Die ganz harten Fälle …

Um ehrlich zu sein: ich war verdammt froh über Winker! Es lief nur suboptimal und da kommt sowas immer gut. Eine Fahrt ohne Warten …

Es war eine größere Gruppe, die vor der Sparkasse an der Ecke Annen/Heinrich-Heine stand und ich wurde einmal mehr Zeuge eines mir in letzter Zeit häufiger auffallenden Phänomens: dass die Leute ihre größten Opfer erstmal vorsorglich verstecken, bevor das Taxi anhält. In dem Fall aber wahrscheinlich eher, weil der Kerl irgendwo rumlag und gar nicht mehr an der Straße stehen konnte.

Na schöne Scheiße!

Ich bin da ganz ehrlich hin- und hergerissen. Nichts gegen Betrunkene, nicht mal was gegen einen Totalabsturz. So lange alles friedlich und sauber bleibt, bin ich da kein Spielverderber. Der allerdings wurde erstmal von einer jungen Frau ins Auto geschubst und wollte offenbar gar nicht mitfahren. Das geht so natürlich nicht! Ich bin kein Gefangenentransport und selbst wenn es der Sicherheit der Personen dient, lasse ich mir sicher nicht die Verantwortung für jemanden aufdrücken, der an der nächsten Ampel dann abhaut.

Mal ganz davon abgesehen, dass dann auch meistens das mit dem Geld nicht klappt.

Nachdem sie nochmal ausgestiegen sind, um das Problem zu klären – ich wollte gerade weiterfahren – einigten sie sich dann doch darauf, dass er Begleitung bekommt. Er ließ sich zu einem kurzen „Sorry!“ herab, von seiner Bekannten bekam ich die Adresse. Puh, gleich mal 5 Kilometer Fahrt – bis weit rein nach Prenzl’berg sollte es gehen.

Die ersten 3000 Meter hab ich ungelogen alle 15 Sekunden nach hinten geschaut, um eventuelle Anzeichen von Kotzeritis und unkontrollierbaren Fluchtimpulsen frühzeitig zu erkennen. Aber nix da. Immer der gleiche glasige Blick, ein leichtes Herumwackeln im Sitz, wirkte alles zwar recht unkontrolliert aber überschaubar. Seit etwa der Hälfte der Fahrt gab er allerdings vermehrt recht vernünftige – wenn auch einsilbige – Antworten ab. Da wusste ich dann wenigstens, welche Sprache er spricht 😉

Und: er wirkte dabei nüchterner als sein Aussehen es je vermuten ließ. Der genervte Blick seiner Bekannten wich mehr und mehr Gutmütigkeit und am Ende der Fahrt hatte ich einfach nur ein leicht verstrahltes, aber innig herumknutschendes Pärchen an Bord, das sich artig bedankte und gutes Trinkgeld gab.

Ich hatte es danach noch mit einem anderen Fahrgast über die Thematik:

Ja, Risiko Nachtschicht. Gibt es, keine Frage. Die unschönen Fälle kennt ihr von hier auch. Aber zum einen sind es vielleicht 70% Fahrten, bei denen ich mir nicht den Hauch irgendeiner Sorge machen muss. Davon ticken ein paar aus oder kotzen. Völlig unvorhersehbar. Von den 30%, die ich als schwierig erachte und bei denen ich angespannt bin um ggf. zu reagieren, laufen letztlich auch 90% allenfalls blogbar, aber ohne Probleme ab. Vom Rest sind es dann ein paar Hansel, bei denen es schwierig wird, die aber entweder nach einer Ansage ruhig sind oder es wenigstens noch peilen, aus dem Auto zu reihern. Im Nachhinein also zumindest erträglich waren. Und nur die, die dann noch übrig sind, sind die, bei denen es quasi mit Ansage schief läuft.

Ergo: würde ich es hier und da nicht mal riskieren, hätte ich mehr „false positives“ als tatsächlichen Ärger. Und meine Befürchtungen vom Beginn, ich hätte jeden Abend Ärger, oder zumindest jeden zweiten, den kann ich mal weit von mir weisen. Insofern passt das schon alles.

Wochenendlaune!

Die hab ich wirklich gerade. Im Arbeitssinne. Ich freu mich auf die Schicht, hoffe allerdings auch, dass es halbwegs gut läuft. Gestern war dank meines versäumten Schlafes leider nicht wirklich ein Staat mit mir zu machen, gerade mal die mir am Wochenende irgendwie minimal erscheinenden 150 € hab ich zusammengekriegt.

Heute soll es mal wieder richtig rocken, hab mir die 10 Stunden von 19 bis 5 Uhr als Minimum gesetzt. Mal sehen, was der Umsatz währenddessen so macht 😉

Weniger in Wochenendlaune wird wohl ein anderer Taxifahrer aus Berlin sein, der gestern einen seiner Fahrgäste an den Rettungsdienst weitergeben musste, da dieser aufgrund einer noch vor der Fahrt stattfindenden Messerstecherei ein bisschen zu viel saftete, um als Durchschnittskunde durchzugehen. Die Story hab ich allerdings bislang bloß bei Springer gefunden – einmal mit dem Verweis darauf, dass der Fahrer dem Fahrgast das Leben rettete, einmal mit der Angabe, dass keine Lebensgefahr bestand unter dem Symbolbild eines Rettungswagens aus Dortmund. Links dazu gibt es wie immer keine, als Dank fürs herzliche Bemühen des Verlags ums Leistungsschutzrecht und für all den anderen Unfug.

So, und für mich geht es gleich wieder auf die Piste!

Wer will, kann mir wie immer ein bisschen nachspionieren, vielleicht setzt aber irgendwann zwischen 4 und 6 Uhr der Akku dann aus. Das packt mein kleines Handychen nämlich selbst mit Zusatzpower nur sehr sehr schwer …

 

Kurzstrecke x 2

Viele Kunden träumen ja davon, mal zwei Kurzstrecken hintereinander zu fahren. Blödsinnigerweise. Ja, es wäre immer noch günstiger als der Normaltarif – allerdings ist es weniger Ersparnis als bei einer Kurzstrecke. Bei dreien hintereinander egalisiert es sich langsam wieder, ab vieren könnte ich das Spiel mitspielen, weil es mir ein Umsatzplus beschert* … 😉

Aber meine Kundschaft hatte sogar Grund zu fragen, denn sie hatten eine Fahrtunterbrechung. Kurz vom Suicide Circus in die Simon-Dach-Str. und nach dem Holen des geliebten aber vergessenen Handys schnell wieder zurück. Hätte von der Strecke vielleicht mit einer Kurzstrecke gereicht, aber Wartezeit is da ja nicht. Ich hab aber gesagt, dass wir – wenn sie sich mit dem Holen beeilen – unter den 8,00 € für zwei Kurzstrecken landen würden.

Und dann standen wir da, das Mädel war das Handy holen und sie kommt und kommt nicht …

Ihr Freund hat sie dann versucht anzurufen, ist aber bei einem Kumpel gelandet, der genauso verpeilt war wie er. Am Ende ist es jedenfalls wider Erwarten noch ziemlich knapp geworden. Aber dann hab ich sie letztlich doch bei 7,80 € entlassen können. Großartig! 20 Cent gespart – immerhin hab ich die als Trinkgeld bekommen. Nicht viel, aber eben besser als null, ne?

Ach ja, warum hatte es eigentlich so lange gedauert. Handy nicht gefunden?

„Nee nee, wusste ja, wo es war. Aber wo ich schon mal im Bad war, hab ich mich gleich nochmal frisch gemacht …“

OK, dafür war es dann wieder recht schnell!

(Hab das jetzt sehr grob überschlagen, vielleicht liege ich um ein paar Cent falsch.)

Tippeditipp …

Fahrgäste haben alles in allem ein ziemlich komisches Bild von unserem Job. Besonders mag ich als Raucher z.B. die Leute, die ganz überraschend auftauchen und mich dann bitten, doch noch zu Ende zu rauchen. Wenn sie nicht selber eine Kippe in der Hand haben, quittiere ich das immer mit einem Lächeln und sage:

„Nein, steigen Sie bitte ein. Ich rauche ja nur, weil ich keine Kundschaft habe.“

Je nach Taxistand und Zeitpunkt warten wir einfach relativ lange. Viel zu lange. Vor allem viel zu lange, um uns permanent bereitzuhalten. Also nein, wir müssen uns natürlich bereithalten – schon der Taxiordnung wegen – aber natürlich sitzen wir nicht mal eben 45 Minuten in permanenter Alarmbereitschaft da, immer die Finger am Zündschlüssel.

Dass wir im Falle spontanen Kundenbesuchs nicht mal eben 5 Minuten brauchen sollten, weil wir uns noch anziehen müssen, das ist klar und da bin ich auch dafür. Aber dass wir während der Zeit lesen, fernsehen, telefonieren, essen, online gehen, rauchen etc. – das sehe ich irgendwie als selbstverständlich an. Selbst mal kurz die Augen schließen ist kein Weltuntergang – so lange man nicht in Tiefschlaf verfällt, weil man übermüdet ist. Und sicher, man sollte die Umwelt vielleicht nicht ganz aus den Augen verlieren, aber ein Taxifahrer, der sich am Taxistand entspannt, ist mit Sicherheit kein schlechter oder unvernünftiger Kollege. Im Gegenteil, es ist auch eine prima Taktik, um auch lange Schichten fit und motiviert rumzubringen.

Und so saß ich dieses Mal da, hab gelangweilt aus dem Fenster gesehen, als Kundschaft am ersten Wagen vorbeiging und dann zu mir kam. Sie stiegen ein und nannten ein recht lukratives Fahrtziel. Ohne die Kunden jetzt wieder loswerden zu wollen, musste ich nach dem Losfahren aus reiner Neugier trotzdem fragen:

„Was ist mit dem Kollegen? Wollte der nicht?“

„Ach der, der hat da auf seinem Handy getippt.“

Ich war dankbar für die lange Fahrt, aber mal im Ernst: ist es nicht echt ein bisschen zu viel verlangt, dass wir uns kein bisschen ablenken dürfen, um ja keine Fahrt zu verpassen? Und hey, auch an erster Position steht man manchmal eine halbe Stunde – hier in Berlin sogar unbezahlt. Nach einem Klopfen an die Scheibe oder dergleichen sind wir aber in der Regel alle sofort da und arbeitsbereit, also traut euch. 🙂

Hallo FDP!

Nein, was niedlich!

Der Bundestag verfehlt seine eigenen Klimaschutzvorgaben in Bezug auf die Limousinenflotte. So fahren die Damen und Herren Politiker eben weiterhin gerne schwere Limousinen, obwohl es meist nur um wenig Strecke geht. Um’s gleich vorweg zu sagen: das ist mir schnuppe! Ich fänd’s schön, wenn sie ein bisschen mehr ihre Vorbildfunktion wahrnehmen würden, aber wirklich wichtig sind die paar Autos eben allenfalls für die Presse. Genauso wie man über die Diäten der Abgeordneten meinetwegen moralisch diskutieren kann – einen Einfluss auf den Bundeshaushalt haben die paar Kröten am Ende kaum, so viel isses dann schlicht auch nicht.

Das war aber auch noch nicht der Knaller an der Sache. Es gab nämlich  einen Lösungsvorschlag, der nahe lag:

Warum nicht einfach öfter mal ein Taxi nehmen als bisher?

Jetzt könnte man irgendwelche Antworten von „Aber die brauchen immer so lange!“, „Mimimi, will einen eigenen!“ oder „Nee, nachher lande ich in ’nem Zafira!“ erwarten. Aber weit gefehlt:

Die kleine Spaßpartei FDP lässt verkünden,

„dass die Taxifahrer oftmals dazu neigten, Belehrungen politischer Art abzugeben.“

Also mal abgesehen davon, dass ich selbst als Taxifahrer allenfalls vom Fahrgast gewünschte politische Diskussionen aufgreife:

Liebe FDP,

da ihr offenbar alleine durch die wahrscheinlich brutalst radikalisierte Meinung der Berliner Taxifahrer gegängelt werdet, denkt auch mal drüber nach, ob vielleicht euer Programm daran schuld sein könnte. Ich hab hier zufällig einen aktuellen Brief von eurem Chef-Heinzelmännchen Rainer Brüderle rumliegen, in dem er erklärt, wie töfte wir doch hier gerade alle in Deutschland leben. Ein Haufen schnuffiges Finanzmarkt-Geblubber, aus dem am Ende wieder nur rauszulesen ist, dass mit der nächsten Steuersenkung sogar alles noch besser wird.

Ich meine, gut, Sie sind sich da wenigstens selbst treu, Respekt!

Aber mal im Ernst: Wir hier unten in den hellelfenbeinfarbenen Wagen, wir verdienen so wenig Kohle, dass uns Steuern am Arsch vorbeigehen! Ich hab dieses Jahr keine zahlen müssen, zu niedriger Verdienst. Und die Unsummen auf der hohen Kante (also im Kleingeldglas) hab ich bislang einfach noch nicht so wirklich in Aktien und Altersvorsorgen investieren können – entweder weil nix davon wirklich übrig war, oder weil es sich erst lohnt, wenn ich etwa dreimal so viel reinstecke, wie ich derzeit insgesamt zur Verfügung hab.

Vielleicht, aber nur vielleicht, könnte es ja sein, dass Ihnen ein paar politische Belehrungen ganz gut tun würden …

Mit freundlichen Grüßen,

Sascha Bors, Berliner Taxifahrer

Ist das weit?

Da fahr ich am Ostbahnhof weg, weil nix los ist. Die Straßen waren voller Winker, also warum sich die Reifen plattstehen? Und siehe da: Ich fahre nur einmal ums Eck und in der Straße der Pariser Kommune, direkt vor dem Ostel, standen zwei Mädels. Kurzes Reinklettern, dann die Ansage:

„Einmal Kurzstrecke ins Berghain.“

Na gut, wenn es das wert ist. Ich hab keine Diskussion gestartet, die die Kurzstrecke haben wollen, wissen in der Regel Bescheid. In dem Fall wäre der Normaltarif vielleicht sogar 20 bis 40 Cent billiger gewesen, aber wayne? Dann meinte Madame auf dem Beifahrersitz:

„Und, is des weit?“

„Äh, nee. Quatsch, das sind vielleicht 400 Meter.“

„Orrr, ich bring Dich um!“

Das war glücklicherweise nicht an mich gerichtet, sondern ihre Freundin. Die konterte:

„Hey, letztes Mal hat des irgendwie weiter gewirkt. Und da sind wir dann durch irgendwelche ewig langen Gassen gelaufen …“

Gut, war vielleicht doch sinnvoll, dass sie ein Taxi genommen haben. Irgendwelche Gassen liegen auf dem kürzesten Weg nämlich nicht.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Pjotr

Das im Fritz-Club stattfindende Metal-Festival, bei dem ich auch den Dorfmetaller aufgenommen hab, hat am vergangenen Wochenende gleich für ein paar Fahrten gesorgt. Unter jenen war auch eine zweite zusammengewürfelte Truppe. Vier lustige Menschen mit guter Laune und Pjotr.

Pjotr war das übliche Drogenopfer, das einem bei Konzerten irgendwann über den Weg wankt und das man bei positiver Grundhaltung den Abend über mitschleppt, weil es ja doch irgendwie ganz lustig ist. Pjotr hat sich freiwillig in die letzte Sitzreihe gesetzt und noch vor der Losfahrt eine Position eingenommen, bei der nicht mehr rauszufinden war, wo sich sein Kopf befand. Nach einer kurzen Zurechtweisung und einigen Fucks aus seinem Mund saß er aber brav und angegurtet, so dass ich die Fahrt doch angetreten hab.

Die restliche Besatzung war wie erwähnt in brauchbarerem Zustand und neben dem Musikhören im Auto bleibt vor allem ein nettes Gespräch mit meiner englischsprachigen Beifaherin. Sie hat mir auch erst erklärt, dass sie Pjotr gar nicht kennen würden, was er mit einem lauten „Fuck!“ beantwortete. Das war übehaupt sein Lieblingswort und zum Ende der Fahrt hin gab er einen mehrminütigen Monolog zum Besten, der außer fuck und fucking kaum verständliche Aussagen enthielt, aber selbst die irische Besatzung zum Lachen brachte. Und das will was heißen …

Meine Beifahrerin bezahlte passend, drückte mir dann aber noch einen Euro in die Hand. Mit der süßen Begründung:

„Well, here, I guess you deserve that.“

Pjotr bevorzugte statt dem normalen Ausstieg kopfüber aus dem Kofferraum zu purzeln und er tat das, als hätte er da einige Erfahrung mit. Nachdem er ein bisschen theatralisch auf der Greifswalder Straße lag und meine Versuche, ihm hochzuhelfen, abwehrte, sprang er geradezu auf, straffte die Kutte, baute sich gespielt gefährlich vor mir auf (er reichte mir etwa bis zur Schulter) und murmelte etwas auf Russisch. Ich gab zu erkennen, dass ich ihn nicht verstehen könne, woraufhin er meinte:

„FUCK! I’m asking: do you like Metal?“

„Well …“

„DO YOU FUCKING LOVE HEAVY METAL?“

„YES!“

„Oh. Ehm, hm. Good guy! Good guy …“

Und dann ist er pinkeln gegangen, der Pjotr.