Gestern schreibe ich noch groß in den Artikel über Ausweise als Pfand, dass bei mir auch gerade einer rumliegt. Manchmal aber ereilen einen Zufälle, die man kaum glaubt. Unmittelbar vor der Veröffentlichung des Artikels meldete sich der junge Mann bei mir…
Gut, was war eigentlich passiert?
Es ging um eine Tour von der schon so ziemlich versauten Silvesternacht dieses Jahr. Darüber hatte ich noch nichts geschrieben, weil der Ausgang ja noch offen war. Ich hatte damals am Unfallkrankenhaus Berlin eine junge Frau und ein kleines Mädchen aufgesammelt. Das Mädchen hatte sich offenbar an einem Feuerwerkskörper verletzt und die beiden sind ziemlich ziellos durch die Nacht geirrt und mussten nach Weißensee. Beim voraussichtlichen Fahrtpreis von 20 € musste die Mutter zwar schlucken, aber sie hatten keine große Wahl, de facto wussten sie quasi nicht einmal, wo sie gerade sind.
Sie haben sich von mir zu ihrem Freund (oder einem Freund) chauffieren lassen und mir rechtzeitig gesagt, dass das Geld nicht reichen würde, der Freund aber runterkommen würde. Kein Ding!
Dummerweise hatte jener auch nicht genug Geld…
Er hat allerdings gleich vorgeschlagen, mir seinen Ausweis im Tausch gegen meine Handynummer zu überlassen. Er würde sich melden, dann würden wir das mit dem noch übrigen Geld schon klären. Ein sympathischer junger Kerl, sichtlich in Nöten, die Ereignisse dieser Nacht irgendwie auf den Plan zu kriegen. Mal abgesehen davon, dass ich wenig auf Stress stehe, hatte ich in der Silvesterschicht auch keine Lust, mehr als eine Zigarettenlänge Pause für ein paar Euro einzulegen. Das hätte sich ja ausgerechnet finanziell eben nicht gelohnt…
Ab da war dann Ruhe. Ich hab zwischenzeitlich mit Christian im Büro darüber gesprochen, er hat allerdings bei der Erwähnung des Wortes Ausweis gleich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Soweit ich weiß, ist in der Firma seit Gründung eine beachtliche Sammlung unausgelöster Ausweise zustandegekommen. Und es sind eben nur selten Beträge dabei, die den Aufwand eines Rechtsstreits lohnen.
Ich hab den Ausweis wieder mitgenommen und mir überlegt, ob ich ihn mit einem nicht abzulösenden Aufkleber mit der Beschriftung „Danke du Arschloch“ einfach beim Bürgeramt einwerfe. Ich hab es gelassen. Wirklich Hoffnung hatte ich aber kaum. Bis gestern eben.
Just zu dem Zeitpunkt, als ich kurz mal aufgestanden war, um das große weiße Telefon im Bad zu benutzen, rief er an. Ich war zu spät am Handy, rief zurück:
„Hallo, ich hab den Anruf gerade verpasst…“
„Ja, äh hier ist Matthias Zwergenstengel (Name geändert). Sie haben doch meinen Personalausweis. Haben sie den immer noch?“
„Ja klar, was denn sonst?“
„Ja, ich war in U-Haft, ich konnte mich nicht melden!“
Also der Preis für die beste Ausrede des Jahres ist ihm schon mal sicher 😀
Kurz und knackig: Wir haben uns in der Stadt getroffen, Ausweis gegen Geld getauscht und gut ist! Damit ist meine Quote an Fahrten, über die ich mich im Nachhinein aufgeregt habe, wieder signifikant gesunken. Da ich einen guten Lauf zu haben scheine: Kann vielleicht nicht jetzt irgendwann in meinem Beisein einer der Klischeebestätiger von damals beim Kacken von einem Blitz getroffen werden oder so? Bitte? Dann wäre ich mit der Welt fast wieder im Reinen 🙂
Hast Du Dich in Deiner Freizeit mit ihm getroffen? Was mußte er für die Anfahrt bezahlen?
@Paul:
Hab es am Anfang der Schicht erledigt. Lag nicht allzu weit weg, hab ich einfach so gemacht. Anfahrt hätte ich natürlich berechnen können, hab ich aber nicht getan. Manchmal bin ich halt einfach zu nett 😉
Echt erstaunlich das er, nachdem er aus der u-haft kommt, als erstes eine Rechnung beim Taxifahrer begleicht. Hat man da nciht erstmal andere Sorgen, wenn man überlegt das Anfang Februar ist muss er ja eine Weile gesessen haben.
Super Sache. Der wollte sich wohl lieber nicht noch andere Dinge anhängen lassen. Zumal er sich sicherlich auch hat ausweisen müssen bevors in U-Haft ging, da hat er sicherlich auch etwas Ärger deswegen gehabt.
Mir erzählte mal ein Securitymensch, dass sie in der Disco bei Zechprellern lieber das Handy als den Ausweis einbehalten haben denn die meisten (Jugendlichen und jungen Erwachsenen) liegt mehr am Handy als am Ausweis. Damals waren die Personalausweise aber auch noch günstiger 😉
Vielleicht ist er gerade deswegen in U-Haft gelandet, weil er keinen Ausweis dabeihatte?
Sachen gibt’s…
Habe gerade durch Zufall diesen Blog entdeckt und sofort diesen Beitrag erwischt. Bei dem Gedanken an Silvester und Taxi-Fahren habe ich zuallererst Mitleid 😀 Ich selbst bin schon das eine oder andere Mal nach einer durchzechten Nacht in ein Taxi eingestiegen und möchte nicht wissen, wie viele komische Partymenschen der arme Taxifahrer so pro Nacht durch die Stadt kutschieren muss. Dafür bin ich dann immer sehr großzügig mit dem Trinkgeld.
Danke Taxifahrer, dass ihr mich schon so oft sicher nach Hause gebracht habt! Danke für diesen interessanten Blog,
Viele Grüße
Maren
@ Bernd
Wenn Sie es nicht als Witz gemeint haben, verstehe ich es nicht. Wie soll man in U-Haft landen, weil man keinen Ausweis hat? Das wäre ja selbst hier in D, wo man mittlerwweile allerhand Willkür gewohnt ist, starker Tobak, dafür gibt es m. E. keine Rechtsgrundlage.
@Maren:
Dafür sind wir ja schließlich da 😀
Ich hoffe, ein paar Kollegen lesen deine Danksagung auch.
Ich denke dies ist ein lesenswerter Beitrag warum Persos als Pfand untauglich sind:
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2012/02/09/das-gesetz-ist-klar-doch-die-justiz-interessiert-es-nicht/
@joerch:
Danke. Aber den Artikel hatte ich schon im letzten (oben verlinkten) Eintrag verlinkt 😉
Und da heisst es immer, dass der „Kast“ nicht resozialisieren würde! SCNR 😉
[…] des Schicksals: Das letzte Mal, dass mir was vergleichbares passiert ist, war’s mit einem halbseidenen Typen, bei dem sich die Zahlung verzögert hat, weil er in U-Haft… – und dieses Mal war’s eine Polizistin. Auch unter diesem Aspekt wird’s spannend mit […]
Oder er hat ne bewährungsstrafe bekommen und da ist jedes problem mit der justiz nicht förderlich. So oder so ist es ein gutes ende 🙂