„Nich‘ jewohnt …“

Aus der Reihe: Fahrgäste, die den Taxifahrer zum Kotzen bringen

Eigentlich ging es wieder nur um die Frage, ob ich über die Oberbaum- oder die Elsenbrücke fahren sollte. Wie die meisten entschied sich dieser Fahrgast für die Elsenbrücke. Warum, das musste er mir natürlich unbedingt erklären:

„Nee, wenn ick die Wahl hab‘, dann halt ick mir lieber fern von Kreuzberg.“

Mit besonderen Ambitionen offensichtlich bei einer Wohnadresse direkt in Treptow. -.-

„Dit is, darfst ma da och nich‘ falsch verstehen und so, aba dit is‘ mir nüscht. Wat da rumläuft! Ick weeß, dit is‘ jetzt nich‘ so populär in de Medien und so, sagt man halt nüscht, ne, aba wir in’n Osten sin‘ ja nich‘ mit sowas aufjewachsen. Wir sin‘ dit ja, sa’ick mal so, nich‘ jewohnt mit die Ausländer und so.“

Statistisch war er also ein Paradebeispiel. Sämtliche Studien belegen ja, dass die Ausländerfeindlichkeit dort am größten ist, wo am wenigsten Fremde leben. Was ich aber besonders beeindruckend an diesem Hohlkopf fand, war das durch die Blume vermittelte Eingeständnis, sich binnen 25 Jahren nicht an andere Menschen gewöhnt zu haben. Mit derartiger Ignoranz ausgestattet müsste ich heute mit meinen Kindergartenkumpels abhängen und gegen die Grundschule wettern – obwohl meine Kindergartenfreunde überwiegend nicht-deutsch waren …

Ich war selten so froh, dass die Fahrt nur kurz war. Nach mehr Auszügen seiner dümmlichen Gedanken war mir nämlich nicht gerade zumute.

22 Kommentare bis “„Nich‘ jewohnt …“”

  1. Jan sagt:

    So ein Pfosten. Seine Aussage ist mehrfach dämlich. Auch im Osten aka der DDR lebten viele Ausländer. Man denke nur an all die Sowjets. Hinzu kamen Gastarbeiter aus Afrika, Asien und Südamerika. Hier zu sagen, er sei Ausländer nicht gewöhnt, ist absoluter Bullshit.

  2. Jens sagt:

    @Jan: Das würd‘ er wahrscheinlich so kontern wie Methusalix in einem Asterix-Band: „Ich hab‘ nichts gegen Fremde. Aber diese Fremden, die sind nicht von hier!“

  3. elder taxidriver sagt:

    Das ist interessant und es ist typisch für Berlin. Manche, sogar Taxifahrer darunter, wollen zum Beispiel freiwillig auch nicht in den Südwesten der Stadt fahren oder in den Norden, oder den Südosten. Mit vielfältigsten Begründungen ..( Die jeweils oft nicht so freundlich und ganz pauschal, wie es das kurze Gespräch so an sich hat.und die Welterkennungskraft des Sprechers , über die dort lebende Wohnbevölkerung klingen.) Der Schriftsteller Martin Kessel sagt dazu:

    “Der Aktionsradius des Berliners ist erstaunlich gering. Es gibt den Familienradius, den Arbeitsradius. den Vergnügungsradius. Vor allem aber gibt es die Illusion der dauernden Anziehungskraft dieser Radien‘.

    Der Fahrgast benutzt sicher auch keinen Computer und hält nichts vom Internet. Das kann man gut oder schlecht finden, man kann es verstehen-wollen oder nicht , wenigstens in d ie s e m Fall aber würde ich nicht ähm, kotzen. Auch nicht symbolisch. Es ist einfach zuviel für ihn..

  4. Nania sagt:

    Es ist wirklich so, dass gerade die Menschen, die wenig bis gar nichts mit Menschen mit Migrationshintergrund zu tun haben, am ehesten die sind, die sie ablehnen. Ich kenne wenige Menschen, die regelmäßig Kontakt zu z.B. Türken oder Russen haben und dann noch sagen, dass sie ein Problem mit diesen haben.
    Ich wohne selbst in einem Viertel, dass eher von Migranten geprägt ist, tatsächlich auch viele muslimische. Aber wisst ihr was? Das ist mir im Grunde völlig egal. Der Supermarkt ist prima, man bekommt der günstiges und gut gelagertes Obst sowie massenweise Oliven (viiiiieeeel billliger als im normalen Discounter), ich mag auch irgendwie den damit einhergehenden Flair.
    Aber wer natürlich glaubt, sich in 25 Jahren nicht an Menschen anpassen zu können – naja, der hat wohl auch ein Problem (oder in erster Linie ein Problem) damit, sich dem zu nähern, was ihm fremd ist. Nicht nur Menschen, sondern auch anderen Dingen.

    (Meine Großeltern sind über Jahre hinweg nie chinesisch essen gegangen. Das fanden sie komisch und standen der Sache auch etwas ablehnend gegenüber. Und dann sind sie einmal eingeladen worden (jetzt ca. 15 Jahre her) und jetzt? Jetzt werden chinesische Restaurants liebend gerne besucht und alles probiert, was die Speisekarte bietet)

  5. ichso sagt:

    Ich behaupte mal: Kein Ausländer hat den Kerl in seinem Leben jemals so gründlich und heftig verarscht und schikaniert wie seine 100% deutsche und ausländerfreie DDR-Regierung.
    Keine Ausländer, keine Besuche im Ausland, keine Früchte aus dem Ausland, keine Musik aus dem Ausland!
    Aber wer braucht Rock’n’Roll wenn er den Lipsi tanzen kann?

  6. elder taxidriver sagt:

    @ichso:

    Originell, klug und witzig obendrein.

  7. Helix sagt:

    Oh Gott, wie oft habe ich schon erlebt! Er (cca. 55-65 Jahre Alt, Handwerkertyp, laut) steigt ein, guckt mich an (Frau, hellbraune Haare, helle Haut) und brüllt los: „endlich, eine deutsche Frau“. Ich: „nö, bin Ausländerin“. Er: „egal, hauptsache keine Türkin“. Kotz, Würg, Brech!

  8. Bimmelbahner sagt:

    Ich kenn aber auch Westberliner, die große Umwege in Kauf nehmen, Hauptsache sie müssen nicht in den Osten und dort auch seit Maueröffnung nie waren…

  9. SaltyCat sagt:

    ich denke, Nania spricht da schon einen sehr treffenden Punkt an – Ich würde sein Verhalten gar nicht unbedingt und zwangsweise der FremdenFEINDlichkeit zurechnen, es gibt gerade unter denen mit eher beschränktem geistigen Horizont reichlich Leute, die sich einfach falsche Vorstellungen von den Dingen machen. z.B. „Die Türken schmeissen sich doch alle 5mal am Tag auf ihren Teppich und beten nach Mekka“ … Und daraus erwächst dann eine … sagen wir Angst davor, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Ich denke mal, so wie du seine Worte wiedergegeben hast, ist es weniger einer aus der „Ausländer Raus“-Riege als eher „Können ruhig hierbleiben, solange sie ihr leben leben und ich meins“ …

  10. Bernd sagt:

    Wie definiert man „Ausländerfeindlichkeit“ oder auch schon „Fremdenfeindlichkeit“? Galt das schon in den 30er Jahren des 20sten Jahrhunderts, wenn die männliche Dorfjugend mit dem Schlachtruf „Unsere Hennen treten wir selber!“ die Jungs aus dem Nachbardorf verkloppte! Ich persönlich bin im Grunde jedermanns Freund, auch der meistens ungeliebten Muslime. Wichtig ist für mich dabei allerdings: „Mag ich den Menschen oder seine mitgebrachte Kultur?“ Ich bestehe auf ersterem. Ich muß keine fremde Kultur mögen, vor allem nicht in meinem direkten Umfeld, in welchem ich ihr nicht entgehen kann. Wie sehr im Umkehrschluß wir Deutschen samt unserer Kultur „geliebt“ werden, kann man gerade dieser Tage sehr deutlich feststellen. Ich schließe nicht aus, daß ich irgendwann mal Multi-Kulti mag. Dann würde ich auch dort hinfahren, wo es stattfindet. Bis dahin bleibe ich zu Hause.
    @ichso
    Kurze Zwischenfrage: Wie lange hast du eigentlich in der DDR gelebt?

  11. Sash sagt:

    @Jan:
    Die wenigsten erkennen dabei, dass sie meist ganz bestimmte Menschen irgendwie negativ wahrnehmen. Siehe den Kommentar von Helix.

    @Jens:
    Ja, so in etwa.

    @elder taxidriver:
    Ja, Berliner sind in einigen Punkten auch ganz eigen, hab ich den Eindruck …

    @Nania:
    Und in meinen Augen ist diese statistische Übereinstimmung eines der stärksten Argumente gegen Rassismus und Fremdenhass: sie entstehen ganz offensichtlich nicht aus Erfahrungen, sondern aus Unwissenheit.

    @ichso:
    Das mag sein. Aber für derartige Kleingeister kann eine gewisse Abschottung ja tatsächlich schöner sein.

    @Helix:
    Ich habe aber das Gefühl, dass das seltener wird. Die richtig krassen Fälle hatte ich irgendwie schon lange nicht mehr.

    @Bimmelbahner:
    Das sind die wahren Weltstadtbewohner. 🙂

    @SaltyCat:
    Naja, sicher kann man zwischen Xenophobie und Fremdenhass unterscheiden. Aber wenn Menschen anfangen, in „wir“ und „sowas“ zu unterscheiden, dann mache ich mir ehrlich gesagt nicht viele Hoffnungen, was die Wertschätzung der anderen Bevölkerungsgruppe angeht.

    @Bernd:
    Ich würde schon vermuten, dass man Fremdenfeindlichkeit genau genommen auch bis zum Nachbardorf auslegen kann. Wird sicher selten gemacht, aber die Mechanismen dahinter sind absolut die gleichen. Zum Mögen zwingen kann man niemanden, wir können hier sowieso nur über Akzeptanz oder zumindest Toleranz als aufgenötigte Umgangsformen reden. Und ja, man kann vieles nicht mögen. Verdächtig finde ich es trotzdem, ohne nähere Eingrenzung fremde Kultur erst einmal abzulehnen. Denn „die deutsche Kultur“ ist ja auch kein in sich geschlossenes Modell, von dem man als Deutscher grundsätzlich alles mag. Die Überschneidung von bayrischen Stammtischen und Berliner Techno-Szene würde ich beispielsweise als sehr gering einschätzen und ich vermute, zumindest eines der beiden sagt Dir weniger zu als eventuell italienische Küche (um jetzt mal ein besonders populäres Beispiel zu nehmen).

  12. Bernd sagt:

    Ja, du siehst das Problem recht klar. Was mich umtreibt, ist wirklich die Tatsache, daß ich mich umgewöhnen MUSS, weil ich sonst der Böse bin. Andersherum wird ein Schuh draus, denn wenn einer hier in Deutschland leben will, dann lerne er erstmal die Sprache. Damit fängt es tatsächlich an. Und dann benutze er sie auch täglich, damit geht es weiter. Wenn ich nämlich z.B. mit zwei Ausländern am Tisch sitze, die sich unterhalten und von Zeit zu Zeit mich ansehen, dann frage ich mich natürlich: Reden die etwa über mich und wenn ja, wollen sie mir ein Geschäft vorschlagen oder planen sie meinen frühen Abgang? Das würde mir weder am bayrischen Biertisch noch in der Berliner Techno-Szene passieren 😉
    Was ich hier über Ausländer in Deutschland sage, gilt natürlich genauso für Deutsche im Ausland! Ich erwarte in jedem Fall Respekt und Rücksichtnahme auf nationale Gegebenheiten, bei Touristen vielleicht etwas weniger, bei Eingebürgerten aber maximal. Ich habe für den Grad der Integration eines Menschen in sein Gastgeberland eine ganz einfache Formel: X% Sprachbeherrschung = X% Integration.

  13. Roichi sagt:

    @ Bernd

    „Das würde mir weder am bayrischen Biertisch noch in der Berliner Techno-Szene passieren “

    DA wär ich mir nicht so sicher.
    Beide wirst du nämlich in ihrer Sprache auch nicht verstehen.
    Ich denke, du vereinfachst das viel zu sehr, um da noch eine praktikable Lösung zu finden.

    Letztlich hilft nur Respekt für den Anderen und Toleranz.

  14. Sash sagt:

    @Bernd:
    Ich verstehe deine Überlegungen gut. Und das mit der Sprache ist so eine Sache. Ohne Kenntnisse wird man auf Ewig aufgeschmissen sein, das ist natürlich keineswegs förderlich für ein problemloses Zusammenleben. Auf der anderen Seite sind das gegenseitige Verständnis und die Nutzung der Sprache genau genommen auch wieder zwei Paar Schuhe. Ich kenne das nun weniger von gemeinsamen Tischen, aber doch vom Taxistand zum Beispiel. Da gibt es ein paar türkische Kollegen und einen Tunesier, mit denen ich gelegentlich rede. Ein paar von ihnen können besser Deutsch als die meisten Schwaben das von sich behaupten können, ein paar haben einen Akzent. Ich unterhalte mich mit ihnen selbstverständlich auf Deutsch, in ihren Sprachen fehlt mir jede Kenntnis. Wenn sie sich allerdings mit Kollegen aus ihren Ländern unterhalten, sprechen sie meist ihre Muttersprache. Und ja, sicher mache auch ich mir mal die von Dir geschilderten Gedanken, was sie da wohl gerade sagen. Aber wenn ich mir andererseits überlege, was ich machen würde, würde ich mich z.B. in England niederlassen (wo ich die Sprache halbwegs beherrsche und sicher recht schnell gut wäre) und ich würde mich mit deutschen Kollegen treffen: Würde ich nicht auch jede Chance nutzen, Deutsch zu sprechen? Ganz ehrlich: Wahrscheinlich schon. Und das natürlich nicht, um hintenrum lästern zu können, sondern weil es ein Kulturgut ist, das mir persönlich wichtig ist und das ich auch nicht verlernen möchte, nur weil ich es im Alltag nicht mehr brauche. Und ich finde sogar, dass ich mir das rausnehmen können dürfte, obwohl es wahrscheinlich meine Englisch-Fortschritte etwas verzögert.
    Darüber hinaus ist Sprache ja auch etwas lebendiges. Will heißen: sie ändert sich. Es gibt Jugendkulturen in Deutschland, in denen wegen eines hohen Migrantenanteils gewisse Worte aus dem arabischen Raum Einzug gehalten haben. Das wird zwar von Sprachnörglern gerne angegriffen, ist aber eigentlich normal und weltweit verbreitet und kann sicher auch helfen, Brücken zu schlagen zwischen den Kulturen, vielleicht sogar etwas neues hervorbringen, das dann gemeinsame Wurzeln hat.
    Ich will nicht sagen, dass das für jeden leicht ist. Auch ich sehe oft Dinge, die mir nicht gefallen – auf der anderen Seite waren auch meine Eltern nicht immer begeistert von dem, was ich tue und ich kann in einer Vermischung oder Koexistenz verschiedener Kulturen auf engem Raum wesentlich mehr Chancen und Möglichkeiten ausmachen als Risiken.

    @Roichi:
    Ich musste schmunzeln. Danke dafür! 😀

  15. Nania sagt:

    @Bernd
    Ihre Formel ist allerdings empirisch nur in Teilen haltbar.
    Das liegt schon daran, dass die Frage danach, wer integriert ist und wer nicht, schwierig zu beantworten ist. Was heißt: Integration? Was heißt: integriert sein?
    Wenn wir z.B. zu den muslimischen Mitbürgern schauen, fällt dort auf, dass es relativ viele gut gebildete Menschen gibt, die sich stärker ihrem Heimatland verpflichtet fühlen als Deutschland, auch viele eher streng Konservative sind eher gut gebildet. Dazu kommt noch, dass das meistens Menschen mit Migrationshintergrund in ZWEITER Generation sind.

    Weiterhin können Sie ja wohl kaum behaupten, dass Sie die Integration von Leuten daran bemessen, wie gut (oder viel?) Sie untereinander Deutsch sprechen. Ich sage Ihnen: Kein Deutscher, der im Ausland auf einen anderen Deutschen trifft (ob Urlauber oder dort Wohnender) wird mit dem anderen kein Deutsch sprechen. Wenn ich in Schottland bin, unterhalte ich mich mit meinem Freund auch auf Deutsch und nicht auf Englisch. Wenn ich dort wohnen würde, würde ich es genauso halten. Schauen Sie mal in Länder, in denen (vorwiegend ältere Leute) Deutsche wohnen. Die reden Deutsch untereinander. Warum auch nicht?

    Ja, man kann sagen, die Sprache ist Schlüssel zur Integration. Aber vielen wird auch das konsequente Lernen der deutschen Sprache – die zu den schwersten gehört – unnötig schwer gemacht. Es wird ein Sprachkurs verlangt – aber kein Platz ist frei. Leute warten ewig auf einen freien Platz.

    Auch darf man sich nichts vormachen: Wer eine Sprache selten braucht – weil die Nachbarn nicht mit einem Sprechen oder man einfach keine deutschen Freunde findet – der wird eine Sprache auch nie richtig lernen.

    Alles in allem muss ich sagen: Ich kenne viele türkische Menschen aus meiner direkten Umgebung. Die meisten sprechen davon ein gutes Deutsch, machen zwar grammatikalische Fehler – aber die macht fast jeder in einer fremden Sprache – und suchen manchmal nach Worten, es ist aber keineswegs so, dass sie sich verweigern. (So manchen Deutschen möchte ich im Ausland NIE Englisch reden hören) Die Gruppe derer, die wirklich eine Integration verweigern, ist sehr, sehr klein. Ich wette, Sie kennen niemanden, der das wirklich tut. Nur ist Integration IMMER eine Sachen, die von zwei Seiten ausgeht. Man kann sich nicht integrieren, selbst wenn man es will, wenn sich a) keiner der anderen Seite bereit erklärt zu helfen und b) alle erwarten, dass „sich integrieren“ heißt, die eigene Kultur aufzugeben. Das ist NICHT der Fall.

  16. Bernd sagt:

    @Roichi & Sash
    *grins* – Also meine lieben, lieben jungen Freunde, da ihr wahrscheinlich meine persönliche Vorstellung in meinem Blog noch nicht mitbekommen habt, hier noch mal eine Extra-Vorstellung: Ich bin 58 Jahre alt, habe bisher nicht im luftleeren Raum gelebt, habe 2 studierende Töchter, war mal so was wie DJ, verstehe jeden Dialekt in Deutschland mindestens zu 80-90%(Ja, auch platt!) und traue mir auch zu, deutschsprechende Menschen halbwegs ihrer Herkunft zuzuordnen. Das allerdings bezieht sich nicht erst auf Indien, Afrika oder China, sondern auch bereits auf Radeberg(15 Kilometer von Dresden). Mein liebstes Spielzeug ist die deutsche Sprache, was Interessierte in meinem Blog wiederfinden werden. Das ist es auch nicht grundlos, denn die Sprache ist das grundlegende Verständigungsmittel zwischen den Menschen. Wer also seinem Gastgeber Respekt zollen will, lernt dessen Sprache. Wer nicht, der eben nicht! Und gerade deine Erzählung zeigt, daß einige ausländischen Kollegen sehr gut deutsch sprechen, manche „außerpreußischen“ aber nicht! Das ist im Prinzip genau das, was ich meine: Respekt oder nicht Respekt.
    Wir haben in unserem Taxigeschäft einige Ungarn. Wenn wir zusammenstehen und „labern“, sprechen auch die miteinander deutsch. Wenn sie dann irgendwann in Gegenwart anderer Kollegen aufeinandertreffen und sich was zu erzählen haben, sprechen sie natürlich auch ungarisch, na klar. Dann weiß jeder von uns, daß das nicht für ihn bestimmt war!
    Thema Jugendkulturen: Ja, ich weiß, vor kurzem gab es eine Diskussion über Einflüsse von Migranten auf die deutsche Sprache. Dabei meinte eben gerade eine „vom Fach“, diese Einflüsse wären der normale Gang der Dinge und Sprache wäre immer Veränderungen unterworfen und, und, und… Aber um Himmels Willen, liebe Leute, eine Veränderung einer Sprache muß doch zum Besseren hinführen und nicht zum Kauderwelsch! Wenn ich zum Beispiel höre: „Heeeh Alda, bleib cool, sonst üsch mach düsch Messa! Üsch weiß auch, wo dein Haus wohnt!“, dann ist das für mich mitnichten migrantisch eingefärbte Jugendsprache, sondern einfach Tinnef (bitte bei WIKIPEDIA nachschlagen).

  17. Roichi sagt:

    @ Bernd

    Schön, dass du alle deutschen Dialekte kannst, damit bist du wahrscheinlich einer von Wenigen.
    Zur Integration hat Nania schon genug gesagt, ich wiederhole das mal nicht.
    Zu zwei Dingen aber noch etwas:
    “ eine Veränderung einer Sprache muß doch zum Besseren hinführen und nicht zum Kauderwelsch!“

    Wer sagt denn, was besser ist?
    Ist es nicht besser, wenn sich mehr Leute verständigen können?
    Das, was Sprache leisten soll.

    „dann ist das für mich mitnichten migrantisch eingefärbte Jugendsprache, sondern einfach Tinnef“

    Nun, das mag deine Meinung sein, weil du sehr an einer Form der Sprache hängst, aber 1. sprechen diese Leute untereinander so, können aber auch hochdeutsch. Es ist eben eine Art Dialekt.
    Und 2. hat sich Sprache immer entwickelt und wird das immer tun, egal, was du davon halten magst.

    Deine Beobachtungen sind eben auch nur Beobachtungen einer kleinen Menge, und dazu noch selektiv, da du mit Sicherheit nicht extra registrierst, wenn sich zwei Menschen im lokal eingefäbten Hochdeutsch unterhalten. Das wirst du gar nicht wahrnehmen, nur die Abweichungen fallen dir auf. Das geht jedem so, mit verschiedenen Dingen.

    Ich bin immernoch dabei, dass du zu sehr vereinfachst, um die eigentliche Komplexität von Integration zu erfassen.
    Das birgt immer auch Gefahren, und dieser solltest du dir auch bewusst sein.

  18. Bernd sagt:

    @Nania
    Ganz viel Asche auf mein Haupt, Nania! Ich habe dich leider vollkommen außer Acht gelassen. Dabei nehme ich mal an, daß du zu denjenigen gehörst, um die es beim Thema Migration geht. Leider ist es bei diesem wie bei den meisten anderen Themen der Politik so, daß auf der einen Seite das Volk steht und auf der anderen Seite die Politiker. Das Dumme in Deutschland ist halt nur, daß hier nicht das Volk das Sagen hat, sondern die Politiker. Diese kümmern sich nicht darum, was notwendig und wichtig ist, sondern was ihrer Sache nutzt oder schadet bzw. was Geld kostet und was nicht. Hilfe bei der Migration kostet Geld, wird also nur insoweit gefördert, um den schönen Schein zu wahren, und das ist nicht viel.
    Aber ich will deine Fragen direkt beantworten:
    Integriert sein, heißt für mich: Die Sprache des Gastgeberlandes(GGL) sprechen zu WOLLEN, die Kultur des GGL zu akzeptieren, die Gesetze des GGL zu befolgen (sehr heikel, aber auch am wichtigsten!), seinen Glauben zu leben, ohne andere Menschen einbeziehen zu wollen. Gerade auch das Letztere ist ein sehr wichtiger Aspekt. Wer Toleranz erbittet oder verlangt, kommt um eigene Toleranz nicht herum. Wer also mich in meinem eigenen Land als „Giaur“ bezeichnet, hat zwar im Prinzip recht, denn ich bin tatsächlich Atheist, wenn man aber weiß, wie unter radikalen Muslimen ein Giaur „geachtet“ wird, dann kann mir das natürlich nicht gefallen. Außerdem gibt es hierzulande auch Gläubige anderer Richtungen, für die diese Bezeichnung regelrecht falsch ist. Sie sind schließlich nicht ungläubig, sondern andersgläubig. Wir hatten in Deutschland mal einen, der seine eigene Meinung für Gottes oberstes Gebot hielt. Was daraus geworden ist, konnte jeder in der Schule lernen. Die Frage ist nun, ob man ihm nacheifern will, oder… Toleranz übt!
    Um es kurz zu machen, man soll seine Kultur NICHT aufgeben, aber auch im fremden Land nicht mit ihr hausieren gehen, es sei denn, es ist geschäftlich.
    Nochmal zum Thema Sprache: Paß mal auf, was ich jetzt mache. Ich lehne mich ganz, ganz weit aus dem Fenster! Ich bin bereit, für Migranten als Sprachtrainer tätig zu sein. Egal, ob es was einbringt (freut man sich immer) oder nicht, eine Stunde pro Woche sollte immer drin sein. Voraussetzung ist, daß mich eine öffentliche Einrichtung darauf anspricht. Öffentlich rechtlich oder karitativ ist egal. Also laß deine Verbindungen spielen. 😉
    Der Ort der Hilfe muß natürlich Dresden sein oder direkt daneben.
    Also los! Das ist ernst gemeint.

  19. elder taxidriver sagt:

    Vor einigen Jahren gab es eine Plakat-Aktion da war dies zu lesen:

    Dein Christ ein Jude
    dein Auto ein Japaner
    deine Pizza italienisch
    deine Demokratie griechisch
    dein Kaffee brasilianisch
    dein Urlaub türkisch
    deine Zahlen arabisch
    deine Schrift lateinisch
    und dein Nachbar –
    nur ein Ausländer?

  20. SaltyCat sagt:

    elder driver: das ding kenne ich noch 🙂 gibt noch einen anderen text, bezogen auf die definition „farbiger“. letzten endes jedoch laufen „wir“ mit diesen texten nur gefahr, als polemiker abgestempelt zu werden – ein einfacher text hat noch nie einen überzeugten „andersdenkenden“ bekehrt ..

  21. Sash sagt:

    @Bernd:
    Ich will die Diskussion eigentlich gar nicht so ausarten lassen, aber ich muss auch mal anmerken, dass es mit Dir ein angenehmes Diskutieren ist. Hat man bei dem Thema selten, wenn man sich nicht sowieso zu 100% einig ist.
    Inhaltlich muss ich meinen Vorrednern leider nochmal Recht geben.
    Ich mag Sprache ja auch sehr. Und ich bedauere es, dass ich so schlecht darin bin, andere zu erlernen. Aber ich hab da vielleicht auch noch mehr einen spielerischen Umgang mit …
    Insofern verstehe ich deinen Unmut über so manche Äußerungen durchaus. (Ich könnte ausflippen bei Deppenleerzeichen, die einen erst einmal nach dem Sinn des Satzes suchen lassen!)
    Auf der anderen Seite: Was für einen Verbrecher würde der gute Goethe mich wohl schimpfen, wenn er einen meiner Texte lesen könnte? Die paar Generationen zwischen uns haben die deutsche Sprache mit Sicherheit auch in seinen Augen in Tinnef verwandelt, noch ohne „Alder, mach düsch Messer!“. Gerade Du als Sprachbegeisterter müsstest doch wissen, dass Sprache auf verschiedenen Ebenen verschiedene Zwecke erfüllt. Vereinfachte, grammatikalisch und orthografisch falsche Sprache wird doch meist ohnehin nur zur schnellen und effizienten Informationsvermittlung verwendet, und da erfüllt sie ihre Aufgabe trotz schwieriger Umstände sehr gut. Und die bekanntesten Gedichte eines gewissen Herrn Jandl entfernen sich doch weit mehr von der Originalsprache und sind doch als Kunst hoch geschätzt.
    (Was mich jetzt irgendwie zwingend an das Buch „Blume ist Kind von Wiese“ erinnert, zu dem Jandl passenderweise das Vorwort geschrieben hat)
    Was ich sagen will: Ich sehe wie Du in der Sprache ein wichtiges, mächtiges und nicht zu unterschätzendes kulturelles Werkzeug. Aber ich sehe auch die Gefahr, dieses immer nur vom eigenen Blickwinkel aus zu betrachten und vorschnell Schlüsse über vermeintlich richtiges und falsches Anwenden zu ziehen. Das Sprachniveau ist auch innerhalb der Bevölkerung eines Landes nicht das gleiche. Das mag sich durch Einflüsse von außen noch erweitern, aber im Kern bleibt da viel Subjektives.

    @elder taxidriver:
    Uh, das ist wirklich schon älter. Trotz der von SaltyCat sinnvoll angefügten Einschränkung ist es aber tatsächlich ein sehr schöner Text. (Hab die Verbesserung inzwischen durchgeführt)

  22. Nania sagt:

    @Bernd
    Nein, ich bin kein Migrant, meine Urgroßelterngeneration stammt einerseits vom linken Niederrhein (ja, da wurde vor vielen, vielen, vielen Jahren noch Niederländisch gesprochen) und andererseits aus Schlesien. (aber eher ein kleiner Teil) Ich bin auch nicht muslimisch.
    Aber ich habe mich in meinem Studium über verschiedene Veranstaltungen hinweg mit dem Thema Sprache und auch mit dem Thema Migration auseinandergesetzt, mache ich derzeit auch wieder. Und dabei trägt man eine ganze Menge zusammen und macht eine ganze Menge Erfahrungen. Auch und gerade wegen den Menschen, mit denen man zusammensitzt. Hier im universitären Bereich gibt es nämlich dann doch wieder einige Menschen mit Migrationshintergrund. Manche sind hier geboren worden, manche wiederum nicht.

    Auch finde ich, dass Sie sich etwas in Ihrer Argumentation verstricken: Ich glaube kaum, dass Menschen mit Migrationshintergrund, die aus anderen Kulturen stammen, mit dieser Kultur „hausieren“ gehen oder diese den anderen Menschen aufzwingen wollen. Einzig könnte man als Argument bringen, dass diese Leute ihre Kultur ebenso leben wollen, wie der Urbayer seine Kultur lebt. Und das wird ihm auch niemand verbieten.
    Also mal Butter bei die Fische (um mal das schöne Sprichwort mit dem veralteten Akkusativgebrauch zu benutzen): Wo finden Sie, drängen Migranten Ihnen ihre Kultur auf?

    PS: Sprache ändert sich massiv. Zudem gibt es große Unterschiede zwischen der Schrift- und der Sprechsprache. Früher sagte man „knorke“, in den 90ern und in den ersten 10 Jahren des 21. Jahrhunderts „geil“. „Alter“ oder „Alder“ war übrigens auch schon in den 90ern verbreiteter und hat sich so zwischen 2004 und 2006 in meiner Schule massiv verbreitet. Ist aber eigentlich auch nicht schlimm, oder?
    Ich finde Deppenapostrophe, falschgesetzte Leerzeichen bei Kommas, fehlerhafte Groß- und Kleinschreibung [damit meine ich nicht alles klein zu schreiben, sondern Groß- und Kleinschreibung zu benutzen und dann die falschen Wörter groß oder klein zu schreiben], fiese deutsche Akzente, die aus ich ein isch machen, falsche Grammatikkonstruktionen („Gib mich mal die Käse [Originalzitat meiner 73 Jahre alten Großmutter]) usw. wesentlich dramatischer als Veränderungen in der Jugendsprache. Die meisten gewöhnen sich das nämlich in einem späteren Umfeld wieder ab.

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