Das erste Taxi am Stand

Die Berliner Taxiordnung sagt in Paragraph 4 (2):

„Den Fahrgästen steht die Wahl der Taxe frei. […]“

Soweit die Theorie. Wie sieht das in der Berliner Realität aus? Ein Erfahrungsbericht:

Ich hatte mir (was sehr selten ist) an der Tankstelle meines Vertrauens ein belegtes Brötchen für lächerliche 2,99 € rausgelassen und mich zum Essen am Bahnhof an den Stand, auf Position 25 etwa, gestellt.
In dem Moment, in dem ich erwartungsvoll die Tüte öffne, klopft es an meine Scheibe:

„Sag mal, bringste mich kurz zum Mariannenplatz?“

Wäre er nur 5 Sekunden später gekommen, hätte ich mit „Felbverfbämfliff“ antworten müssen, ohne eine halbe Gemüsetheke im Mund gelang mir aber die hochsprachliche Artikulation.

„Letztes Mal hat mich der Taxifahrer ganz vorne gebeten, doch nach hinten zu gehen, ist das in Ordnung?“

Jein. Bitten oder Beten ist nicht verboten. Wie wir eingangs gelesen haben, ist dem Wunsch eines Fahrgastes aber Folge zu leisten. Mein übersensibler Kunde war tatsächlich gewillt, es allen Fahrern auf diesem Planeten recht zu machen, da war das sichtlich in Ordnung. Ich denke, ich kann für fast alle Fahrer sprechen, wenn ich sage: Wir freuen uns, wenn der Kunde sich über unser Geschäft Gedanken macht und eine kurze Fahrt mit einem der hinteren Taxen absolviert, weil diese noch nicht so lange gewartet haben. Selbst ich ärgere mich manchmal insgeheim, wenn ich nach einer Stunde Standzeit eine Tour für 5 € bekomme, das bleibt nicht aus, wenn man umsatzbasiert bezahlt wird.

Aber es ist und bleibt dabei: Der Kunde darf sich das Auto (und damit auch den Fahrer) aussuchen. Wir Fahrer mögen den ein oder anderen Kundenwunsch nicht verstehen, aber legitim ist er. Ob der Kunde sich das Auto aussucht, weil es an einer bestimmten Stelle steht, weil es neuer, größer, sauberer oder vielleicht doch eher gemütlicher, lustiger oder älter ist: Es ist sein Recht. Wir Taxifahrer haben eine Beförderungspflicht, und die gilt in einem siffigen Lada ebenso wie in einem frisch geputzten Mercedes.

Das Problem ist schlicht der Faktor Mensch. Jeder Taxifahrer geht anders mit seinem Job und den Kunden um. Und viele sind der Meinung, dass das ungeschriebene Gesetz, der erste bekomme die Tour, über der Taxiordnung steht.
Man sollte als Kunde nicht verwundert sein, wenn ein Fahrer den ersten in der Reihe vorschlägt. Es ist meist einfach ein Versuch, kollegial zu sein.
Ebenso finden sich aber natürlich auch Arschlöcher am Taxistand, die als letzte in der Reihe den Kunden mit der Kurztour wieder nach vorne schicken, „weil das so ist“, obwohl sie in Wirklichkeit nur dem Kollegen eine kurze Tour unterjubeln wollen und selber auf einen dicken Fisch warten.

Damit ist es ein leidiges Thema, denn es ist schwer, es allen Taxifahrern recht zu machen. Wir sind auch nur Menschen und haben alle ein bisschen verschiedene Ansichten. Wirklich beliebt sind kurze Strecken vielleicht nie – aber genau das ist ein Grund mehr, die Taxiordnung beim Wort zu nehmen und als Kunde zu entscheiden, mit wem man fahren will!

Ich würde wirklich gerne einen allgemeingültigen Tipp geben, welches Auto man als Kunde am ehesten wählen sollte – aber irgendwer in der Kollegenschar fühlt sich immer auf die Füße getreten. Vielleicht sollte ich es so machen:

Wenn sie eine kurze Strecke im Taxi fahren wollen, dann sagen sie das im Voraus und fahren dann mit dem Fahrer, der am nettesten reagiert. Und wenn sie das Gehacke um dieses Thema genauso stört wie mich, dann bedanken sie sich bei genau diesem Fahrer mit einem guten Trinkgeld und verzichten sie beim nächsten Nörgler ganz explizit (gerne mit Ansage) darauf. Vielleicht ändert sich dann mal was…

22 Kommentare bis “Das erste Taxi am Stand”

  1. So ein 100%iges Trinkgeld bei einer Kurzstrecke kann eben auch ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

  2. Taxiblogger sagt:

    Eigentlich müsste das Thema sein: was ist, wenn ich gaanz hinten, wo ich mich vielleicht auch noch absichtlich hingestellt habe, damit mich keiner stört, eben herzhaft in meine überteuerte, aber leckere Semmel beiße aber irgendein unsensibler Hirni mich trotzdem anquatschen muss – obwohl bei 25 Taxis der vorletzte Wagen doch wohl auch noch „hinten“ genug ist!?

  3. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Immer 😀

    @Taxiblogger:
    Man muss ihm zugute halten, dass ich ja noch nicht mal ausgepackt hatte 🙂
    Nein, ich finde es immer wieder erfrischend, wenn sich überhaupt mal jemand Gedanken macht. Ob der dann im Einzelfall auch mal mich „nervt“… naja, soll vorkommen. Aber wenn der erste sagt: „Nimm den letzten!“…

  4. Ratloser Taxikunde sagt:

    Tja, wie man’s macht, macht man’s falsch. Ich hatte vor einiger Zeit bei Sash schon mal angefragt, wie man sich als 8 € -Strecken-Taxikunde am Ostbahnhof den Taxifahrern gegenüber fair verhält (erstes Taxi in der Schlange nehmen, letztes, Mitte oder was?) und freundliche aber uneindeutige Antwort erhalten. Meine Lösung: ich habe jetzt beim Bahnfahren immer ein schickes Faltrad dabei und brauche keine Taxis mehr. Hm, wenn ich das so umrechne, könnte ich zwar für den Preis des Faltrades bis an mein Lebensende Taxi fahren … aber dafür muss ich mich von keinem Taxifahrer mehr anmuffeln lassen. Bin halt auch irgendwie übersensibel. Aber gesünder ist das Faltradfahren außerdem.

  5. Cliff McLane sagt:

    Erinnert mich an die Unmöglichkeit, mich + Freundin + Fernseher (kleine Röhre, die locker auf meinen Schoß passte) vom Saturn in Treptow nach der Wrangelstraße in Kreuzberg transportieren zu lassen. So richtig gerissen um die Tour hat sich da keiner, bis ich mir den unsympathischsten aussuchte und sagte, „so, und DU fährst uns jetzt“. Es gab kein Trinkgeld, und zwar, wie du auch rätst, „mit Ansage“. Wäre mir nur EINER freundlich gekommen, ich hätte gerne den doppelten Preis bezahlt. Hatte ja schließlich gerade im „Geiz-ist-geil“-Markt um die 50 Euro gespart. Da frag ich mich dann doch, was für Blindfische da Taxi fahren, denn dass ein TV-Transport sich auch auf Kurzstrecke lohnen könnte, weil mensch nicht gerne BVG fährt mit ’nem Fernseher unterm Arm, das sollte logisch erklärbar und außerdem offensichtlich sein.

    Aber das war eine der unrühmlichen Ausnahmen, sonst bin ich ja, wie bereits mal erwähnt, von den Hauptstadttaxlern relativ begeistert. Und ich bleibe dabei, die Münchner sind schlimmer, auch wenn du mir’s nicht glauben willst.

  6. Cliff McLane sagt:

    P.S.:
    Der neue Kommentar-Style ist sehr, sehr cool, und von mir aus brauchst du auch an der Leiste am rechten Rand nicht zu basteln, das Blog sieht sowohl in 4:3 als auch 16:9 extrem gut aus. Und dass man die Links erst beim Drübermauseln erkennt, wayne?

  7. missac sagt:

    Apropos Kundenwünsche-. Ich habe neulich auf der … Seite eines Berliner Rappers gelesen, dass er sich angeblich ein Taxi bestellt hat, damit der Fahrer für ihn zu McDoof fährt, das kauft was er haben will und es bei ihm abliefert. Sash würdest du solche Aktionen auch mitmachen?

  8. Joern sagt:

    Wo ist denn eigentlich die Grenze, ab wann eine Fahrt für einen Taxifahrer „Spaß macht“? Aus Deinen Blog-Beiträgen hier hatte ich den Eindruck, dass 20 Euro schon etwas sind, womit ein Taxifahrer seinen Tagesschnitt anheben kann.

    Als ich vor kurzem in Hamburg am Flughafen in ein Taxi gestiegen bin, hat der Fahrer (nicht unfreundlich) einen Kommentar abgelassen, dass er nach der Wartezeit auf etwas längeres gehofft hatte als nur so eine kurze Strecke … die immerhin 16 Euro gekostet hat.

  9. Ralf sagt:

    Vielleicht sollte ich mich als Fahrgast wie ein Anhalter mit einem Schild mit meinem Fahrziel am Bahnhof hinstellen und abwarten ob einer der Herren Taxifahrer so freundlich ist mich mitzunehmen.
    Man muss sich mal vorstellen aufm Markt könnte man keinen einzelnen Apfel kaufen weil der Markthändler schon seit 6 Uhr dort steht und darauf wartet das jemand 100 Äpfel kauft.

  10. Sash sagt:

    @Ratloser Taxikunde:
    Das Problem ist eben, dass ich nicht „die Taxifahrer“ bin, sondern nur einer. Insofern bleibt nur ein Hinweis auf die TaxO, mit dem Nebeneffekt, dass man damit sicher den ein oder anderen Fahrer nervt. Ich würde es ja gerne ändern, aber letztlich kann ich auch nicht mehr als erklären 🙁

    @Cliff McLane:
    Ja, die traurigen Ausnahmen bestätigen die Regel…

    @missac:
    Im Grunde gerne. Aber ich persönlich würde es wahrscheinlich nur machen, wenn ich die Leute kenne – also persönlich, nicht weil sie mal im Fernsehen waren 🙂
    Als Tour ist das im Grunde ja super für uns. Wenn ich mir jetzt allerdings überlege, wie viele Leute schon über den Taxitarif meckern, wenn sie selbst im Auto sitzen, dann will ich mir das Gezanke an der Haustür über den Preis gerne ersparen. Aber wenn einer von euch hier mal was vom Mac braucht… 😉

    @Joern:
    Im Prinzip gilt da dasselbe, was ich dem ratlosen Taxikunden geschrieben hab: Das hängt leider von den Umständen und noch mehr vom Fahrer ab. Vielleicht ist in Hamburg eine durchschnittliche Tour länger als in Berlin. Außerdem: Am Flughafen ist die Wartezeit ja sowieso meist länger. Also die Kollegen, die hier am Flughafen stehen, hoffen irgendwie immer auf ihre mindestens 30 € bis nach Mitte. Aber das soll jetzt nicht heissen, dass ich das irgendwie gutheisse.

    @Ralf:
    Wie du sicher schon gemerkt hast, nervt mich das auch, dass es so ist. Ehrlich! Ich würde mir auch wünschen, dass die Kollegen etwas kundenorientierter wären. Zum Vergleich mit dem Markt muss ich trotzdem anmerken: Der Kunde mit dem einzelnen Apfel verringert natürlich nicht die Möglichkeit, in 2 Minuten die geplanten 100 Äpfel doch noch zu verkaufen. Der Taxifahrer am Flughafen muss sich wieder hinten anstellen.
    Ich will die Zustände da wirklich nicht schönreden, aber natürlich möchte ich die andere Seite auch zu Bedenken geben.

  11. Ralf sagt:

    Vergleiche hinken immer ein wenig. Aber im Grunde genommen ist es ohnehin eine Milchmädchenrechnung. Denn es kann ja genauso gut sein das man am Zielort einer kurzen Tour einen Kunden aufgabelt der mit einer langen Tour für satten Umsatz sorgt.

  12. Sash sagt:

    @Ralf:
    Das ist allerdings wahr. Und die paar Ausnahmen, bei denen es so ist, bestätigen mich auch immer wieder 🙂
    Ich hatte heute übrigens schon wieder ein paar nette Trinkgelder, weil die Leute so froh waren, dass ich „sogar Kurzstrecke“ (unterwegs) mache oder „für das Stückchen“ auch noch extra Koffer einlade. Es ist ja nicht so, dass sich das nicht bezahlt macht. Vor allem, wenn man langfristig bezüglich Kundenbindung denkt. Ich frag mich echt, warum die „Kollegen“ das nicht schnallen…

  13. MsTaxi sagt:

    @Sash

    Da sagste was…

    Ich hab hier bei deinen Beschreibungen von Kollegen schon manchesmal gedacht: „Die Kerle müssten mal hier bei uns fahren.“ Durchschnittstour am Tage bei 5,40€, auf Einhaltung der Beförderungspflicht im Pflichtfahrgebiet wird streng geachtet und wegschicken die Reihe entlang am Stand, weil Nase von Oma nicht gefällt oder Strecke zu kurz, ist nicht.

    Ok, ich geb zu, wenn ich bei Wolkenbruch einer alten Dame die Einkäufe 50m durch den Regen trage und dann auf den Fahrpreis von 4,30 nur 20ct Trinkgeld kriege, schlage ich auch keine Räder vor Begeisterung, aber ich sag mir, das sind die Demutsfahrten, die das Schicksal einem abverlangt, damit man einem Sonntag dann hört: „Ich muss mit meiner Tochter jetzt 70km weit weg … und übrigens, könnten Sie uns heute abend auch wieder abholen?“ 🙂

  14. Sash sagt:

    @MsTaxi:
    Ich verstehe es auch wirklich nicht. Wir sollten doch alle wissen, dass sich das letztlich irgendwie ausgleicht…

  15. Schnettel sagt:

    Ich fahre selten mit Taxis. Ich wünsche mir aber schon sehr lange mal mit einem Nissan Maxima mit zufahren. Bei einer langen Warteschlange würde ich also immer in dieses Taxi einsteigen, wenn vorhanden und egal ob es vorne oder hinten steht. Dieses auch als Kommentar zu der Taxiordnung: Den Fahrgästen steht die Wahl der Taxe frei.

  16. Sash sagt:

    @Schnettel:
    Und das ist ja auch ok. Hat ja jeder so seine Beweggründe.

  17. Zero the Hero sagt:

    missac: hier™ wird im Sommer bei einem Grillabend schonmal ein Taxi bestellt und dem Fahrer ein Schein in die Hand gedrückt, er möchte doch bitte mal an der Tankstelle Bier holen bzw ein Kasten Bier direkt bei der Taxizentrale bestellt.
    Verdammte Dekadenz!

  18. Sash sagt:

    @Zero the Hero:
    Naja, wenn keiner mehr nüchtern ist, ist das vielleicht gar nicht so schlecht angelegtes Geld, oder? 😉

  19. […] Taxiverordnung darf sich der Fahrgast sein Taxi aus der Wartereihe aussuchen. Hierzu gibt es einen informativen Artikel von […]

  20. Stefan Grabe sagt:

    @Taxiblogger
    Ich glaube du hast den falschen Job gewählt oder die Taxiordnung nicht verstanden oder beides, wenn du Deine Kunden als unsensibele Hirnis bezeichnest.

  21. Stefan sagt:

    Ich bin sehr erfreut über dein Mindset, Sash.
    ?

    Weil ich sehr groß bin, passe ich zum Beispiel eigentlich in fast kein Auto richtig rein. Daher suche ich mir normalerweise eine E Klasse aus, weil ich erfahrungsgemäß dort relativ gut hinein passe. Die wenigsten Taxifahrer haben irgend ein Verständnis dafür. Außerdem habe ich keinen Bock auf eine regelmäßige Erklärung meiner „Behinderung“ oder meiner Präferenzen. Ich will einfach nur entspannt von A nach B befördert werden.

    Am Flughafen werde ich regelmäßig nach vorne geschickt, wenn ich mir ein geeignetes Fahrzeug aus der Schlange raus suche. Das ist meistens total nervig, ätzend und zeitraubend.

    Ich persönlich würde diesen Zustand, also die allgemeine Haltung der Taxifahrer, als desaströs bezeichnen.

    Vielleicht habe ich ja auch einfach nur die falsche Einstellung und müsste eigentlich viel rücksichtsvoller mit den Taxifahrern sein und viel mehr auf ihre Gefühle und Erwartungen an den Kunden eingehen..

  22. Sash sagt:

    @Stefan Grabe:
    Auf einen über sechs Jahre alten Kommentar noch aufgebracht zu reagieren, ist aber auch ziemlich übertrieben. Und mal abgesehen davon, dass der Taxiblogger ein sehr netter Kollege ist: Auch unter unseren Kunden gibt es unsensible Hirnis. Und obwohl man natürlich am Stand prinzipiell bereit zum Fahrtantritt sein sollte: Natürlich isst man da mal was. Und diese Tätigkeit ist nun wirklich für Menschen erkennbar und ganz unabhängig vom Taxifahren ist es durchaus üblich, es nicht zu ignorieren, wenn jemans isst und z.B. bei einer Anfrage im Falle akut verfügbarer anderer Ansprechpartner diese zu wählen.
    Ich fand die Wortwahl des Kollegen nicht so toll, dass ich sie um alles in der Welt verteidigen will, aber es liegt mir dann doch am Herzen, festzuhalten, dass auch wir Dienstleister ein Recht haben, uns über augenscheinlich nicht so clevere Kundschaft zu beschweren, wenn sie uns das Leben schwer machen.

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