Miteinander sprechen …

Und dann gibt es die Momente, in denen man sich wider Erwarten in einem interessanten Gespräch im Taxi befindet. Die Frau in mittlerem Alter war schon ziemlich angetrunken, dafür aber in Erzähllaune. Wir fuhren in den tiefsten Nordwesten der Stadt und sie erzählte aus ihrem Berufsleben. Sie sei Lehrerin.

Ui.

Ich muss sagen, dass mir das gleich vorweg weit mehr Respekt abnötigt wie die Aussage, man leite eine eigene Firma zum Beispiel. Ich mag ja Kinder und hab auch schon mit viel Herzblut Kinderfreizeiten betreut, aber Lehrer sind die Leute, die für nur ein paar Euro mehr als ich Wissen vermitteln und versuchen, das wieder geradezubiegen, was z.B. unsere Nachbarn hier verbrechen, die letzte Nacht durchs halbe Viertel brüllten:

„Nee, Justus! Dit is nich dein Papa! Hör uff so zu tun als wie wenn!“

Und auch wenn es sicher viele (teils berechtigte) Klischees über Lehrer und Alkoholismus gibt, so schien sie nicht ernstlich dazuzugehören. Sie war laut eigener Aussage das erste Mal seit Monaten wieder mal mit alten Freunden feiern und habe dabei ein wenig die Linie übertreten. Dafür, dass sie sich nun nicht mehr so ganz klar artikulieren könne (Respekt für die Leute, die ab 1,5 Promille noch „artikulieren“ sagen können!), entschuldigte sie sich auch umfassend und nutzte das Thema Sprache auch gleich, um mit mir darüber zu reden, weil ich ihr wohl sehr eloquent vorkam. Puh!

Betrunkene Menschen über 40 sind so niedlich beim Flirten … 😉

Aber eigentlich wollte ich auf das Gespräch raus. Sie erzählte mir, dass sie über diverse Ecken in ihrem Job auch mal mit zwei Brüdern zu tun hatte, die offenbar verwahrlost aufgewachsen waren (oder war das ein Experiment? Keine Ahnung), die daraufhin zwar sprechen gelernt hätten, aber eben in einer selbst entwickelten Fantasiesprache. Ich glaubte zwar, so etwas schon mal irgendwo gelesen zu haben, aber fasziniert hat mich das alles wesentlich mehr als meine Fahrgästin selbst. Ein wirklich spannendes Thema!

Unsere Probleme allerdings beschränkten sich am Ende auf die taxi-typischen und sehr klischeemäßigen:

„Ssoohoooo! Hier’n lings!“

„OK.“

„Neineinein!!!“

„Was denn?“

„Schmeinrechds!“

Hab sie heimbringen können. Und den „Kaffee“ abgelehnt … 😉

 

15 Kommentare bis “Miteinander sprechen …”

  1. elder taxidriver sagt:

    In den 50er Jahren war es hier mal Mode als Alkoholtest ‚Rabindranath Tagore‘ zu nehmen. Wer es noch schaffte das fehlerlos über die Lippen zu bringen, durfte noch was bestellen.. So berichtet von einem gewissen Harald Juhnke..

    Und das mit der selbstentwickelten Phantasiesprache: Ich erinnere die Überschrift eines Zeitungsartikels, glaube aus
    der untergegangenen Zeitung ‚Der Abend‘ über Geschwister im Kindesalter, mit so einer Sprache. Die Überschrift lautete:

    Duschon sosch womm dinkin‘ dujah?

  2. elder taxidriver sagt:

    Was der Apostroph bei dinkin soll? Muss ich hinzugedichtet haben..

  3. Nessa LG sagt:

    Hihi, es ist schon lustig zu beobachten, wie Leute auf Kollegen abseits des Lehrerzimmers reagieren. ^^
    Für Schüler steht ja fest, dass Lehrer nicht außerhalb des Schulgebäudes existieren (können) und reagieren daher recht entsetzt, wenn sie ihre Lehrer beim Einkaufen oder sonstwo treffen.
    Nebenbei bemerkt habe ich auf diversen Kurstreffen die Erfahrung gemacht, dass viele Lehrer einfach nicht so viel Alkohol vertragen (Stichwort: Gesprächig werden nach zwei Alster…). 😉

  4. Apotheker-Typ sagt:

    NIcht viel Alkohol vertragen zu können, finde ich absolut ok. Für den Rausch, für den andere ein halbes Monatseinkommen investieren müssen, reichen mir 3 normale Helle – das spart ungemein, und man hat auch mehr Geld für ein Taxi übrig. 😀

    @Sash
    Den Kaffee hast Du doch sicher unter Anführung der vielen Arbeit und der vielen von Deiner Einsatzbereitschaft abhängigen Fahrgäste begründet, die da Deiner harren, und deren Leben durch einen Kaffee Deinerseits sicher völlig aus dem Ruder läuft, wenn nicht sogar ganz zerstört wird….. 😉

  5. Lesbomat sagt:

    Hm, Sash, war die Dame etwa nicht attraktiv? Hast du was gegen Frauen über 40 oder bist du in einer Beziehung und treu? Oder, was viel schlimmer wäre: Schreibst du hier etwa nur die HÄLFTE und lässt die INTERESSANTEN DETAILS einfach weg?!?

  6. Sonnenfeind sagt:

    @Lesbomat: Sash ist sogar verheiratet, liest du etwa nicht seinen ander Blog: http://www.sashs-blog.de/wordpress/ ?

  7. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Gut zu wissen. Aber manche Dinge würden mir auch nüchtern zu schwer zum Aussprechen sein 😉

    @Nessa LG:
    Ach, es ist ja relativ normal, dass man Leute auch in ihrer Funktion wahrnimmt. Woher sonst die vielen Berichte über Stars beim Einkaufen – ungeschminkt! Nein, sowas! 🙂

    @Apotheker-Typ:
    Ja ja – und mit meiner Schlaflosigkeit 😉

    @Lesbomat:
    Ich dachte, mein Beziehungsstatus sei so langsam bekannt im Blog …

  8. Anonymous sagt:

    Das beantwortet aber nur eine von Lesbomats vier Fragen… 😉

  9. Bernd K. sagt:

    Wieder ein richtig nettes Geschichtchen und dazu die Kommentare, macht einfach Spass!

    „…für nur ein paar Euro mehr…“ Das sind schon ein ganz paar reichlich Euros mehr, vor allem an weiterführenden Schulen. Allerdings haben engagierte Lehrer auch meinen Respekt.
    Die Lehrerin, die meine gymnasiale Karriere vorzeitig beendet hatte, hab ich Jahre später bei einem Verein wieder getroffen. Heute duzen wir uns. 🙂

  10. breakpoint sagt:

    @Sash

    Dass du verheiratet bist, bedeutet ja nichts zwangsläufig, dass du auch permanent treu bist.
    Aber wir erwarten natürlich nicht, dass du dich dazu in aller Öffentlichkeit wahrheitsgemäß äußerst. 😉

  11. Cliff sagt:

    > dass Lehrer nicht außerhalb des Schulgebäudes existieren (können)

    Du willst doch nicht sagen, dass sie das tun? Warum lernt man darüber nichts in der Schule?

  12. Sash sagt:

    @Cliff:
    Der war gut 😀

  13. Zero the Hero sagt:

    Nessa, wir waren noch viel entsetzter, als wir unsere Lehrerschaft mal in einer Kaschemme getroffen haben, die selbst uns im Normalfall zu übel war;)

  14. Der Banker sagt:

    Ich habe mal von einem Zwillingspaar Mädchen gehört, die bei der taubstummen Oma aufgewachsen waren oder sowas, und die hatten sich eine Sprache erfunden. Diese Sprache war ein Glücksfall für Wissenschaftler, zu sehen, was der menschliche Geist ohne Einwirkung von außen für eine Grammatik erfindet – und dass die beiden Mädchen überhaupt auf die Idee gekommen waren, das zu tun.

    Manche Leute meinen, lechts und rinks könne man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!
    Wir Ladies haben tatsächlich Schwäche für das Verwechseln von Links und Rechts. Interessanterweise nur für die Begriffe, da wir durchaus keine Probleme mit den Richtungen selbst haben. Frauen haben aber offentlichtlich auch eingewisses Gespür dafür, welches „Links“ bzw „Rechts“ denn gemeint war, wenn man sich vertan hat und nehmen das richtige.

  15. Zero the Hero sagt:

    Zum Thema „Das andere Links!“ gibts Navigationshilfen:
    http://www.amazon.de/Tussi-Tour-Lenkradbezug-Navigationshilfe/dp/B002955WZW

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