Uber ist verboten und Thomas Knüwer ist traurig

Gestern kam dann – was lange abzusehen war – das Frankfurter Landgericht zu dem Entschluss, dass Uber bundesweit verboten sein soll, Fahrten an Privatfahrer zu vergeben. Die Urteilsbegründung steht noch aus, aber ich vermute, es wird grob vereinfacht darauf rauslaufen, dass man illegale Fahrten auch nicht vermitteln darf, wenn man nicht selbst fährt. (Hier meine UberPop-FAQ)

Über die Legalität von UberPop habe ich so viel geschrieben, es hätte ein eigenes Buch werden können – weswegen ich das Thema in „Gestern Nacht im Taxi“ gar nicht erst angeschnitten habe. Aus der rein legalistischen Sicht war die Sache lange klar, zumindest für die Fahrten an sich. Uber hat ja auch nur noch versucht, sich rauszureden, sprich: sich gar nicht an der tatsächlichen Dienstleistung aufzuhalten, sondern sich auf die Vermittlerfunktion zurückzuziehen.

Nun ist der legalistische Ansatz natürlich nicht der einzige. Die Gesellschaft verändert sich und Uber selbst hat ja auch oft einfach gesagt, „die Gesetze seien veraltet“. Und so sehr einen das vielleicht ärgern mag, wo man den Status quo liebgewonnen hat: Das ist ja ein legitimer Ansatz. Letztlich müssen viele neue Regelungen erst erkämpft werden, manche ändern sich erst durch den gesellschaftlichen Umschwung – und gerade das Internet zeigt uns das in den vergangenen 20 Jahren recht deutlich.

Und so liest sich auch Thomas Knüwers Artikel bei Indiskretion Ehrensache eher in diese Richtung. Ein bisschen „Das war rechtlich vermutlich ok, Uber ist auch nicht toll, aber es ist schon doof, dass es so läuft“. Ich mag Knüwers Technikoptimismus, ich lese das Blog nicht ohne Grund seit Ewigkeiten. Er sagt einige wahre Dinge über den digitalen Wandel da draußen, ich schätze seine Kompromislosigkeit, ich will ihn also sicher nicht persönlich angreifen, obwohl das bei solchen Themen immer eine lustige Alternative wäre.

Der Artikel allerdings … naja, Herr Knüwer …

Die positiven Erfahrungen mit Uber-Fahrern glaube ich unbesehen. Und das nicht grundlos. Die Personenbeförderung, noch dazu wenn man sie eher ein bisschen locker nebenher betreiben kann, kann eine wunderbare Arbeit sein. Kein Wunder also, dass man da auch auf Menschen trifft, die da voll bei der Sache sind und es lieben. Die ein oder anderen haben vielleicht gemerkt, dass es mir bisweilen auch so geht.

Wenn Knüwer nun also die Fahrer verständlicherweise lobt, dann ist im Kern nichts dagegen einzuwenden, sehr wohl ist aber die Frage zu stellen, warum denn die Uber-Fahrer gefühlt besser sind. Und das ist leider ein ziemlich komplizierter Punkt. Da spielt zum einen rein, dass sie meist jung und unverbraucht sind, neues erleben wollen, teilweise auch die Tatsache, dass manche das „nur nebenbei“ machen. Nichts davon gibt es im Taxi nicht auch. Aber – und das soll keine Rechtfertigung für Arschlochkollegen sein – im Taxi gibt es halt auch Leute, die das schon eine ganze Weile machen. Und so sehr ich den Job liebe: Es ist wirklich nachvollziehbar, dass man nach 30 Berufsjahren mit einer Aussicht auf einen dreistelligen Rentenbetrag in Gegenwart schnöseliger Fahrgäste auch mal weniger enthusiastisch ist. Das ist nicht toll, aber der Effekt ist nur auf das geringe Alter der Firma Uber zurückzuführen und kurzfristiger Natur.
Und auch wenn es dafür sicher noch keine Daten gibt, ich bin da sehr sicher. Zum einen sind in den USA die Fahrer vielfach angepisst und lassen das durchaus teilweise die Kunden spüren – zum anderen hat auch Knüwer mit MyTaxi ein gutes Beispiel für eine neue Technik in der Branche gebracht:

„[…] ich habe aber das Gefühl, irgendwas funktioniert da nicht mehr: Über MyTaxi gebuchte Fahrten sind im Schnitt genauso (un)erfreulich wie die über Taxizentralen.“

Genau das Gleiche habe ich von der anderen Seite, von Kollegen, gehört. Zigfach. Am Anfang war die Begeisterung groß. Die MyTaxi-Kunden waren überdurchschnittlich nett, hatten lange Touren, gaben gutes Trinkgeld … aber mit der Zeit haben sich auch die letzten Dorfprolls MyTaxi installiert und die Touren glichen sich dem Durchschnitt an.

Und da sind wir beim Hauptproblem, das ich auch gerne zugunsten netter Geschichten unter den Tisch fallen lasse: Personenbeförderung ist kein Ponyhof! Auf Dienstleiser- wie auf Kundenseite gibt es Arschlöcher noch und nöcher; am Ende ist es eine Geschäfts- und keine Liebesbeziehung. Unschöne Dinge passieren allerorten, tausendfach; und dieses Problem lässt sich nicht durch die Art der Vermittlung bekämpfen. Die Vermittlung ist ein unbedeutender und vielfach grundlos hochgehypter Teil der Dienstleistung. Am Ende sitzen zwei Parteien in einem Auto und müssen miteinander klarkommen. Im schlimmsten Fall zwei Arschlöcher – und dann ist es vollkommen egal, wer die zusammengebracht hat.

Knüwer führt den Vorteil, den Uber hat, jedoch auf das Menschliche zurück. Was zumindest in Teilen wohl so verstanden werden kann, dass bei UberPop eben keine Profis, sondern Menschen „wie Du und ich“ arbeiten.

Tja, nun.

Dieses Loblied auf die Sharing Economy muss zwangsläufig da ein Ende finden, wo Personenbeförderung nicht mehr lustiges Hipster-cruist-Hipster-durch-die-Gegend ist. Ich finde die Idee, gleichgesinnte nette Leute durch die Gegend zu fahren und mir damit ein paar Euro nebenbei zu verdienen auch ganz nett. Aber selbst wenn die gehbehinderte Oma auf dem Land ein zu populistisches Beispiel ist: Wie lassen sich Samstagabends in der Stadt 1.000 betrunkene Andrea-Berg-Fans wegwuchten, wenn nicht mit Leuten, die das beruflich machen? Finden die alle Freiwillige, die „ja sowieso nebenbei am Wochenende noch ein bisschen rumfahren“?
Und wenn Leute das beruflich machen: Wie sollen die die Zeit zwischen den Konzerten verbringen, wenn andere Leute den das ausgleichenden, einträglichen Teil des Geschäfts einfach spaßeshalber als Scheinselbständige für die Hälfte des Mindestlohns erledigen?

Immer wenn es um Uber geht, kramen alle die schlimme Überregulierung des Taxigewerbes heraus. Und die ist natürlich nicht immer grenzenlos toll. Mir geht es sicher nicht darum, Menschen zu verbieten, auch mal für einen Zehner heimzukommen, wo ich fünfzehn Euro nehmen muss. Wenn ich mich gegen Uber positioniere, dann habe ich aber im Kopf, dass Fahrgäste – wenn sich Taxifahren erst einmal gar nicht mehr lohnt – auf diese Fahrt eventuell eine Dreiviertelstunde warten müssen, einen beschissenen Fahrer kriegen und am Ende 80 Euro zahlen.

Ich freue mich für Thomas Knüwer, dass er bei Uber gute Fahrer bekommen hat, ich bin da nicht pissig oder nachtragend. Die Frage, die ich diesbezüglich aber gerne stellen möchte: Wo geht das über Anekdoten hinaus, die bisher unzureichende Daten liefern? Wo ist dieses „gewisse Etwas“, das Uber haben soll? Wo bitte geht diese Firma auch nur ein einziges von den Problemen an, das bisher bei der Personenbeförderung nicht gelöst werden konnte?
Als Taxifahrer gelte ich – zu Recht – immer gleich als befangen bei dem Thema. Das ist schade, aber ok. „Cui bono?“ und so. Aber all die von Uber begeisterten haben wie Thomas Knüwer bislang allenfalls „War gut!“ oder „Ist neu und geil!“ geschrieben. Und so leid es mir tut: Das ist zu wenig.

Kollegen, die Fehlfahrtprobleme haben

Ich bin ja vielleicht jemand, der sich den Job Taxifahrer sehr leicht macht: Einfach rumcruisen und Kunden einsacken. Kein Funk, wenig sonstigen Stress – einfach nur die Fahrgäste und ich. Da gäbe es hier und da ein bisschen Optimierungspotenzial, das steht außer Frage. Aber ich bin im Großen und Ganzen ein Anhänger der 80/20-Theorie, die besagt, dass man mit 20% Einsatz 80% des Ergebnisses hinbekommt und die restlichen 80% Stress auf sich nimmt, um das Ergebnis um 20% zu verbessern. Natürlich stimmt das nicht immer und natürlich gibt es auch ganze Bereiche, auf die das nicht zutrifft. Aber beim Taxifahren spare ich mir die Energie und setze sie lieber in Freundlichkeit und vor allem Gemütsruhe um.

Das schafft dann auch einen freien Kopf, um zum Beispiel einfach mal mir völlig fremde Kollegen an der Halte darauf hinzuweisen, dass ihre Fackel ausgeschaltet ist. Das klingt böse, ist aber in Wirklichkeit hilfreich. Viele haben einfach vergessen, sie nach einer Bestellung wieder anzuschalten, andere bekommen dadurch erst mit, dass ein gerade nachts nicht unwichtiges Bauteil ihres Autos kaputt ist.

Heute Nacht stand wieder ein Kollege vor mir mit unbeleuchtetem Dachschild am Bahnhof, also hab ich’s ihm gesagt. Und obwohl ich das nun seit 6 Jahren ungefähr einmal pro Woche mache, kam mir diese Antwort noch nie unter:

„Ja, ich hab versehentlich eine Kurzstrecke eingetippt und wollte das jetzt noch wegkriegen. Weißt Du, wie das geht?“

„Naja, einfach ‚Kasse‘ drücken …“

„Ja, aber dann ist das ja abgespeichert.“

„Ja und?“

Natürlich: Es kann schon sein, dass er keinen toleranten Chef hat, der ihm eine Fehlfahrt abkauft. Dann sollte er sich vielleicht Gedanken über einen Firmenwechsel machen. Ich kann das sicher auch nicht zwanzig Mal monatlich machen – aber selbst zu Beginn ist mir das vielleicht ein- oder zweimal pro Monat passiert, dass ich den falschen Knopf gedrückt habe. Und wenn es ganz dumm läuft, dann zahlt man halt einmal für seinen Fauxpas. Ich vertippe mich z.B. gerne mal bei Zuschlägen, wenn ich bei einem Stopp die Uhr anhalte, es dann überraschend doch weiter geht und ich die Uhr wieder anstellen will. Da hab ich meinen Chefs in den letzten 6 Jahren halt insgesamt vielleicht einen Zehner geschenkt, weil es mir zu blöd war, die 50 Cent jedes Mal anzugeben. Niedriglohnjob hin oder her, ein bisschen Schwund ist immer.

Der Kollege heute Nacht jedenfalls wollte nicht ‚Kasse‘ drücken und ist weiter mit laufender Kurzstrecke und ausgeschalteter Fackel vorgerückt. Was immer er sich davon versprochen haben mag. Er kam sogar noch einmal zu mir und fragte, ob man nicht jetzt vielleicht noch in den Normaltarif wechseln könnte.

WTF?

Offensichtlich wollte er wirklich die nächste Tour mit dem bereits gedrückten Tarif beginnen. Was zweifelsohne völlig bescheuert ist, zumal er ja schon rund 200 Meter am Stand zurückgelegt hatte. Ich hab das Gegenreden irgendwann aufgegeben, obwohl’s natürlich in jedem Fall falsch gewesen wäre. Denn entweder hätte er unerlaubt Kunden vom Stand zum Kurzstreckentarif gefahren und sich im Falle einer kurzen Fahrt selbst um sein Geld gebracht, das er sonst mehr verdient hätte – oder aber er hätte den Kunden bei einer längeren Fahrt ein paar hundert Meter zu viel berechnet. Von den obskuren Möglichkeiten ganz abgesehen, die sich ergeben hätten, wenn die Fahrt entweder unter vier Euro gekostet hätte oder genau im Grenzbereich gelegen wäre, in dem das Taxameter nach Ende der Kurzstrecke schnell hochzählt. Wie kann man sich so einen Stress machen, wenn man ganz offensichtlich keine Ahnung hat?

Besonders kurios ist es dann am Ende geworden, als er Erster war. Er hatte Kunden, ich hatte Kunden. So sah es zumindest aus. Tatsächlich sind meine eingestiegen und hatten eine ultrakurze Fahrt in den Engeldamm im Programm. 5,00 € genau. Der Kollege wurde offenbar nur etwas gefragt und die Leute sind dann zu Fuß weitergegangen. Und da kommt der Töffel doch tatsächlich nochmal zu mir gelaufen und meint:

„Aber Kollege, eigentlich wäre ich doch dran!“

Mir ist darauf nur folgendes zu sagen eingefallen:

„Tja, siehste, sowas passiert auch manchmal!“

Also echt …

Neu im Gewerbe war ich auch mal. Und dumme Dinge gemacht oder dumme Fragen gestellt hab ich auch. Aber einem Kollegen das Taxameter, die Tarifbindung und die freie Taxiwahl der Kundschaft erklären muss ich auch nicht nebenher auf einen Rutsch machen. Für sowas gibt’s ja eben Chefs. Wobei es ironischerweise sogar witzig gewesen wäre, ihm gerade diese kurze Tour zu übergeben: bei der nämlich hätte er draufgezahlt und nicht die Kunden …

Secondary skills

Eine Kleinigkeit wollte ich mal nebenbei festhalten:

Ich fahre ja weiterhin die 2925, die neben einigen anderen Macken nach wie vor kein Navi hat. Das heißt nicht, dass ich ganz ohne elektronische Unterstützung unterwegs bin – aber das Aushilfsnavi nutze ich so gut wie nie. Bisher für exakt zwei Fahrten …
Darüber hinaus ist mein Tracker, mit dem ich gerne cheate, auch nur hilfreich, wenn man schon ziemlich genau weiß, wo es hingeht. Mal eben checken, in welchem Stadtteil eine Straße liegt, geht damit schlicht nicht.

Aber es geht insgesamt.

Nun könnte ich ja einfach mal sagen, dass ich auf einmal voll die Ahnung hab. Also das, was navilose Kollegen gerne behauptet haben, wenn ich früher gestanden hab, mein Gerät öfter zu benutzen. Aber so tief muss das Niveau hier ja nicht sinken.

Ich hab inzwischen – binnen weniger Wochen schon – einfach festgestellt, dass es mir im Zweifelsfall viel leichter fällt, die Kunden zu fragen. Nicht, dass ich das bisher nie gemacht hätte! Aber ich mach’s nun auch bei eher schweigsamen Gesellen, bringe mein Unwissen besser rüber, diese Geschichten.

Selbst beim Taxifahren schleicht sich Routine ein und man macht dieses und jenes nach Muster A oder B. Es ist interessant, da nach Jahren noch Änderungen an sich selbst zu bemerken.

Ich bekomme jetzt den Mindestlohn! \o/

Wie allgemein bekannt ist, ist mit dem Feuerwerk zum Jahreswechsel auch der flächendeckende Mindestlohn in Deutschland eingeführt worden. Es wurde viel darüber gestritten und debattiert – und es wird wohl auch weiter gestritten und debattiert werden. Jetzt aber ist er erst einmal da und ich als persönlich halbwegs betroffener Angestellter kann mich ja erst einmal darüber freuen.

\o/

Noch ist es freilich zu früh für irgendein Fazit oder irgendeinen fundierten Ausblick. Erst die nächsten Monate, wenn nicht Jahre, werden zeigen, ob das grundsätzlich eine gute Idee war. Uns Niedriglohnjobber kann’s aber vorerst einfach mal freuen.

Ich bin von mehreren Fahrgästen in der Silvesterschicht darauf angesprochen worden, überwiegend war der Tenor positiv. Wie das alles im Taxigewerbe laufen wird, ist indes natürlich noch eine mehr als offene Frage. Man hört wie erwartet vielfach von Kündigungen – aber ob das jetzt nur kleine Filterbubble-interne Ausschläge nach oben oder schon der das Gewerbe durchziehender Umbruchsprozess ist, das weiß vermutlich noch niemand. Ebenso ist völlig unklar, wie sich das Ganze auf das Gros der angestellten Fahrer auswirken wird. Denn das ist wieder von Person zu Person und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Dem Hörensagen nach gibt es nämlich Chefs, die völlig umstrukturieren und ihre Fahrer zu Festlöhnen GPS-gestützt zielgenau durch die Stadt lotsen – während es in anderen Betrieben einfach Mindestumsätze geben soll, die die Fahrer halt in ihren Stunden zu erreichen haben. Ganz davon abgesehen, dass es auch etliche Unternehmen geben wird, die ggf. die Arbeitszeiten „kreativ“ aufschreiben.

Und das ist natürlich das, wovor jetzt alle Angst haben: Die illegalen Tricksereien. Dass da ein gewisses Potenzial da ist, ist schwer zu verleugnen – unser Gewerbe ist ja auch bisher nicht gerade ein Aushängeschild für durchgehend rechtssichere Beschäftigungsmodelle. Es gibt eine ungewisse aber existente Menge an Unternehmen, deren Geschäftsgebahren irgendwo zwischen hellgrau und dunkelschwarz angesiedelt ist. Dass die sich plötzlich fair verhalten, ist natürlich nicht unbedingt zu erwarten. Allerdings – und das sei den Ganzen Untergangsapologeten entgegengehalten – das ist beim Mindestlohn eine ganz andere Ausgangslage als beispielsweise bei der Schwarzarbeit. Die organisierte Schwarzarbeit hat (zumindest kurzfristig betrachtet) zwei Gewinner: Unternehmer und Fahrer. Bei einem Runterrechnen der Umsätze und Verdienste spielen Fahrer natürlich mit, weil sie am Ende mehr netto vom Brutto oder einen netten Nebenverdienst über die Bundesagentur haben. Warum sich Fahrer auf un- oder unterbezahlte Arbeit einlassen sollten, entzieht sich meinem Gespür für Logik ein wenig.

Und das mit der Schwarzarbeit kommt dann mit dem Fiskaltaxameter auf den Tisch … die Umsätze der nächsten Jahre werden auf wundersame Art und Weise steigen, für die Vorhersage braucht’s keine Aushilfsorakel.

Aber wie gesagt: Es wird noch dauern, bis da verbindliche Daten existieren. Noch wird das Gewerbe dominiert von Kollegen, die nicht einmal wissen, wie viel Umsatz sie so pro Stunde machen („Ich schreib mir doch meine Stunden nicht auf …“) und von denen, die nach wie vor erzählen, „dass das bei uns sowieso nicht klappt“.

Am meisten bedauere ich die Kollegen, die vermutlich fliegen werden, einfach weil sie mit weniger Verdienst zufrieden waren. Die Fahrer, die das alles noch eine Spur gemütlicher sehen als ich und (oft in den Randbezirken) einfach ihre paar Touren mitnehmen und mit dem Fuffi pro Tag zufrieden sind. Ob er sie nun 3 oder 8 Stunden Wartezeit kostet – was natürlich für Chefs künftig nicht mehr finanzierbar sein wird.

Und was ändert sich bei mir?

Aller Voraussicht nach nicht viel. Ich nehme zwar an, ich werde ein wenig mehr verdienen – das allerdings nur indirekt durch den Mindestlohn. Meine Bezahlung bleibt die gleiche, ich werde am Umsatz beteiligt und auch die Prozente ändern sich nicht. Die einzige Änderung ist die, dass ich künftig – wenn mein monatlich ermittelter Stundenlohn darunter fallen sollte – wenigstens die gesetzlich vorgeschriebenen 8,50 € bekommen werde. Momentan gehe ich allerdings davon aus, dass das nicht passieren wird, und wenn, dann nur in unbedeutendem Maße. Meine Statistik ist recht umfangreich, deswegen kann ich zwar nachvollziehen, dass ich den Mindestlohn seit November 2012 in 10 Monaten unterschritten habe, allerdings nur dreimal im vergangenen Jahr, und davon nur zweimal deutlich. Und im Vorjahr hatte ich noch wesentlich ineffizienter gearbeitet. Zudem gehe ich davon aus, dass die Umsätze gerade wegen des Mindestlohns deutlich steigen werden. Die größte Gefahr für mich also ist, dass meine Chefs wegen anderer Kollegen pleite gehen. An dem bei mir vielleicht anfallenden Fuffi Mehraufwand für 2015 wird’s vermutlich eher nicht scheitern.

Natürlich gibt es auch hier Unwägbarkeiten: Welche Fahrer werden wann welche neuen Muster fahren? Versuchen zwischenzeitlich mehrere, die Samstag-Nacht-Schicht zu bekommen? Bricht ein Großteil jeden schlecht laufenden Abend ab? Oder versuchen sie stattdessen auf Teufel komm raus, das wieder auszugleichen? Wie viele werden wirklich entlassen, wie viele tricksen wobei? Das weiß niemand und ich hab entsprechend auch keine Ahnung. Die nächsten Monate werden von einem Umwälzungsprozess geprägt sein, der sicher mal in die eine, mal in die andere Richtung ausschlägt. So gesehen wird es eine spannende und leider nicht für alle schöne Zeit.

Ich versuche indes einfach, weiterhin meine Kunden ans Ziel zu bringen und bin ziemlich sicher, dass das am Ende so schon passen wird. Mit etwas Glück ist es einfach etwas weniger ärgerlich, wenn der Tag mal schlecht läuft.

Fremde Angelegenheiten

Dass Kunden aus einem Taxi aussteigen und anschließend zu einem Taxi laufen, kommt vor. Wenn dann allerdings der Taxifahrer hinterherfährt, kommt meist nix gutes dabei heraus. Und genau so geschah es, als zwei Damen mein Taxi enterten, nachdem sie zuvor bei einem Kollegen ausgestiegen waren – und jener gleich wendete und auch an mein Auto herantrat.

Ich möchte erst einmal ein wenig auf meine Situation eingehen. Ich stand unter der Woche zu ungewohnt später Stunde am Ostbahnhof an erster Position. Was ungünstig war. In gewisser Weise. Laufkundschaft war nämlich, salopp gesagt, alle – das einzige, was uns paar Fahrer noch hielt, war der um anderthalb Stunden verspätete ICE aus München, der in wenigen Minuten eintreffen sollte. Verspätete Züge sind für uns super, denn dann schmeißt die Bahn in der Regel mit Taxigutscheinen, gerne auch mal für Fernfahrten, um sich. Ungünstig war meine Pole Position deswegen, weil in der Regel zuerst die aus dem Bahnhof gestürmt kommen, die sich zuvor nicht um Gutscheine rangeln und entsprechend meist kürzere Touren haben, bei denen es keine Rolle spielt, wer sie bezahlt.

Nun stiegen die beiden jungen Frauen also ein und wollten … zum Berghain.

GNIT-Leser wissen inzwischen sicher, dass das eine ultrakurze Strecke von vielleicht 800 Metern ist. Dieses Mal hätte mir das perfekt gepasst: Schnell binnen zwei Minuten zum Berghain und zurück – und dann an Position 5 oder so anstellen, um eine der lukrativen Ferntouren abzugreifen …

Nun aber kam der Kollege an und forderte die beiden Damen auf, ihre Taxifahrt zu bezahlen. Oha! Zechpreller, ehrlich?

Die folgenden zwei Minuten waren ein einziger Disput rund um mein Auto, wobei es aber nicht um mich ging. Immerhin. Und erstaunlicherweise war das Problem der Anwesenden sogar nachvollziehbar – und dennoch nicht so einfach zu lösen.

Unstrittig war, dass der Kollege die beiden Damen zum Ostbahnhof gebracht hatte, damit sie an einem Geldautomaten Geld abheben können, um letzten Endes die Fahrt zum Berghain bezahlen zu können. Und bezahlt hatten sie nicht. Was eindeutig für den Kollegen spricht. Die Frauen erzählten mir, dass sie den Fahrer gebeten hätten, das Taxameter während des Stopps auszuschalten, was dieser wohl bejaht hatte. Als sie wiederkamen, standen allerdings 3 € mehr auf der Uhr, weswegen sie sich verarscht vorkamen und nicht mehr weiterfahren wollten, sondern lieber einen anderen Fahrer.

Nun wird’s schwierig …

Zunächst einmal gibt es absolut keinen Grund, das Taxameter für so einen Halt zu stoppen. In der Zeit ist man als Taxifahrer gebunden und schon der Begriff „Wartezeittarif“ zeigt ziemlich deutlich auf, dass wir auch Geld fürs Warten nehmen dürfen, wenn es anfällt. Diesbezüglich waren die beiden Damen also rechtlich in ziemlich schwieriger Lage. Andererseits muss man auch mal zu Protokoll geben, dass derartige Taxameterstopps trotzdem gang und gäbe sind. Auch ich hab das schon gemacht. Wenn’s danach noch weitergeht, macht man lieber mal 5 Minuten unbezahlte Pause und raucht eine, bevor die Kunden abspringen. Und wenn man das nicht machen will als Fahrer – was wie gesagt völlig ok ist – dann sollte man wenigstens nicht vorher zusagen, dass man es macht. Weiterer Pluspunkt für die Fahrgäste: Sie waren in der Tat sehr ruhig, während der Kollege Zeter und Mordio schrie. Der erste Satz der einen war tatsächlich:

„Please calm down, so we can talk to each other!“

Ja, nu saß ich da ernstlich zwischen den Stühlen. Dass die beiden die Fahrt zu zahlen hatten, war klar. Zumindest mal bis zum Anhalten, immerhin auch ein ganzer Zehner. Das hab ich auch erklärt. Nun gab es dummerweise aber auch noch Sprachprobleme: Die Fahrgäste sprachen kaum deutsch, der Taxifahrer kaum englisch.

Und überhaupt: Warum ich? Ich bin kein Kollegenschwein, ehrlich. Aber was hätte ich außer vermitteln tun können – was keine der beiden Parteien irgendwie wirklich honoriert hat …

Dementsprechend dankbar hab ich angenommen, was eine der Damen anbot:

„I’m sorry, we leave your cab. OK? I know, you’re waiting for other customers.“

Und – mit Zustimmung des Kollegen – beschlossen sie, die vor Ort ansässige Polizeiwache aufzusuchen. Was mit Sicherheit die bessere Wahl war als mein Taxi. Eine friedliche Einigung wird es vermutlich nicht geworden sein, aber wenigstens eine, die dann hoffentlich alle akzeptieren.

Anschließend hab ich tatsächlich eine Fahrt aus besagtem ICE bekommen. Keine mit Coupon, aber immerhin eine für 17 €. Man will ja nicht meckern, wenn andere sich schon wegen drei Euro in die Haare kriegen …

Mehr als nötig

Die heutige Nacht war sowas wie ein Brücken-Arbeitstag für mich. Wirklich Lust auf Arbeit hatte ich nicht, zumal ich sowieso ungewohnte 8 Tage am Stück arbeite diese Woche. Sicher, die Kohle kann ich brauchen – aber der letzte Tag macht weder einen guten Monat zum Überbringer noch einen schlechten Monat richtig gut. Der letzte Tag ist immer ein bisschen für’n Arsch. Aber dadurch, dass ich die Schicht heute unterwegs war, konnte ich fließend zum Silvesterauto wechseln. Sowohl meine eigentliche 2925 als auch die die letzten Tage gefahrene 2223 sind in der Nacht der Nächte mit anderen Fahrern besetzt. Also musste ich tauschen.

Die 871. Gut, hab ich nie gefahren, wird aber schon in Ordnung sein. Laut Schichtplan ist sie heute ab 7 Uhr verfügbar. Deswegen hatte ich die Nacht spät gestartet – ich wollte bis morgens fit sein, um das Auto an der Firma wechseln zu können. Spart mir zwei Bahnfahrten zu je ungefähr einer Stunde.

Dumm war halt, dass meine Arbeitslust ziemlich darnieder lag. Ich hab mich erst um 23 Uhr auf die Straße gequält und eigentlich ab 1:30 Uhr ständig ans Aufhören gedacht. Aber naja, hier noch eine Tour, da noch mit Kollegen quatschen …

Gegen 4 Uhr hab ich’s nicht mehr ausgehalten. Mir sind trotz ausreichender Koffeinzufuhr fast die Augen zugefallen. Also hab ich das bisherige Auto betankt und geputzt und war zudem eigentlich ganz zufrieden mit den knapp 100 €, die ich eingefahren hatte. Dass der mir unbekannte Kollege an einem Dienstag wirklich bis 7 Uhr arbeiten würde, glaubte ich ohnehin nicht. Lange würde ich nicht auf’s Auto warten, dachte ich mir, als ich auf den Hof rollte.

Es war sogar noch besser: Die 871 stand bereits auf dem Hof. Das Ärgerliche daran: Sie sah nicht gerade aus, als wäre in den letzten drei Tagen überhaupt jemand mit ihr gefahren. Und diesbezüglich ist die Beweislast erdrückend:

Wir hatten viel Schnee in den letzten 30 Minuten! Quelle: Sash

Wir hatten viel Schnee in den letzten 30 Minuten! Quelle: Sash

Ich hab’s sportlich genommen und mich gefreut, dass ich den Hunni Umsatz gemacht habe. Denn hätte ich abends gleich die Kisten getauscht, wäre ich viel früher heim. Insofern ist das jetzt schon ok. Schon gar keine Vorwürfe mache ich dem Kollegen, der seine eingetragene Schicht nicht gefahren ist – denn das hab ich selbst schon sicher fünfzig Mal gemacht. Damals hat das halt nur Harald und mich betroffen, weil wir uns das Auto zu zweit geteilt haben und niemand anders unsere Uralt-Kiste im Nordosten der Stadt haben wollte.

In solchen Fällen merkt man dann, dass nichts zu 100% perfekt ist und alles seine Vor- und Nachteile hat. In dem Fall, dass meine Chefs nicht viel von Arbeitspflicht halten und es zudem sehr locker sehen, wenn man nicht Bescheid sagt, dass man nicht fährt (obgleich sie’s natürlich gerne hätten, wenn wir es täten). Aber obwohl ich mich in dem Fall über eine rechtzeitige Info gefreut hätte, bin ich doch trotzdem froh, dass man bei uns nicht gleich einen Anschiss kriegt, nur weil man abends mal vergessen hat, Cheffe anzurufen.

Wie dem auch sei: Damit ist 2014 durch für mich und ich hab am Ende eine halbe Schicht mehr als geplant runtergerissen.

Jetzt jedenfalls werde ich in obigem Kistchen die Silvesterschicht rocken. Sie scheint vollkommen ok zu sein und fährt sich gut. Kleines Manko auch hier: ein Navi hat sie nicht. Und dieses Mal hab ich nicht einmal einen Ersatz – nur mein Handy für den Notfall. Aber wie sagt mein Chef so gerne:

„Du bist doch Taxifahrer, wozu brauchst Du’n Navi?“

Und obwohl ich das bei der riesigen Stadt und den tausenden Sonderzielen, die man niemals alle kennen kann, so nicht unterschreiben würde, stimmt’s andersrum dann halt doch wieder: Seit ich in der 2925 das nervige Aushilfsnavi drin habe, hab ich es für exakt eine einzige Fahrt benutzt. Ganz so schlecht scheint es um die Ortskunde meiner Wenigkeit dann ja doch nicht bestellt zu sein.

Aber das alles passiert erst 2015. Den heutigen Abend werde ich wie immer gemütlich mit Ozie zu Hause verbringen und mich erst mit Verstummen des Feuerwerks auf die Straße schmeißen. Ich wünsche Euch allen einen guten Rutsch und eine fette Feier! Und ärgert mir die Taxifahrer auf der Straße nicht zu sehr, ok?

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Nur ein Beispiel

oder

warum ich das mit der Tarifbindung für eine gute Sache halte

Dass wir Taxifahrer uns im Pflichtfahrgebiet an die jeweiligen örtlichen Taxitarife halten müssen, ist immer wieder Grund für Ärger. Wie immer, wenn’s um Geld geht. Da haben wir einmal die Kunden, die natürlich gerne weniger zahlen wollen und auf der anderen Seite die Fahrer, die mehr verdienen wollen.

Aber wär’s so schlimm, wenn beide das bekämen, was sie wollen?

Grundsätzlich natürlich nicht. Preisfindungsprozesse bei Waren und Dienstleistungen sind abgesehen von einfachen Grundregeln komplex und natürlich kann der Taxitarif wie jeder andere Preis in bestimmten Fällen falsch im Sinne von „nicht optimal“ sein. Für mich hat eine Fahrt mit 6 pöbelnden Jugendlichen auch einen anderen Wert als eine mit einem netten Rentnerpärchen. Selbst wenn sie am Ende ähnlich lang dauern und laut Taxameter gleich viel kosten. Und für den durchgefrorenen Kunden an Silvester ist das Taxi für die 8 Kilometer Heimweg sicher auch mehr wert als Samstag Abends, wenn man sowieso noch zu dritt unterwegs ist und die Bahn alle 15 Minuten fährt.

Andererseits finde ich es auch schön, dass mich die Fahrkarte der BVG nicht ausgerechnet im Berufsverkehr mehr Geld kostet, weil der Platz da besonders knapp ist und man nunmal zur Arbeit muss …

Kommen wir nun zum aktuellen Beispiel. Das betraf zwar nicht das Pflichtfahrgebiet und ist damit keine illegale Abweichung vom Tarif gewesen – aber der angesprochene Kollege hat ganz gut gezeigt, wie absurd eine freie Preisverhandlung unter Umständen laufen kann.

Er stand am Ostbahnhof und unterhielt sich mit einem anderen Taxifahrer, der beim Funk eine Vorbestellung erwischt hatte. Es stellte sich raus, dass es wirklich um eine gute Tour ging, nämlich eine bis nach Cottbus. Der wartende Fahrer schien schon sehr glücklich darüber zu sein, aber besagter Kollege redete ihm ins Gewissen:

„Du musst unbedingt mit denen reden. Sag denen, dass Du die Uhr hin und zurück anlassen musst. Da ist Spielraum, da kannst Du immer mehr rausholen als ausgemacht. Ich bin einmal für 500 € nach Cottbus gefahren, das lohnt sich, glaub mir!“

500 €. Das kann natürlich die übliche Angeberei unter Kollegen gewesen sein, aber selbst wenn es übertrieben war: An die 180 €, die ich vor geraumer Zeit mit gutem Gewissen für diese Tour genommen hab, scheint der Kollege wirklich nicht gedacht zu haben.

Das für sich ist ja wie gesagt nicht unbedingt dramatisch. Obwohl es mir in den Fingern juckt zu schreiben, dass eine bessere Bezahlung von uns Taxifahrern zwar Not tut, 500 € aber zumindest gefühlt die Grenze zum Wucher überschreiten. Wirklich bescheuert wurde es, als in diesem Moment drei junge Männer auf mich zutraten, da ich nicht ins Gespräch involviert war und mir ein „Angebot“ machten:

„Hey Digger, wir ham’n Deal für Dich: Wir geben dir 60 € und Du bringst uns nach Fürstenwalde. OK?“

„Hmm. Nö. Das ist zu wenig.“

Die Irritation der Jungs dauerte nur kurz, denn der Kollege von eben bedeutete ihnen umgehend, bei ihm einzusteigen. Er mache das schon.

Mich hat das nur bedingt gestört. Es war Samstag und ich hab in den drei Stunden, die mich die Fahrt gekostet hätte, eher so um die 80 € Umsatz gemacht. Bei einem Drittel der Kilometer und sicher mindestens dem Doppelten an Trinkgeld. 60 € waren schlicht zu wenig.

Ich glaube, ich bin halbwegs vernünftig bei der Preisermittlung, wenn ich sie ins Umland mal selbst bestimmen kann. Ich versuche darauf zu achten, dass sich der Deal für mich und meine Firma zumindest halbwegs lohnt, mache darüber hinaus aber auch möglichst niedrige Preise für die Kunden. Da kommen dann für Cottbus eben 180 € und für Fürstenwalde 100, oder ausnahmsweise auch mal 80 € raus. Und natürlich akzeptieren das manche Kunden, manche auch nicht. Den freien Markt beschwörend hat der Kollege zweifelsohne mehr rausgeholt. Er hat irgendwem 500 € für Cottbus aus dem Rücken geleiert und im Gegenzug die Jungs für 60 € nach Fürstenwalde mitgenommen. Kann man gut finden, hat ja jeder bekommen, was er will.

Auf der anderen Seite hat der Kollege jetzt zwei nicht sonderlich gute Kunden hinterlassen:

Der eine greift vermutlich nächstes Mal auf einen Hubschrauber zurück. Ich hab auf die Schnelle keine Preise gefunden, aber ich könnte mir vorstellen, dass man es mit ein wenig Glück schafft, 500 € für diese Strecke zu unterbieten. Wenn nicht, bleibt das Taxi als absurd teuer im Gedächtnis – was es im Vergleich zur Bahn auch mit mir gewesen wäre, nur halt wenigstens um die Hälfte günstiger. Auf jeden Fall aber ist das jetzt als total unberechenbar abgespeichert.

Und die drei Jungs werden in den nächsten Jahren nicht vom Glauben abfallen, dass 60 € nach Fürstenwalde für uns lohnend genug sind und alle anderen sie nur abzocken wollen. Cottbus wäre zu dem Tarif übrigens mit 120 bis 140 € erreichbar.

Und was außerhalb des Pflichtfahrgebietes legal möglich ist, trifft stellenweise eben auch für innerhalb zu. Natürlich könnte ich die ein oder andere Fahrt deutlich günstiger machen. Andere müsste ich dann halt teurer machen, denn mit den bisherigen Tarifen komme ich etwa auf Mindestlohnniveau, das abzusenken ist also keine Option. Ich könnte am Wochenende in der City Rabatte anbieten, das Pech mit teureren Fahrten hätten halt die Leute, die in den Randbezirken wohnen. Oder zur falschen Uhrzeit fahren müssen. Wenn ich mir die zugehörigen Szenarien ausmale, gewinne ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass eine freie Preisgestaltung am Ende z.B. sozial schwache Menschen besserstellen würde und damit insgesamt fairer wäre. Denn ebenso wie die Kunden hätten auch wir Taxifahrer mehr Einfluss auf die Preise – und ein Wegfall der Beförderungspflicht würde damit zudem wohl auch einhergehen, denn was soll sonst passieren, wenn man handelt, sich aber nicht einigen kann?

Nicht alle Taxitarife sind super hierzulande. Ob für Fahrer oder Kunden. Und selbst für die besten Tarife gibt es natürlich irgendwelche Fahrten, für die selbst sie unsinnig sind. Die einen Tarife schwächeln dank politischer Interessen, die anderen dank ungenauer Datenlage. Irgendwas ist immer, wenn man sowas festlegt. Grundsätzlich halte ich die Idee aber für richtig.
Und – das darf man nicht vergessen – sie betrifft „nur“ Taxis, die öffentlichen Verkehrsmittel. Unserer Konkurrenz wird diese Preisbindung nicht auferlegt, auch wenn Spinner wie die Gesellen von Uber z.B. das bisweilen implizieren. Dass andere Fahrdienstanbieter meist nicht oder nur wenig günstiger sind, liegt schlicht an der Wirtschaftlichkeit und hat mit der Tarifbindung überhaupt nix zu tun.