schon kommt der Bus.
Ich will hier keine Werbung für Zigarettenmarken machen, aber diejenigen unter Euch, die in den Neunzigern schon offenen Auges durch dieses Land marschiert sind, werden sich wahrscheinlich an die Plakate erinnern. Und auch wenn man mal weg geht von den Drogen, man kennt das ja: Kaum hat man sich mal mit einer vermeintlich oder wirklich schlimmen Option abgefunden, ändert sich was. Ein Paradebeispiel für Selbsttäuschung, denn in Wahrheit passiert natürlich ähnlich oft einfach gar nix. Bestätigungsfehler oder Confirmation bias nennt man das in der Psychologie. Aber es macht halt Spaß, sich solche Zusammenhänge einzureden.
Und so bin ich im Nachhinein auch versucht, den gelungenen Abend von Henni und mir der Tatsache geschuldet zu sehen, dass wir uns über den versauten Abend aufgeregt hatten. Und so dolle war’s wirklich nicht. Es ist zwar bekannt, dass die Kuh hinten den Schwanz hebt in den Wochenendschichten, aber wir standen nun beide nach 4 Stunden an einem Freitagabend da und hatten allenfalls 35 € Umsatz in der Tasche. Wir haben beide schon darüber nachgedacht, die Flinte ins Korn zu werfen, uns nach Hause zu trollen. Aber jetzt standen wir schon eine Stunde am Bahnhof – die eine letzte Tour wollten wir dann wenigstens noch machen.
(Natürlich war uns klar, dass wir noch mindestens einen weiteren Anlauf irgendwo wagen würden, aber der Gedanke an einen schnellen Feierabend wirkt ja auch wieder motivierend.)
Plötzlich stand neben Henni ein recht kleiner Mann mit Brille, Hut und einem zwei Nummern zu groß wirkenden Trenchcoat.
„Sagen Sie, was würde es denn bis Eberswalde kosten?“
„Ma‘ nachdenken …“
meinte Henni in einer Coolness, die mir in solchen Situationen oft nicht gegeben ist.
„Also ich hab noch hundert. Wenn das noch für eine Cola und einen Döner reichen würde, dann wär’s schön …“
„Kriejen wir hin.“
Während der Fahrgast einstieg, feixte Henni mir zu, seine Schicht war schon mal wieder auf Vordermann gebracht. 90, vielleicht 95 € sind für eine Tour nach Eberswalde völlig ok. Kein total überteuerter, aber doch ein guter Preis. Irgendwo glaubte ich, eine Uhr die nullte Stunde ankündigen zu hören, dann war auch ich an der Reihe.
„Ich müsste einmal zum Zoo, also da in die Nähe, bisschen weiter. Kantstraße.“
„Komm’n se rin“
(„könn‘ se rausgucken“ hab ich mir noch gedacht.)
Naja, am Ende kamen fast 18 € dabei raus, war eine schweigsame aber angenehme Fahrt. Ich hab danach einen Blick auf’s Taxameter geworfen: Bäh, ich hatte mich bei den paar Kröten auch noch verrechnet: gerade mal 51 € bisher …
Und wenn ich jetzt ehrlich hätte abbrechen wollen, wäre auch noch ein Rückweg durch die halbe Stadt nötig gewesen. Arg weit bin ich mit dem Denken gar nicht gekommen, denn in der Budapester winkte es bereits. Hermannplatz, Neukölln, zu zwei verschiedenen Adressen. Waren auch schnelle 16,80 €. Eine Kurzstrecke in die Sonnenallee und ein paar Winker vom Kottbusser Damm aus später stand ich in Mitte an der Torstraße. Zwei lustige Japaner schälten sich aus den Sitzen, da stand plötzlich ein verlebt aussehender Typ neben mir, ledrige Haut, mit Falten, die man in der Größe sonst für gewöhnlich in zerknautschten Bettdecken findet.
„Bringst ma ins Bötzowviertel?“
Mit den Partygängern von der Warschauer zum Watergate hab ich es dann, ein Uhr dreißig war gerade durch, bereits auf meinen ersten Hunni in der Nacht geschafft. Henni hab ich in der Nacht nicht mehr gesehen. Vielleicht hat er ja tatsächlich Feierabend gemacht. Sein Stundenschnitt dürfte aber deutlich besser ausgefallen sein als vorher. Ich hab mich, frisch motiviert, am Ende noch bis nach 6 Uhr auf der Straße rumgetrieben. So einen guten Lauf hatte ich freilich kein zweites Mal – aber unzufrieden war ich nicht.
Ja, natürlich, es ist wie ich oben geschrieben habe: das passiert selten. Viel zu selten. Und ich weiß das. Es fühlt sich trotzdem nach so einem Abend irgendwie sinnvoll an, an der Halte über den Umsatz zu meckern. Und wer weiß … 😉