Die Pillauer

„Alter, ich will in die Pillauer Straße. OK? Warte, ich zeig’s Dir: Ist irgendwo zwischen Ostbahnhof und Warschauer!“

Vielleicht die Gegend, die ich am besten zu kennen glaube. Aber die Pillauer … nun ja, ich hatte in dieses kurze Sträßchen trotz allen Standhütens am Ostbahnhof in sechseinhalb Jahren keine Tour. Absurd, aber so kann’s halt gehen. Und die Straße ist nun wirklich sehr klein und unwichtig.

Und was hab ich gemacht: Ich bin die Sache ehrlich angegangen. Ich hab gesagt, dass ich dazu das Navi nutzen müsse, die Straße würde ich leider nicht kennen. Am Ende hat mir der Kunde mit seinem Smartphone die Ecke gezeigt, und dank der Straßen drumrum war mir sofort klar, welche das war. Sowas passiert mal in einer 900km²-Stadt, so ist es halt. Ich hab schon meines Unwissens wegen aus Kulanz eine Kurzstrecke (wir starteten an der Wühlischstraße) reingehauen und es hat gereicht.

Kunde zufrieden, Job done.

Traurig war, dass er mir unterwegs erzählt hat, dass einer meiner Kollegen all seine Hinweise abgeschmettert hat und ihn „zielsicher“ zur Libauer Straße gebracht hat. Ja, ist nicht weit weg. Aber WTF?

Und nein: Der Kunde war nüchtern und hat sehr deutlich gesprochen.

Äh, bitte, Kollege …

Ich stand am Bahnhof in der Schlange. Von hinter mir kam dann ein Kollege angelaufen, den ich vom Sehen her kenne. Er meinte zu mir kurz:

„Nicht vorrücken!“

und lief weiter zu einem weiter vorne in der Schlange, mit dem er sich dann ein wenig unterhalten hat. Ich überlegte ein wenig, was er gemeint haben könnte. Die einzig vergleichsweise logische Erklärung war, dass er als irgendwo hinter mir stehender keine Lücke vorne aufreissen lassen wollte, damit keiner von noch weiter hinten ihn überholt. Was aber zum einen moralisch fragwürdig ist, zum anderen auch völlig unnötig, wenn man weiter vorne in der Schlange durch ein Gespräch potenzielles Aufrücken ohnehin unterdrückt. Ich stand da, vor und hinter mir ein Auto – ich hatte gar keine Chance, irgendwohin zu rücken.

Und während ich noch so am Wundern war, kam der Kollege schon wieder auf dem Rückweg vorbei, klopfte mir kurz zweimal auf’s Auto und meinte:

„Danke, Kollege!“

Manchmal ist hilfsbereit sein also gar nicht so schwer.

Sash – voll unkollegial!

Der Kollege vor mir schlief. Das war nicht schwer zu erkennen, denn er hatte bereits, als er auf den ersten Platz vorrücken sollte, anderthalb Minuten im Auto gelegen, war dann panisch hochgeschreckt und danach umgehend wieder weggekippt. Ich finde übermüdet zu fahren scheiße, aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich davor an Position drei auch mal die Augen zugemacht. Aber so im Halbschlafmodus, wo ich jeden Fußgänger – und noch wichtiger hinten in der Reihe – jedes Motorgeräusch und vor allem die Bremslichter aller Kollegen vor mir wahrnehme. Nun schlief der Kollege auf Position eins und ich stand auf Position zwei rauchend vor dem Auto. Und so kamen die beiden jungen Damen nachdem sie im Zeitlupentempo von vorne an den Stand gelaufen waren – und nach einem kurzen skeptischen Blick in den Wagen des Ersten – direkt zu mir. Ob ich sie, *nestelnestel* in diese Straße fahren könne. Ich guckte mir den Zettel an: Fontanestraße, nebenbei eine Karte mit der genauen Lage der Hausnummer. Ich sagte zu und rechnete in Gedanken schon mal aus, wie viel es kosten würde, falls die beiden fragen würden.

Und dann wachte der Kollege aus und stieg aus.

Mich nahm er gar nicht zur Kenntnis, er wandte sich gleich an die beiden Damen und meinte:

„Ich bin der erste!“ und deutete auf sein Auto.

Nachdem er das noch einmal wiederholt hatte und ich mir das Schauspiel skeptisch angesehen hatte, erwiderte eine der Damen zaghaft:

„Äh … english?“

„Ich bin der erste!“, wiederholte der Kollege wieder.

Woraufhin die beiden Frauen sichtlich irritiert bei mir eingestiegen sind. Der arme Erste wollte schon wieder einsteigen, dann ist ihm aber eingefallen, dass es da ja noch jemanden gab – und kam zu mir:

„Kollege, das macht man nicht! Ich bin der erste, Du musst Sie zu mir schicken!“

Mir ging’s wirklich nicht um die Tour, aber das „Du musst“ war definitiv eine Spur zu weit aus dem Fenster gelehnt. Denn vor allem „muss“ man am Stand bereit zum Fahrtantritt sein und sich nicht erst wecken lassen. Aber mir ging’s nicht drum, den Kollegen vorzuführen, außerdem hatte ich Kundschaft im Wagen – also hab ich beschwichtigend gesagt:

„Komm Kollege, die werden schon einen Grund gehabt haben, warum sie mich ausgesucht haben …“

Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, alles ruhig und leise – und dem Kollegen hinter uns musste ich ja nicht auch noch erzählen, dass der Erste gepennt hat. Kein Stress, wir machen hier alle unseren Job und gut is‘. Laut geworden ist der Kollege auch nicht mehr, aber er hat mich beleidigt angeguckt und mir vorgeworfen:

„Darum geht’s gar nicht! Aber sowas macht man nicht, das ist unkollegial!“

Weia!

Mal ganz im Ernst, lieber Kollege: Es ist nicht alles unkollegial, was Dir nicht in den Kram passt. Ich lasse so oft Kollegen beim Einreihen vor, helfe, weise sie auf Dinge hin und ich zeige den Kunden auch gerne den Weg zum ersten Taxi in der Schlange. Was ich aber ganz sicher nie machen würde, ist einem Kollegen zu versuchen eine Fahrt abzuluchsen und ihn vor den Fahrgästen bloßzustellen, wenn ich selbst mal unachtsam war (oder sonst irgendwas passiert ist). Nicht, wenn die Touris bei mir nur eine Frage hatten, nicht wenn der Fahrgast beim anderen mit einem 100€-Gutschein von der Bahn wedelt. Einfach nie. Denn DAS ist unkollegial!

Und dass unsere Kunden das Recht haben, einen (zumindest scheinbar) übermüdeten Kollegen zu meiden, ist vermutlich das Beste, was der Taxiordnung je passiert ist.

WTF, Kollegin?

Da hält ein Taxi am Ostbahnhof. Die Fahrerin steigt aus, lädt das Gepäck der beiden Kundinnen aus und die nehmen gleich mich ins Visier. OK, das ist seltsam. Dass man als Taxifahrer mal einen von mehreren Kunden mit unterschiedlichen Richtungen an einem Taxistand absetzt … passiert. Aber alle?

Da das alles friedlich passierte und ich mit den Koffern der beiden Seniorinnen zu tun hatte, sparte ich mir meine Gedanken vorerst und fragte erst, als sie im Auto saßen.

Nun, die Kollegin wollte oder konnte die beiden nicht ans Ziel bringen und hat sie deshalb lieber bei mir abgeliefert. Hä?

Man muss vor allem mal sagen, dass die beiden Kundinnen sich ausreichend artikulieren konnten und die beiden Fahrtziele in ungefähr 7 Kilometer Entfernung weder eine ablehnbare Umlandfahrt bedeuteten, noch eine kurze und nicht lohnende Strecke – und die Straßen waren jetzt auch nicht die allerkleinsten, die man auf keinen Fall kennen kann. Die beiden Damen haben sogar naheliegende U-Bahnhöfe mit angeben können. Und die Kollegin hatte die beiden offenbar an einer der Bushaltestellen des Ostbahnhofs aufgegabelt, ist ein paar Minuten mit ihnen umhergefahren, hat nicht zum eigentlichen Ziel passende Straßennamen gemurmelt und die beiden Damen am Ende ohne Geld zu verlangen bei mir abgesetzt.

Für mich waren das leicht verdiente 19 € und 2 € Trinkgeld. Trotzdem nochmal ganz klar und deutlich: What the Fuck?

PS: Das hat mich an diesen Kollegen erinnert, der „im Geld schwimmt“.

PS 2: Natürlich kann es sein, dass die Kundinnen ihr gegenüber unangenehm waren, die Kollegin nur nicht so gut darin war, ihre Beweggründe zu erklären. Und immerhin hat sie ja auch kein Geld genommen und war nicht unfreundlich. Das WTF von meiner Seite aus bleibt dennoch bestehen …

Fürs Taxi geeignetes Essen

Man mag mich in diesem Punkt für ein Sensibelchen halten, aber mir ist irgendwie klar, dass nicht alles, was ich gerade gerne essen würde, ein Essen ist, das ich bequem im Taxi zu mir nehmen kann. Die Standzeiten sind oft unberechenbar kurz, zumindest ich habe keinen Tisch im Auto, an dem ich angenehm mit Besteck essen kann – und dann sagt man z.B. Döner auch noch nach, dass man ihn vor, während und erst recht nach dem Verzeher deutlich riechen kann.

Das alles muss nicht sein.

Natürlich gibt es auch unter den Fahrgästen empfindliche und weniger empfindliche – und was weiß ich schon, wen ich mit dem Geruch meiner Bonbons gelegentlich auf die Nerven gehe. Aber ich beschränke mich, wenn ich schon im Auto esse, weitestgehend auf Backwaren, und wenn sie belegt sind, dann gerne ohne viel Zwiebeln und Knoblauch. Und Essen zum Löffeln kommt mir nicht zwischen A- und B-Säule.

Wie gesagt: Da bin ich wohl ein Sensibelchen. Einen wirklich netten Kollegen zum Beispiel hab ich am Stand schon mehrfach dabei unterbrochen, ein Brathähnchen zu essen. Hähnchen. Im Auto. 0.o

Dieses Wochenende aber hat ein anderer Kollege den Vogel abgeschossen. Er klagte mir sein Leid, denn er hatte sich „so ne scheene Dose Brathering“ gekauft. Und dann hatten ihn Kunden beim Essen unterbrochen und er war beim Wegpacken so eilig gewesen, dass das alles ausgelaufen ist. Ins Auto, auf die Fußmatte. Brathering … im Taxi. Noch drei Berichte dieser Art und ich lege mir ein Fondue-Set zu, das über den Zigarettenanzünder befeuert wird. Kann man ja offenbar alles mal machen …

 

Aro über rote Ampeln

Ich möchte hier mal ganz explizit Werbung für meinen geschätzten Blogger- und Taxikollegen Aro von berlinstreet.de machen, der heute mit einem interessanten Artikel über rote Ampeln aufwartet: Rot ist relativ.

Ich spiele ja gerne mal den Verfechter der StVO, aber ich muss dem Kollegen doch zustimmen, dass man auch mal einen anderen Blick auf die Sache werfen sollte. Vielleicht ist ja eben nicht alles schlecht, was nicht „ordentlich deutsch“ abläuft. Zumal – und das ist zweifelsohne das Wichtige am großen Ganzen! – auch Aro sich für das ausspricht, was ich für das oberste Gebot halte (und immerhin auch §1 der StVO auszudrücken versucht): Dass es im Verkehr eben nicht nur um Egoismus und den Kampf gegen andere geht, sondern um ein friedliches und letztlich sicheres Miteinander.

Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, genau diesbezüglich nach Frankreich oder Italien zu sehen, umso mehr freut mich, dass der Kollege da mal wieder mehr Offenheit bewiesen hat.

Danke Aro, war sehr interessant!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Der kurze Sommer, die Bahn und Arschlochkollegen

OK, ob der Sommer nun wirklich vorbei ist … es darf bezweifelt werden. 🙂

Vorbei aber ist zumindest diese erste wirklich sehr warme Woche. Ich denke, irgendwie beeinflusst hat sie uns alle, und da mache ich als Taxifahrer halt auch keine Ausnahme. Die ganz lockeren Kollegen haben mir am Stand erzählt, dass sie extra früh losgefahren sind, weil es im Auto sowieso kühler als zu Hause war. An der Logik ist freilich was dran. Klimaanlage olé!

Ich wiederum bin einfach kein Freund des allzu heißen Wetters. Ich schlaf dann (tagsüber!) nicht so gut, bin eher knautschig und lethargisch und hab zudem ja eh kaum Bock, vor Sonnenuntergang loszufahren. Das macht so ein Wetter natürlich nicht einfach. Aber für meine Verhältnisse hab ich die vier Tage jetzt gut rangerockt und das gute Geschäft hat da durchaus zu beigetragen.

Heute Nacht dann kam auch hier in Berlin das Gewitter an. Nicht mehr als Supi-Dupi-Unwetter, aber immerhin mit genügend Wind und Regen im Schlepptau, um mal eben die Temperaturen von 30 auf 20°C zu senken. Und alle so: Yeah! \o/

Alle? Nein: Ein paar tausend Reisende waren in/um und in Richtung Hannover gefangen, weil etliche Bahnverbindungen ausfielen. Neben dutzenden Veranstaltungen waren es vor allem die Bahnhöfe, die heute mehr Taxibedarf als üblich hatten. Züge waren verspätet, wurden umgeleitet – manch Reisender wurde gar wieder zurücktransportiert. Eine Goldgrube für uns Taxifahrer, inklusive vieler der beliebten DB-Gutscheine. Aber ach!

Lesen Sie nun einen Rant an manche Berliner „Kollegen“:

Bahnausfälle, liebe Kollegen, sind eine tolle Sache, nicht wahr? Endlich mal nicht nur die kurzen Touren ums Eck, sondern auch mal weite Fahrten ins nähere oder gar sehr ferne Umland. Mal dreistellige Umsätze mit einer Fahrt, endlich! Da sind wir uns einig.

Nicht einig sind wir uns bei der Frage, was das für uns Taxifahrer im Umgang mit Kunden und Kollegen bedeutet.

Selbst wenn 500 Touren zu 500 € an einem Bahnhof vergeben werden, ist es kein gangbares Verhalten, zu Massen die Taxihalten und Privatparkplätze zu belegen, das Auto zu verlassen und im Bahnhof direkt am Bahnschalter die lukrativsten Touren rauszufischen. Ja, wir alle wollen sie gerne bekommen, wir alle verdienen eine Chance darauf, aber Euch Arschlöcher sollte man anzeigen und abschleppen lassen. Jeden Einzelnen, jedes einzelne Mal. Da schreien wir bei jedem Falschparker am Stand Zeter und Mordio, aber wenn’s der eigenen Kasse dient, dann isses schon ok? Und kaum dass die Touren hochpreisig werden, haltet Ihr Euch auch nicht mehr an die Regel, dass Taxifahrer nicht um Kunden buhlen dürfen. Wobei ich wetten würde, dass die meisten gerade von Euch sonst immer die Klappe aufreißen, wenn mal ein Kunde nicht beim Ersten an der Halte einsteigt.
Statt nun aber auch nur einfach hilfsbereit zu sein, den Kunden also tatsächlich Arbeit abzunehmen oder den Andrang besser zu meistern, pickt Ihr Euch auch noch die Rosinen raus und schickt die Leute mit „kurzen“ Touren raus zu den paar ehrlichen Taxifahrern, die dort Slalom um Eure widerrechtlich abgestellten Dreckskisten fahren müssen.
Ihr seid keine Taxifahrer, Ihr seid widerliche, unkollegiale Aasgeier!

Meine Schicht heute war toll. Auch ohne Hannover-Tour. Mir hätte sowas vermutlich gar nicht reingepasst. Aber es gibt eine Menge ehrlicher Kollegen, denen ich sie mehr gegönnt hätte als Euch. Ich werde demnächst mal Bahn und Polizei anschreiben und dann schauen wir mal, wie das in Zukunft so läuft.

Nix zu danken,

Sash

PS: Trotz deutlicher Worte in die Richtung jener „Kollegen“ bin ich eigentlich mehr als zufrieden und gut gelaunt. So Wochen wir diese bräuchten wir öfter, aber gerne mit 5°C weniger. 🙂