„Keine Diskussion!“

Ich stand nicht ganz vorne am Stand, trotzdem trat der leicht angetrunkene Mann im Anzug an mich heran. Während seine Frau sorgenvoll dreinblickte, meinte er, nicht ganz textsicher aber mit Nachdruck:

„OK, keine Diskussion! Sie bringen uns nur kurz nach Kreuzberg und kriegen dafür einen Zehner! Dankeschön.“

Gut, der Tonfall war schon etwas rüde – aber wer weiß, mit was für „Kollegen“ der schon zu diskutieren hatte. Nachdem er mir die Adresse nannte, war klar, dass der Zehner wirklich mehr als ausreichend war und ich hab die beiden unter dem Hinweis, dass ich das Taxameter trotzdem anmachen werde, gefahren.

Ein klein wenig bestürzt hat mich sein Anteil am folgenden Gespräch dann schon, den er sagte, er sei ja selbst Taxifahrer. Seit 35 Jahren. So weit, so gut. Ich hab schon mal irgendwo geschrieben, dass Taxifahrer die besten und schlechtesten Taxikunden zugleich sind. Das Trinkgeld war mit über drei Euro das, was gut war. Seine Auslassungen über den Ostbahnhof und die Fahrer dort war allerdings schon ziemlich daneben. Ich weiß, dass da nicht nur Engel stehen – aber von seinem eigenen Wissen als Tagfahrer auf die Nachtfahrer zu schließen, ist schon ziemlich bescheuert. Mit der Logik könnte ich das Brandenburger Tor für unwichtig erklären, weil meiner Erfahrung nach kein Schwein da jemals hin will als Taxikunde. Er kann sich ja den Bahnhof gerne als „Scheiß-Halte“ mit „scheiß-kurzen Touren“ und „Scheiß-Fahrern“ für seine Arbeitszeiten rot anstreichen. Aber warum muss er mir das bitte vorhalten, als sei ich Teil seines Problems? 🙁

Ich hab ehrlich gesagt sogar die Vermutung, dass er – falls er gelegentlich dort an der Halte steht – nicht gerade zu der Sorte gehört, die die Stimmung dort heben.

Naja, war eine scheiß-kurze Tour mit scheiß-nerviger Kundschaft. Typisch Ostbahnhof halt. Aber wenigstens mit beschissen scheiß-hohem Trinkgeld. Schätze zumindest mal, so würde besagter Kollege das einordnen.

Die Kleinigkeiten unter Kollegen

Am Wochenende hatte ich mein Feuerzeug vergessen. Gut, dumme Kleinigkeit. Ein Kollege hat mir am Stand Feuer gegeben und mir dann gesagt, ich könne es behalten. Im Prinzip auch kein großes Ding, immerhin finden wir Taxifahrer in unseren Autos ja doch recht regelmäßig Feuerzeuge.

Aber stellvertretend für viele solche Kleinigkeiten (z.B. auch das Geldwechseln am Stand) möchte ich mal bedanken. Wie so oft kannte ich den Kollegen nicht bisher. Er fährt für eine andere Firma oder ist selbständig. Geschäftlich gesehen sind wir Konkurrenten, nicht Freunde. Und trotzdem hilft man sich bei sowas aus.

Das ist zweifellos zu wenig, um ein übertriebenes Loblied auf die Solidarität im Gewerbe zu singen, aber auch das gehört dazu. Und das wollte ich mal wohlmeinend anmerken. Natürlich gibt es die „Kollegen“ da draußen, die einen überholen, natürlich gibt es Fahrtenklau und so manchen Mist. Aber vielfach trifft man als Taxifahrer auf einen anderen, fragt ihn nach irgendwas – ob das jetzt Feuer, Wechselgeld oder eine Adresse ist – und die Kollegen stehen einem bei.

Bis hin zum Extremsport unter profitorientierten Konkurrenten, zur Hauptstoßzeit einen Kollegen nach Hause zu eskortieren, weil dessen Taxi streikt.

Ich kotze mich oft genug über die Idioten im Gewerbe aus. Aus Gründen. Wirklich hängen bleiben bei mir aber die positiven Erfahrungen, bei denen mir und/oder meinen Fahrgästen geholfen wurde von den Menschen, die außer einem hellelfenbeinfarbenen Arbeitsgerät nichts mit mir gemein haben.

Ein wirklich dickes Danke dafür!

Schichtentscheidend

Ob wir eine Stadtrundfahrt durch Berlin machen könnten, wurde ich kürzlich auf Twitter von @ms_pinkman gefragt.

Ich war unsicher. Stadtrundfahrt? Ich? Soo gut bin ich da ja als quasi noch Neuberliner mit ausschließlich nächtlicher Herangehensweise an die Stadt vielleicht eher ungeeignet …
Aber wie der folgende Dialog so ergab, ging es natürlich auch darum, mal im Reallife hallo zu sagen. Außerdem, so wurde mir versichert, läge eine nahezu umfassende Anspruchslosigkeit vor und meine Sicht auf Berlin als Nachttaxifahrer wäre voll in Ordnung. Das – und zugegeben auch die sehenswerte Preisvorstellung für dieses Arrangement – haben mich zustimmen lassen. Eine kleine, noch spontanere, Variante hatte ich ja schon mal.

Die letzte Woche habe ich dann damit verbracht, immer mal wieder über der Frage zu verzweifeln, wo ich eigentlich hinfahren könnte. Zwei Stunden waren als Zeitrahmen angesetzt, da wird die komplette Stadt schnell ein bisschen groß.

Aber gut, am Ende bin ich fast unvorbereitet in den entscheidenden gestrigen Abend gestartet. Die zwei Stunden waren – perfekt für mich – an den Schichtbeginn und noch vor das Fußballspiel von Uruguay gepackt. Erkannt haben wir uns am verabredeten Startpunkt lediglich durch das nette Lächeln und wir traten die Fahrt an. Von Friedrichshain über Kreuzberg und Neukölln, Tempelhof streifend nach Schöneberg, Charlottenburg und anschließend zurück über Tiergarten, Mitte, wieder Friedrichshain und Lichtenberg.

Der Zielpunkt hatte sich davor schon eher kurzfristig von „einer netten Bar“ zum Hotel verschoben, das am äußersten südöstlichen Ende Berlins lag. Das hat mich am Ende zwar die erste Halbzeit des Spiels gekostet, aber abgesehen von der finanziellen Entschädigung ist mir nach dem Ansehen der zweiten Halbzeit auch klar, dass ich bei der ersten nix verpasst habe.

Für mich ist nach der ersten Kriegste-das-hin-Anspannung eine nette Fahrt daraus geworden, während ich nebenher einfach mal über alles gequatscht habe, vovon ich einen Namen im Kopf hatte. Inklusive unnachahmlicher Currywurstbestellung und viel nettem Geplauder. Und scheinbar beruhte das auf Gegenseitigkeit. Was mich in Anbetracht dieser recht neuen Form von Fahrt wirklich sehr freut. 🙂

Aber ich habe auch einmal mehr festgestellt, dass ich mich an den Taxirhythmus gewöhnt habe. Zwei Stunden quasi am Stück durch die Gegend zu fahren, strengt doch mehr an als die üblichen Touren mit viel mehr Pause. Aber die hatte ich in dem Fall danach beim Fußballschauen zu Hause. Danach war es allerdings wirklich schwer, mich nochmal aufzuraffen und trotz dem äußerst grandiosen Start hab ich am Ende mein (dieses Mal allerdings eher großzügige) Schichtziel um 2 € verfehlt.

Aber nun ja, das ist Jammern auf hohem Niveau. Wie fast immer war das eine sehr schöne Lesertour, und dieses Mal sowas von absolut entscheidend für den Tag.

An dieser Stelle noch ein kleines Sorry an all die, bei denen es mal nicht geklappt hat. Ich mache das wirklich gerne, aber zum einen sind meine Arbeitszeiten begrenzt, zum anderen bin ich bei der Arbeit oft auch mal spontan am anderen Ende der Stadt, ohne das vorhersehen zu können. Manchmal bleibt mir nix anderes übrig, als am Handy das Gespräch kommentarlos wegzudrücken. Alles Gute ist eben nie beisammen, so isses halt.

Außer gestern Abend.

PS: Die Tour wird sicher noch lange den Rekord für die längste Fahrt innerhalb des Berliner Stadtgebietes halten. Müssten am Ende knapp 70 Kilometer gewesen sein.

PPS: Das entstandene Foto enthalte ich Euch vor. Ihr wisst schon … Aliens, meine Frisur … diese Geschichten.

PPPS: Mir wurde bei dieser Fahrt gesagt, dass bisher die Taxifahrer die freundlichsten Dienstleister in Berlin waren. Ein Dank an die Kollegen, die das immer wieder richtig gut hinkriegen!

Wer von Euch war das?

Manchmal kommen die tollsten Fahrten ziemlich ungewöhnlich daher.

„Wo soll’s hingehen?“

„Nach Mahlow.“

Uff. Ich hab’s schon oft erklärt: das Umland ist am allerwenigsten meine Stärke. Ich kenne es wirklich nur von den paar Fahrten nach außerhalb und entsprechend unsicher bin ich da immer wieder. Wenn man sein Leben lang in einer Stadt wohnt, kennt man im Umland Leute, hat mal einen Schulausflug hier- und dahin gemacht. Ich musste das lernen. Bzw. eben gerade nicht: ich musste den Berliner Stadtplan auswendig lernen und war froh, alles ab 2 cm jenseits der Stadtgrenze ignorieren zu können, weil es auch so schon umfangreich genug war. Und in Mahlow selbst bin ich meines Wissens nach auch wirklich noch kein einziges Mal in den letzten fünfeinhalb Jahren gelandet.

„OK, da muss ich jetzt selbst nachsehen, wie man da am besten …“

„Oh, wie man von hier fährt? Ich würde sagen: am Besten außenrum. Also das Adlergestell runter.“

Ähm. Nun ja. Kann man machen – und wir sind auch angekommen. Und dem Kunden hat das so gepasst und er hat ein gutes Trinkgeld gegeben. Aber ohne es am Anfang einschätzen zu können, bin ich mit dieser Tour heute Nacht den größten Umweg gefahren, seit ich im Taxi sitze.

Hier die Karte.

Der direkte Weg wäre satte 10 von 30 km kürzer gewesen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob mich da ein unbekannter Leser veräppeln wollte …

Nachvollziehbare Argumentation

Am Taxistand:

„Entschuldigen Sie, kommen wir für 13 € von hier zur X-Straße, Ecke Y-Straße?“

„Mal überlegen … ja. Auf jeden Fall! Das passt locker.“

„Oh, super. Ich hab noch 13 €, die können Sie gerne haben. Mehr halt nicht.“

Am Fahrtziel:

„Und dann … wären wir bei 9,80 €.“

„Vielen Dank. Aber ich hab gesagt, Sie kriegen meine 13 €, deswegen: bitte!“

Ein auf Ehrlichkeit basierendes Geschäftsverhältnis ist doch immer wieder schön. 😉

Uber und die Qualität

Ich möchte zu den zahllosen Artikeln zum Thema UberPOP noch einen kleinen Nachschlag bringen. Ganz kurz, einfach auf den Punkt gebracht:

UberPOP wirbt für sich als billigere Alternative zu einem festgefahrenen Taxiservice.

„Innovation, yeah!“

Die Kunden von UberPOP freuen sich, weil Taxifahren ja sowieso „oft“ miesen Service und miese Qualität bietet.

„Buuuuh! Miieeees!“

UberPOP erreicht seinen (kleinen und nur gelegentlich anfallenden) Preisvorteil mit dem Verzicht auf die Einhaltung der paar qualitätswahrenden Gesetze für Taxen und Mietwagen.

„ARE YOU FUCKING KIDDING ME?“

(Dies war eine kurze Zusammenfassung der vielen vielen vielen Texte zum Thema hier und anderswo.)

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.