Im uber-gebeutelten Personenbeförderungsgewerbe hat sich einiges bewegt. Wenn man dem Wall Street Journal glauben will, dann hat sich in letzter Zeit – unbemerkt von mir – was getan. Nicht natürlich bei Uber, die verhalten sich nach wie vor wie ein ausbeuterischer Scheißhaufen; dafür aber bei Wundercar. Die sind zwar auf der selben Hype-Welle mitgeschwommen, lassen auch Privatleute Fahrgäste mitnehmen, aber ich hab sie mir aus Gründen nie so zur Brust genommen wie Uber. Ja, natürlich kratzen auch sie an §1 des PbefG und man tut gut daran, sie unter dem Aspekt kritisch zu begleiten.
Aber.
Was in der Uber-Pop-Debatte zwischen all dem aufgewühlten Dreck gerne immer wieder unterging, war, dass das Bohei um die Fahrtenvermittlung von Privat zu Privat nur unter dem Gesichtspunkt wirklich schwierig wird, wo die Fahrt „entgeltlich“ erfolgt. Und an der Definition, das muss man gestehen, kratzt Wundercar spätestens jetzt nur noch ein bisschen.
Das WSJ hat gestern berichtet, dass Wundercar seit dem Eingreifen der Hamburger Behörden die vorgeschlagene „Trinkgeld“-Summe für die Fahrten auf 20 Cent pro Kilometer gesenkt hat und nunmehr als „Betriebskosten“ ausweist. Gut, natürlich ist letzteres bewusst ein Zitat aus dem Gesetz, um der Regelung zu entkommen – aber wenn der Betrag stimmt, dann ist das nicht ernsthaft gelogen. Da für eine Fahrt immer Betriebskosten anfallen und diese mit ziemlicher Sicherheit diese 20 Cent übersteigen, halte ich diese Definition für soweit fair.
Vor Gericht wird sicher noch einmal kritisch beäugt, wer über das Fahrtziel bestimmt, aber wenn ihr mich persönlich und als Taxifahrer fragt, dann ist das so eine der Fragen, über die man diskutieren kann.
Denn ohne die Gewinnerzielungsabsicht des Fahrers durch höchstwahrscheinlich nicht kostendeckende Bezahlung ist die Chance nur minimal, dass dabei ein Gehirnträger eine gewerbsmäßige Personenbeförderung betreiben wird. 😉
Wundercar verbietet den Fahrern, Geld zu verlangen (dass sie das durchsetzen bleibt zu hoffen), somit wird vermutlich tatsächlich oft der vorgeschlagene Betrag – oder bei miesen Fahrten weniger – liegenbleiben.
Und während wir alle noch darüber streiten, warum Taxis gelegentlich teurer als UberPop sind, frage ich nun mal mit dem Modell von Wundercar im Gedächtnis zurück: wieso kostet eigentlich bei Uber etwas, das als total coole neue Shareconomy feilgeboten wird, mindestens fast so viel wie ein Taxi und manchmal sogar ein Vielfaches des Taxipreises?
Und mit dieser viel leiseren und deswegen auch unter meinem Radar gelaufenen Wundercar-Debatte ergeben sich so viele neue Geschichten, es ist mir ein inneres Blumengießen, ehrlich! Denn unter anderem auch dadurch kriegen wir in der Diskussion mal wieder ein bisschen Boden unter den Füßen. Auch wenn ich damit einigen Branchenvertretern ans Bein fahre, weise ich hier noch einmal darauf hin, dass ich noch kein einziges Mal gegen eine Mitfahrzentrale gewettert habe oder das Car- oder Bikesharing, geschweige denn die Fahrradrikschas oder gar Bus und Bahn angegriffen hab, weil sie Konkurrenz sind. Sonst wäre ich schon vor UberPop am Fluchen gewesen.
(Ich hab ja nicht einmal bei der Einführung von UberBlack anno dazumal, als sie noch an den Erfolg glaubten, gemeckert – sondern zur Ruhe gemahnt.)
Ich will hier keine Werbung für Wundercar machen. Die sind auch neu, auch da gibt es offene Fragen und ebenso wie bei uns bei einer Tariferhöhung oder einer Änderung des PbefG wird man bei ihnen bei Neuerungen hingucken müssen, ob das so jetzt immer noch passt. Und deswegen ist es auch kein böser Affront, dass sich Gerichte mit der App befassen – seit Uber glaubt die Welt hierzulande ja scheinbar, dass sich Gerichte davor noch nie mit irgendwas befasst haben. Dabei ist das auch im Personenbeförderungsgewerbe und angrenzenden Branchen das normalste der Welt in einem Rechtsstaat und nicht das schlechteste Zeichen – auch wenn’s einem persönlich gerade mal nicht passt.
Aber gerade dadurch, dass es sich für Wundercar-Fahrer nicht lohnt, für den dicken Reibach 5 Stunden in der Stadt umherzugurken (was Uber von seinen Fahrern für gewisse Boni bisweilen verlangt und viel über deren Idee des „Teilens“ und den damit einhergehenden Umweltaspekten etc. zeigt), sieht die Sache bei Wundercar ganz entscheidend anders aus. Ehrlich! Ja, vielleicht wird ein Gericht noch eine Trinkgeld-Obergrenze festlegen oder festschreiben, dass die Strecke vom Fahrer vorher festgelegt werden muss. Wird man sehen. Und ggf. im Einzelfall diskutieren oder anfechten, das mag sein.
Aber dann kann ich mir Wundercar prima als Service auf unseren Straßen vorstellen. Denn:
Erklärung für Kunden:
Ich hab’s immer wieder gesagt, vielleicht glaubt es ja jetzt wer: es geht nicht um die Konkurrenz. Oder um starre alte Regeln, die das lässige Teilen verhindern. Es ging immer nur um sinnvolle Spielregeln und allenfalls nebenbei um den Schutz des öffentlichen Nahverkehrs. Regeln müssen sich auch mal ändern, und das haben sie immer schon getan. Deswegen pauschal jedem mit Geld wedelnden Arschloch entgegenzukommen, kann jedoch nicht das Ziel sein, so lange es gesellschaftliche Interessen gibt. Und den gesellschaftlichen Interessen widmet Uber weltweit nicht einen Finger breit Toleranz, sondern bekämpft sie ohne Rücksicht auf Verluste, stets ausschließlich den Anlegern und deren Geldbeuteln verpflichtet. So lange es allerdings nur um eine Erweiterung von Möglichkeiten geht – und im Gegensatz zu gewerblicher Personenbeförderung, nur eine Stufe ausbeuterischer; ist unkommerzielles Ride-Sharing eine Erweiterung im Sinne aller Teilnehmer – geht das in Ordnung. DAS sind die Veränderungen, über die man ergebnisoffen diskutieren kann und die uns am Ende eventuell weiterbringen.
Erklärung für Taxifahrer:
Ich weiß, ich „sollte“ Wundercar jetzt nicht gut finden, stimmt’s?
Zum einen aber tue ich das nur unter den oben genannten Bedingungen. An die Regeln halten gehört dazu. Für all die, die grundsätzlich jedes positive Erwähnen von Konkurrenz irgendwie schlimm finden: spart Euch eure Energie für Uber und ähnliche auf!
Wenn Wundercar das Ridesharing so einsetzt, wie sie es vorhaben, dann sollten wir ihnen Erfolg wünschen. Denn der Trend geht weg vom Privat-PKW und Angebote wie dieses fördern diese Entwicklung. Und allen Unkenrufen zum Trotz ist unser größter Konkurrent auch in 10 Jahren nicht ein übergeschnappter Kalanick sondern die vor jedem Haus stehende Kiste, in die alle bei Bedarf gefühlt umsonst einsteigen.
PS: In Teilen ist dieser recht positive Artikel auch der Tatsache geschuldet, dass ich es nicht mehr gewohnt bin, über Apps zu schreiben, deren CEOs mich nicht persönlich beleidigen und meine Arbeit zumindest unterschwellig als bescheuert bezeichnen. Ich wollte dem im Sinne der Diskussionskultur Rechnung tragen und klarstellen, dass ich Beleidigungen nicht zwingend als Mittel der Wahl sehe, sondern sie nur dort einsetze, wo die soziale Kompetenz meiner Gegenüber mich zu drastischer Ausdrucksweise zwingt um verstanden zu werden.