Der Fluch des Zinses

Jetzt hab ich neulich erst eingestanden, dass ich es bisher nicht geschafft hab, mein brasilianisches Geld loszuwerden, also umzutauschen. Aber gut, alles kein Drama. Und als ich nun in meinem Portemonnaie herumwühlte, fand ich das hier:

25 Centavos aus Brasilien: Zeugnis spontaner Geldvermehrung? Quelle: Sash

Anstatt das brasilianische Geld loszuwerden, wird es also immer mehr. Na super! Machen die Scheinchen im Geldbeutel unanständige Dinge und nach langer Zeit kommen dann Münzen dabei raus – oder wie? 😉

Das wirklich lustige daran ist, dass ich diese Münze definitiv nicht von der Familie aus dem oben verlinkten Artikel bekommen haben kann, sondern sie erst später bei mir landete. Ein wirkliches Drama sehe ich da allerdings auch nicht drin. Sicher, wahrscheinlich ist das Ding irgendwann mal statt einem 50ct-Stück oder einer Euro-Münze bei mir im Geldbeutel gelandet, aber der Verlust durch falsch erkannte Münzen hält sich bei mir doch stark in Grenzen. Waren bislang drei Fälle mit einem Gesamtschaden von um die 4 €. In dreieinhalb Jahren Taxifahren. Falls es vorsätzlich war, war es nicht nett – aber ansonsten passiert sowas halt mal. Im Gegenzug haben die Kunden im Laufe der Zeit sicher schon über 50 € bei mir im Auto verloren …

Selektive Wahrnehmung

Die Kundin stand schon eine ganze Weile am Ostbahnhof am Taxistand rum. Sie telefonierte, checkte dies und machte das, am Ende habe ich nicht mehr erwartet, dass sie ein Taxi braucht. Manche kommen ja auch nur zum Rauchen vor das Bahnhofsgebäude und verschwinden nach einiger Zeit wieder darin. Aber jetzt hab ich schon Kundin geschrieben, was den Überraschungseffekt natürlich etwas mindert, wenn ich sage, dass sie dann zu mir ans Taxi kam.

Würde meine bessere Hälfte mich fragen, so würde ich sagen, dass sie nicht mein Typ war, alle anderen dürfen sie sich aber gerne als  Klischeebild einer attraktiven Frau vorstellen. Glücklicherweise stellte sie sich umgehend als sehr sympathische Person heraus, eine eloquente und gebildete Frau um die 30, die aus den Niederlanden kam und mich in perfektem Deutsch fragte, ob ich sie zur Adresse ihrer inzwischen in Deutschland wohnhaften Kumpels bringen könnte. In die Stralauer Allee. Keine sonderlich lukrative Tour, aber so ist das Leben.

Wir fuhren an der East Side Gallery entlang und bei der für die O2-World in die Mauer geschlagenen Lücke meinte sie:

„Oh, ist das hier der Fluss, die Sprih? Ich bin mir nicht sicher, wie man das ausspricht.“

„Die Spree? Ja, das ist sie.“

„Oh, Spree heißt das. Danke.“

Keine zwei Minuten später waren wir am Ziel und sie fragte:

„Welcher Stadtteil ist das hier?“

„Das ist noch Friedrichshain.“

„Ist das Ost- oder Westberlin?“

„Es war Ostberlin, aber – wir sind ja gerade an der Mauer entlanggefahren – nicht sehr weit im Osten.“

„Die Mauer? Echt, wir sind an der Mauer vorbeigefahren?“

1,3 km Mauer. Die nur 40 Meter Loch in dieser Mauer haben gereicht, dass sie den Fluss erkennt … das ist beachtliche Verdrängung! 🙂

Sucherei

Ich musste unwillkürlich an das Sprichwort mit dem Hund und der Pfanne denken, als ich die beiden Winker sah. Schon wieder welche! Die Nacht lief super und jeder weitere Winker sollte daran natürlich einen Anteil haben.

Die beiden Jungs, vielleicht 20 Jahre alt und mit einer Hautfarbe gesegnet, die man als latent rassistischer Spitzenpolitiker in einem EU-Land als „gut gebräunt“ bezeichnen könnte, blickten mich etwas ratlos an, waren dann aber zumindest froh, dass wir uns gut auf Englisch unterhalten konnten. Sie wollten in einen „It-Club“ – der natürlich keine Adresse hatte. Kaum drei Minuten später haben wir uns immerhin auf eine Schreibweise einigen können: AET-Club, oder nur AET. Aber ganz sicher AET. Kommunikationsfail ausgeschlossen dank Buchstabeneingabe im Navi.

Der sagte mir gar nichts.
Der sagte dem Robertha gar nichts.
Und, das vielleicht bedenklichste – er sagte auch Google nach einer kurzen und dank Smartphone eingeschränkten Suche gar nichts.

Ob diese Fahrt zustande kommen würde, war also höchst unklar. Denn ich will das einfach nicht mehr machen: dieses suchende Herumkurven mit ungewisser Ankunft. Am Ende besteht immer die Gefahr, dass man als Taxifahrer natürlich schuld ist. Ob am nicht gefundenen Club oder einfach nur am hohen Preis bis dorthin. Und wenn Ortskunde, Robertha und Google nicht helfen können, dann muss man auch mal zugeben, dass es eine reichlich schwierige Adresse ist.

Mein neugewonnener Möchtegern-Kunde vertröstete mich kurz und begann damit, gefühlt das komplette Adressbuch durchzutelefonieren. Und nach meiner Schätzung hatte sein Handy 64 GB Speicherplatz. Nur fürs Adressbuch.

Die meisten Telefonate freilich kamen gar nicht zustande, da es fast vier Uhr morgens war und er offenbar einige Kumpels mit vernünftigen Schlafenszeiten hatte. Ein paar Wortfetzen wechselten allerdings dann doch den Besitzer und so bekam ich als Ansage den Alexanderplatz. Zum einen nicht gerade eine bombige Tour von der Friedrichstraße aus, zum anderen für meinen Geschmack immer noch ein bisschen grob. Der Alexanderplatz ist schon in der Ortskundeprüfung ein Ungetüm, aber im Wissen, dass manche Berliner den Alex gedanklich vom Schloßplatz bis zum Volkspark Friedrichshain und vom Straußberger Platz bis zur Jannowitzbrücke verorten, war meine Sorge übers Auffinden eines Clubs immer noch präsent. Gut, im eben genannten Gebiet wäre mir zwar eine Handvoll eingefallen, aber eben keiner mit dem gewünschten Namen.

Aber mir wurde versichert, dass man den Platz erkennen würde, wenn wir am Alex wären. Also Uhr an und los. Jetzt hatte ich so viel Zeit mit den beiden Jungs rumdiskutiert, jetzt wollte ich die Tour auch machen!

Kaum dass wir auf Unter den Linden angekommen waren, eröffnete ein weiteres Telefonat als Adresse dann die Rosmarinstraße (die mir dank einer anderen Fahrt dauerhaft im Gedächtnis geblieben ist). OK? Das war nun wirklich irrwitzig, da das – noch dazu Ecke Friedrichstraße – kaum 300 Meter Luftlinie vom Startpunkt entfernt gewesen wäre. Und wir inzwischen gut 12 Minuten miteinander zugebracht hatten …

Aber – ein bisschen hab ich mich ja sogar darüber gefreut – dank der perversen Sperrungen dort sind wir auf einem mehr als nur abenteuerlichen Weg letztlich am Club gelandet:


Größere Kartenansicht

(Am Ende stimmt die Route übrigens nicht ganz, denn ich habe durchaus an der Ecke Friedrichstraße/Behrenstraße das Angebot gemacht, sie sollten die paar Meter laufen. Aber den Weg über die Behren- in die Charlottenstraße wollte Google Maps mir gerade nicht erlauben.)

Was kaum zu glauben, dafür umso schöner war: Die beiden zeigten mir sichtbar stolz den Clubeingang und bezahlten die inzwischen aufgelaufenen 8,40 € trotz des Trubels und des Irrsinns der Fahrt mit glatten 10 €. Ich war trotzdem froh, dass die nächsten Winker mich für sogar etwas mehr Geld nicht einmal die Hälfte der Zeit gekostet haben. Aber wie sagt man so schön: Ende gut, alles gut! 🙂

Taxitest bei RTL

RTL strahlt gerade (23.7.2012, 22.40 Uhr) einen Taxitest aus. Für alle, die das erschrocken zur Kenntnis genommen haben: Das ist ein alter Test, wurde schon letztes Jahr ausgestrahlt und mein Artikel dazu war – wie ich immer noch finde – zu Recht vernichtend und wurde auch vom bildblog damals weiterempfohlen.

Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Zum lachen?

Vanessa (@nessi6688) hat mir gestern abend bei Twitter mal eben einen Link zu einem Comic geschickt. Den reiche ich gerne an euch weiter:

Tim Dinter: Kurzstrecke

Darüber hinaus wollte ich mich zu diesem Anlass bei den vielen Kollegen bedanken, die tagtäglich mit unermüdlichem Einsatz geradezu dafür kämpfen, dass wir Taxifahrer in Berlin als so liebenswerte Menschen wahrgenommen und dargestellt werden, wie Tim Dinter es hier exemplarisch getan hat!

/ironie

Ob die Kurzstrecke dem Taxigewerbe nützt oder schadet, kann man geteilter Meinung sein. Ich kenne die Zeit vor der Kurzstrecke nicht, hab allerdings bisher auch nicht mehr Aussagen als „Früher war alles besser“ gehört. Da sich das wahlweise auf die Wiedervereinigung Berlins, die Euro-Einführung, die Kurzstrecke, die letzte Tariferhöhung, den letzten Sommer oder die letzte Tour bezieht, will ich mich nicht zu einer endgültigen Aussage hinreißen lassen, die eventuell falsch ist.

Was ich aber ganz sicher sagen kann: Wir Taxifahrer hätten mehr Geld zum Leben, hätten wir mehr Kunden. Inwiefern das hier so schön skizzierte Verhalten dazu beitragen soll, Kunden zu gewinnen oder an die Dienstleistung Taxi zu binden, kann ich aber nicht wirklich erkennen.

Und ebenso wie ich es den Kunden immer sage:

„Es geht um 2,60 €. Das ist alles! Ist das den ganzen Stress wirklich wert?“

Danke.

Ganz bescheiden mit Punkt, nicht laut herausgebrüllt mit Ausrufezeichen, wollte ich gerne aus aktuellem Anlass mal wieder danke sagen:

Danke.

Danke, dass ihr so wahnsinnig gute und nette Leser seid. Abgesehen davon, dass wir uns hier selten ernsthaft streiten und ich trotz einiger Popularität von GNIT so gut wie nie Kommentare löschen muss oder mit Sorgenfalten im Gesicht antworten, möchte ich mich auch nochmal ganz konkret für all die nicht-emotionalen, sondern sachlichen und finanziellen Geschenke bedanken. In letzter Zeit wurde wieder mal mehr Zeug von meiner Amazon-Wunschliste gekauft und auch die Bestellungen über meinen Amazon-Link reissen nicht mehr wirklich ab.

Natürlich tut das Bestellen über einen Ref-Link nicht weh und viele von den Geschenken sind kleine Dinge. Noch viel absurder: die größeren Dinge sind meist eher Want-Haves oder Could-Haves, nicht wirklich Must-Haves. Aber allem gemein ist, dass ich sie ohne euch nicht hätte. Denn ja, vieles hätte ich mir selbst wohl nicht angeschafft. Es ist ja kein Geheimnis, dass mein Konto stets leer ist. Das soll kein Gejammer werden, denn ich hab das selbst in der Hand. Wenn es mal brennt, dann hänge ich halt eine Schicht im Taxi extra dran, auf wen außer mich selbst sollte ich da schon ernstlich schimpfen?

Aber Fakt ist, dass mir schreiben am Ende noch mehr Spaß macht als mein Job auf der Straße. Was schon eine hohe Messlatte ist. Und während ich mich de facto immer noch rumquäle mit der ersten Buch-Veröffentlichung, schreibe ich hier täglich und nebenan immerhin noch oft genug, dass es noch gerade so als regelmäßig durchgehen könnte.

Und nicht nur, dass es schön ist, dass ich mir die Zeit nehmen kann, weil ich ein paar Spenden über Flattr kriege oder ein paar Leute gelegentlich mal die Werbung interessant finden und draufklicken: Jedes geschenkte Buch – und sei es ein Comic für einen Fünfer – erweitert meinen Horizont, meinen Humor, mein Wissen. Und abgesehen von praktischer Übung gibt es nichts, was mehr hilft beim Schreiben als Bildung und Wissen. Fast schon egal, welcher Art – denn selbst abschreckende Beispiele braucht es ja manchmal. 😉

Was das Ganze letztlich aber geradezu absurd geil macht, ist, dass ihr es mir schüchternem Kerlchen erspart, euch immerzu anzubetteln! Da bin ich nämlich echt eine Niete drin. Abgesehen davon ist es natürlich toll zu sehen, dass viele mein Schreiben einfach so zu schätzen wissen und gerade indem sie mir hier und da und auf welchem Wege auch immer irgendwas zukommen lassen, dafür sorgen, dass ich hier einfach drauf losschreiben kann, ohne dass ich mir Gedanken über aggressiv-machende Layer-Ads, Bezahlschranken oder sonstigen (wirklich unerträglichen und hier niemals Einzug haltenden!) Rotz machen müsste.

Wenn ich mich in den Kommentarspalten und überhaupt den Blogs anderer Schreiber umschaue, muss ich einfach immer wieder feststellen, dass ich mit keinem da draussen tauschen möchte. Selbst wenn die ein paar Euro mehr über Flattr reinkriegen. Und das liegt nun wirklich nicht an mir, sondern an euch. Und deswegen noch einmal:

Danke.

PS: Wenn ich nach all den Geschenken noch einen Wunsch frei haben sollte, dann wähle ich diesen: Verlinkt GNIT, wenn es euch gefällt! Ob in Blogs oder Social Networks, ob einzelne Artikel oder die Seite an sich – was auch immer! Egal! Wer, wenn nicht die Freunde der weltbesten Leser, sollten die neuen weltbesten Leser sein?

(ein Bisschen kann ich das mit dem Betteln dann ja doch … 😉 )

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Die Sendung mit dem Taxi

Irgendwo hatte ich es bereits mal erwähnt, dieses Video. Nun hat mich allerdings Christoph (@ch_lob) bei Twitter nochmal darauf gestoßen. Und man muss es sich wirklich mal reinziehen:

Ohne allzu vorschnell sein zu wollen und ohne zu vergessen, dass das Video für Kinder gemacht wurde und jetzt 40 Jahre alt ist: Das ist wohl die schlechteste „Doku“ übers Taxifahren, die ich bislang kenne. Ich will meinen Job nicht unbotmäßig in den Himmel loben, aber schon dieses minutenlange „Fahren. Schalten. 100 Meter, ein Groschen.“ ist so abgrundtief schlecht. Wer das gesehen hat, muss ja glauben, dass sich Taxifahrer durch Roboter ersetzen lassen.

Wenn ich mal versehentlich einen GNIT-Eintrag in dem Stil schreibe, hab ich doch am nächsten Tag 200 Leser weniger. Kein Wort darüber, dass man verschiedene Leute im Auto hat (also mehr als nur eine Zahl), kein Wort über irgendwas. Nur fahren, schalten, 100 Meter, ein Groschen.

Keine Frage, Langeweile kenne ich auch zur Genüge aus dem Alltag, aber das kann einen echt traurig machen.

Ich glaube, ich kann selbst für die Kollegen sprechen, die ihren Job nicht so gerne machen: Wenn wir an eines nicht ständig denken, dann ans Fahren und ans Schalten. Ans Geld vielleicht, aber sicher auch nicht alle 100 Meter 😉