Nur kurz in die City. Quasi.

Was für ein toter Schichtanfang! Ich bin von der Halte Bahnhof wieder weggefahren, weil ich fürchtete, es könne noch ewig dauern. Und während ich so vor mich hindachte, wie mies das bisher lief, winkte es plötzlich neben mir. Ich hab die Bremse durchgetreten und der Typ kam angewackelt. Älteres Semester, der Optik nach eher ohne festen Wohnsitz. Ich wollte schon wegen der angezündeten Kippe losjammern, die er einfach mal selbstverständlich mit ins Auto gebracht hat, hab das dann aber erst einmal gelassen, denn er hatte die Tür eh noch offen und wollte offenbar erst einmal was fragen. Und ich hab mit viel gerechnet, aber nicht damit:

„Sag mal, wie weit wär’s denn bis ins Zentrum? Zürich Zentrum?“

Und auch wenn man bei sowas als Taxifahrer versucht ist, Geldscheine herabregnen zu sehen: Dass das mit dem Typen nix wird, war klar. Nicht nur sah er nach kein Geld aus, er wusste augenscheinlich nicht so genau, in welcher Stadt er überhaupt war.  Er fragte noch kurz nach, ob denn dann Sofia näherliegen würde. Ich hab der Klarheit zuliebe tatsächlich kurz Google angeschmissen und ihm gesagt wie weit es wäre. Er strahlte:

„Nur 30 km?“

„Nein. Eintausendsechshundertdreißig!“

Er hat dann beschlossen, sich das nochmal zu überlegen.

Die andere Karte

Wir sind am Zielort angekommen. Die Kundin war schon die ganze Fahrt über noch „etwas“ aufgedreht, obwohl die Sonne bereits durch den Wald hindurchzublinzeln versuchte.

„Also, ich mach mit Karte. Was willste: EC-Karte, Visa-Karte, Arschkarte?“

„Ist mir relativ egal. Fangen wir doch mal mit der EC-Karte an …“

„Wie Du willst. Hättest auch meinen Arsch … also EC?“

Entweder war das der bisher verunglückteste Witz 2017 oder die verstörendste Anmache ever. 0.o

Retter im Bettlerdress

Es passiert oft genug, dass Leute anders drauf sind, als man aufgrund ihres Erscheinungsbildes zu wissen meint. Binsenweisheit, aber immer wieder überraschend, wenn’s mal soweit ist.

Und dann war da letzte Woche der Tag, an dem das mit dem Trinkgeld einfach nichts werden wollte. Satte 50% der Leute haben exakt nichts gegeben, der Rest waren dann so 30Ct-Beträge bei 25€-Fahrten. Als ich einen Hunni auf der Uhr hatte, waren gerade mal 2,10€ Tip aufgelaufen. So konzentriert kommt das auch nur alle paar Jahre mal vor. Oder wenn man wirklich nur zwei Lange Fahrten hat und dort nichts extra anfällt.

Und dann stand ich am Bahnhof als einziges Taxi. Zwei verwegen aussehende Typen in ihren Fünfzigern diskutierten gerade auf der Beifahrerseite  auf Russisch, ob sie ein Taxi wollen. Dann trat links eine nette Frau mit ihrer Tochter heran und  fragte, ob ich noch frei sei. Ich hätte sie zweifelsohne lieber mitgenommen, so rein sympathiemäßig, aber ich steh zu dem Glücksspiel Taxifahren und hab ernsthaft erwidert, dass ich es noch nicht wisse, die beiden aber zuerst da waren.

Und ja, der eine wollte tatsächlich fahren. Also konnte ich nur der Tochter fix die Nummer der Zentrale diktieren.

Mein Fahrgast indes hat gerade so noch seine Adresse rausbekommen, glücklicherweise inklusive des Stadtteils, denn natürlich war’s keine Straße, die es nur einmal in Berlin gab. Dank der Sprachkenntnisse (seine deutschen und meine russischen) verlief das Gespräch etwa so:

„Und? Fahren Sie jetzt nach Hause? Heim? Home?“

„Fahren? Du fahren bitte! Einfach fahren.“

Danach Schweigen.

Und wie immer, wenn’s eh schon kompliziert ist, waren er und mein Navi auch noch uneins, wie man seine Hausnummer am Besten anfährt, so dass ich an gleich drei Kreuzungen von ihm berichtigt wurde, wie ich fahren sollte. Den Umständen entsprechend nett, aber halt doch nur so lala. Am Ende der Fahrt standen 19,10€ auf der Uhr.

„Machen swansig.“

Hat also gut in den Tag gepasst. Dann reichte er mir allerdings einen Zwanziger und einen Zehner, woraufhin ich natürlich nur den Zwanni genommen habe. Da hat er mir nach einem weiteren Blick auf die Uhr den Zehner noch rübergeschoben und gemeint:

„Machen dreizig. Du Arbeit nicht viele Geld.“

Manchmal braucht’s solche Typen, um auf die 10% zu kommen. 😀

Scheiß Bärte!

Zugegeben: Im Vergleich zu Frauen werde ich selten beleidigt, wenn es um meinen Körper oder mein sonstiges Erscheinungsbild geht. Aber natürlich ist kein Nischenfeld zu belanglos, um nicht doch noch Gegner zu finden.

In diesem Fall ging es um meinen Bart.

Die Fahrt mit dem Pärchen war an und für sich so mittelmäßig und uninteressant wie sie nur sein konnte. Von Kreuzberg nach Treptow, eine Alltagsgeschichte.

Aber dass ich einen Bart hätte! Schlimm! Ich Mode-Hipster! Mal abgesehen davon, dass mich das angeblich beim Essen stört: Es ist ja nun auch per sei ein bisschen krank.

Gut, dieses Mal wurde immerhin nicht der IS bemüht, aber mir ist nach wie vor fremd, wie man ein paar Haare so zum Feindbild hochstilisieren kann.

Ich will ehrlich sein. Ich hab meinen späten Bartwuchs als willkommene Möglichkeit betrachtet, mein Doppelkinn verschwinden zu lassen. Ich trage ihn mehr oder weniger auffällig seit der Zeit, in der Bärte noch eher unüblich waren und meiner mich schon immer als Metaller vorverurteilt hat. Und dann dieser Kunde:

„Na, hörst wohl Hip-Hop, oder?“

Fuck you, Bushido!

Nun könnte ich das natürlich ignorieren. Aber dann gab der Typ freiwillig zu, dass … nun ja:

„Ich meine, wir haben damals ja auch ganz selbstverständlich Rotzbremsen getragen …“

Mir hat also ein Typ meinen (derzeitigen) Vollbart schlechtzureden versucht, der dereinst einen Schnauzer getragen hat? Ehrlich!? Ich werd‘ zu alt für den Scheiß. 😉

„Ich bin so fertig mit der Scheiße!“

Kurze Wartezeit am Sisyphos, eine Truppe abgelehnter Touris. Aus Bayern.

„Ich schnall‘ das nicht! Wir? WIR? Die hätten die Vollpfosten vor uns ablehnen sollen!“

Vielleicht hatten sie recht. Die „Vollpfosten vor uns“ hatte ich nicht im Auto; wie die so drauf waren, kann ich schlecht bewerten. Aber das Mädel hinten links brach in Tränen aus, der in der Mitte schwieg und der neben mir lebte in seinen Gedanken Tötungsfantasien aus, die glücklicherweise  nur hier und da artikuliert wurden. Und zudem natürlich, dass er fertig sei „mit der Scheiße“.

Ich will ehrlich sein: Abgesehen von der für mich nur mittelmäßigen Musik war das immer mein größter Hinderungsgrund, je Clubgänger zu werden: Türsteher. Ich war mit meinen paar Pfund zuviel auf den Rippen und meiner damit verbundenen Klamottenwahl nie irgendwo per se willkommen und ich hatte dementsprechend auch nie das Bedürfnis, einer Szene anzugehören, die mich allenfalls dulden würde. Wenn z.B. das Wetter gut ist oder die Auslastung des Clubs gerade genehm.

Aber gut, wir Menschen sind ja alle verschieden. Das Sisyphos soll gut sein und ich gönne auch den Menschen Spaß, die jetzt vielleicht nicht zu 100% auf meiner Linie liegen. Aber dass in den angesagtesten Clubs in Berlin willkürlich Leute abgelehnt werden, ist ja nunmehr auch weniger ein Geheimnis. Seit Anbeginn meiner Präsenz auf der Straße als Taxifahrer lege ich den Leuten ans Herz, wenigstens einen Plan B zu haben und das nicht persönlich zu nehmen. Das macht eine Ablehnung natürlich nicht unbedingt gut, aber seit spätestens dieser Tour weiß ich auch, dass Rumjammern nicht unbedingt glücklicher macht.

Aber klar: Extra von Augsburg nach Berlin fahren, um in einen besseren Club zu kommen, ist anscheinend nur ein Teil der Experience. Ohne reingekommen zu sein den Club als „dümmste Party von Welt“ zu beschimpfen, macht es natürlich besser.

Auf dem Weg zu ihrem Hostel hätten wir ungelogen an mindestens fünf Locations anhalten können. Und ich will hier nur die gezählt sehen, die elektronische Musik spielen. Aber wenn der Name des Clubs mehr zählt als die Party dort, dann ist das eben so und ich schätze, dass es auch f+ür alle Betreiber der potenziellen Kandidaten eher gut war, dass ich die Kundschaft – genervt wie sie war – „nach Hause“ gebracht habe.

Sven, sein Handy und die Polizei

Obwohl ich eigentlich schon wieder grünes Licht seitens der Ampel hatte, hielt ich an. Ein Winker. Quasi. Denn es war ein Polizist in voller Ausrüstung und als er mir erklärte, was sein Anliegen war, war klar, dass es nur so mittel normal war:

„Hey, wir haben hier auf der Mittelinsel einen Typen, der ziemlich betrunken ist. Der ist sauber, hat Geld dabei, die Sanitäter wollten ihn nicht mitnehmen. Der muss nach Reinickendorf. Würdest Du den mitnehmen?“

Nach den üblichen 0,25 Sekunden Bedenkzeit hab ich zugestimmt. Zweifelsohne war das jetzt nicht das, was mir gerade gut gepasst hätte, denn die Stadt war voll mit Kundschaft. Aber ich stehe nunmal dazu, auch gerade die schwierigen Touren wegzurocken.

„Na gut, krieg ich hin.“

„Dann fahr‘ mal hinter unseren Wagen.“

Ich wurde trotz nun roter Ampel eingewiesen, Spezialauftrag für Geheimagenten quasi. Ich hab mich gefühlt wichtig auf der Kreuzung positioniert, weit ordnungswidriger als Tempo 80 in einer 30er-Zone. Aber ich war halt wichtig. Der Kunde, auch von den Beamten nur beim Vornamen genannt, erwies sich als eigentlich harmlos. Völlig besoffen, natürlich, aber in sich selbst ruhend. Zunächst.

Einer der Beamten hatte seinen Geldbeutel in der Hand, reichte mir einen Fuffi daraus und fügte hinzu, dass ich ihm den Rest zurückgeben sollte.

„Keine Sorge, ich wollte hier kein krummes Ding abziehen!“

„Ach ja, hier …“

Der Polizist zeigte mir den Personalausweis:

„Der muss in die XYZ-Straße, quasi beim Rathaus.“

„Danke, aber das kläre ich gleich mit ihm!“

„Ach, der wird Dir nicht mehr viel sagen …“

Ich verstehe den Einwand, aber Polizei hin oder her: Wenn da wer in meinem Taxi sitzt, dann gilt für mich das Wort des Kunden. Für Entführungen sind andere Leute zuständig. Ich will nicht anzweifeln, dass es gut wäre, einen volltrunkenen Sven heimzubringen, aber mir fehlt jegliche Handhabe, ihn dazu zu zwingen.

Nichtsdestotrotz hatte ich den Fuffi von Sven nun und der hatte halt ganz andere Pläne, als ins Taxi zu steigen. Er wollte sein Handy.

Ich glaubte den Cops, dass sie es nicht hatten, nicht finden konnten und dass es vermutlich zuhause war, aber ich war weiter denn je entfernt davon, hier die Ansagen zu machen. Sven wehrte sich dagegen, in mein Auto eingeladen zu werden, schrie nach seinem Handy und am Ende kam halt heraus, dass das doch keine Tour für mich werden würde. Einfach weil er nicht wahrhaben wollte, dass die Beamten im sagten, dass sie sein Telefon nicht genommen hätten oder auch nur hätten finden können.

„Na gut, wenn er nicht einsteigen will …“,

meinte eine Polizistin.

„Also nehmt Ihr ihn mit?“,

fragte ich ebenso duzend in die Runde.

„Ja, geht wohl nicht anders …“

wurde mir mitgeteilt.

So gerne ich die Fahrt gemacht hätte und so sehr ich glaube, dass Sven sich damit einen Gefallen getan hätte: Ich war froh bis geradezu überrascht, wie nett die Beamten waren, obwohl er sich wie das letzte Arschloch aufgeführt hat und oft bedenklich nahe an der Grenze zum gewalttätigen Widerstand gekratzt hat. Hätte ich als Demonstrant einmal soviel Nettigkeit von der Staatsgewalt erfahren, würde ich sie wohl emotional mehr würdigen können.

Nachdem klar war, dass die Tour ausfällt, hab ich den Beamten, der gerade am wenigsten mit der Inschachhaltung von Sven beschäftigt war, noch kurz darauf hingewiesen, dass da noch eine Kleinigkeit offen wäre:

„DER ist dann wohl auch nicht meiner …“

Und hab den Fuffi weitergereicht.

„Oh ja, stimmt ja!“

Ich hoffe jetzt einfach mal, dass Sven gut heimgekommen ist, dort sein Handy wiedergefunden hat und zudem noch im Besitz seines Fünfzigers ist. Falls nicht, kann ich nur anmerken, dass ich als Taxifahrer wirklich alles dafür getan habe, dass dem so ist.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Guter Auftakt

Es gibt so Tage, da trudelt man durch die Zeit nach dem Aufstehen, erledigt noch dies und das, macht und tut und am Ende stellt man fest, dass man eigentlich weit früher bei der Arbeit sein wollte. Zumindest passiert mir sowas manchmal und gestern Abend war es auch so.

Letztendlich war es schon fast 22 Uhr, als ich ins Auto gestiegen bin und ich habe es nicht bereut. Denn zumindest das späte Loskommen war nach der ersten Kundin gerettet. Dass ich schon in Marzahn rangewunken werde, ist selten genug. Weitaus seltener (um nicht zu sagen einmal pro Jahrzehnt) ist es eine gut gelaunte Kundin, die als bescheidenes Ziel eine Straße in Tempelhof angibt.

Das wäre ein sehr guter Start gewesen. Hervorragend wurde es dann, als wir just von den letzten Ausläufern des Zuges der Liebe überrascht wurden, den ich schon für beendet hielt, woraufhin wir gleich zweier Sperrungen wegen einen grotesken 5€-Umweg fahren mussten. Geradezu abenteuerlich wurde es bei einem Zwischenstopp bereits in Tempelhof, bei der uns der „etwas“ betrunkene Freund einen weiteren Fünfer auf dem Taxameter bescherte, weil er uns vor seiner Haustüre nicht gefunden hat. So stand ich nach der ersten Fahrt mit 48€ auf der Uhr mitten in der Stadt.

Perfekt wurde es dann, als ich von der Kneipe, wo ich die beiden abgeladen hatte, eine Runde drehte, um Richtung Mitte wegzukommen. Denn kaum hatte ich meinen einminütigen Schlenker durch zwei Kopfsteinpflastergassen beendet, winkten mich vor der Kneipe die beiden von eben wieder ran und ließen sich dann doch nach Hause kutschieren. Nach Lankwitz, nochmal ein Zehner. So dürfte das ruhig immer anfangen, wenn ich mal spät dran bin. 🙂