WTF, Kollege?

„Fahren Sie dem Taxi einfach hinterher!“

„Ihr habt keine Adresse?“

„Doch, sicher: Die Kennstedoch-Umseckstraße drölf. Aber fahr dem einfach nach!“

Hab ich gemacht. Ganz auf dem direktesten Weg ist die Straße gerade leider nicht zu erreichen, Baustelle und so. Ich fuhr also dem ziemlich eiligen Kollegen hinterher. Dann bog er links ab, obwohl die Straße nun komplett rechts von uns lag. Ähm, ok …
Ich war nun schon etwas verwundert. Ich fragte die Kunden noch einmal, ob sie bei der Adresse wirklich sicher seien:

„Sicher! Bei Jens, kennen wir! Ist Richtung Frankfurter Tor!“

Das lag nun genau rechts von uns, der Kollege vor mir aber preschte genau jetzt geradeaus über die Kreuzung. Hätte ich die Straße nicht gekannt, wäre ich nun vielleicht auch etwas unsicher geworden, aber die besagte Straße lag nun in Gänze rechts hinter uns, geradeaus war einfach keine Option.

„Jungs, ich fahr dann hier mal rechts. Ist eh schon ein absurder Umweg, aber wo immer der Kollege auch hinfährt, ich bringe Euch besser ans Ziel.“

Kurz danach ein Stopp, da wäre ein Durchgang, alles super. Gute Laune, Trinkgeld, für eine kurze Tour perfekt. Wo die Kumpels im Auto des Kollegen gelandet sind, weiß ich leider nicht. Ich schätze aber, sie haben dafür unnötig viel bezahlt. 🙁

Die Kleinigkeiten …

Vom Ostbahnhof zur Dudenstraße. Tausendmal gemacht, eine der Standardstrecken. Auch für einige Ziele, die hinter der Dudenstraße liegen. Und nun machte der Kunde folgende, wirklich nicht schlechte, Routenansage:

Kann man gelten lassen. Quelle: osrm.at

Kann man gelten lassen. Quelle: osrm.at

Ungenau in dieser Größenordnung bin ich tagtäglich auch selbstverschuldet unterwegs, ganz im Ernst. So gesehen bin ich ja auch von Kunden viel derbere Vorschläge gewohnt, bei denen ich dann ein schlechtes Gewissen habe und Einspruch einlege. Die Strecke oben bin ich einfach gefahren, passt schon.

Und ich hab bis zuhause am PC gewartet, um mal zu checken, wie viel länger als mein Standardweg es wirklich ist. Aber siehe da: Immerhin 500 Meter und damit bei der vorliegenden Strecke ein glatter Euro. 🙂

Und, auch wenn ich weiß, dass Ihr Profis seid: Welchen Weg wäre ich sonst wohl gefahren?

Den Bus kriegen müssen

Ein Winker an der Boxhagener. Einmal zur Mercedes-Benz-Arena. Business as usual.

Und ein netter Kunde zudem! Ein Busfahrer aus den Niederlanden, der wieder zu seinem Fahrzeug wollte. Aber dann schlug das Schicksal zu. Zunächst die Fahrraddemo, die genau jetzt über die Warschauer Straße fuhr, als wir sie nutzen wollten. Dazu die Sperrung der Straße der Pariser Kommune, die einen (noch erträglichen) Umweg erlaubt hätte. Dann Rückstau, an den Ampeln ein Haufen übermütige Fußgänger und nicht zuletzt eine leidlich schlechte – um sie nicht falsch zu nennen – Angabe des genauen Zielpunkts. Aufgrund der mangelhaften Angabe bin ich dann eine Einfahrt zu spät an die MBA rangefahren und dort verwiesen uns dann die Ordner und wir mussten nochmal einen Umweg fahren, anderthalbmal ums komplette Gelände quasi. Zumal bei eher dichterem Verkehr, weil dort wohl vor kurzem eine Veranstaltung geendet hatte.

Am Ende sind aus den grob geschätzt zwei Kilometern Luftlinie satte 12 € auf dem Taxameter geworden und ich hatte das Gefühl, gerade vier Touren hintereinander gefahren zu haben.

Mein Fahrgast hatte indes gut vorgeplant, hatte also Zeit und nahm das alles eher belustigt hin. Er hätte ja ohnehin an mindestens fünf Stellen der Fahrt aussteigen können, wenn er einen Fußweg von ein paar hundert Metern ok gefunden hätte.

Stattdessen lief eben die Uhr weiter und ich bekam noch gutes Trinkgeld. Was halt so passiert, wenn man keine Eile hat und der Chef die Rechnung bezahlt.

Auf dem Silbertablett. Weil Auskennen und so.

Guter Lauf, fast schon ein perfektes Beispiel:

Ich hab mal am Bahnhof Friedrichsfelde-Ost vorbeigeschaut. Aber: Möööp, drei Taxis. Da in Marzahn eines der vielen Oktoberfeste war, bin ich schnell dorthin gefahren. Da dann Winker nach Neu-Hohenschönhausen. Schnelle 15€. Dort gleich ein Winker, quasi direkt zurück zu mir in die Straße, also auch nicht weit weg vom Fest. Meine Erwartungen waren quasi übererfüllt.

Nun aber direkt am Festplatz wieder Winker.

„Abend. Wo darf’s hingehen?“

„Kennste Dich in Berlin ’n bisschen aus?“

„Würde mal sagen: Ja.“

„Jut. Spandau.“

Obwohl ich an dem Punkt noch nicht vorhatte, Feierabend zu machen und mir deswegen eine Tour in den sehr fernen Westen irgendwie missfallen hätte, dachte ich in Anbetracht der Tatsache, dass das mal eben ein Fuffi auf dem Silbertablett war, auch nur: Jetzt übertreibt mal bitte nicht! Aber es war ernst gemeint und ich hab in der Stunde wohl das Maximum bezüglich Stundenumsatz und Kilometerschnitt rausgeholt.

Es gibt wirklich nur ein einziges Problem an solchen Fahrten: Sie sind zu selten. 😀

Na dann!

Wir wollten noch die Freundin des Kunden abholen. Kein Ding. In seinem Wohnviertel dirigierte er mich gekonnt umher und erklärte mir dann:

„Da vorne links ist so eine Einfahrt.“

Ich muss vielleicht dazu sagen, dass ich täglich zu „Einfahrten“ gelotst werde, weil ich dort auf dem Gehweg halten kann und beim Ausladen den fahrenden Verkehr nicht über Gebühr belästige. Irgendwo reinfahren muss ich selten, viele Kunden sorgen sich ja bereits darum, ob ich in einer Sackgasse auch wirklich wenden kann. Entsprechend meiner Erfahrungen hab ich nachgefragt:

„Soll ich da dann gleich wirklich reinfahren?“

„Ähm, ja, sicher doch. Ist auch nicht anrüchig oder so.“

Ah ja. Nicht anrüchige Hofeinfahrten. Wieder was gelernt. 😀

Legalität vs. Kundenservice und Menschenverstand

Ich bemühe mich ja wirklich, allen Seiten gerecht zu werden, auch wenn die Situation vielleicht mal schwierig ist. Ich sag Kunden, die ein Taxi bestellt haben und mich dann ranwinken immer, dass der Kollege sicher gleich kommt, anstatt sie einfach mal einzusacken. Das einzige, was mir diesbezüglich schon passiert ist, dass ich Kunden eingeladen hab, die erst später gesagt haben, dass sie „ja eigentlich bestellt hatten“. Aber es ist nicht so, dass ich Kollegen absichtlich die Fahrten klaue, ich weiß ja, wie sich unnötiges Warten anfühlt, will ich auch nicht haben, sowas.

Und nun liefere ich mitten in der Nacht einen Fahrgast für einen Frühflug am Flughafen Schönefeld ab und der ganze Taxistand ist voll mit wartenden Kunden und kein Taxi ist weit und breit in Sicht. Ich hab versucht, Scheuklappen aufzusetzen, mit meinem Fahrgast noch die Bezahlung geregelt und wollte eigentlich wieder weg. Ich hatte ja schon Pläne, wo ich hinfahren wollte. Aber, was war? Klar: Ein älterer Mann klopfte an mein Fenster und fragte:

„Sagen Sie, sind Sie jetzt frei? Hier is ja keene Taxe!“

Allerdings. Und gute 15 weitere Touren standen da zudem an der Halte rum. Wäre jetzt noch einer von den sympathischen Ordnern dagewesen, die einem immer das Leben schwermachen, wenn man legal jemanden am Flughafen abholt, dann hätte ich den ja gefragt, ob man nicht ausnahmsweise mal … den Kunden zuliebe …? Aber Pustekuchen: Das Gewerbe in LDS hatte offenbar komplett Feierabend und ich hatte nun die illegale Anfrage an der Backe.

Nun kommen wir mal zum Punkt: Ich hätte dem mit schweren Koffern beladenen Pärchen natürlich zur Geduld raten können. Oder ihnen meine Handynummer geben, eine Runde um den Block fahren und sie korrekt bestellt am Taxistand einladen. Mal abgesehen vom Aufruhr unter den anderen potenziellen Passagieren beim anschließenden Rauspicken wäre das so elegant gewesen. Und so wasserdicht, mir könnte keiner was.

Stattdessen hab ich nochmal geguckt, ob da nicht eh gleich ein Rudel Schönefelder an der Ampel wartet und hab beim Nichterkennen irgendwelcher Taxifackeln trotz Brille einfach angefangen, das Gepäck zu verladen. Nicht, dass ich mich jetzt so sehr gefreut hätte, wie Umsatz und Kilometerschnitt es erwarten lassen würden, aber in Anbetracht der Tatsache, dass es dort so viele Touren gab und ich jetzt nicht dem einen fleißigen Fahrer, der eh in anderthalb Minuten da ist, die Tour vermassele, war ich mit mir soweit im Reinen.

Und dann kam das LDS-Gewerbe. In Form eines kleinen aufgebrachten Fahrers, der in Anbetracht von 15 Touren, aus denen er die freie Auswahl hatte, auf meine Kunden zustürmte und sie drängte, auszusteigen, weil ich da ja nicht laden dürfe. Im Übrigen ohne auch nur aufs Kennzeichen zu schauen, sondern weil ich „nicht im Taxibereich“ stehe.

Und da kommen wir an den Punkt, wo ich’s lächerlich finde. Mir ist kollegiales Verhalten auch wichtig, ich hoffe, dass ich das weiter oben soweit klargemacht habe. Ich gönne den Kollegen in LDS ihre Touren und habe nicht vor, nachdem wir den ganzen Flughafenstreit hinter uns haben, einen neuen anzufangen. Andererseits gönne ich auch gestrandeten Kunden ihre Heimfahrt und in Anbetracht der Kunden-Taxi-Unausgewogenheit war da wirklich nicht mein Ziel, heimlich mit einer gemopsten Fahrt wegzukommen, ich wollte schlicht den Kunden helfen. Was weiß ich denn, wie lange die sonst gewartet hätten? Und Ihr kennt mich:

Ich bin auf den Kollegen zugegangen, hab nett und freundlich gesagt, dass mir das durchaus bewusst ist, dass das so eigentlich nicht in Ordnung ist, dass hier aber nunmal keine Taxis seien und die Kunden sich bestimmt sehr freuen würden, schnell wegzukommen, zumal’s ja eben nur um eine Fahrt von vielen gehen würde. Während sein Auto inzwischen von potenziellen Fahrgästen umringt war, musste er seine Zeit darauf verwenden, mich anzufauchen, dass das nicht erlaubt sei (was ich ja unlängst selbst gesagt hatte) und wusste gar nicht, ob er jetzt lieber einen Herzinfarkt oder einen Asthmaanfall bekommen wollte. Da schrillte plötzlich mein Funkgerät los und er brüllte mich an:

„DA! DA HASTE’N AUFTRAG! DEN NIMMSTE JETZT BESSER MAL AN!“

Meine Fahrgäste waren der Situation entsprechend auch eher weniger für die Position des Kollegen zu haben:

„Na komm jetzt, wir steigen jetzt ein!“,

meinte der Mann zu seiner Frau. Und ich hab (ich hatte ihnen ja auch gleich zu Beginn gesagt, dass ich sie eigentlich nicht mitnehmen dürfte) in Anbetracht der Umstände einfach nur gesagt:

„Gerne. Das Bußgeld nehm‘ ich auf meine Kappe.“

Ob der „Kollege“ überhaupt dazu gekommen ist, meine Konzessionsnummer aufzuschreiben? Wer weiß es. Ich werde es ggf. erfahren. Und er hatte sicher auch noch viel Spaß damit, 50 potenziellen Kunden zu erklären, warum er lieber Taxifahrer verscheucht, als Kunden heimzubringen. Kommt immer gut an, sowas.

Ich hab dann beim Losfahren den Funkauftrag weggedrückt. Dreimal dürft Ihr raten! Oder nee, ich sag’s Euch gleich:

„UMLANDABHOLUNG FLUGHAFEN SXF“

Nochmal ein großes PS:

Liebe Kollegen, das ist von meiner Seite aus keine Rechtfertigung dafür, im Umland einfach wild zu laden. Ich ärgere mich ja auch über die LDS-Kutscher, die in Friedrichshain mit angeschalteter Fackel rumcruisen (und auch über Berliner Kollegen, die’s witzig finden, im Umland vor Clubs im Schritttempo Patrouille zu fahren). Und rechtlich war das von mir auch nicht ok, Asche über mein Haupt, vielleicht war die Entscheidung sogar moralisch falsch (war sie in Anbetracht des Fahrpreises auf jeden Fall, uiuiuiui!). Aber es fängt schon – GERADE am Flughafen Schönefeld und zwischen Berlin und LDS – damit an, dass die Kunden damit nix zu tun haben. In so einem Fall tut’s das Notieren der Nummer und eine Anzeige beim LABO, fertig! Dieses peinliche Rangeln um Kundschaft, egal wann und wo und egal von welcher Seite, lässt alle Taxifahrer wie geldgeile Vollpfosten aussehen, denen die Kunden egal sind. Und witzigerweise am ehesten den, der sich beschwert.
Und wären da acht Taxis und zehn Touren gestanden, hätte ich den Kunden natürlich nahegelegt, die zwei Minuten zu warten, Ehrensache, so von Kollege zu Kollege. Aber wer gleich pampig wird oder sogar wie hier erst einmal Kunden vernachlässigt, bloß um seine Wut noch schnell und völlig unnütz loszuwerden, dem werde ich hier eindeutig NICHT die Heldenrolle zugestehen. Trotz PBefG , TaxO, StVO und Konsorten. Und ich möchte auch mal anmerken, dass ich weiß, in welchem Haifischbecken ich mich hier rumtreibe: Wer mir diesen (immerhin eingestandenen und zur Diskussion gestellten) rechtlichen Fehltritt vorwirft, der darf vor dem Antworten gerne mal seine heimliche Liste mit geklauten Touren, Schwarzfahrten, Festpreisen und Umwegen mit dem abgleichen, was ich hier gerade geschrieben habe. Seriously!

Und jetzt mal gucken, ob da noch was kommt. Wäre immerhin auch mal was neues.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Volltreffer-Premiere

Ich stand noch gar nicht so lange am Bahnhof Friedrichsfelde-Ost und schon war da Kundschaft. Tada!

„Einmal in die Marzahner Promenade 26, bitte.“

Wow. Das erste Mal in acht Jahren Taxifahren, dass jemand direkt zu meiner eigenen Adresse wollte! \o/

Gut, das mag bei den Kollegen, die in kleineren Häusern leben, noch etwas länger dauern – aber wenn ich richtig rechne, bringen wir es bei unserem Hausaufgang immerhin auf 17 Parteien; und ich bin ja auch schon zu anderen Adressen in Berlin zweimal gefahren (Ja, nein, Hotels und Clubs meine ich jetzt nicht! 😉 )

Aber gut, das zeigt einem dann nochmal nebenbei, wie groß Berlin ist.

Naja, noch spannender war eigentlich, dass es dann nicht einmal Nachbarn waren, sondern nur deren Besucher. Oder Besucher meiner besseren Hälfte, aber ich schätze, davon wüsste ich. Für einen kurzen Moment hatte ich mir überlegt, sie zu fragen, ob ich als Extra-Service noch die Haustür aufschließen soll, vielleicht noch mit einer lustigen Geschichte wie, dass wir Taxifahrer alle Generalschlüssel hätten oder so, aber das schien mir dann etwas zu creepy. Bei einer lustigeren oder betrunkeneren Truppe hätte ich aber schwach werden können. 😀

Für mich ist die Sache mit den Zieladressen in der Schicht allerdings auch noch unheimlich geworden:

Ich hab heute Abend noch eine Lesertour, die Adressen hab ich schon. Nun hatte ich durchaus vor, die Startadresse noch einmal genauer abzuchecken, damit ich mich nicht dann, wenn’s eilig wird, verfahre oder bei einer Nummer lande, an die man nur von der Rückseite aus rankommt. Hätte ich natürlich online gemacht, aber jetzt hab ich heute nacht eine weitere Fahrt bekommen, die von mir vor der Haustüre quasi bis zu besagter Adresse kurz vor Mitte geführt hat. Ja, auch hier: Exakt die richtige Hausnummer. 0.0

Bin ich also immerhin gewappnet für die nächste Nacht. 🙂

Ach ja: So toll die Tour vor die eigene Tür auch war: Viel besser ist es natürlich, wenn die Hausnummer zwar knapp verfehlt wird, es dafür aber zum Feierabend passt. DAS war heute Nacht nicht so. Ich bin zwar leicht erkältet, aber 23 Uhr wäre als Feierabend – in einer sauguten Schicht noch dazu – echt inakzeptabel gewesen.