So wie es aussieht, wird es am 11.6.2014 eine Taxi-Demonstration gegen Uber in Berlin und anderswo geben. Ein gemeinschaftliches Aufbegehren der Taxifahrer in verschiedenen Ländern. Die Infos dazu sind noch dünn, aber das ist im Grunde auch egal. Ich weise auf die Demo zwar gerne hin, aber ich schreibe das hier nicht deswegen, sondern weil ich in letzter Zeit öfter mal kritische Kommentare über die Gegenwehr der Taxler gelesen habe.
Da ist von Taxi-Kartellen die Rede, davon, dass wir ein Monopol schützen wollen und altbacken und technophob wären und einer revolutionären App wie UberPOP den Zugang zum Markt verweigern wollten. Nun ja.
Hey, ich bin ein kritischer Mensch und setze mich selbst als Taxifahrer mit dem Gewerbe entsprechend auseinander. Was also ist dran?
Eine gewisse Technophobie würde ich dem Gewerbe gerne unterstellen, schließlich ist es mit dem Internet und den Apps noch nicht richtig warm geworden. ABER: Wie überall betrifft das nur einen Teil, das Taxigewerbe ist wahnsinnig differenziert. Ich schätze z.B., unter den MyTaxi-App-Usern über 40 Jahren ist der Anteil der Taxifahrer überproportional hoch. Wenn es Geld bringt, machen Taxifahrer vieles. Schon alleine, weil wir bisher nur wenig Geld haben. Wie weit es solche Einstellungen in die höheren Strukturen des Gewerbes schaffen, ist aber wieder eine ganz andere Frage.
Ob Taxifahrer gegen revolutionäre Änderungen sind? Nun ja, da sind wir wohl ähnlich gespalten wie der Rest der Republik.
Mein wichtigster Einwand richtet sich gegen die Monopol- und Kartell-Vorwürfe. Denn das sind schwierige Fragen, die viele Menschen in ihrer Gesamtheit nicht wirklich nachvollziehen können und vielleicht deswegen falsch einschätzen. Ja, wir Taxifahrer wehren uns gegen die Angriffe von Uber und ja, wir verlangen in diesem Rahmen, dass man Sondergesetze beibehält, die es unseretwegen gibt. Und selbst ich, der ich wirklich kein Freund von übereifrigem Protektionismus bin, kann da mitgehen.
Warum?
Mir geht es weniger um meinen Geldbeutel als um Fairness. Und einen entscheidenden Part, den Uber und sicher viele andere vergessen: Wir Taxifahrer sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Ich weiß, für manchen da draußen ist Taxifahren eine Luxusdienstleistung. Für mich gewissermaßen auch. Ich fahre normalerweise mit der Bahn zur Arbeit. Aber wir schließen tatsächlich die letzte Mobilitätslücke in diesem Land. Wir sind auch da, wenn keine Bahnen fahren. Wir sind die letzte Rettung, wenn nichts mehr geht. Taxifahren ist nicht nur die bequemere und luxuriösere Variante, in Berlin von einem Club besoffen nach Hause zu fahren, weil man keinen Bock auf Warten hat. Taxifahren ist auch, gehbehinderten Rentnern auf dem Land eine Möglichkeit zu geben, vom Arzt nach Hause zu kommen, wenn die nächste Haltestelle mehrere Kilometer entfernt liegt.
Um das zu gewährleisten, werden uns Pflichten auferlegt. Jede Menge. Unsere Autos müssen Spezifikationen erfüllen, die Fahrer müssen Prüfungen bestehen, wir müssen eine gewisse Dienstzeit einhalten, wir dürfen unsere Preise nicht frei bestimmen. Im Gegenzug erhalten wir staatliche Unterstützung: es gibt Taxihalteplätze auf der Straße, wir müssen nur 7% Mehrwertsteuer erheben, sowas eben. Damit sich das Ganze rechnet, sind wir nebenbei auch Anlaufstelle für Touristen, Betrunkene, Verirrte und Besserverdienende.
Dass Limousinen uns letztgenannte Kundschaft abspenstig machen wollen, ist prinzipiell ok. Wenn sie ein Angebot haben, das die Kunden schätzen, dann gönne ich ihnen das. Ich bedauere ja selbst, dass im Taxigewerbe viel zu wenig auf die Qualität geachtet wird. Wenn sich enttäuschte Kunden andere Dienste suchen, ist das ihr gutes Recht.
Das Problem an Angeboten wie UberPOP ist also wirklich nicht, dass sie uns Kundschaft abspenstig machen. Damit müssen auch wir leben und gegebenenfalls einfach besser werden als die Konkurrenz. Das Problem ist, dass sie – gegen geltendes Recht – Fahrer ohne P-Schein einsetzen. Während wir Taxifahrer uns einer harten Prüfung bezüglich der Ortskunde stellen müssen, können sich das die Uber-Fahrer sparen. Und sparen ist das richtige Wort, denn: Ausbildungen kosten Geld. Und während Uber im Falle eines Engpasses die Preise erhöhen kann, können wir Taxifahrer das nicht. UberPOP-Fahrer dürfen Kunden ablehnen, wir nicht.
Ich weiß, in Berlin klingt das lächerlich, hier sind so viele Taxen unterwegs, man kann sich Engpässe kaum vorstellen. Aber wo bleibt die Mobilität, wenn wir einem Rentner mitteilen würden, dass seine Fahrt heute statt 10,20 € eher 56,40 € kosten würde? Einfach, weil am anderen Ende der Stadt eine Messe ist.
Taxifahren ist nicht billig. Kann es leider nicht sein, denn auch wir Fahrer müssen von irgendwas leben und es ist teuer, sich einen eigenen Angestellten mit einem teuren Gerät zu mieten, sorry. Aber wir halten die Preise dadurch halbwegs im Zaum, dass wir gute Standplätze haben, wenig Steuern zahlen und hier und da auch mal eine lukrative Touristenfahrt haben. Deswegen wird das Taxigewerbe geschützt: damit es für die dort arbeitenden Menschen drin ist, zu festen und fast schon vorhersagbaren Preisen Menschen befördern zu können, auch wenn es sich im Einzelfall mal nicht wirklich lohnt.
(Es ist wirklich ein schwieriger Balanceakt, die Zahl der Taxen hoch genug zu halten, um auch in Sondersituationen den Ansturm zu meistern und andererseits in schwachen Zeiten trotzdem genug Geld für die Fahrer einnehmen zu können.)
Es gibt Platz für Mitbewerber. Der ist durch diese Einschränkungen natürlich begrenzt, aber mit begrenzten Ressourcen haben wir alle zu kämpfen. In vielen Städten gibt es z.B. Mietwagen (meist bekannt als „Minicars“), die diese Lücke besetzen. Und eben Limousinenservices wie Uber ja eigentlich auch einer ist. Die Frechheit der Macher von UberPOP ist nicht, dass sie (teilweise – also wenn es passt) bessere Preise anbieten. Sondern dass sie sich gerne die zahlungskräftigen Kunden rauspicken, sich illegal über Beschränkungen hinwegsetzen und damit das bislang halbwegs funktionierende Modell zerschießen.
Um ehrlich zu sein: Ja, vielleicht ist UberPOP in diesem oder jenem Moment für die Kunden interessanter, da billiger. Und wir müssen alle auf unser Geld achten, nicht wahr? Aber denkt daran, womit es erkauft ist. Ich könnte als Taxifahrer auch mal hier und da einwilligen, einen Festpreis von 12 € vom Ostbahnhof zum Flughafen Tegel zu machen – aber halt nur, wenn ich von Tegel aus dann die Touristen um einen Zehner prelle. Legal kann ich das nicht machen, da die Berlin-Heimkehrer zum gewohnten Preis gefahren werden müssen – und so sehr ich stellenweise über die beschränkte Flexibilität fluche, so ist es doch auch gut, dass man als Kunde vorher einschätzen kann, was es kostet.
Mal ganz davon abgesehen, dass man sich mal überlegen sollte, wie die Uber-Fahrer bezahlt werden. Im Gegensatz zum Taxi werden 19 statt 7% Mehrwertsteuer fällig. Im Gegensatz zu z.B. MyTaxi fallen 20% Provision an statt maximal 15. Rentabel wird das erst dadurch, dass eben allerlei Auflagen, mit denen wir Taxifahrer zu kämpfen haben, nicht erfüllt werden. Und das, man kann es nicht oft genug wiederholen, illegal. Von den UberPOP-Fahrern wird noch nicht einmal eine Gewerbeanmeldung verlangt.
Natürlich sind wir Taxifahrer nicht der Nabel der Welt, nicht unfehlbar und unersetzlich. Aber ich versuche das jetzt mal mit wenigen Worten zusammenzufassen:
Ein internationales Multimillionen-Dollar-Unternehmen steigt in die deutsche Personenbeförderung ein. In ein Gewerbe, in dem tausende Einzel- und Kleinunternehmen mit Mühe und Not Geld unter dem angedachten Mindestlohn einfahren. Um das lukrativ überhaupt leisten zu können, verzichtet es auf sage und schreibe alles, was machbar ist. Da die Fahrer keinen P-Schein brauchen und kein Gewerbe, fördern sie gleichermaßen Schwarzarbeit wie mangelnden Versicherungsschutz von Fahrern und Fahrgästen. Die umfangreichen Ausbildungen oder die pingeligen Anforderungen an die Fahrzeuge ignoriert man gleich mit. Kostet ja alles Geld. Am Ende bieten sie eine 20€-Taxifahrt für 3 € weniger an. Wenn ihnen das passt. Können auch mal 50 € mehr sein, ist aber ganz selten, versprochen!
Und dann stellen die sich in den Medien als arme von Taxi-Kartellen bedrohte schützenswerte Innovationsbude hin?
Einmal jährlich TÜV, einmal jährlich Taxameter eichen lassen – überhaupt ein Taxameter kaufen!, Geld für Alarmanlagen, Dachschilder etc. pp. Ein halbes Jahr lernen auf die Ortskundeprüfung, ggf. die Schulung bei der IHK, mancherorts Geld für eine Konzession, das Einhalten von Arbeitszeiten, das Bezahlen von Steuern etc. pp …
Sicher, das alles wegzulassen, um am Ende 3 € billiger zu sein: das ist wirklich innovativ. Schätze aber, das wird bei den Richtern nicht das Wort der Wahl sein …
Das Personenbeförderungsgesetz, gegen das das Unternehmen jetzt wettert, ist in erster Linie ein Verbraucherschutz. Damit nicht jeder Depp mit jedem Auto gewerblich Personen befördern darf. Gleichermaßen sind die Hürden dort zumindest mal so niedrig, dass immer noch über Taxifahrer geschimpft wird und es unzählige Mitbewerber in Deutschland gibt, die – ob mit Minicars oder Limousinen – auch ihre Nische gefunden haben. Und wir Taxifahrer im Speziellen haben gegen ein paar zusätzliche Pflichten auch ein paar Sonderrechte, damit wir eine Versorgung garantieren können.
Die Regelungen mögen nicht perfekt sein, nicht ohne Grund wird auch bei uns im Gewerbe viel gemeckert. Aber es ist doch wohl nachzuvollziehen, dass wir uns nicht gefallen lassen, wenn die von Uber mit Dollarscheinen wedeln und behaupten, für sie würden die Regeln nicht gelten.
An dieser Stelle verlinke ich gerne den offenen Brief von Richard Leipold – jenem Unternehmer, der gegen Uber – allerdings den Limousinendienst, nicht UberPOP – eine einstweilige Verfügung (in dem Fall wegen dem illegalen Bereithalten der Autos) erwirkt hat. Ein – Respekt dafür! – wirklich sinnvoller und unpolemischer, fast schon sachlicher und konstruktiver Beitrag zur Debatte: Offener Brief von Richard Leipold
Ja, sicher: dem Taxigewerbe an sich geht es natürlich durchaus auch ums Geld. Es ist schwierig genug, in dem Gewerbe sein Auskommen zu haben und selbstverständlich ist auch das ein Grund, sich zu wehren, wenn andere mit unfairen Methoden den Markt kaputt noch kaputter machen. Schlimm genug, dass man die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen nicht in den Griff bekommt – aber da verhallt unser Rufen nach dem Eingreifen der Politik ja auch seit Jahren. Wer glaubt, hier sei irgendein Kartell an der Macht, der sollte sich mal den Kampf der Gewerbevertretungen untereinander und den ständigen Clinch mit dem LABO reinziehen …
Zu guter Letzt:
Liebe Leute von Uber,
Taxen im Preis unter-, in der Qualität aber überbieten. Und dabei noch mehr Geld rausholen. Das ist ein echt hehres Ziel, Respekt! Aber seid Ihr wirklich so bescheuert, dass Ihr glaubt, wir hätten noch nie in den letzten 100 Jahren versucht, besser, billiger und lukrativer zu werden? Was glaubt Ihr wohl, warum wir’s nicht geschafft haben?
Das ist kein Vertrauen in die eigene Innovation mehr, das ist dumm und naiv.