Vom Hund des Botschafters erlegt

Wenn man ein Taxi wäre, hätte man viel zu erzählen. Aber Taxis reden ungern, deswegen übernehme ich als Fahrer einmal mehr diese Aufgabe.

Die 1925 vor der Couch ihres Psychiaters, Quelle: Sash

Die 1925 vor der Couch ihres Psychiaters 2011. Quelle: Sash

Dass die 1925 noch in diesem Jahr ausgemustert werden würde, war bekannt. Der Kilometerzähler rannte eiligst auf die 400.000 zu, so langsam nahmen die Werkstattbesuche überhand. Zuletzt machte der Motor, bzw. dessen Steuerung, immer wieder Probleme – dann lief selbst der sparsame Erdgas-Motor nur noch mit halber Kraft. Die Ausmusterung war eine Frage der Zeit. Über 35.000 Fahrten im Dienste der Kundschaft sind im Laufe der Jahre zusammengekommen, die Hälfte der Kilometer war das Auto besetzt. Den Taxameterstand kann ich nicht benennen, die Anzeige hat nur 4 Stellen, keine Ahnung, wie oft sie umgesprungen ist. Ich bin davon ausgegangen, noch ein paar Fahrten mit dem Wagen machen zu können, am folgenden Wochenende vielleicht. Da ereilte mich der Anruf eines Kollegen, dass es nun vorbei sei.

Ich hab den kleinen Opel zu einer der bekanntesten Taxen in Deutschland hochgeschrieben und im Laufe der Zeit wusste ich immer weniger, wie ich die letzten Kilometer hinterm Steuer des Zafiras hier schildern würde. Der Ausfall eines Autos ist eigentlich viel zu banal, ich hatte ein wenig Sorge, dass es erschreckend unspektakulär werden würde. Aber man sollte den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben.

Denn die Überschrift ist keine übertriebene Boulevard-Meldung, sie ist wahr: Den Todesstoß versetzte der 1925 nicht ein abgesoffener Motor, ein kaputtes Getriebe oder ein Softwarefehler des Taxameters. Es war der Schäferhund des chinesischen Botschafters. Von allen nur denkbaren Unfallgegnern hat es am Ende ausgerechnet einen – im weitesten Sinne – Prominenten erwischt.
Viel zum Vorgang sagen kann ich nicht. Wie alle aktuellen Dellen im Blechkleid hat die 1925 auch die zerfledderte Stoßstange nicht mir zu verdanken, sondern einem Kollegen. Der wiederum hat laut eigener Aussage den Hund, der wohl auf Vogeljagd war, als er eine Allee in Grunewald rennend überqueren wollte, gar nicht gesehen. Ein dumpfer Schlag, fortan humpelten Hund und Auto nur noch. Während der Hund zweifellos die schmerzhaftere* Erfahrung machte, so ist es für das Taxi die endgültigere gewesen. Die Polizei versagte die Weiterfahrt und eine Reparatur der sowieso chronisch schief hängenen Frontpartie wird nicht mehr durchgeführt werden.

Hier und da werden vielleicht noch Teile der 1925 für die Reparatur anderer Taxen verwendet werden, die Konzessionsnummer wird sicher bald ein neues Taxi zieren. Welches Auto ich fortan fahren werde, ist noch unsicher, wahrscheinlich werde ich aber keinen Neuwagen bekommen, sondern einen älteren aus dem Firmenbestand. Auch gut.

1925, es war schön mit Dir. Aber es war auch Zeit.

*Ich weiß natürlich nicht, ob dem Hund ernsthaft was passiert ist. Er hat den Unfall allerdings dem ersten Anschein nach recht gut überstanden. Natürlich liegt es mir fern, die Schmerzen eines Tieres mit einer kaputten Stoßstange gleichzusetzen und ich wünsche dem Hund selbstverständlich alles gute.

40 Kommentare bis “Vom Hund des Botschafters erlegt”

  1. Matthias sagt:

    Also das ist ja mal tatsächlich ein würdiges Ende. Spektakulärer wäre es natürlich, wenn es den Botschafter selbst erwischt hätte, aber auch so ist das schon ganz beeindruckend.

  2. Sash sagt:

    @Matthias:
    Ich zitiere hier mal meinen Chef: „Nur gut, daß es kein Unfall mit einer neuen Taxe und dem Reitpferd des Botschafters war.“

  3. Michi sagt:

    Schöner Text!

    Jetzt bin ich ein bisschen traurig 🙁

  4. Tk sagt:

    Der Arme,wollte bestimmt nur vom Chinesen flüchten und dann sonwas.

  5. Sash sagt:

    @Michi:
    Ich auch.

    @Tk:
    Ich halte die Vogeltheorie für stimmiger. Ich glaube kaum, dass sich Hunde für die Nationalität ihrer Halter interessieren.

  6. Max sagt:

    So schlimm sieht es doch eigentlich nicht aus… warum darf die 1925er nicht mehr weiterfahren? Liegt es nur an der Stoßstange?

  7. Fabian sagt:

    Und Donnerstag lief ich noch am Ostbahnhof an der 1925 vorbei und dachte mir, dass die ganz schön mitgenommen aussieht. So kanns gehen…

  8. Tine sagt:

    „Den Todesstoß versetzte der 1925 nicht ein abgesoffener Motor, ein kaputtes Getriebe oder ein Softwarefehler des Taxameters. Es war der Schäferhund des chinesischen Botschafters. “

    Die besten zwei Sätze des Blogs. Grimme-Preis, wo bist Du?

  9. Sash sagt:

    @Max:
    Abgesehen von obigem Motorproblem? Natürlich hat das Auto auch sonst jede Menge Mängel. Der Unfall hat die Außerdienststellung jetzt um ein oder zwei Wochen vorgezogen, mehr nicht.

    @Fabian:
    Ja, ein bisschen ramponiert sah sie langsam aus. 🙂

  10. Sash sagt:

    @Tine:
    Danke. 🙂
    Aber ich glaube, für einzelne Sätze wäre der Grimme-Preis ein wenig hoch gegriffen …

  11. Petra sagt:

    R.I.P. 1925
    Vorschlag für das berühmteste Taxi Berlin…
    Auseinandernehmen und in Stücken verkaufen. Mit Deinem Autogramm ;o))

  12. Petra sagt:

    Berlins… mit s…

  13. Sash sagt:

    @Petra:
    Ich glaube, Du überschätzt meine Prominenz.

    Aber falls wer Interesse hat, dann schreibt ruhig eine Mail (inkl. Preisvorstellungen) 😉

  14. Wahlberliner sagt:

    Jetzt bleibt’s spannend, wie der Nachfolger aussehen wird. Irgendwann kannst Du in Deinem Blog eine Ahnengalerie aller Taxis, die Du bisher gefahren hast, einfügen, anstatt der Seite nur zur (nun nicht mehr) aktuellen „Kiste“.

    Warum eigentlich kein Neuwagen? Ersetzt werden muss die 1925 doch sowieso, und es wäre ja schön, wenn der „neue“ dieselbe Konzessionsnummer bekäme, sozusagen 1925 MK II oder Verseion 2.0…

    Ich würde Dir jedenfalls einen Neuwagen gönnen!

  15. Sash sagt:

    @Wahlberliner:
    Ach, das mit dem Ersetzen ist so eine Sache. In der Firma gibt es immer mal wieder neue und auf der anderen Seite abgehende Kollegen. Andere ändern ihre Arbeitszeiten usw. usf. Da ich mit meinem Halbtagsjob das Auto ohnehin nicht ganz auslaste, so lange sich kein Dritter im Bunde findet, kann es auch Sinn geben, den Neuwagen an zwei Spitzenfahrer zu vergeben, sofern er überhaupt zeitnah kommt. Der Betrieb ist am Ende doch eine ziemlich dynamische Sache und weder ich noch mein Tagfahrer sind da sonderlich anspruchsvoll.

  16. elder taxidriver sagt:

    Bei der Gelegenheit:

    Dass ‚Chow-Chow‘, der Name einer berühmten chinesischen Hunderasse ‚Lecker-Lecker‘ bedeuten würde, stimmt nicht
    Und, nachdem hier Autos auf die Couch gelegt werden, kann auch erwähnt werden, dass es der Lieblingshund von Sigmund Freud war..

  17. Tobias sagt:

    Jetzt kannst du das Auto für ein Gewinnspiel nehmen 😀

  18. Carom sagt:

    Wenn Taxis vor die Hunde gehen…
    Auf den Hund gekommen.
    Hunde, wollt ihr ewig leben?
    Vor die Wand oder in den Hund.

    Frei assoziiert.

  19. hrhrurur sagt:

    Und jetzt fährst du irgendwas als Übergang? Oder hast du frei?

  20. Markus sagt:

    Das ist ja ein dicker Hund!

  21. zbygnev sagt:

    @hrhrurur:
    als Ersatzfahrzeug bekommt der Sash jetzt bestimmt ein original chinesisches Rikscha-Taxi .-)

  22. Aro sagt:

    Und nun lasst uns raten, was es heute bei Botschafters zum Mittag gab 😉

  23. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Oha. Interessant!

    @Tobias:
    Du vergisst, dass ich nur Angestellter bin und mir das Auto nicht gehört.

    @Carom:
    Sehr poetisch!

    @hrhrurur:
    Bis Donnerstag hab ich eh frei. Dann mal sehen, wie das organisiert wurde. Ob ich jetzt schon das „endgültige“ Auto kriege oder noch ein anderes …

    @Markus:
    Scheint so zu sein, ja. 😉

    @zbygnev:
    Nee, ganz so schlimm kann es nicht werden. Meine Chefs sind nett, ganz ehrlich!

    @Aro:
    OK, der war echt gut! 😀

  24. hrhrurur sagt:

    Rikscha fahren in Berlin? Das wird n Trend, das wird ganz groß! 😀

  25. SaltyCat sagt:

    ich vermute ja, dass schon TK bei seinem Szenario in die selbe Richtung wie Aro dachte 😉
    und die Sache mit der Rikscha ist so abwegig nicht … http://www.velotaxi.de/ 😀 Sash, ab heute sind Aufzüge und Rolltreppen tabu – du musst fit werden 😀

  26. Judith sagt:

    Oh, das kam jetzt aber doch irgendwie plötzlich 🙁

    Was war jetzt der Endtachostand?

  27. Sash sagt:

    @hrhrurur:
    Hey, ich will aber keine Rikscha fahren! 🙂

    @Judith:
    So etwa 396.750 …

  28. zeco sagt:

    Ich bin dafür das du teile versteigerst ( so für guten Zweck) oder verschenkst 😀

  29. Sash sagt:

    @zeco:
    Die ist schon bewusst, dass das Auto mir nicht gehört? 😉

  30. Stardy sagt:

    *sniff* die arme 1925…. von den chinesen erlegt… und womöglich beschlagnahmt?
    gib nur acht, dass das nicht als terroristischer akt eingestuft wird….

    zum thema „rischa-taxi“:
    in münchen gibts seit jahren die radl-taxis. wär doch mal was für berlin 😉

    lg aus dem süden,
    star

  31. SaltyCat sagt:

    stardy: gibts in Berlin – genau wie bei euch – seit 1997 … siehe o.g. link.

  32. Hanna sagt:

    Als ich gestern Früh hier noch ein wenig stöbern wollte und das gelesen hab,bin ich geschockt erst mal wieder geflüchtet.

    Berlins berühmtestes Taxi hat also ausgedient… „seufz“

  33. SaltyCat sagt:

    hanna … berlins? ich bin ja ziemlich weit rumgekommen, und mir ist in ganz deutschland kein bekannteres taxi untergekommen – zumal die wenigen ähnlich bekannten taxifahrer wie z.b. torsten nicht im selben Maß eine Identifikation über die Konzessionsnummer erschaffen haben wie Sash.

    Naja, ich wette, es wird nicht lange dauern, bis wir alle uns die Nummer von seinem nächsten fest zugeteilten Wagen merken können 😉

  34. Sash sagt:

    @Hanna:
    So ist es halt. Die Zeit vergeht …

    @SaltyCat:
    …und da werde ich auch für sorgen! 😀

  35. Roichi sagt:

    Vielleicht ist Cheffe ja so clever und nimmt die Nummer gleich für die neue Kiste vom Sash.
    Der Werbeeffekt dürfte nicht zu unterschätzen sein.

    Mal was anderes.
    Hast du den Artikel in der Zeitung zu den Premium Taxis gelesen?
    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/taxi-berlin-hoefliche-taxifahrer-als-premiumangebot,10809148,24257432.html

  36. elder taxidriver sagt:

    Zu Roichis Beitrag:
    Ich finde das ein bisschen albern, was da in der Berliner Zeitung angekündigt wird, traurig genug, dass es nötig erscheint.

    Aber eins ist wohl richtig daran :
    Die Auffrischung der Verkehrsregeln. Dass man seine Rechtsposition nicht voll ausnützen soll und defensiv fahren, steht schon in der Einführung zur StVO.. Vergessen auch viele.

    Ein anderes Beispiel aus der Praxis:
    An der Anzeigetafel am Flughafen Tegel versperrt ein Funkwagen der Polizei die Durchfahrt, weil der Polizist am Steuer bei geöffneter Wagentür drinnen etwas sucht. Ein Taxifahrer mit Fahrgast kommt nicht durch und hupt erst vorsichtig und dann nochmal. Was kommt dabei heraus? Anzeige wegen Missbrauchs der Hupe. Kann ich nur sagen: Richtig so. Wer ausgerechnet einen Funkwagen anhupt ist selber schuld. Dass der dicke Polizist einen Tobsuchtsanfall bekommen hat deswegen ist natürlich nicht richtig, aber das ist eine andere Sache.

  37. Sash sagt:

    @Roichi:
    Nein, die neue 1925 werde ich nicht fahren. Dazu heute im Laufe des Morgens mehr. Und: Was bringt der Werbeeffekt? Hier in Berlin überhaupt nix, schließlich vermitteln meine Chefs keine Touren.
    Zu dem Beitrag: Ich wette, das wird im Sande verlaufen. Soweit ich weiß, gab es sowas schon mal. Davon abgesehen haben wohl alle großen Verbände schonmal irgendwo danach geschrieen, dass Taxiafahrer endlich eine ordentliche Ausbildung bekommen sollen – im Grunde so wie oben beschrieben. Ich will nicht ausschließen, dass diese Aktion vielleicht doch drei oder vier Hotelketten überzeugt, meist scheitert aber am Ende immer alles daran, dass sich schlicht kein Schwein fürs Taxigewerbe interessiert, weil es ja irgendwie schon läuft und Berlin Mit S-Bahn, Flughafen und Autobahnen im Verkehrssektor viel schlimmere Probleme hat. Zumindest aus Sicht der meisten.

    @elder taxidriver:
    Vielleicht hat er den Polizisten nur warnen wollen, dass die offene Türe eine Gefahr ist … 😉

  38. […] Insofern kann Ich den leichten Trennungsschmerz von Taxifahrer Sash aus Berlin recht gut nachvollziehen – Sein Taxi hat kurz vor der 400.000 km-Marke leider das zeitliche gesegnet. Nachlesen, könnt Ihr das ganze übrigens HIER […]

  39. […] haben uns nach all dem Gerangel um das Ende der 1925 noch gar nicht über die 72 unterhalten […]

  40. […] einen Igel würde die 2925 sicher verkraften. Ist ja nicht ganz das Kaliber eines Schäferhundes, der mit fernöstlicher Ausbildung so ein Opel-Taxi schon mal in den Ruhestand schicken kann … Nein, vermutlich wäre es ein lautes Knacken und ein unangenehmes Holpern für mich gewesen, […]

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