stadtteil …
** Natürlich ungeachtet von Monatskarten. Aber ich finde, in so einem Fall darf man das mal erwähnen.

Die Kotztütenfrage

Hier in den Kommentaren kommt das Thema nach jeder Geschichte mit reihernden Fahrgästen hoch, heute hat aber auch Udo Vetter in seinem nach wie vor immer lesenswerten law blog auf einen Fall aufmerksam gemacht, bei dem es um einen Taxifahrer – und Kotztüten – ging. Also schreibe ich mal was dazu.

Zunächst der Fall:

Vor Gericht war der Kollege aus Bamberg gelandet, weil er auf der Autobahn 64 km/h zu schnell war. Nix, was man sich als Fahrer so einfach erlauben sollte. Seine Begründung war nun, dass sein Fahrgast so betrunken war, dass er eventuell hätte kotzen können und er als Taxifahrer deswegen möglichst schnell ans Ziel kommen wollte.

Er ist damit in erster Instanz tatsächlich durchgekommen. Was mich schon verwundert, aber gut. Im nächsten Durchlauf am Oberlandesgericht dann wurde allerdings zurückgerudert und klargestellt, dass das Interesse an der Einhaltung der Verkehrsregeln höher zu bewerten ist als die Sorge um die Verschmutzungen eines Taxis. Zumal sich diese z.B. mit Kotztüten vermeiden ließen. Im Großen und Ganzen ein verständliches Urteil, zumal ich mir die Frage stelle, ob schnelles Fahren nicht auch zusätzlich eher ein Risiko in so einem Fall darstellt.

Nun grundsätzlich:

Ich hab nix gegen Kotztüten und sie werden ja auch in verschiedensten Situationen sinnvoll eingesetzt. Sie sind billig und je nach Ausführung platzsparend. Und zweimal hat eine Tüte – in diesen Fällen zwar keine dafür vorgesehene, aber wayne? – tatsächlich schlimmeres verhindert. Vielfach bringen sie aber gar nix.

Ich weiß nicht, wie Eure Erfahrungen mit Leuten sind, die vom Alkohol kotzen mussten (und das sind bei mir im Auto natürlich alle Fälle), aber meiner Einschätzung nach gibt es zwei nennenswerte Gruppen:

Die einen sind soweit in Ordnung und meist recht heiter drauf. Sie wissen, dass sie einen über den Durst getrunken haben und haben selbst Angst davor, Kotzen zu müssen und sagen das mitunter auch ganz offen.

Die zweite Gruppe unterteilt sich in die, die schon so hinüber sind, dass sie mit offenem Mund im Halbkoma vor sich hinsabbern – und in die, die bis ganz ganz zum Schluss der Meinung sind, sie halten das schon aus und keinen Bock haben, zwei Euro mehr fürs Taxi zu zahlen, wenn man anhält. Oder es ist ihnen peinlich vor ihren Freunden.

Die aus Gruppe eins sind problemlos. Die sagen Bescheid. Manchmal etwas sehr kurz vorher, aber ich fahre in solchen Situationen auch meist so, dass ich auf ein schnelles Anhalten vorbereitet bin. Das geht also auch schnell.

Gruppe zwei sind die, die ich die ganze Zeit im Auge behalten muss und die dann in der Regel bei stehendem Auto noch zu besoffen sind, die Tür zu öffnen oder aus dem Nichts und ohne Vorankündigung 10 Meter vor Ende der Fahrt einen dicken Strahl direkt auf die ungünstigste Stelle richten.

Und Gruppe eins beinhaltet die absolute Mehrheit der Leute, die Kotztüten noch benutzen können oder wollen. Und wenn ich dann noch miteinbeziehe, dass ich die Tüten irgendwo griffbereit haben muss … und ja: Ich! Nicht die Kunden. Denn ansonsten sind sie eh geklaut, bis der erste Kotzkandidat auftaucht.

Ich glaube, für jemanden, der all die Problemkandidaten einlädt, habe ich eine recht brauchbare Kotzerstatistik auch ohne Tüten – und sie wird immer besser. Direkte Ansprache des Themas, Ausräumung der Angst vor den Wartezeitkosten, gleichermaßen Angst machen vor den Kosten beim Kotzen ins Auto, umsichtiges Fahren … ist ja nicht so, dass man nicht viel machen kann. Wie gesagt: ich hab nix gegen Kotztüten und hab eine Zeit lang (bis sie eben geklaut waren) auch welche spazieren gefahren. Im auf sie zugeschnittenen Fall können sie prima sein. Aber ich glaube, dass sie ihrem Ruf, die Problematik der Kotzer einfach zu lösen, in der Praxis nicht gerecht werden. Die Menschen sind zu unterschiedlich als das ein so simples Hilfsmittel alle Probleme lösen könnte.

„Nicht eilig“

„Ach, ist ja schön, dass ich Sie hier treffe. Bringen Sie mich zum Hauptbahnhof?“

„Sicher. Haben Sie es denn eilig?“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Das ist schön. Holen Sie also nur jemanden ab?“

„Nein, nein, mein Zug fährt um 0.41 Uhr.“

Zu diesem Zeitpunkt war es 0.34 Uhr und wir waren noch zwei Kilometer vom Bahnhof entfernt.

Ich hab also auf die schnellere Route gewechselt, bin so schnell gefahren, wie ich konnte und wir haben das mit der Bezahlung bereits 200 Meter vor dem Ziel erledigt, das wir mit Mühe und Not rechtzeitg erreicht haben. Aber ja: schön, dass es „eigentlich nicht eilig“ war. 😉

Gute Umsätze (oder eben nicht)

Ein Wochenende, zwei grundverschiedene Tage,

Am Freitag musste ich noch zur Werkstatt und war früh auf der Straße. Hab dafür später auch mal eine halbe Stunde Pause gemacht. Wie dem auch sei: 10 Stunden Arbeitszeit. Ergebnis: 157,00 €. Traurig für einen Wochenendtag.

Am Samstag bin ich erst nach dem Deutschlandspiel rausgefahren. Ohne Pause, war ja eh schon spät. Ergebnis: 156,50 € in 6,25 Stunden. Das kann man durchaus gut nennen. Sogar für ein Wochenende.

Da ein Bild bekanntlich mehr sagt als 1.000 Worte:

Eindeutiges Statement: Lieber Fußball gucken als Taxi fahren. Quelle: docs.google.com/Sash

Eindeutiges Statement: Lieber Fußball gucken als Taxi fahren. Quelle: docs.google.com/Sash

(Die Tabelle zeigt den Umsatz zu Beginn jeder vollen Stunde. Google lässt sich nicht überreden, die Stunden anzuzeigen. Die Touren wurden nach Anfangszeit zugeordnet. Und zuletzt: Nicht vergessen, mein Verdienst davon beträgt nur 45% der angegebenen Werte. Brutto. Und Trinkgeld ist gerade auch eher so eine Rotgeldveranstaltung.)

Pfandrekorde

Das mit dem Pfand im Taxi kann schwierig sein. Dabei ist es schon eine gute Sache, wenn Leute mal eben irgendwohin verschwinden, um Geld zu holen. Aber oft haben sie nicht gerade viel dabei.

Ausweise darf ich nicht nehmen. Und obwohl es zumindest lange Zeit trotzdem recht gängig war, versuche ich es inzwischen tatsächlich zu vermeiden. Nicht wirklich der Gesetzeslage wegen, sondern weil mir im Laufe der Jahre nahezu alle Kollegen das Gleiche gesagt haben: Der Personalausweis ist den meisten Menschen so egal, dass sie keine Versicherung dafür sind, dass die Leute nicht trotzdem verduften. Klar, man hat die Daten der Leute – aber die durchschnittliche Taxifahrt ist ja meist den Aufwand eines Verfahrens nicht wert.
Gut, inzwischen ist die Wiederbeschaffung etwas teurer geworden, aber im Grunde geht mich ja auch gar nicht an, wer da mit mir fährt. Und ebenso wie bei den meisten anderen Karten, die wir von den Fahrgästen tatsächlich annehmen dürften, muss man fairerweise auch einräumen, dass da wiederum die Kunden einen großen Vertrauensvorschuss geben würden.

Klamotten sind selten zu viele am Start, aber selbst wenn das im Einzelfall mal ein gutes Pfand ist – die Vorstellung, irgendwann mal wirklich eine Jacke bei ebay zu verticken, um an das Geld für eine Fahrt zu kommen, scheint mir absurd.

Taschen find‘ ich ok. Die meisten haben irgendwas persönliches drin oder hängen an dem Gepäckstück selbst – und trotzdem ist (gerade wenn klar ist, dass kein Geld drin ist) hinreichend unwahrscheinlich, dass sich ein Taxifahrer binnen einer Minute Wartezeit bei erfolgreicher Geschäftsabwicklung ans große Suchen macht.
(Für mich ist das zwar ohnehin undenkbar, aber in solchen Situationen bitte ich die Fahrgäste gerne, ihr Pfand einfach auf der Rückbank oder dem Armaturenbrett abzulegen und verlasse das Auto, um eine zu rauchen. Damit niemand das ungute Gefühl haben muss, ich hätte irgendein Interesse an den persönlichen Gegenständen. Ich weiß nicht, wie die Kollegen das machen, aber ich hab das Gefühl, es kommt ganz gut an.)
Aber auch bei Taschen kann man als Fahrer reinfallen. Ein Kollege hat mal die Kohle einer lukrativen Flughafentour verloren, bei der der Fahrgast den Koffer im Auto gelassen hat – der sich nach einer halben Stunde warten als leer erwies.

Der Klassiker inzwischen sind aber natürlich Handys. Für mich als Fahrer wirklich super, aber bezüglich persönlicher Daten und dem hohen Gegenwert schon beachtlich. Ich bin wirklich verdammt erstaunt, wie sorglos mir die Leute teilweise Modelle der obersten Preisklasse in die Hand drücken. In einem Fall sogar mit angeschaltetem Bildschirm und geöffneter Facebook-App. WTF?
Für mich ein Lob, ja, aber wenn Leute dann sogar noch abwinken, wenn ich ihnen als Gegenleistung anbiete, sich noch eben kurz meine Konzessionsnummer anzuschauen … mutig, mutig! Und leider gab es wohl schon mindestens einen Fall, in dem das nicht gut ausging.

Gut, die Möglichkeiten klingen so aufgezählt erst einmal vielfältig, aber wie man sieht, haben auch alle ihre Nachteile. Und kaum jemand hat – zumindest bei mir nachts – alles oben genannte dabei. Manche gehen offenbar nur mit Haustürschlüssel und Bargeld feiern. Kaum bekleidet noch dazu.

Da war der Winker jetzt am Wochenende doch erfreulich. Er hat mich nicht nur für meine sehr nette Art gelobt, sondern war ernstlich bestürzt, als er am Ziel feststellte, dass er nicht genügend Geld dabei hatte. Er war einer derer, bei denen ich sogar hätte schwach werden können, aber er war engagierter als alle, die ich bisher kurz in ihre Wohnung hab sprinten lassen, und hat mich mit Pfand fast schon überhäuft:

„Hier haste erst mal mein iPhone!“

„Alles klar.“

„Warte, ich lass‘ meine Tasche einfach auch noch hier …“

„Ist schon ok …“

„Warte! Hier! Einen Fünfer hab ich auch noch!“

„Steck den wieder ein!“

„Warum?“

„Mal im Ernst, Junge: Wenn Du mir deine Tasche und dein iPhone dalässt – als Sicherheit für eine 14€-Tour – wie groß schätze ich wohl die Wahrscheinlichkeit ein, dass Du nur wiederkommst, weil Du auch noch einen Fünfer hiergelassen hast?“

Hat er verstanden. Hab den Fünfer aber hinterher als Extra-Trinkgeld doch noch bekommen. 🙂

Das mit der Bezahlung

Am Taxistand gibt es für mich in der Regel wenige Möglichkeiten, mich für oder gegen Kunden zu entscheiden. Schon gar nicht in Bezug auf die Länge der Fahrt. In die Riege dieser Kollegen werde ich mich hoffentlich nie einreihen. Wenn es aber ums Prinzip geht, bin ich auch nicht zu allen Kompromissen bereit.

Da waren gestern Abend dann diese Jungs, die nur kurz zum Pirates wollten. Knapp über einen Kilometer die Straße runter. So weit ok, aber:

„Geht gleich los. Kollege holt noch’n Burger. Dauert nur zwei Minuten. Warteste, ja?“

„Äh … nur wenn keiner kommt.“

Aber da waren sie schon weg. Auftritt von vier Mädels:

„Was kost’n des, wenn wir zur Rigaer und dann zum Berghain fahren? Und können wir auch mit Döner? Ohne Zwiebeln!“

„Kosten wird das knapp über 10 €. Vielleicht 11, vielleicht 13. Aber Döner sind so eine Sache …“

„Ohne Zwiebeln! Beide!“

„Darum geht’s mir nicht. Aber ich darf die runtergefallenen Bröckchen nachher aufsammeln. Und ich ess‘ selbst oft genug Döner um zu wissen, wie schwer das manchmal zu verhindern ist.“

„Ist ja kein Problem. Wir essen kurz auf. Warteste?“

„Ich kann Euch nur das selbe wie den Jungs eben sagen: so lange meine Uhr nicht läuft, bin ich für alle frei.“

„OK, geht ja schnell.“

Uhr anmachen wäre auch schnell gegangen und hätte mich ehrlich gesagt mehr gefreut. Die Jungs waren nämlich weitaus weniger sympathisch als sie wiederkamen und voll der Häme, den Mädels das Taxi weggeschnappt zu haben. Von ihrer kürzeren Tour ganz zu schweigen. Natürlich hab ich mich so gesehen nicht gefreut – aber was wäre gewesen, wenn die Jungs plötzlich vorgeschlagen hätten, nach Mahlsdorf zu fahren?

Man kann sicher über vieles reden. Aber wenn es doch sowieso „ganz schnell“ geht und man (Zitat der Mädels) „aber unbedingt mit diesem Taxifahrer“ fahren will, dann ist das die 60 Cent (grob geschätzt 2 Minuten Wartezeit) vielleicht ja wert. Ist nicht böse gemeint, ich hab sowas auch in seltenen Fällen schon angenommen. Und dann muss der eine noch dringend aufs Klo, die nächste holt noch einen Döner und irgendwer vergisst vor lauter telefonieren das Einsteigen weitere 5 Minuten. Und ich schicke, obwohl unbezahlt, den Typ mit der Tour nach Schönefeld weg.

Heute nacht war’s eher andersrum. Wobei ich nach den Jungs ein paar tolle Fahrten hatte, die mich sehr schnell bestätigten, im Vorfeld keine allzu falsche Entscheidung getroffen zu haben. Mal abgesehen davon, dass ich nach drei Minuten wieder am Bahnhof war, um zu sehen, ob die Mädels es auch noch sind. Wäre also wirklich „ganz schnell“ gegangen.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Gründe fürs Taxifahren, Teil 276

„Bringen Sie mich in die Falckensteinstraße?“

„Na selbstverständlich.“

„Oh, das ist gut.“

„Hört sich an, als wäre es eilig …“

„Nee, das jetzt nicht. Ich war nur so in Eile, weil ich vor einem Beziehungsstreit von Bekannten geflüchtet bin. Jetzt ist alles gut.“

Gut, es ist nicht das erste Mal, dass ich sowas hatte, siehe z.B. hier. Aber alltäglich isses halt auch nicht.