Hinter den Kulissen

Taxigeschichten sind gerade sonderbar rar. Ich hab den letzten Monat eigentlich für meine Verhältnisse fleißig gearbeitet, aber die Kundschaft war oft schweigsam, einsilbig oder wollte einfach nur auf dem schnellsten Weg heim.

Vielleicht sollte ich mal wieder duschen.

OK, Scherz beiseite. Im Gegensatz zum Rasieren – und selbst da lebe ich den Traum und mache das allerhöchstens zweimal die Woche – dusche ich durchaus, wenn ich sollte. Laut einigen Lesern falle ich damit schon mal positiv auf. Nun ja.

Wie gesagt: Geschichten von der Kundschaft sind rar, da muss eben mal wieder die andere Seite ranhalten: die Chefs.

Einige im Gewerbe schaffen es ja recht gut, die Fahrer zu vertreiben, ich bin trotz hundertfacher Konkurrenz ja immer noch da, wo ich angefangen habe. Dass ich mit den Leuten in der Firma gut klarkomme, wissen ja alle. Will ich auch gar nicht so drauf rumreiten, weil es immer ein bisschen wie Werbung klingt. Tatsächlich muss ich aber auch eines sagen: ich gehöre wahrscheinlich inzwischen zu der Minderheit an Taxifahrern, die es gar nicht so leicht bei der Jobsuche hätten. Bei mir ist zwar nix mit dem Führerschein, dem P-Schein, dem Punktekonto oder dem Vorstrafenregister im Unreinen, ja selbst mein Stundenumsatz ist verhältnismäßig gut. Ich stelle auch keine hohen Ansprüche ans Auto, bräuchte nicht einmal einen Funk und gucke sogar relativ knuffig, wenn ich im Büro aufschlage.

Aber eines mache ich nicht: viel arbeiten. Und das gilt irgendwie immer noch als Schlüsselqualifikation im Gewerbe. Da der Mindestlohn noch fern ist, ist das in aller Regel die erste und oft einzige Zahl, auf die die Unternehmen schauen: Wie viel fährt man monatlich ein? Und da schwirren Zahlen rum, die mir Bauchschmerzen verursachen. Ein Kollege hat sich bei einer anderen Firma verpflichtet, 4.500 € einzufahren. Verpflichtet! 150 € täglich bei einem 30-Arbeitstage-Monat oder wie?
Klar, der macht das, weil er dann ein Auto für sich alleine hat. Und ich weiß, dass er die Kohle ohnehin braucht. Aber wenn da mal jemand die Arbeitszeiten anschauen würde …

Bei mir frisst die Schreiberei Zeit. Eine Menge – und das meist auch noch unproduktiv passiv. Etwas, das meinen Chefs getrost am Arsch vorbei gehen könnte. In meinem Arbeitsvertrag stehen 40 Wochenstunden, so isses halt. Ich müsste das Schreiben hinschmeißen oder mir mühsam andere Chefs suchen, wenn meine die Zeilen auf dem Papier auch nur ansatzweise durchsetzen wollten, da sitze ich am kürzeren Hebel.

Stattdessen bin ich bei der letzten Abrechnung reingekommen und einer der beiden hat mich zum letzten Interview beglückwünscht und alles dazu wissen wollen. Ich war es dann, der eingeworfen hat, dass ich die Zeit beim Fotografen als Taxitour abgerechnet habe – anstatt dass ich gefragt wurde, wieso ich während meiner ohnehin spärlichen Arbeitszeit mit dem Firmenwagen für den Stern posiere. Obwohl es sie Monat um Monat Geld kostet, steht außerhalb der Familie kaum jemand so hinter meinen literarischen Ambitionen wie meine Firma. Das ist nicht mehr einfach nur nett, sondern regelrecht beeindruckend, wenn man davon ausgeht, dass das in erster Linie eine Geschäftsbeziehung ist oder sein „müsste“.

Ich will das auch nicht schönreden. Ja, ich hatte letztes Jahr Gespräche über meinen sinkenden Umsatz. Und ja, wir haben uns auf einen Mindestumsatz geeinigt (was meines Wissens nach kein Kollege je gemacht hat). Aber genau: wir haben uns geeinigt. Und ich hab besagten Umsatz auch schon untererfüllt und dennoch keine Er- oder gar Abmahnung bekommen.

Obwohl mich das frühe Aufstehen und die einstündige Fahrt zum Büro nerven: Jedes Mal (!) wenn ich Abrechnung mache – also meinen Chefs die Hälfte von meinem eingefahrenen Geld abgebe – laufe ich zufriedener wieder raus als ich reingelaufen bin.

Das klingt jetzt auch schon wieder schwülstig, als hätte ich vor, das Ganze mit Herzchen anstelle von i-Punkten und dazu parfümiert in einen Umschlag zu stecken und als Liebesbrief abzuschicken. Und das kommt mir komischer vor als euch. Aber wenn ich meine Chefs hier oder auch wann anders mal lobend erwähne, dann liegt das – ironischer Zirkelschluss der Geschichte – genau daran, dass ich die Möglichkeit habe, Texte wie diesen (und die anderen, interessanteren, natürlich!) zu schreiben. Mit anderen Worten: Ihr müsstet meine Chefs eigentlich genauso mögen wie ich.


PS: Morgen arbeite ich wieder. Dann passiert hoffentlich mal wieder was interessantes. 🙂

19 Kommentare bis “Hinter den Kulissen”

  1. Du bist eben die beste Werbung für deine Chefs und so seid ihr alle glücklich miteinander. Schön, dass es so ist und man sich auf Arbeitgeber und -nehmerseite nicht als Feind ansieht, der versucht die jeweils andere Seite zu verarschen.

  2. Faxin sagt:

    Früher war ein Unternehmen ein Zusammenschluss von Leuten, die gemeinsam ein Geschäft betrieben, um sich gegenseitig zuzuarbeiten. Einer der die Finanzen regeln, einer der das Geld reinbringt. Eine Kooperation, um allen Seiten ein Überleben zu sichern, dass sie alleine so nicht führen könnten.
    Heute sind Unternehmen häufig hochoptimiert. Es ist schon erschreckend, wie selbstverständlich es geworden ist, dass sich alles Persönliche der finanziellen Wirtschaftlichkeit unterzuordnen hat. Das zeigt sich beispielsweise beim Umgang mit Praktikanten, die als Schüler alles andere als wirtschaftlich sind (daher abgelehnt werden), weil sich ja jemand um sie kümmern müsste, Fragen beantworten und sie anlernen müsste, aber als fertig Ausgebildete gerne genommen, aber nicht übernommen werden, weil sie so als billige Arbeitskräfte daher kommen.
    Wirtschaftlichkeit ist nicht alles. Schön, dass es noch Unternehmen gibt, die nicht nur darauf achten, wie man möglichst viel Geld rauspresst.

  3. Holger sagt:

    Anscheinend gibt es sehr viele unterschiedliche Meinungen zum Thema Einigkeit.

    Wie ich dich verstanden habe, sagt dein Chef: „Fahre mindestens soviel ein und du kannst machen, was du willst.“

    In meiner Firma wurde ganz klar gesagt, dass kein Arbeitgeber das Recht hat von seinen Angestellten einen Mindestumsatz zu fordern. Aber er kann über das Taxi bestimmen. Wenn er dich anrufen würde und dich auffordert bezüglich Werbung bekleben dahin zu fahren, musst du das machen.

    Ich frage mich sowieso, wie man im Taxigewerbe den Mindestlohn realisieren will. Erstmal müsste der Chef aktiv an der Auftragsvermittlung beteiligt sein, damit gewährleistet ist, dass jeder seiner Fahrer auch entsprechende Umsätze einfahren kann. So wie das jetzt läuft, ist das alles ein Glücksspiel. Nicht umsonst zählt die Höhe des Fahrerumsatz zum Unternehmerrisiko. Zu sagen: „Fahre mindestens soviel Umsatz ein.“ ist doch nur eine Abschiebung der Verantwortung vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer.

    Das Interessante in deinem Fall ist die Tatsache, dass unter Einbeziehung des Unternehmerrisikos eine Kündigung des Arbeitsverhältnis rechtswidrig ist. Dein Unternehmer darf dich nämlich nicht kündigen, weil du nicht seinen geförderten Umsatz eingefahren hast.
    Aber: er darf dich kündigen, weil du das Taxi privat genutzt hast, wenn du es denn wirklich privat nutzt.

    Das meinte ich damit zu Beginn dieses Beitrags und ich finde es zum Schießen komisch, dass es auf der einen Seite verboten ist einen Mindestumsatz zu fordern, du als Angestellter diese Aufforderung zustimmst und auf der anderen Seite wiederum Privatfahrten mit Taxi verboten sind, dein Arbeitgeber diese aber erlaubt.

    Wenn es zwischen Dir und deinem Arbeitgeber irgendwann mal zum Rechtsstreit kommen sollte, wäre ich zugern einer eurer Anwälte. Die müssen ja Milliarden verdienen bei solch einem Fall.

  4. Wahlberliner sagt:

    @Holger: So ist es eben, wenn man sich auf Basis gesunden Menschenverstandes mit seinen Mitmenschen einigt…soll ja immer seltener werden, habe ich gehört…

    @Sash: Du machst ja nicht nur „Werbung“ für „Dein“ Unternehmen (was im Zweifel ja eh kein potentieller Taxikunde auf offener Straße erkennt, also sich an potentielle zukünftige Fahrer beim Taxihaus richtet), sondern auch für die gesamte Branche. Auch wenn ich vor bestimmt 10 Jahren zum letzten Mal Taxi gefahren bin, und selbst das auch nur, weil ich eingeladen wurde oder wir uns die Fahrt geteilt haben und ich so nur einen Bruchteil bezahlen musste – seit ich Dein Blog lese, hab ich mich auch schon dabei ertappt, in manchen Situationen ernsthaft darüber nachzudenken, ob ich nicht mit einem Taxi fahren sollte, zudem kann ich mich in die Situation eines Taxifahrers deutlich besser hineinversetzen, weiß, was wie läuft usw. – also insgesamt bist *DU* das Aushängeschild der Taxibranche, und Deine Chefs wären einfach nur schön dumm, wenn sie einen Grund suchen würden, um Dich zu feuern, nur weil Du nicht genug Umsatz einfährst.

  5. Anubis sagt:

    Hallo,
    Ich habe mich auch schon oft gefragt wie deine Chefs dazu stehen. Schließlich bringt das Taxi nur was wenn es bewegt wird. Wenn es steht entstehen ja nur Kosten. Nutzt eigentlich jemand anderes das Taxi an den Tagen wo du nicht fährst?

  6. bowser sagt:

    @Anubis
    ich antworte mal für sash (hoffe das ist ok): sash fährt nachts. tagsüber der tagfahrer,also ein kollege vom taxihaus. macht dieser urlaub kann sash das taxi,statt es am abstellplatz abzustellen, „mit nach hause nehmen“ und privat nutzen. (sash,alles richtig?)

  7. Holger sagt:

    @ Wahlberliner: Interessanter Beitrag.

    Blöd nur, dass kein Unternehmen von seinen Fahrern in Bezug auf „Aushängeschild“ profitiert.
    Richtig ist, wie Anubis sagt, dass das Taxi bewegt werden muss um für ein Unternehmen profitabel zu sein. Er hat in seinen Gedanken ein kleines Detail vergessen. Es kommt nicht nur darauf an, ob es bewegt wird, sondern vor allem wie!

    Kommen wir zurück zum „Aushängeschild“.
    Aussage 1:
    Ein guter Taxifahrer, der nebenbei für seine Firma wirbt, wird für zahlreiche Stammkunden sorgen.
    Aussage 2:
    Stammkunden wollen vom gleichen oder vergleichbare Taxifahrer kutschiert werden.
    Aussage 3: Alle Stammkunden mit Ihren Stammfahrten liegen nicht unmittelbar beieinander. Gemeint ist, dass viele Fahrten parallel gefordert werden oder aber auch mit hohen Leerkilometer verbunden sind.

    Ich möchte damit gerne darauf aufmerksam machen, dass derjenige Taxifahrer in Berlin, der keine Stammkunden hat mit höherer Wahrscheinlichkeit mehr Umsatz zu wenigen Leerkilometer fährt, als diejenigen, die sich nach Ihren Stammkunden richten.

    Sash wird einer sein, der wohl ausschließlich Stammkunden fährt, wenn er schreibt, dass er ohne Funk auskommt.
    Man kennt ihn aber auch durch seine öffentliche Präsens. Ich bin einer der unbekannten Taxifahrer, die sich mehr im Hintergrund verstecken. Zu meinem Umsatz hat mein Arbeitgeber das Problem, dass er Vermittlungskosten begleichen muss. Jemand, der nur Stammkunden fährt, hat keine Abgaben wegen Auftragsvermittlung.

    Um damit voerst zum Schluss zu kommen:
    Als Taxifahrer hat man die Wahl, man muss sich für eine entscheiden!

    Entweder man fährt absolut nur Stammkunden, spart sich somit die Vermittlungskosten und umgeht den Zufall der Anzahl an Aufträge… lebt aber auch mit den hohen Leerkilometer und der reservierten Zeit mit relativ festen Umsatz…

    Oder man spielt auf Risiko, fährt jeden Tag/Monat andere Umsätze, lässt seinem Chef die Vermittlungskosten bezahlen, hat geringe Leerkilometer und rechnet auch mal damit, dass man unvorhergesehen mehrere Stunden erfolglos an der Taxihalte steht. Letzten Samstag z.B. 6 Stunden Einsatzzeit mit nur 1 Tour.

    Einen Mix aus beiden, sollte man tunlichst vermeiden, denn in der Zeit, die man braucht um vom Stammkunden 1 zum Stammkunden 2 zu fahren, könnten schon mehrere Angebote an einem vorbeigehen und zu den Zeiten wo man auf eine Vorbestellung wartet, könnten sich bereits zwei Stammkunden melden, die 10 km entfernt sind. Und zum anderen ist auch nicht garantiert, dass man zu den Zeiten, wo kein Stammkunde fahren will, man einen Funkauftrag bekommt.

    Eins sei noch zum Mindestlohn gesagt:
    Unsere Arbeit als Taxifahrer verknüpft immer Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst. Beides summiert ergibt die Einsatzzeit. Der Mindestlohn bezieht sich nur auf die Arbeitszeit!
    Soll das für uns nun bedeuten, dass wir nur die Arbeitszeit angerechnet bekommen und uns Zulagen für Bereitschaftsdienst verloren gehen?

    Wenn das so kommt, möchte ich den Mindestlohn nicht, weil in meinem Fall der Bereitschaftsdienst deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt.

    Gruß

  8. Wahlberliner sagt:

    @Holger: So wie ich es verstehe, hat Sash nur sehr wenige Stammkunden, sondern fährt halt die bekannten Taxihaltepunkte an, und nimmt ansonsten Winker mit. Ohne Funk. Deshalb vielleicht auch die geringen Einnahmen? Weiß ich nicht, kann ich nicht sagen.

    Ich möchte aber dem widersprechen, dass für einen Arbeitgeber ein „Aushängeschild“ nichts wert ist. Das ist nur bei sehr engem Horizont der Fall. Letztendlich sorgt Sash mit seinem Blog dafür, das Ansehen der Taxifahrer – vor allem der Berliner – stark zu steigern, schreibt auch immer wieder öffentlich gegen Vorurteile an, wie, dass Taxifahrer eh alles unfreundliche Idioten wären, die in betrügerischer Weise zu lange Touren abrechnen, den Weg grundsätzlich nicht kennen uswusf. Das kann sich der einzelne Taxiunternehmer vielleicht nicht direkt in einen wirtschaftlichen Vorteil umrechnen, aber wenn man mal die Breitenwirkung dieses Blogs sich anschaut, dann bedeutet dies eine Verbesserung des Rufes der gesamten Branche. Somit könnte jeder einzelne Berliner Taxifahrer (zumindest die, die sich korrekt verhalten, die kleine Anzahl an Betrügern und sonstigen Idioten mal ausgeklammert) Sash für dieses Blog dankbar sein, denn es bessert das Ansehen – und damit als indirekte Auswirkung auch die Auftragslage – insgesamt, für alle.

    Den Effekt, dass ich als Fahrgast wegen dieses Blogs am Taxistand oder am Telefon beim Taxi rufen gezielt nach einem Fahrer von Taxihaus frage, halte ich jedoch eher für gering, das stimmt. Schließlich geht es um einzelne Individuen, und da sind die Idioten ja doch relativ gleichmäßig über die Gesamtheit verteilt, bzw. hat man in jedem Fall eben entweder Glück oder Pech. Aber wenn ich mir die Frage stelle, ob ich überhaupt ein Taxi nehmen soll, oder eine andere Möglichkeit ans Ziel zu kommen wähle, dann ist es schon ein Pluspunkt für die Wahl „Taxi“, wenn ich dieses Blog gelesen habe, denn dann denke ich eben schon mal weniger schlecht über Taxifahrer an sich.

    Auch zum Mindestlohn kann ich nichts sagen, der wäre, wenn man nur die Arbeitszeit (=Fahrzeit, evtl. sogar nur die mit laufender Uhr und/oder eingeschalteter Fackel) rechnet, vielleicht wirklich noch einiges geringer, als beim derzeitigen Bezahlungsmodell.

  9. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Jepp, so sehe ich das auch.

    @Faxin:
    *sign*

    @Holger:
    Du übersiehst, dass ich als Verhandlungsbasis in gewissem Umfang ja dennoch meine Arbeitszeit habe. Ich habe mich tatsächlich nett mit meinen Chefs unterhalten. Dass wir einen Mindestumsatz festgelegt haben, hat auch noch einige andere Gründe, die sich aus der niedringen Gesamtarbeitszeit ergeben. Dass das Unternehmerrisiko im Taxigewerbe auf uns Fahrer abgewälzt wird, ist ja außerdem nix, was meine Chefs erfunden haben, das lässt sich als einzelne Firma in Berlin kaum umgehen. Dass das rechtlich interessante Ansatzpunkte ergeben könnte, ist mir klar. Aber wenn meine Chefs vorhätten, mich zu feuern, dann würden sie das konsequenterweise eher tun, weil ich nicht die vertraglich vereinbarte Zeit arbeite. (Und wenn ich die arbeiten würde, hätte ich meinen Mindestumsatz ungefähr zwei mal drin)
    Das mit dem Mindestlohn wird funktionieren, indem Firmen pleite gehen, ganz einfach. Da haben die Chefs tatsächlich einfach die Arschkarte gezogen. Das muss man nicht schön finden, aber so wird es sein. Den Gesetzgeber interessiert am Ende nämlich sicher nicht, wo eine einzelne Firma welchen Umsatz hernimmt.
    Ansonsten: Nein, ich fahre nicht überwiegend Stammkunden. Genau genommen hab ich vielleicht 5 Leser, die halbwegs regelmäßig fahren, das ist im Grunde zu vernachlässigen. Und aus den von dir genannten Gründen (Leerlaufzeiten, in denen man keinen Auftrag annehmen kann) finde ich das auch nicht sehr erstrebenswert.

    @Wahlberliner:
    Holger hat schon auch Recht: Arg viel bringt meinen Chefs die „Werbung“ nicht. Sicher, zwei oder drei Fahrer hab ich angeworben, aber das schafft man auch ohne Blog an der Taxihalte. Mein eher abstrakter Nutzen, die Taxibranche insgesamt ein wenig besser darzustellen, hilft zwar vielleicht durchschnittlich, aber nicht spürbar für ein einzelnes Unternehmen.

    @Anubis:
    Ja, inzwischen sind wir zu dritt auf dem Taxi. Mein Tagfahrer, ich – und neuerdings noch jemand, der unter der Woche nachts 2 bis 4 Schichten fährt. Das Auto ist also ausgelastet. 🙂

    @bowser:
    Stimmt. Inzwischen könnte eventuell Kollege 3 dazwischenkommen, aber das ist selten. Anfang der Woche fahre ich ja wirklich nie 🙂

  10. Nania sagt:

    Ich würde gerne mal mit dir fahren :(, denn mit mir hat bisher noch kein Taxifahrer wirklich geredet. Waren meist mehr als einsilbig.

  11. Holger sagt:

    Ich wollte zwar zu dem Beitrag von Wahlberliner noch was sagen, aber Sash hat mir diesbezüglich schon die passenden Worte abgenommen.

    Sashs Einstellung zum Mindestlohn find ich krass, es verschlägt mir förmlich die Sprache. Vor allem dieses Zitat:
    „Das mit dem Mindestlohn wird funktionieren, indem Firmen pleite gehen, ganz einfach. Da haben die Chefs tatsächlich einfach die Arschkarte gezogen. Das muss man nicht schön finden, aber so wird es sein. Den Gesetzgeber interessiert am Ende nämlich sicher nicht, wo eine einzelne Firma welchen Umsatz hernimmt.“

    Daraus erschließen sich mir mehrere Fragen.

    Die erste: Warum wird das so kommen?
    Die zweite Frage: Was passiert mit den Konzessionen? Werden die verkauft, verschenkt oder fallen die einfach so weg?

    Die Taxifirmen sind nicht unser Problem! Es sind die Konzessionen die jeden Tag gleichzeitig auf der Straße sind und den Auftragskuchen in immer kleinere Stücke aufteilt. Es sind die vielen Taxifahrer, die dafür sorgen, dass die vielen Konzessionen zu jeder Zeit besetzt sind.

    Aus Sicht des Kunden vorteilhaft und zufriedenstellend. Genauso wie die geringe Erhöhung des Berliner Tarifs.
    Aber für uns Taxifahrer ist das doch die Hölle. Deswegen meckern wir doch, weil eben von Jahr zu Jahr, die Aufträge, die wir an einem Tag abarbeiten immer geringer werden.

    Es ist doch nicht gesagt, dass die guten ehrlichen Taxifahrer übrigbleiben, wenn Firmen pleite gehen. Glaubst du Unternehmer denken sozial? Die denken eher wirtschaftlich! Denen ist es doch scheißegal, ob du arbeitslos wirst oder nicht. Die gucken, ob du rentabel bist, ob du soviel Umsatz erwirtschaftest, dass man dir den Mindestlohn bezahlen kann. Wenn du das nicht erfüllst, bist du weg vom Fenster. Findest du das nicht schon schlimm genug, dass auf dein Taxi 3 Schichten verteilt sind? Ich muss auch meine 40 Stunden pro Woch erbringen, diese verteile ich auf 6 Tage. Nur weil ich den Wagen 12 Stunden zur Verfügung habe, heißt das nicht, dass ich den 12 Stunden nutze. Aber es ist von Tag zu Tag unterschiedlich, wann ich die 7-8 Stunden fahre, mal fang ich früher an, mal verschiebt sich das auf spätere Zeiten. Es macht mich flexibel. Und wenn es Tage gibt, wie letzten Samstag mit einer Tour in 6 Stunden, dann ist das halt so.

    Den Gedanken mal überzogen:

    Stell dir vor die meisten Firmen gehen pleite und ganz Berlin hat 5 verschiedene Firmen. Solange die Politik keine Einschränkung der Konzession bewirkt, ändern auch 5 Taxifirmen nichts an der schlechten Situation für Berliner Taxifahrer.
    Die haben alle Macht der Welt, wieviele Schichten Sie auf ein Taxi aufsetzen. Da wird es auch keine festen Ablöseorte geben, stattdessen bekommt der Begriff „fliegender Wechsel“ eine völlig neue Bedeutung. Das Schlimmste wäre ein einziges Monopol, denn dann kann der Arbeitgeber über seine Angestellten bestimmen. Was will der Angestellte machen? Er hat dann nur die Wahl sich dem zu fügen oder arbeitslos zu werden.

    Ich würde das nicht wollen.

  12. Uwe sagt:

    Holger, welche Halte soll das gewesen sein, wo du 6Stunden verloren hast. Das will ich wissen. Grüße Uwe

  13. Holger sagt:

    Es waren nicht 6 Stunden an einer Halte. Unterwegs bin ich Bereich Prenzlauer Berg und Pankow gewesen. 3 Stunden, davon 2 Stunden auf Position 1, danach Tour gefahren und dann wieder knapp 3 Stunden gestanden.

  14. Sash sagt:

    @Holger:
    Ich hab nicht gesagt, dass die ehrlichen und guten Fahrer übrig bleiben. Das hoffe ich freilich, aber genau davor, dass das nicht passiert, habe auch ich bezüglich des Mindestlohns am meisten Angst.
    Was deine Fragen angeht:
    1. Warum wird das kommen?
    Ist das dein Ernst? Der berlinweite Durchschnittsumsatz pro Stunde soll gerade um die 15 € betragen. Wenn die Fahrer davon nun über 10 € kosten, ist das nicht finanzierbar. Die ein oder anderen werden daran pleite gehen, dass sie keine Leute entlassen. Was gleich zu 2. führt:
    2. Was passiert mit den Konzessionen:
    Natürlich werden die wegfallen. Die hatten bisher keinen großen Wert und sie werden es erst recht nicht mehr haben, wenn es sich nicht lohnt, jemanden fahren zu lassen, der zu wenig Umsatz einfährt.
    Natürlich sind nicht die Unternehmen das Problem, sondern die Konzessionen. Und es wäre viel sinnvoller, die Konzessionen zu begrenzen, bis wir alle genug verdienen, anstatt einen Mindestlohn auf das aus dem Ruder gelaufene System aufzusetzen. Momentan aber sieht es so aus, als ob zweiteres geschehen würde und es wird am Ende den selben Effekt haben: dass weniger Taxen unterwegs sind – weil die Arbeitszeit fortan kostet und es somit nicht lohnt, immer jeden Fahrer rauszuschicken und grenzenlos neue einzustellen.
    Und dein überzogener Gedanke hat einen Haken: Es ist doch völlig scheißegal, wie viele Schichten ein Taxi fährt. Wenn die Fahrer pro Stunde kosten, sind die Grundkosten immer dieselben, egal ob Fahrer A, B oder C am Steuer sitzt. Was bedeutet: Wenn das Tai nicht mindestens, sagen wir 400 € Umsatz pro Tag macht, lohnt es sich nicht, dass es dafür 20 Stunden auf der Straße ist. Während es heute auch bei 200 € Umsatz ok ist, weil man als Fahrer sich dann ja auch mit einem Hunderter zufrieden gibt, egal ob man dafür 8 oder 15 Stunden gearbeitet hat.
    Ich teile deine Angst vor Einschränkungen bei Einführung eines Mindestlohns, aber jeder Chef, der nicht völlig bekloppt ist, wird verfügen, dass nur zu den lukrativen Zeiten rausgefahren wird. Die werden Schichten streichen, nicht welche dazuklöppeln. Das ist genau das, was jetzt eher der Fall ist.
    Und: Mein Taxi ist nicht mit 3 Schichten besetzt. Ich hab wie Du 12 Stunden Zeit. Aber ich arbeite nur 3 bis 4 Tage die Woche und für die anderen Tage haben meine Chefs einen zweiten Nachtfahrer gefunden.

  15. Uwe sagt:

    Die Sache mit dem Mindestlohn wird funktionieren. Viele Türkische Unternehmer mit denen ich sprach geben schreiben einfach weniger Arbeitsstunden für die Fahrer und schon erhöht sich der Stundenlohn. Die Fahrer werden so blöd sei…. 12 Stunden arbeiten und 6 schreibt der Unternehmer. Genauso wie einige Fahrer die Differenz bei My Taxi zahlen, weil sie der Meinung sind, den Hebel auf 15 Prozent zu setzen. Die meisten Unternehmen zahlen aber nur bis 5 Prozent. Verrückt oder? Das Gewerbe ist am Boden. Niemand in der freien Wirtschaft würde bei 3500 Umsatz eine E Klasse finanzieren.

  16. Holger sagt:

    Das sollen die Kollegen mal so machen. Mytaxi wird reagieren und die Firmen rausschmeißen, die nicht das bezahlen, was vereinbahrt war.

    Und die Kollegen, die am Tag 12 Stunden Einsatzzeit investieren um 600 bis 700 Euro im Monat auf dem Konto zu haben, werden elendig daran verrecken.

    Bisher bezahlt mein Chef gut, wenn es mit dem Mindestlohn anders kommt… puh schwierig. Springt man ab, bleibt man drin: blöde Entscheidung. Es wird vermutlich keine Firma geben, die besser bezahlen kann.

  17. Uwe sagt:

    Die Firma zahlt ja alles an My Taxi. Die Differenz holt sich der Unternehmer beim Fahrer. Ich kenne da eine Firma, die das so macht. Ich habe gestern Bernd Dörenthal getroffen und er riet mir nicht mehr eine Taxe zu kaufen. Über 300 Neuanmeldungen in diesem Jahr. Wo soll das hinführen.

  18. Holger sagt:

    Wie doof sind die Angestellten, dass die sich nicht eine bessere Firma suchen?

    Habe mir mal was bezüglich mytaxi durchgerechnet:
    Wenn der Fahrer den Regler auf 3% stellt, dann sind alle Fahrten, die billiger als 26,40€ sind, ein Verlust für mytaxi als zum vorigen Bezahlsystem. Das entspricht nach derzeitigem Tarif eine Fahrstrecke bis 15 km Länge.

    Bei 4% sind alle Fahrten unter 19,80€ ein Verlust für mytaxi. Das entspricht 10 km.

    Usw…

    Und bei 15% am Regler eingestellt sind nur Fahrten unter 5,40€ ein Verlust für mytaxi.

    Im Durchschnitt liegen meine Touren bei 5,5 km Länge, vielleicht ist das bei euch ähnlich…

    Würde ich permanent auf 15% fahren, würde ich an mytaxi1,99€ pro Tour an Vermittlungsgebühr bezahlen.
    Das entspricht 251,49% von 0,79 € alte Vermittlungsgebühr, also ein Gewinn von 151,49% für mytaxi.

    Nicht schlecht.

    Wenn sich mein Nettogehalt um 151,49% steigen würde, Donnerwetter, eigenes Haus könnte ich mir bestimmt leisten.

  19. Holger sagt:

    Eigenzitat:
    „Wie doof sind die Angestellten, dass die sich nicht eine bessere Firma suchen?“

    Hat sich gerade selbst beantwortet. Es wird keine Firmen geben, die es dulden, dass die Angestellten den Regler auf 15% stellen. Entweder die werden dann gleich wieder gekündigt oder man holt sich den vom Angestellten verursachten Verlust von dessen Gehalt wieder rein.

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