Heute muss ich mal etwas fies werden. Ausnahmsweise. Aber ich bin mir sicher, Ihr versteht das.
Ich hatte vor zwei Wochen eine eigentlich ganz nette Tour. Wenn ich menschliche Maßstäbe ansetze, für den Taxifahrer in mir war sie grauenhaft: Zwei alte Leutchen, ein Ehepaar vermutlich, beide gehbehindert. Haben mich am Ostbahnhof auf der dritten Position nach einer Dreiviertelstunde Warten erwischt. Mein Auto hatte für beide eine angenehme Höhe, sie freuten sich über mein freundliches Warten und ich hab sie dann nach Hause bis vor die Tür gefahren. Für 6,30 € + 70 Cent Trinkgeld. Wie gesagt: Für mich als Taxifahrer eine Katastrophe, für mich als Menschen eine Chance, das Karmakonto ein bisschen aufzubessern.
Dann letzter Sonntag:
Ich stand gerade angekommen auf dem vierten Platz vor dem Bahnhof, als ich die beiden erblickte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sie es wirklich waren, aber ich hab mich insgeheim gefreut. Vor mir standen ein Bus und zwei tiefe Mercedes … und ohne lange Wartezeit wäre das ja ein nettes Zwischenspiel mit vertrauter Kundschaft.
Schon aus der Ferne hörte ich sie jedoch rumbrüllen:
„DAS KANN ICH NICHT, DAS MACH ICH NICHT!“
Offenbar hatte ihr Mann versucht, ihr den Bus schmackhaft zu machen. Nun ja, so schwergelenkig wie ich sie in Erinnerung hatte, lag sie zumindest nicht falsch mit der Einschätzung. Das gleiche Spiel wiederholte sich bei den Autos vor mir, obwohl einer der Fahrer gleich ausgestiegen war und gefragt hat, ob er irgendwie helfen könne.
Bei mir angekommen, zögerte sie:
„Sie kenn ich doch!“
„Ja, wir sind neulich erst miteinander gefahren, oder?“
„Ja! Ja ja! Könnten Sie vielleicht etwas zurück und …?“
„Soll ich an den Bordstein ranfahren, ist das dann einfacher?“
„Ja, das wäre nett. BÄH, STINKT DAS HIER NACH NIKOTIN! SIE RAUCHEN DOCH NICHT ETW …?“
Da hat sie dann die Kippe in meiner Hand gesehen. Ich hab die dann aber sowieso umgehend entsorgt, weil ich der Kundin zuliebe näher an den Bordstein fahren wollte und im Auto eben nicht rauche. Sie hat sich das angesehen, sich einmal mehr mit ihrem Mann gestritten, und just in dem Moment, in dem ich das Auto endlich perfekt am Bordstein positioniert hatte, ist sie wutentbrannt davongehumpelt mit ihrer Krücke.
Menschen …
Es liegt mir ja fern, über Kunden herzuziehen, weil sie ein Problem mit Zigarettenrauch haben. Das Zeug ist scheiße ungesund und obwohl sich die Kundschaft bisher in meinem Auto nie negativ über Gerüche geäußert hat, weiß ich, dass empfindliche Nasen vermutlich wahrnehmen, dass ich rauche. Dass die Trulla indes einfach nur eine bescheuerte alte Spinatwachtel war, bei der gerade irgendwie der Zeiger auf Krawall stand, ist indes auch weit mehr als nur eine halbgare Vermutung meinerseits.
Denn erstens:
Wir waren kurz zuvor bereits miteinander gefahren und sie hat mich in höchsten Tönen gelobt, vom Auto ganz zu schweigen. Sie würde ja am liebsten nur noch mit mir fahren, etc. pp.
Sie wird ja wohl nicht ernsthaft geglaubt haben, ich hätte erst vor 5 Tagen mit dem Rauchen angefangen. Es ist bekannt, dass diese Dummheit meist jüngere Menschen begehen. Wie also kann man davon ausgehen, dass diese Fahrt anders werden würde als die letzte?
Besser aber noch war zweitens:
Ich hab mich interessiert an der weiteren Geschichte an mein Auto gelehnt und verfolgt, was die beiden nun machten. Sie stellten sich in 20 Meter Entfernung an den Straßenrand und versuchten, ein Taxi ranzuwinken. Was nur so mittelprächtig funktioniert hat, da einige Fahrer so nahe an einer Halte einfach niemanden einladen. Die Krönung indes war, dass am Ende Kollege Stefan anhielt. Ein netter Kerl eigentlich, der so ziemlich jeden Scheiß mitmacht – aber auch einer der selbständigen Fahrer, dem es ziemlich gegen den Strich geht, dass „die da oben“ ihm in seinem selbstgekauften Taxi vorschreiben wollen, ob er raucht oder nicht. Der quarzt den lieben langen Tag selbst am Stand oft im Auto, ich hab ihn sogar schon mit Kippe im Mund mit Kunden verhandeln sehen. Seinetwegen hab ich bei meinem letzten Eintrag zum Thema rauchen eine Lanze gebrochen für die Kollegen, die wenigstens aussteigen für ihre Zigaretten.
Aber ja: Der war in ihren Augen gut genug für die Fahrt. Ich hab dann zugesehen, wie der Einstieg mit Vor- und Zurücksetzen knappe 5 Minuten gedauert hat, am Ende sind sie wirklich weggefahren. Was willste da noch sagen?
PS:
Für Leute, die wegen einer Gehbehinderung große Probleme haben, gebe ich mir gerne etwas mehr Mühe. Da riskiere ich auch mal einen Strafzettel mehr oder ignoriere einen hupenden Busfahrer hinter mir. Das hab ich in 5 Jahren Behindertenfahrdienst gelernt. Das ändert aber nichts dran, dass es auch unter hilfsbedürftigen Menschen Arschlöcher gibt, deren eingebildete Problemchen mir sonstwo vorbeigehen. Und sorry, meine Kippe außerhalb des Autos als No-go zu sehen und bei einem Kettenraucher ins Qualmmobil steigen ist ein deutliches Zeichen.
Ebenso hab ich in meinem alten Job auch eine Kundin von meinen Chefs auf die Mit-mir-nicht-mehr-Liste setzen lassen, die mich nach einer Tour angekeift hat, ich sei wie ein Henker gefahren, obwohl ich ihrzuliebe an Stellen 30 gefahren bin, bei denen ich dachte, dass 60 die inoffizielle Mindestgeschwindigkeit sei und ich so allenfalls als Verkehrshindernis Unfälle hätte provozieren können.
Ich bin echt der beste Freund da draußen für Leute, denen ich irgendwie mit ein bisschen Extra-Einsatz helfen kann. Aber Handlanger für liebgewonnene Wahnvorstellungen muss ich dann auch als Dienstleister nicht spielen.