Fritz Ehner, der Weihnachtsmann

„Guten Abend. Ich muss hier ins Fritz-Ehner-Karree. Kennen sie das?“

„Äh, ganz ehrlich: Nein!“

Mein Fahrgast war ein beleibter Mittfünfziger mit einer Reisetasche, die ungefähr das Gewicht meines Autos hatte. Also mal grob geschätzt nach dem Hochhieven in den Kofferraum. Ein netter Kerl mit (so schreibt man das immer gerne, aber ich habe keine Ahnung, was es bedeuten soll) rauschendem Vollbart, der langsam aber sicher farblich in Richtung #ffffff tendierte.
Hätte er auch nur angedeutet, mal ein Rentier gekannt zu haben, wäre ich sicher gewesen, dass es der Weihnachtsmann mit allen (!) Geschenken für nächstes Jahr ist.

„Hier, dann können sie vielleicht das Navi… muss auch ganz in der Nähe sein.“

Er reicht mir sein Smartphone. Ach Gottchen! Na klar!

„Ach so, das Wriezener Karree! Das ist kein Problem. Aber ich sage es ihnen gleich: Das ist hier nur 300 Meter ums Eck. Die Fahrt wird dennoch rund 4 € kosten, ist also ein verhältnismäßig teurer Spaß. Wenn sie wollen, können sie gerne aussteigen und laufen.“

Die Fahrt war zwar sicher nicht unbedingt das, was ich erhofft hatte – aber es ging mir ernstlich nicht darum, ihn loszuwerden. Ich weise auf diese Möglichkeiten bloß immer hin, da ich es selbst seltsam finden würde, wenn ein Taxifahrer nichts sagt, einmal abbiegt und mich dann mit einem Fantasiepreis von einem Euro pro hundert Meter konfrontiert.

„Nee nee, die Tasche ist sauschwer, da sind lauter Bücher drin! Ist alles ok, ich zahl das!“

Schnell hatten wir geklärt, dass er ins Ostel wollte. Das Ostel ist ein „DDR-Design-Hotel“ und als solches nicht zu übersehen. Der Anblick von unserer Richtung aus wird in diesem Blog ganz gut gezeigt. Und das ist auch das Problem. Denn der dämliche Pfeil mit dem Hinweis, wo die Rezeption ist, ist für Autofahrer mal für’n Arsch!

Hierbei sollte ich erwähnen, dass es natürlich sinnig ist, als Taxifahrer solche Details zu kennen. Aber gerade – oder vielleicht auch wegen – der Nähe zu meiner Lieblingshalte bin ich noch nie zum Ostel gefahren. Die Adresse ist zwar „Wriezener Karree“, bei der so eindeutigen Beschilderung habe ich eine Durchfahrt von der Straße der Pariser Kommune in Betracht gezogen. Die gibt es aber nicht. Mein Fahrgast war nicht ernstlich daran interessiert, seine Tasche weiter als nötig zu tragen, weswegen ich etwas verplant im Hof vor dem Haus (aber fern der Rezeption) das Taxameter bei 3,60 € gestoppt habe.

Mein Fahrgast fand eigentlich alles toll und hat sich dann erdreistet, dort anzurufen und sie wegen der Beschilderung zur Sau zu machen. Den Weg einmal um den monströsen Plattenbaublock habe ich dann angetreten, ohne das Taxameter wieder anzustellen. Ich bin ohnehin schon mit glatten 5 € bedacht worden, und ich hab es als Bildungsinvestition gesehen: Irgendwann muss ich ja mal lernen, wo der Eingang ist. 😀

Dort angekommen, hat mir der Kunde noch eine Münze zugesteckt: 2 €.

„Ist nicht nötig, ist mir ja auch unangenehm, dass ich ausgerechnet das jetzt nicht wusste…“

„Macht nichts, und ich muss doch irgendwie zeigen können, dass mir das gefällt!“

Und so hat der Weihnachtsmann auch seinen Sack seine Tasche noch bis zum Empfang hochgetragen bekommen. Nur so, falls ihr fragt, bei wem ihr euch für sein Wohlwollen bedanken wollt. Ich nehme auch gerne selbst Geschenke an 😉

Im Übrigen bleibt auch hier wieder einmal zu erwähnen, dass diese total miese kurze Tour vom Stand mit Trinkgeld etwa so ertragreich war wie eine durchschnittliche Fahrt…

3 Kommentare bis “Fritz Ehner, der Weihnachtsmann”

  1. Glaubst du, dass die Kollegen, denen du das wiederholt um die Nase reiben willst, tatsächlich hier mitlesen? 😀

  2. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Eigentlich eher nicht. Aber das erspart mir wenigstens auch eine Menge nerviger Kommentare 🙂

  3. […] Und siehe da: Ich fahre nur einmal ums Eck und in der Straße der Pariser Kommune, direkt vor dem Ostel, standen zwei Mädels. Kurzes Reinklettern, dann die […]

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