Taxigeschichten sind gerade sonderbar rar. Ich hab den letzten Monat eigentlich für meine Verhältnisse fleißig gearbeitet, aber die Kundschaft war oft schweigsam, einsilbig oder wollte einfach nur auf dem schnellsten Weg heim.
Vielleicht sollte ich mal wieder duschen.
OK, Scherz beiseite. Im Gegensatz zum Rasieren – und selbst da lebe ich den Traum und mache das allerhöchstens zweimal die Woche – dusche ich durchaus, wenn ich sollte. Laut einigen Lesern falle ich damit schon mal positiv auf. Nun ja.
Wie gesagt: Geschichten von der Kundschaft sind rar, da muss eben mal wieder die andere Seite ranhalten: die Chefs.
Einige im Gewerbe schaffen es ja recht gut, die Fahrer zu vertreiben, ich bin trotz hundertfacher Konkurrenz ja immer noch da, wo ich angefangen habe. Dass ich mit den Leuten in der Firma gut klarkomme, wissen ja alle. Will ich auch gar nicht so drauf rumreiten, weil es immer ein bisschen wie Werbung klingt. Tatsächlich muss ich aber auch eines sagen: ich gehöre wahrscheinlich inzwischen zu der Minderheit an Taxifahrern, die es gar nicht so leicht bei der Jobsuche hätten. Bei mir ist zwar nix mit dem Führerschein, dem P-Schein, dem Punktekonto oder dem Vorstrafenregister im Unreinen, ja selbst mein Stundenumsatz ist verhältnismäßig gut. Ich stelle auch keine hohen Ansprüche ans Auto, bräuchte nicht einmal einen Funk und gucke sogar relativ knuffig, wenn ich im Büro aufschlage.
Aber eines mache ich nicht: viel arbeiten. Und das gilt irgendwie immer noch als Schlüsselqualifikation im Gewerbe. Da der Mindestlohn noch fern ist, ist das in aller Regel die erste und oft einzige Zahl, auf die die Unternehmen schauen: Wie viel fährt man monatlich ein? Und da schwirren Zahlen rum, die mir Bauchschmerzen verursachen. Ein Kollege hat sich bei einer anderen Firma verpflichtet, 4.500 € einzufahren. Verpflichtet! 150 € täglich bei einem 30-Arbeitstage-Monat oder wie?
Klar, der macht das, weil er dann ein Auto für sich alleine hat. Und ich weiß, dass er die Kohle ohnehin braucht. Aber wenn da mal jemand die Arbeitszeiten anschauen würde …
Bei mir frisst die Schreiberei Zeit. Eine Menge – und das meist auch noch unproduktiv passiv. Etwas, das meinen Chefs getrost am Arsch vorbei gehen könnte. In meinem Arbeitsvertrag stehen 40 Wochenstunden, so isses halt. Ich müsste das Schreiben hinschmeißen oder mir mühsam andere Chefs suchen, wenn meine die Zeilen auf dem Papier auch nur ansatzweise durchsetzen wollten, da sitze ich am kürzeren Hebel.
Stattdessen bin ich bei der letzten Abrechnung reingekommen und einer der beiden hat mich zum letzten Interview beglückwünscht und alles dazu wissen wollen. Ich war es dann, der eingeworfen hat, dass ich die Zeit beim Fotografen als Taxitour abgerechnet habe – anstatt dass ich gefragt wurde, wieso ich während meiner ohnehin spärlichen Arbeitszeit mit dem Firmenwagen für den Stern posiere. Obwohl es sie Monat um Monat Geld kostet, steht außerhalb der Familie kaum jemand so hinter meinen literarischen Ambitionen wie meine Firma. Das ist nicht mehr einfach nur nett, sondern regelrecht beeindruckend, wenn man davon ausgeht, dass das in erster Linie eine Geschäftsbeziehung ist oder sein „müsste“.
Ich will das auch nicht schönreden. Ja, ich hatte letztes Jahr Gespräche über meinen sinkenden Umsatz. Und ja, wir haben uns auf einen Mindestumsatz geeinigt (was meines Wissens nach kein Kollege je gemacht hat). Aber genau: wir haben uns geeinigt. Und ich hab besagten Umsatz auch schon untererfüllt und dennoch keine Er- oder gar Abmahnung bekommen.
Obwohl mich das frühe Aufstehen und die einstündige Fahrt zum Büro nerven: Jedes Mal (!) wenn ich Abrechnung mache – also meinen Chefs die Hälfte von meinem eingefahrenen Geld abgebe – laufe ich zufriedener wieder raus als ich reingelaufen bin.
Das klingt jetzt auch schon wieder schwülstig, als hätte ich vor, das Ganze mit Herzchen anstelle von i-Punkten und dazu parfümiert in einen Umschlag zu stecken und als Liebesbrief abzuschicken. Und das kommt mir komischer vor als euch. Aber wenn ich meine Chefs hier oder auch wann anders mal lobend erwähne, dann liegt das – ironischer Zirkelschluss der Geschichte – genau daran, dass ich die Möglichkeit habe, Texte wie diesen (und die anderen, interessanteren, natürlich!) zu schreiben. Mit anderen Worten: Ihr müsstet meine Chefs eigentlich genauso mögen wie ich.

PS: Morgen arbeite ich wieder. Dann passiert hoffentlich mal wieder was interessantes. 🙂