(Keine) Verarsche

Ich hatte es heute am Stand noch mit einem Kollegen darüber: Wie viel man wohl so im Laufe der Zeit an Umsatz verliert durch die Leute, die nicht zahlen können/wollen, etc.
Statistisch erfasse ich solche Fehlfahrten gar nicht. Aber ich weiß, dass sie selten sind, weil ich jedes Mal darüber blogge und sie deswegen fast alle noch irgendwie im Kopf habe. Mein Score diesbezüglich liegt bei unter 100 € – und das, obwohl schon die erste Fahrt damals glatte 21 € ausgemacht hat. Allzu häufig ist das also zumindest bei mir nicht – und ich bin schon der Deppchef, der die ganzen Chaoten einsammelt, die sonst kein Fahrer mitnehmen will …

Und dann springt mir in Prenzlauer Berg ein wirklich ziemlich junger und ziemlich betrunkener Kerl vors Auto. Er fragt mich, was es zum S-Bahnhof Hohenschönhausen kosten würde.

„So etwa 15 €. Ich will mich nicht auf zwei Euro hin oder her festlegen, aber es werden sicher keine 25 und andersrum reicht ein Zehner sicher auch nicht.“

„Allet klar. Machen wa!“

Ja, denkste! Eine Minute später meinte er:

„Mach doch ma’n Fünfer und dit Ding da aus!“

„Und was hab ich davon?“

„Na, is doch ejal!“

„Nö. Isses nicht.“

Ich war wie immer viel zu nett und hab das Gespräch gesucht. Ich hab gesagt, dass ich ja verstehen könnte, dass das teuer sei, aber ich eben auch nur wenig verdienen würde und es dann einfach nicht mehr lustig finde, wenn jeder dritte versucht, mich auch dabei noch nach unten zu handeln. Da hat er geknickt zugestimmt und gemeint, er könne das gut verstehen. Das klappt erstaunlich oft und ich bin mir sogar sicher, dass er nicht unbedingt gelogen hat. Wer versteht sowas schon nicht? Aber der Alkohol, die dadurch um sich greifende Vergesslichkeit, eine Prise Egozentrik – und zack, schon wird die Fahrt zur nervigsten der ganzen Woche. (Ich bin mit der Woche noch nicht ganz durch, aber die Wette gehe ich ein!)

Nach seinem ersten Schub hab ich mich gleich versichert, ob er genug Geld dabei hätte. Hatte er nicht, er wollte es bei sich holen. Nichts, was mich bei so einem Gesprächseinstieg erfreut, aber er bot mir großzügig Ausweis und Handy als Pfand an.

Nichtsdestotrotz ging es 5 Minuten später wieder los:

„Mach doch das Taxameter aus!“

„Nein! Und ich hab schon erklärt, wieso.“

„Is‘ doch Scheiße. Machen wir’n Zehner, dit is doch ok!“

„Nein, isses nicht! Ich hab Dir gesagt, dass es um die 15 € werden. Da fange ich jetzt keine Spielchen an!“

„Ach komm, das macht doch keinen Unterschied …“

„Haste Recht, also bleibt’s bei den 15 €.“

„Hä?“

„Ja, hast doch selbst gesagt: Macht keinen Unterschied. Und ich will 15 € haben. Im Ernst: 10 reichen nicht.“

„Sicher reichen 10! Schon hundertmal gefahren die Strecke.“

„Junge, wir sind bei 9,20 € und erst in Weißensee …“

„Ja und? Fahr zu mir, ich geh hoch und hol Dir den Zehner. Mehr hab ich ja eh nicht.“

Irgendwann ist auch mal gut. Ich hab den Blinker gesetzt und an einer kleinen dunklen Nebenstraße angehalten. Er schien nicht sonderlich begeistert zu sein:

„HÄÄÄ? Was’n jetzt?“

„Du steigst jetzt hier aus!“

„Aber … ich hab doch kein Geld …“

„Das hab ich verstanden. Verpiss Dich gefälligst!“

„Ey Alter, so wollte ich das aber nicht!“

„Ach, auf einmal?“

„Ey, ich verarsch‘ Dich doch nicht. Ich zahl ja den Zehner!“

„Wenn Du einen Zehner zahlen willst, steigst Du hier aus. Ende!“

„Aber ich kann doch gar nicht bezah…“

„Junge, verzieh Dich einfach! Jetzt kann ich hier noch wenden und wieder in die Stadt zurück. Da finde ich dann Leute, die mich auch bezahlen.“

„Aber, Alter, Du checkst dit nich: Ich verarsch‘ Dir nicht! Ich bezahl‘ Dir!“

„Nein. DU checkst es nicht: 10 € statt 15 SIND Verarsche. Also hau ab und schönen Heimweg noch!“

Da stand er dann reichlich bedröppelt rum und moserte:

„Ey, ohne Witz: SO wollte ich das nicht, echt jetzt!“

„Ach, Du denkst, ICH wollte das?“

Das Ende vom Lied? Ich hab 9,80 € Fehlfahrt zu verbuchen. Die kickt mein Chef aus dem System und ist damit technisch quasi nie passiert. Der Depp hatte noch gut 4 Kilometer heimwärts zu wanken. Entweder er hat es gepackt oder noch einen Kollegen gefunden. Der Preis dürfte von dort aus auch noch etwa einen Zehner betragen haben. Optionslos war er also nicht. Keine Frage, dass ich ihm den Fußweg eher gönne. 😉

Und ich? Hab gewendet und noch vor seinen Augen Winker aufgenommen. Total lustige Tour für 12,20 € plus Trinkgeld nach Mitte. Und von da an lief es wie am Schnürchen weiter. Selbst mein Kilometerschnitt ist heute bombig gewesen, ganze 1,20 €. Ich schlag mir doch mit so einem Vollhonk nicht für ein paar Euro fünfzig die Nacht weiter um die Ohren, wenn es Leute gibt, die meine Arbeit honorieren und mit denen ich zudem Spaß haben kann.

9 Kommentare bis “(Keine) Verarsche”

  1. Ingmar sagt:

    Ich habe mir letzte Nacht auch eine Fehlfahrt eingebrockt. Der nicht zahlende Kunde war allerdings meine Jacke, die ich ausgezogen hatte und kurz auf den Beifahrersitz geschmissen hatte, ohne an die Sitzkontakte zu denken 🙂
    Hätte gar nicht gedacht, dass DU mal einen von deinen Spezis so direkt rausschmeißt. Aber selbst ein Sash hat wohl eine begrenzte Geduld.

  2. SaltyCat sagt:

    @ingmar: vor allem hat auch ein Sash nur eine begrenzte Spanne für „Gefälligkeiten“ 😉 Und lernfähig war der Vogel ja offenbar null.

  3. ednong sagt:

    Absolut richtige Einstellung, Sash. Nicht vermiesen lassen durch Idioten, die immer anzutreffen sind. Und wenn man denen noch einen gehörige Lernportion verpassen kann, umso besser.

  4. Aro sagt:

    Super: Habe gleich meine erste Schicht nach dem Urlaub vor mir und Herr Sash holt mich gleich wieder in die Abgründe der Taxiralität zurück. Wie freue ich mich jetzt auf Taxi 🙁

  5. So eine Konsequenz ist ab und zu und gaaanz selten auch mal wieder ein guter Push für die eigene geistige Gesundheit. Und das Bürschen wird vielleicht mal sein Verhalten reflektieren. Obwohl… Eher nicht.

  6. Busfahrer sagt:

    Sash, was heißt denn bei dir „versichert ob er genug Geld dabei hatte“ ?
    Bei mir, hätte er sofort in Vorkasse treten müssen – Ich denke bei vielen anderen Taxifahrern auch…

  7. SaltyCat sagt:

    @Torsten – zum reflektieren hätte es wohl unangenehmerer Konsequenzen bedurft – 10 Grad unter null, Hagelschauer oder wenigstens nen schönen Wolkenbruch und die damit einhergehende Erkenntnis „Verdammt, ohne den Streit mit Sash wär ich jetzt nicht nass“ …

  8. Sash sagt:

    @Aro:
    Ach komm. Nicht alles so negativ sehen! 🙂

    @Torsten Bentrup:
    Nee, eher nicht. Bzw. erst beim Szenario von SaltyCat. 😉

    @Busfahrer:
    Naja, in einem Fall, in dem er eben keines hat?
    Und jedem Betrunkenen Vorkasse abzuverlangen wäre wirklich mühsamer als jetzt einmal 10 verlorene Euro. Soweit ich mich erinnere, die ersten in 2013 …

  9. […] einmal hab ich jemanden rausgeschmissen, der mir unterwegs gesagt hat, dass er eh nicht den vollen Fahrpreis zahlen kann, geschweige denn will. […]

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