Begegnung der dritten Art

Ein paar Jungs vor dem Berghain haben meinen Großraumwagen gesichtet. Ich hab ihnen mehr oder minder schon bedeutet einzusteigen, da fragte mich einer – ich schildere das jetzt auf Deutsch, weil der Dialekt, den die im Englischen hatten ohnehin unter aller Sau war – ob ich ihnen ein Taxi rufen könnte.

Hä?

Naja, insgesamt seien sie sieben Leute. Gut, das packt mein Autochen nicht – zumindest nicht legal – aber so ganz verstand ich ihr Anliegen nicht. Also natürlich wollten sie einen Bus haben, aber warum sollte ich da anrufen? Aber klar: Der Funk! Sie hielten mir ein Kärtchen (von der anderen Zentrale) unter die Nase.

Ich funke ohnehin ungern einfach so. Ich nutze den Funk sonst nicht und hab eigentlich keinen Bock, da immer nur als Bittsteller stellvertretetend für die ganz Eiligen aufzutreten. Außerdem ist das ja kein bisschen stressfreier als dort anzurufen. Also warum sollte ich das machen und nicht die Kunden selbst? Ich hab da keinen geheimen Knopf, der die Kollegen schneller kommen lässt oder sowas in der Art – und natürlich schon gar nicht bei einer anderen Zentrale 😉

Ich hab ihnen das irgendwie zu verklickern versucht, vor allem aber gefragt:

„Warum soll bitte ICH das tun?“

Unerwartete Antwort:

„Wir haben kein Telefon.“

Bitte was??? Im Jahr 2012 am angesagtesten Club der Welt (mindestens!) haben sieben (!) Leute kein Telefon?

Muhaha!

Danach hab ich erstmal nach ihrem Fahrtziel gefragt. Sie haben geantwortet, dass sie zum Alex müssten. Ich hab ihnen dann spontan mal vorgerechnet, dass – egal wer es wann woher ruft – ein Taxi für acht Leute ein wenig brauchen könnte und sie insgesamt höchstens drei bis fünf Euro mehr zahlen würden, wenn sie zwei Taxen nehmen würden. Damit hatte ich dann eine Tour zum Alex…

Wenn jemand noch Fragen hat, weswegen ich das ungerne mache: Bitte in den Kommentaren. Aber davor:

Kein Telefon!!! Muhaha!!! 😉

Ein Jahr weg…

„Kannste mich zum Maria bringen?“

„Klar – also wenn du das Ex-Maria meinst.“

„Ja nee, also das hier, das Maria am…“

„Ostbahnhof!?“

„Genau. Wieso Ex?“

„Naja, das heißt ja nicht mehr Maria. Erst ADS und jetzt hat es glaub ich schon wieder einen neuen Namen, bin mir aber nicht sicher.“

„Scheiße Alter, ich war ein Jahr im Knast! Hab ich nicht mitbekommen!“

Unter seinen leicht fettigen lockigen Haaren sah er mich recht lieb an, ein wenig auf der Suche nach Zustimmung oder dergleichen. Probleme mit Knackis hab ich keine. Ich wüsste auch nicht, wieso ich welche haben sollte.

Im vorliegenden Fall war ich mir nur unsicher, ob ich es mit einem Spinner zu tun hab. Zum einen hat er es tatsächlich mit einem Verkehrsdelikt und dem anschließenden Versemmeln / Verweigern der Sozialstunden in den Knast geschafft, andererseits hat er auf mich nicht ganz auf der Höhe seiner geistigen Schaffenskraft gewirkt. Aber er war ja auch seine Freilassung feiern.

Viel später als für den direkten Weg notwendig kündigte er an, noch eine bestimmte Bank aufsuchen zu wollen. Den Zehner fürs Taxi hatte er zwar locker einstecken, aber ganz für einen sorgenfreien Abend reichte es eben nicht. Schon gar nicht in einem Club. Und er wollte sich immerhin gepflegt einen hinter die Binde kippen, ein bisschen Koksen, vielleicht noch ein Mädel auf einen Drink einladen, bla keks… das Übliche. Nicht billig. Ich weiß, warum ich mein Bier im Supermarkt kaufe, keine anderen Drogen nehme und meine bessere Hälfte vertraglich an mich gebunden habe 😉

Mein Kunde indes freute sich geradezu auf die Bank und erzählte mir stolz, dass er im Bau auch regelmäßig gearbeitet hätte und deswegen jetzt ein paar Euro auf der hohen Kante hätte. Die Vorfreude auf den ersten Abend in Freiheit war ihm wirklich sehr direkt anzumerken. Die bis dato getrunkenen Bier allerdings auch. An der Bank war dann die Frage, was er als Pfand dalassen könnte. Da er weitgehend ohne sinnvolles Gepäck reiste, schlug ich seine Jacke vor. Ich machte ihn allerdings auch darauf aufmerksam, dass ich – auch wenn es nicht erlaubt ist – einen Ausweis dennoch akzeptieren würde. Bekommen habe ich beides. Na gut.

Der Bankbesuch war an sich auch kurz, allerdings kam mein Fahrgast staunend wieder heraus:

„Mensch, die ha’m die janze Bank umjebaut in dit Jahr!“

Ich stelle mir das dazugehörige Gefühl wirklich sehr seltsam vor…

Im Auto angekommen schnappte er sich seinen Ausweis und pfrimelte sich etwas unbeholfen in seine Jacke. Er biss dabei die Lippen aufeinander, ächzte und zerrte, stöhnte und fummelte. Aus Gewohnheit fragte ich einfach:

„Kann ich losfahren?“

Die Uhr lief, es war als nette Geste gedacht.

„Nee! Sach mal, du kannst doch nich…“

„Was? Was ist los?“

„Ey, Alter!!! Ick bin noch nicht anjeschnallt!“

So sehr ich das zu schätzen weiß, so sehr hat es mich bei einem verurteilten Verkehrssünder amüsiert 🙂

Die Fahrt zum Maria verlief dann unspektakulär und ich hab zu den 16,80 € Fahrpreis (ohne Umweg über die Bank vielleicht ein Zehner!) auch lockere 3,20 € Trinkgeld bekommen. Und ihm viel Spaß gewünscht. Auf die ein oder andere Art hatte er das sicher verdient.

Kurz ist was anderes

Nachmittags schreibe ich ja nur kurze Artikel. Manche Touren dauern allerdings etwas länger. Insbesondere, wenn man die verschiedenen Formen von Vorspielen betrachtet, die hier und da zwischen Kundschaft und Fahrer anfallen. Würde ich in sich schlüssig die Geschichte der einen Tour von heute Nacht erzählen, müsste ich zumindest bis eine Stunde davor ausholen. Zu diesem Zeitpunkt war ich nur so mittel begeistert vom Umsatz der letzten zwei Stunden und habe beschlossen, meiner besseren Hälfte einen Herzenswunsch zu erfüllen und ihr Zigaretten zu holen.

Nach einer kurzen Lektion in Berliner Schnauze gelang mir das auch. Ich stand also kurz danach vor der Haustüre, woraufhin plötzlich mein Handy plärrte. Es war Jo. In letzter Zeit war er ein ziemlicher Pechvogel im Versuch, mich als Fahrer zu kriegen. Mal war ich – wie jetzt – auf Tour in Marzahn, mal gleich ganz zu Hause und unmotorisiert. Also hab ich abermals meine nur bedingt wehleidig klingende wehleidige Stimme aufgesetzt und gefragt, „was geht“.

Sehr zu meinem Entzücken konnten wir uns allerdings darauf einigen, ihn mit Begleitung erst in einer halben Stunde in Friedrichshain aufzusammeln. Jo versprach auch gleich eine lohnende Tour – was aber nicht den Ausschlag für meine Zustimmung gab. Kurz eine Kippe mit Ozie, danach schnell die fünfeinhalb Pferde gesattelt, die unter der Haube des Opels meist schlafen und los ging es. 13 Minuten später war ich am Ziel und das beinhaltet eine Menge Glück und schon rein rechnerisch die ein oder andere Geschwindigkeitsübertretung.

Nein, im Ernst: Es war schon ok so 🙂

Mit Jo in Friedrichshain aufgegabelt habe ich Jörn von meine-url-ist-laenger-als-deine.de, es war also letztlich eine Tour von, für und mit Bloggern. Bei Jörn wird man derzeit aber wohl eher weniger übers Taxifahren, als mehr über die aktuell hier in Berlin stattfindende re:publica 12 lesen können. Die unterhaltsame Fahrt endete natürlich nicht mit Jörns Ausstieg in Kreuzberg, sondern führte mich anschließend noch zu Jo, dessen Adresse ich inzwischen auswendig kenne – was er damit torpediert, sich immer aus anderen Richtungen hinbringen zu lassen, so dass ich immer noch das Navi anschalte 😉

In Übereinstimmung mit der Prophezeihung dem Taxitarif haben wir bezüglich Raucherpausen und Fahrtunterbrechungen eine halbwegs faire Lösung gefunden, die durch das gegebene Trinkgeld zwar ad absurdum geführt wurde, mich als Nutznießer aber erfreut. Mal abgesehen davon war das Trinkgeld jenseits dieser Tour eher mau.

Zum Abschied sag ich mal: EYYY!!!

Brücken-Dings

Der Kollege Rob hat sich vor Lachen schon nicht mehr halten können, als ich mich auf ein Gespräch mit dem Typen eingelassen habe. Ich teile Robs Einstellung zu diesen und jenen Fahrgästen nicht unbedingt, aber in dem Fall hab ich mich auch zurückhalten müssen. Der Kerl, der mich da hinten in der Schlange angequatscht hat, war breit wie ein Luftschiffhangar.

Er fragte mich, ob ich ihn auch für eine kurze Tour mitnehmen würde. Den Satz allerdings hat er auf so abenteuerliche Weise entstellt, vernuschelt, wiederholt verschachtelt und durch Schluckauf-Geräusche ergänzt, dass er am Ende länger gedauert hat als die nachfolgende Fahrt selbst. Sein Ziel war von besonderer Qualität:

„Hier dieses Marchlewski-Hicks-Brücken-Dings! Da an der Ecke gleich.“

Aha.

Nun liegt die Marchlewskistraße unweit des Ostbahnhofs und Brücken haben wir auch ein paar. Nur dummerweise passen diese beiden Informationen schlecht zusammen. Mit sehr viel Humor könnte man die Warschauer Brücke vermuten, sein Finger zielte indes auf die gesamte Südhemisphäre von Mitte bis Neukölln. Ja nu?

„Ich kann dich leiden!?“

Na dann mach mal! Oder danke, du bist auch ein Netter? Keine Ahnung. Ich hab es riskiert. Ich war mal wieder erst ein paar Minuten da und da sind mal eben 5 € auch in Ordnung.

Und? Wer glaubt zu wissen, wo es hin ging?

Noch mehr Wechselgeld…

Wo wir heute morgen schon beim schönen Thema waren: Mir ist da noch ein Typ eingefallen.

Besagter Typ schlich am Ostbahnhof auffällig unauffällig am Taxistand herum. Ganz offensichtlich wollte er ein Taxi nehmen, aber irgendwas hielt ihn zurück. Ich hab meinen Blick in die Runde schweifen lassen und eine ziemlich bunte Auswahl an Taxen vorgefunden: Vier oder fünf verschiedene Marken, von der Limousine bis zum Bus. Von 2 Kollegen wusste ich, dass sie Kartenzahlung anbieten und wer weiß – vielleicht war das sogar einer der raren Momente, in dem wir eine Babyschale hätten auftreiben können.

Aber der Typ war alleine und ohne schweres Gepäck unterwegs – was sollte also sein?

Irgendwann, nach 15 Minuten vielleicht, hat er sich an ein Auto herangewagt und ist danach wieder verschwunden. Ich bin mit einem ebenfalls interessierten Kollegen zu dem Auto und hab den Fahrer gefragt, was er wollte.

„Der hat jefracht, wer hier von uns ’n Fünfhunderter kleenmachen könnte…“

„Wo wollte er denn hin?“

Ich meine, bei Touren über 450 € kann man ja zuschlagen 😉

„Der wollte nirjends hin. Der wollte nur Kleenjeld für irjendwat in’n Bahnhof. Hab ick jesacht, braucht er jar nich erst die annern fragen!“

Vielleicht nicht sonderlich freundlich. Aber verständlich.

Wenn es mal gar nicht passt

Ach, das liebe Wechselgeld!

Ich schreibe gar nicht mehr so oft darüber und das hat einen Grund: Ich bin besser geworden! Meine Grundausstattung an Wechselgeld ist zwar nach wie vor die selbe, aber inzwischen kann ich besser einschätzen, wann mal ein Tag ist, an dem ein Fuffi mehr vielleicht nicht schlecht wäre. So Klassiker wie Wochenendschichten nach dem Monatswechsel oder dem 15. z.B.

Mich nervt es zwar immer noch, mit mehr Geld hantieren zu müssen – zumal man nach wie vor gut daran tut, nicht alles im Geldbeutel zu haben für den Fall aller Fälle – aber es geht und man kommt über die Runden. Dazu kommt, dass ich anscheinend ein ganz gutes Händchen für die Kunden habe. Meine Nachfragen, ob sie es vielleicht nicht doch noch kleiner hätten, scheinen nett genug formuliert zu sein und so ist aus mancher kurzen Tour dann noch eine geworden, die statt mit einem Fuffi mit ein paar Münzen bezahlt wurde.

Aber natürlich klappt all das nicht immer.

Mein Fahrgast kam frisch von der Bank, Kleingeld gab es nicht, so musste ich ihm die 41 € eben rausgeben. Kein Problem, ich hatte an diesem Tag ein bisschen Extra-Kohle einstecken und somit immer noch genug Kleines für 50, bzw. auch 100 € dabei. Und irgendwann würde ich mir an der Tanke vielleicht eine Schachtel Kippen und zwei Brötchen gönnen.

Hier auch nochmal für die Kunden, die bei uns „immer zu wenig Wechselgeld“ sehen: Es ist in aller Regel ja nicht so, dass wir mal kurz 10 Fahrten hintereinander machen und jede davon mit Großgeld bezahlt wird. Vielfach fährt man nach einer Fahrt zu einem Taxistand und kann entweder dort bei den Kollegen, die schon länger unterwegs sind, einen Schein kleinmachen. Oder man kommt an einer Tanke, einem Späti oder sonstwas vorbei. Zudem zahlen wirklich viele Leute halbwegs passend, in den meisten Schichten habe ich meine 55 € in Scheinen dabei und die reichen bis zuletzt (mit dem restlichen Geld, dass ich unterwegs einfahre). Ich bin kein Panikmacher bezüglich Überfällen, aber Diebstahl gibt es ohne Ende und für mich sind 50 € der Gegenwert eines Arbeitstages unter der Woche. Diesen Betrag mehr zu verlieren im Fall des Falles ist einfach ärgerlich.

Nach meiner Tour mit dem Fuffi hatte ich jedoch umgehend wieder Kundschaft. Wie sich herausstellte, war es natürlich eine weitere Belastung für den Geldbeutel: 11,20 € standen auf der Uhr und die Kundin wollte – warum auch immer – nicht einmal Trinkgeld geben. So hab ich ihr also tatsächlich nochmal 38,80 € auf die Hand geblättert und das war genau der Punkt, an dem ich alle meine Scheine los war. Alle.
Also wechseln. Na gut. Immerhin bedeuten zwei schnelle Touren hintereinander ja auch schnellen Umsatz hintereinander. Da kann man auch mal was dafür tun. Und was passiert? An der nächsten Ecke winkt es. Ich hab kurz angehalten, gesagt, dass es mit dem Wechseln eng werden könnte und deswegen erstmal…

„Das ist ja wohl eine Unverschämtheit! Sowas hab ich ja noch nie erlebt! Eine Frechheit…“

keifte die in ihrem hellbraunen Mantel steckende Frau.

Ich hatte mir in den letzten Minuten wirklich andauernd überlegt, wie ich jetzt zum Wohle der Kundschaft möglichst schnell den Geldbestand aufstocke. Die nervige Regelung der Banken, dass zerrissene Scheine über 50% der Ursprungsgröße haben müssen, um ersetzt zu werden, hat meine kreativen Ideen leider ins Leere laufen lassen. Auch die potenzielle Kundin hat ihr Leid reichlich überdramatisiert, da sie Friedrich- Ecke Leipziger Straße stand und sie runde 10 Taxen pro Minute zur Auswahl hatte. Ich hab sie also wortlos stehengelassen um ihr nicht versehentlich die ans Schicksal gerichteten Worte „Verarschen kann ich mich alleine!“ an den Kopf zu werfen.

An meiner Stammtanke hatte ich das Wechselgeld-Problem schnell gelöst. Dass ich statt einer schnellen Anschlusstour nun aber am Ostbahnhof eine knappe Stunde habe warten müssen, war irgendwie klar. Manchmal passt es eben wirklich gar nicht. Nicht nur beim Wechselgeld…

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Kurzes Fazit zu den BOBs

So, der lange ersehnte Mai ist da und der zweite ist sogar schon vorbei. Das heißt, die Sieger bei den BOBs sind gekürt und GNIT hat einen respektablen zweiten Platz erreicht!

Ich wollte mich bedanken fürs viele Voten und natürlich Jule als Gewinnerin unserer Kategorie meinen Glückwunsch aussprechen. Wenn man bedenkt, dass Jule im Laufe des Aprils fast genau viermal so viele Besucher auf ihrer Seite hatte, sind die 30%, die ihr für GNIT rausgeholt habt, wohl so ziemlich das maximal machbare!

Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, mitzufiebern. Nun hab ich nicht gewonnen, vielleicht gewinne ich ja mal irgendwo anders. 🙂