Ende gut, alles gut!

Was ich öfter mal in Leserzuschriften und Kommentaren zu hören bekomme, ist, dass es für andere unvorstellbar ist, dass man als Taxifahrer nie so genau weiß, was man am Tagesende verdient haben wird. Das ist verständlich, schon alleine, weil es eine ziemliche Besonderheit ist. Wobei die Exotik dank zahlreicher Bonussysteme in anderen Bereichen ja durchaus Grenzen kennt. Was uns aber sogar noch von den in vielerlei Hinsicht finanziell ähnliche geschundenen Gastronomie-Mitarbeitern abgrenzt, ist wohl die Tatsache, dass es (zumindest hier in Berlin) nicht einmal einen noch so absurden Grundlohn gibt.

Aber, und das werde ich trotz aller Frechheit unserer Bezahlung nicht müde zu sagen: Dass im Laufe der Zeit wenigstens irgendwas passiert, ist im Grunde garantiert. Sicher, es gibt die ober-mega-hammer-miesen Schichten, von denen jeder Kollege am Stand erzählen kann, die Wahrscheinlichkeit lässt sich am Ende nicht austricksen. Das Beste aber ist: Man gewöhnt sich dran und geht viel schneller davon aus, dass eine Schicht scheiße läuft, als dass sie der Hammer wird. Mit dem Ergebnis, dass man – ok, zugegeben: vielleicht spreche ich hier nur von mir – viel öfter positiv überrascht wird als negativ.

Und da können wir zur Tour kommen. Die Schicht am vergangenen Freitag war ja alles andere als wirklich grottig verlaufen. Ein paar Touren sind schon zusammengekommen und auf einen normalen Werktag wäre ich mit den 140 €, die ich grob in der Kasse hatte, ja ganz zufrieden gewesen. Zumal viele Kollegen in den Stunden zuvor über schlechtere Ergebnisse gejammert hatten. Für einen Freitag war es natürlich alles andere als toll, insbesondere da ich – obwohl erst 4.30 Uhr – so langsam mit einem Feierabend in näherer Zukunft liebäugelte. Das Übliche „Na komm, eine Tour noch, dann reicht es auch mal!“.

Wider Erwarten wurde ich ausgerechnet am U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße rangewunken. Da ist zwar recht viel los in der Nacht, schließlich liegen dort im Umfeld einige Clubs verteilt – im Gegenzug sind dort aber auch massig Taxis unterwegs und obwohl ich dort immer auf Verdacht vorbeifahre, passiert so gut wie nie etwas.

„U-Bahnhof Leinestraße!“

„Kein Problem!“

In der Tat scheint es ziemliche Häufungen bei der Nennung von Bahnstationen als Ziel zu geben, die es erlaubt, irgendwann die meisten Anfragen mit „Kein Problem!“ zu beantworten, auch wenn man kaum 10% der Stationen wirklich kennt.

Eine Tour für vielleicht 12 €, schätzte ich grob. Mit Vergnügen nahm ich aber zur Kenntnis, dass das Pärchen sich in Überlegungen erging, auch ihre Heimreise – offenbar wohnte nur der junge Mann in Neukölln – mit dem Taxi anzugehen. Und das Fahrtziel Lichterfelde war zwar richtungsmäßig ziemlich genau das Gegenteil von Feierabend, die rund 30 € bis dorthin klangen im Gegenzug nach gutem Schichtabschluss.

Und das war es dann auch. Wenngleich ich mich einmal mehr gefragt habe, wieso Menschen eigentlich immer lügen müssen. Für 30 € hinkommen war kein Problem – da war sogar noch Platz für 2,40 € Trinkgeld. Aber was dieses „Mehr als 30 € hab ich aber nicht!“ soll, wenn man am Ende mit zwei Zwanzigern zahlt, das geht einfach nicht in meinen Kopf.

Aber sei es drum. War eine nette Tour, dank der netten Tour eine nette Schicht und gelogen wird ja so oder so immer.

15 Kommentare bis “Ende gut, alles gut!”

  1. Nia sagt:

    Eventuell hat die Dame sich nur fusselig ausgedrückt und meinte, „mehr als 30 € habe ich nicht übrig“, weil der Rest ihres Geldes schon verplant war. 🙂

  2. martin sagt:

    Gejammert wird bei uns viel. Ich hatte gestern von 6 bis 12 uhr keine 20 euro auf der uhr. Am abend hatte ich über 300. Ich sage immer abgerechnet wird am ende des tages…und falls der tag schlecht war…wartet man eben die monatsabrechnung ab. Den meisten fehlt es an geduld. Ohne geduld ist dieser beruf eine folter..mit geduld ein traum.

  3. martin sagt:

    Toll ist auch wenn sie verhandeln wollen “ mehr als 20 habe ich nicht „….und danach begleichen sie die rechnung mit einem 100 euro schein…

  4. Erklärung ist einfach: Die restlichen 10 Euro brauchte er für Kondome. 😉

    Nur weil noch Scheine im Geldbeutel sind, heißt das nicht, dass diese noch für den Taxifahrer gedacht sind. 😀

  5. no0815girl sagt:

    Evt. hatte er die restlichen 10 schon für was bestimmtes verplant? Sowas könnte ich auch sagen, wenn ich mal knapp bei Kasse bin und nur 30 eingeplant hatte. Dann „habe“ ich nicht mehr, weil der Rest des Geldes vielleicht noch einen Tag lang fürs Essen reichen muss.
    Aber im Normalfall macht das wirklich keinen Sinn und in meiner Situation würde ich das auch anders formulieren (Mehr als 30 kann ich Ihnen nicht geben).

  6. obscurum sagt:

    „Wobei die Exotik dank zahlreicher Bonussysteme in anderen Bereichen ja durchaus Grenzen kennt.“ Fehlt da ein „keine“ oder verstehe ich denn Satz einfach nicht? :O

  7. obscurum sagt:

    DEN Satz, DEEEEN, nicht „denn“. 🙁

  8. martin sagt:

    Wenn ich knapp bei kasse wäre…würde auch nicht taxi fahren. Wir sind oft 5 km zur disko und zurück…zu fuss. Aber bei uns fahren sogar die arbeitslosen vom bhf zum arbeitsamt mit dem taxi ( 10 min gehzeit )

  9. Senfgnu sagt:

    Naja, 5 km geht ja auch locker zu Fuß in geselliger Runde und mit zwei Bier Wegzehrung. Im Winter würd ichs ab -10 Grad wohl aber eher lassen.

  10. Paul sagt:

    Ganz ehrlich? Diese Lügerei ist total normal.

    „Bringst du uns für’n Zehner nach [ein oder zwei Stadtteile weiter]?“
    „Zehn Euro wird ziemlich knapp.“
    „Wir haben aber nicht mehr dabei!“
    „Sorry, für zehn Euro fahr ich nicht.“
    „Naja fahr erstmal, wir können ja schon vorher raus…“

    5 min später:

    „Wir sind jetzt bei 10 Euro.“ (Ich bleibe stehen)
    „Wir haben noch Geld!“
    „Wirklich?“ (gespielt verwundert)
    „Ja, kein Problem.“

    2 min später:

    „11,50 bitte“
    „Machste 12, bist’n echt netter Taxifahrer bla, furz“

    Schon gefühlte tausend Mal gehabt…

  11. Sash sagt:

    @Nia, Der Maskierte und no0815girl:
    Es ist aber ein Unterschied, ob man sich nicht mehr leisten kann oder nicht mehr dabei hat. Ich hab echt Verständnis dafür, dass man auch noch andere Dinge außer dem Taxi bezahlen muss oder will. Aber ich hatte auch schon die Typen, die dann gesagt haben: „Schaffen wir das für 25? Ich hab nämlich nur noch 30 bei und will mir noch’n Döner holen.“
    Sicher: Der Unterschied könnte mir persönlich egal sein, es ist ja klar, dass sie nicht mehr als Betrag x für mich ausgeben wollen. Das Problem ist, dass viele versuchen, das in eine Art Druck umzuwandeln, ich müsse sie ja doch mitnehmen, auch wenn es nicht reicht, wir sind so arm, bla keks.
    Mensch hat 30 Euro, Mensch will Döner und Taxi. Aber alle fangen sie dann im Taxi an zu feilschen, nicht erst beim Döner. Das schwingt dabei halt alles mit und deswegen ärgert mich das in der Regel so.

    @martin:
    Wie wahr …
    Mit einem Hunderter hatte ich diesen Spaß echt noch nicht. Ich glaube, da würde sogar ich was sagen.
    Ansonsten bin ich ehrlich gesagt sehr froh über die Leute, die auch noch ihre letzte Kohle ins Taxi investieren. Ich finde, arg viel mehr Wertschätzung kann man unserer Dienstleistung doch gar nicht entgegenbringen.

    @obscurum:
    Ich glaube, es liegt an Dir. 🙂
    Die Exotik (der Bezahlungsweise) ist begrenzt, da es das auch anderswo gibt. – jetzt verständlicher?

    @Paul:
    Das isses ja, das isses ja …

  12. obscurum sagt:

    Achso 😀 Ich dachte, dass die Exotik der Bezahlungsweisen insgesamt sei unbegrenzt, und deswegen sei die Bezahlungsweise beim Taxi gar nicht sooo exotisch. Danke für die Erklärung.

  13. Aro sagt:

    Hätteste doch einfach auch auf 30 EUR rausgegeben. Mehr hatten sie ja nicht 😉

  14. Ana sagt:

    Obwohl ich absolut deiner Meinung bin, Sash (wenn schon lügen, dann auch nicht mehr aus der Potte ziehn ;)), hat mir eine Bekannte mal anvertraut, dass sie das bei jeder Taxifahrt macht, bei der sie ahnt, wie viel das kosten könnte.

    Ihre Begründung: Ständig würde sie als kleines Ding mit Umwegen belastet, die mehr kosten als eigentlich rechtens wäre und sie träute (<-!) sich dann nicht aufzumucken. Wenn sie direkt angibt, nicht mehr als X zahlen zu können, würde das ausbleiben.

    Ob das nu auf ein- zwei schlechte Erlebnisse zurückzuführen ist oder statistisch nachweisbar wäre, weiß ich nicht.

  15. Sash sagt:

    @obscurum:
    Ich hab mich ja auch schon mal unkomplizierter ausgedrückt – muss ich ja zugeben. 😉

    @Aro:
    Fies. Aber sicher lustig.
    Und lohnend. 🙂

    @Ana:
    Ich kann’s auf persönlicher Ebene schon nachvollziehen. Auf der anderen Seite ärgert es mich aber auch. Ich halte von diesen Kollegen mit ihren Umwegen bekanntlich nichts. Aber gerade wenn es öfter passiert, bliebe ja die Möglichkeit, beim Einstieg schon zu sagen: „Letztes Mal bin ich Weg X gefahren, das hat 9,50 € gekostet, kriegen wir das heute auch hin?“
    Dass man keinen Stress will, ist völlg ok und da ist so eine kleine Notlüge natürlich ein eleganter Weg. Auf der anderen Seite sind die einzigen Leute, die dafür sorgen können, dass betrügende Fahrer nicht weitermachen, die Kunden, die sie betrügen.

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