Gepäck ist bei mir im Auto so gut wie nie ein Problem. Der Kofferraum meines Zafiras fasst doch ein paar Liter, und sämtliche mir bisher untergekommenen Koffer ließen sich anstandslos einladen. Im Grunde kenne ich nicht einmal ein Koffermodell, das nicht mindestens dreimal hinter die Sitzbank passen würde.
Was mit dem Gepäck außerhalb des Autos alles angestellt werden muss, das ist wiederum eine ganz andere Frage. Wobei ich anmerken muss: Dafür, dass ich so oft am Bahnhof stehe, muss ich erstaunlich wenig Gepäck irgendwohin tragen.
Meistens waren die großen Gepäckstücke, die es irgendwohin zu wuchten galt, gleich einen eigenen Blogeintrag wert. Gleich in meinem zweiten Monat hatte ich einen sehr schrulligen Typen, der mir das bis heute wohl kurioseste „Trinkgeld“ gegeben hat.
Ein Jahr später hab ich einen bemitleidenswerten alten Mann zu seiner Wohnung begleitet und ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Luft zum Atmen mit hochgetragen.
Was die Höhe des Tringeldes angeht: Sie scheint mit dem Gewicht des Koffers zusammenzuhängen. Den Rekord hält damit der Koffer, in dem ich ein Walbaby vermutet habe.
Meine jetztige Kundin fiel irgendwo dazwischen. Sie war schon sehr betagt und hat sich mit ihrem sehr schweren Koffer sichtlich abgemüht. Ich hab ihn ihr so früh wie möglich abgenommen, die Verladung übernommen – was man halt so macht als freundlicher Dienstleister. Aber ich bin ehrlich: Ich konnte mir besseres vorstellen, als dieses Ungetüm irgendwo in den siebten Stock zu wuchten.
„Und sagen sie: Könnten sie vielleicht, sie sind ja so stark…“
„Den Koffer bei ihnen hochtragen? Selbstverständlich.“
Das Ende hab ich allerdings nicht so erwartet:
„Hochtragen? Gott bewahre! Ich hab einen Fahrstuhl! Wenn sie ihn mir aber bis dorthin bringen könnten…“
Am Ziel angekommen hat sie dann einen Satz gesagt, den ich so noch nie gehört habe (wahrscheinlich eine Generationenfrage), den ich aber sehr schön fand:
„So, dann muss ich mich schnell noch ehrlich machen!“
Ich hab noch nie so etwas fast schon lyrisches im Bezug auf einen banalen Bezahlungsvorgang gehört. Als sie sich dann ehrlich gemacht hatte, habe ich den Koffer relativ beschwingt die 5 Stufen zum Aufzug getragen. Fiel mir bei 6,60 € extra auch gleich doppelt so leicht…
Das ist ja ein komplettes Mittagsmahl beim amerikanischen Feinkostgastronom. Das sollte dich wirklich regenrieren von dieser fürchterlichen Anstrengung. 😉
Man, fühle ich mich jetzt alt. Die Phrase „ehrlich machen“ ist in meinem normalen Repertoire.
… und das mit Mitte 30.
„Ehrlich machen“ – soso. Wird der andere dadurch unehrlich? Oder färbt das dann ab und man wird dabei auch ehrlich? 😀
„sich ehrlich machen“ – eine sehr schöne Stilblüte. Muss ich in meinen aktiven Wortschatz aufnehmen, gefällt mir sehr gut.
Danke fürs Verbloggen!
Es ist vielleicht auch eine Frage der Herkunft. Oder doch nicht? Bin ja auch schon so alt. 🙁
hoffentlich hattest auch eine entsprechende lyrische Antwort parat,…
das hätte die „Lady“ – und so bezeichne ich sie jetzt mal bewusst sicherlich erfreut…
Niedliche Formulierung;-) kannte ich so noch nicht…obwohl ich auch schon etwas älter bin.
@Der Maskierte:
Ich könnte an meiner Tanke auch 4 Bockwürste mit Brötchen dafür kriegen. Man kann also sogar platzen von soviel Trinkgeld 🙂
@matze und Aro:
Ich hab echt keine Ahnung, ob das nun alters- oder regional bedingt ist.
@ednong:
Ich denke, die Vermutung, das würde beim Gegenüber fürs Gegenteil sorgen, ist ziemlich weit hergeholt 🙂
@jule:
Ehrlich gesagt: Ich weiss nicht, ob ich mir das je angewöhnen könnte. Ich meine, da versteht dich ja keiner und manche bloggen dann gleich drüber… 😉
@highwayfloh:
Nee, hatte ich leider nicht 🙁
@Naschi:
Man kann ja auch nicht alles kennen…
@ednong
wenn man nicht bezahlt ist man unehrlich. durchs bezahlen wird man also ehrlich. eigentlich recht logisch. denn bis man bezahlt hat ist man ja quasi weder unehrlich noch ehrlich also status quo. aus diesem status quo heraus kann man dann ganz einfach ehrlich werden.
das hat logischerweise nichts mit dem gegenueber zu tun 😉
„Sich ehrlich machen“, das finde ich schön. Ich liebe solche altertümlichen Formulierungen.
Wobei ich mich gerade bei deinem Link zu Walbaby verlesen habe; ich las „Wallaby“. Lass es mich bitte wissen, falls du mal einen Koffer mit einem australischen Känguru drin hast.
@Cliff McLane:
Klar mache ich das. Ich pack dich für den Notfall in den Kurzwahlspeicher. Bist du über 0800-Wallaby zu erreichen? 😉
Im Ernst: Sollte das jemals mir oder einem Kollegen passieren, dann kannst du es hier lesen. Versprochen!
Ich habe diesen Satz neulich bei meinem Kfz Mechaniker benutzt . Er grübelte eine Weile über meiner whats app , ist dann aber drauf gekommen , was ich meine …ich lebe in Franken und dachte es liegt daran , aber es scheint eine althergebrachte Redensart zu sein . U N D lyrisch isse auch noch , na super . Ich bin 76 Jahre alt und Berlinerin.