Abgelenkt

So oder so ähnlich kennen einige Leser mich inzwischen. Also wenn sie mit mir gefahren sind.

Die Quasselei von Taxifahrern im Taxi ist hier bei GNIT schon öfter mal Thema gewesen, andersrum hab ich das aber noch nie wirklich angesprochen. Weil es eigentlich problemlos ist, um ehrlich zu sein. Aber ja: In wenigen Momenten passiert es mal, dass man selbst als Fahrer so ins Gespräch vertieft ist, dass man sich vom eigentlichen Auftrag ablenken lässt.

Das sichere Führen des Fahrzeugs hat das bei mir (glücklicherweise) meines Wissens nach noch nie ernsthaft beeinträchtigt. Manchmal hab ich tatsächlich das Gefühl, dass Autofahren wie Laufen ist: man tut es intuitiv und unterbewusst. Selbst wenn eine Unterhaltung mich fesselt und weite Teile des Großhirns beansprucht, ist doch irgendwas ganz tief abgespeichert, das mich Abstände und Spuren einhalten, sowie auch ganz allgemein fahren lässt. Immerhin.

Aber zugegeben: Das kann zu wenig sein. Ist die Sicherheit wirklich gegeben, Gefahren rechtzeitig zu erkennen?

Ich weiß es nicht.

Und ich schätze, alleine werde ich damit nicht sein. Routine ist nicht nur beim Autofahren etwas, das sich langsam einschleicht und eine Menge gewohnter Prozesse ins Unbewusste verschiebt. Auf der einen Seite schadet das nicht, und jeder Autofahrer wird mir wohl zustimmen, wenn ich sage, dass ich froh bin, dass mich das Schalten z.B. nicht mehr so fordert, wie das während der ersten Fahrstunden der Fall war. Da ist es schön, wenn das rein gefühlsmäßig irgendwo im Hintergrund abläuft.

Auf der anderen Seite: In den besagten seltenen Fällen passiert das auch mit anderen Dingen. Der Routenplanung beispielsweise. Da steuert man während einer Unterhaltung souverän durch die Stadt, hält an roten Ampeln, blinkt beim Spurwechsel, all sowas. Und dann merkt man plötzlich, dass man vor 500 Metern links abgemusst hätte. Da lief dann unterbewusst wohl ein anderes Programm für eine andere (meist häufige) Fahrt ab.

Kürzlich hab ich das beispielsweise auf die Spitze getrieben, indem ich mich mit einem Leser quasi am Ziel wähnend, am Flughafen Tegel verfahren habe. Gleich auf den ersten Ring und dann nach dem Bemerken die – erstmalig getestet  – etwas kuriose Wendeschleife wieder zurück. Was soll’s? Uhr ausgemacht, wieder was neues kennengelernt und den Umgang mit Peinlichkeiten geübt. Aber man – in dem Fall ich – denkt darüber nach. Ist das nicht irgendwie auch gefährlich?

Wahrscheinlich. Ich hab schon einmal irgendwo angemerkt, dass ich aus mir nicht erklärlichen Gründen bislang in allen wirklich brenzligen Situationen (die meist fremdverschuldet waren) richtig reagiert habe. Vollbremsungen, Ausweichmanöver – selbst bei einer vereisten Autobahnausfahrt bin ich gegen den gesunden Menschenverstand instinktiv von der Bremse, als ich ins Schlittern kam. Vielleicht reicht ja die eingeschränkte Aufmerksamkeit und das Verlassen auf Reflexe manchmal.

„Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen!“

steht in so gut wie jedem Bus, aber in keinem Taxi. Dieser Unterschied macht wenig Sinn. Auch wenn ein Bus sich anders fährt als ein Taxi (Ja, ich habe schon mal einen Bus gefahren), ist es nach der Gewöhnung daran das selbe Risiko. Es mag beim Bus schlimmere Auswirkungen haben, wenn er einen Unfall baut, vom Prinzip her ist beides gleich unangenehm.

Wesentlich entscheidender als bei den potenziellen Auswirkungen eines Unfalls ist jedoch die Atmosphäre. Ich würde mir um nichts in der Welt im Taxi das Gespräch entgehen lassen, dass sich in den meisten Fällen einstellt. Auch wenn es oft nur Smalltalk ist. Meine Bindung an die Fahrgäste ist dadurch enger und nicht zuletzt erfahren ich oder sie auch mal interessante neue Dinge und man tauscht sich aus. Es ist kein Zufall, dass die Trennscheibe zwischen Fahrern und Fahrgästen im Taxi – obwohl zum Schutz vor den ehemals zahlreichen Taximorden eingeführt – letztlich ausgerechnet von den Fahrern abgelehnt wurde.

Taxi bedeutet für manche nur den Transport von A nach B, oftmals allerdings auch Gespräch, Diskussion, Vertrauen, gewissermaßen sogar Intimität. In einer ganz eigenen Form, versteht sich.

Dass das uns Fahrern nicht nur den Beruf angenehmer, sondern bisweilen auch durch Aufmerksamkeitsdefizite schwerer macht, ist ehrlich gesagt nicht schön. Für mich leitet sich daraus allerdings nur eines ab: Ich muss darin besser werden! 🙂

PS 1: Sorry, dass ich in diesen Tagen nur selten zum Schreiben und Kommentieren komme! Ich hab vorrübergehend die Aufgabe bekommen, eine neue Website für jemand anderen zu erstellen und das kostet ein paar Stunden Zeit. Diesmal ist das allerdings eine Sache von begrenzter Dauer, in ein paar Tagen werde ich da raus sein …

PS 2: Einige von Euch haben mein eBook „Papa, ich geh zum Zirkus!“ gekauft. Worüber ich mich sehr freue! Da nun das erste Weihnachten nach der Veröffentlichung naht, werde ich binnen der nächsten Woche gelegentlich hier bei GNIT kurzfristig (für ein paar Stunden oder so) Links in die aktuellen Artikel setzen, wo man das Buch kostenlos runterladen kann (mit Hinweis, keine Sorge!). Also freut Euch, wenn ihr das zufällig mal mitbekommt. 😉

15 Kommentare bis “Abgelenkt”

  1. Tk sagt:

    Hab mal bei einem Kollegen einen Aufkleber auf dem Handschuhfach gesehen: „hinsetzen,anschnallen,Schnauze halten“. Kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden.

  2. Patrick sagt:

    Der Vorteil ggü dem Telefonieren am Steuer ist das dein Fahrgast eine brenzlige Situation ebenfalls erfasst und dann automatisch die Klappe hält. Insofern ist die Ablenkung dann nicht mehr ganz so groß.

  3. Tobias sagt:

    Ich habe mal gehört, dass das, was du erlebst eine ganz normale Art der Dissoziation ist. In deinem Kopf spielt sich schon alles in den richtigen Ausmaßen ab, die Konzentration ist primär beim Autofahren. Aber dein Erinnerungsvermögen weiß nichts mehr davon. Das liegt daran, dass das Autofahren selbst für dich eher langweilig ist. Es gibt halt einen viel interessanteren Faktor im Fahrzeug, der besser in Erinnerung bleibt.
    Ich denke, dass jeder Pendler, der tagtäglich die gleiche Strecke mit dem Auto fährt das auch kennt: „Ich habe keine Ahnung, wie ich durch Musterdorf gekommen bin.“ Plätzlich wird einem bewusst, dass man sich an die letzten fünf Kilometer Autofahrt in keinster Weise erinnern kann. Dennoch hat alles funktioniert, und zwar nicht zufällig sondern völlig korrekt mit aller erforderlicher Aufmerksameit. Deshalb tust du auch in Notfallsituationen das Richtige (und kannst dich aufgrund der Relevanz auch daran erinnern).
    Dass du an einer Abfahrt vorbei fährst ist wohl wirklich ein Problem mit der Aufmerksamkeit, wenn du dich aber zu sehr auf die Strecke konzentrierst, dann leidet natürlich das Gespräch darunter und ggf. auch die Sicherheit, weil du verkrampft auf etwas achtest und dafür andere Punkte zurückstufen musst. Dem Gehirn kann man leider keine Prioritätenliste mitgeben. Schon gar nicht für Sachen, die bei einem Taxifahrer zum täglichen Geschäft gehören und dann unbewusster bearbeitet werden.
    Wenn es Überhand nimmt, dann solltest du dir Gedanken machen, passiert aber auch jedem mal. Toll finde ich die Entscheidung, die Uhr aus zu machen und nicht den Fahrgast für deinen „Fehler“ büßen zu lassen. Andere sind da möglicherweise dreister – der Fahrgast kennt sich ja oft nicht ganz so gut aus.

  4. Buscher Christel sagt:

    Aber Leute dieses Quasseln ist doch grade das was Spass macht. Leute kennen lernen , jeden Tag aufs Neue. . Mal verfahren, passiert und wenn man sich nett entschuldigt, ist doch ealles gut. Lg

  5. Wheeler sagt:

    Gerade das Quatschen macht aber auch den Unterschied zwischen Taxi- und Busfahrern aus. Wenn ich mal mit dem Taxi fahre, quassel ich gern mal mit dem Fahrer. Fahre ich allerdings Bus (selber), habe ich das berühmte und von dir auch schon angesprochene Schild „Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen“ über mir.

    Ich muss dazu sagen, eine „Trinkgeldabhänigkeit“ ist bei meinem Job nicht gegeben, von dem her kann ich auch gut die Klappe halten und erwarte das auch von meinen Fahrgästen.
    Sollte ich mich, du hast das so schön beschrieben, mal auf einer falschen Strasse widerfinden, ist es schwierig das Fahrzeug zu wenden.

  6. elder taxidriver sagt:

    Ist mir oft passiert, dass ich beim Erzählen plötzlich nicht die ‚richtige Strecke‘ gefahren bin. Festplattenproblem.
    Habe dann gefragt: ‚Ist es ok, wenn ich ’n klitzekleinen Umweg fahre?‘ Da wollten dann die Fahrgäste nicht kleinlich sein
    und meinten, durchaus angetan:‘ Jaja, völlig ok. Nur, wir müssen dannunddann möglichst am Flughafen sein..

    (Dass man dann die Uhr aussscahltet, oder einfach weniger kassiert als draufsteht ist nicht großherzig oder was sondern pure Selbstverständlichkeit)

    Wo habe ich bloß das ‚klitzeklein‘ her? Ach so, wenn die Zentrale früher einen Auftrag (Ufftrag) ‚ mit Hund‘ nicht losgeworden ist, hat sie es versucht mit: ‚Wer kann denn mal ’n klitzekleinen Wauwi mitnehmen?‘.

  7. manu sagt:

    a propos buch: kann man das auch ausgedruckt bei Dir bestellen…?

  8. obscurum sagt:

    Ist es nicht möglich, dass das Reden auf lange Sicht die Konzentration eher befördert? Ich meine das so, dass ich mir vorstellen kann, dass die Monotonie nach mehreren Stunden des Fahrens groß wird und man dadurch gelangweilt/unkonzentriert wird, wenn kein interessanterer Faktor dazukommt.

    Desweiteren ist es ja auch so, dass das Reden in allen anderen Autos erlaubt ist. Auch Eltern dürfen sich im Auto mit ihren Kindern unterhalten, was, insbesondere wenn zwei Geschwister ähnlichen Alters zugegen sind, sicherlich häufig sehr viel ablenkender und gefährlicher ist als 99% der Gespräche als Taxifahrer.

  9. Bernd K. sagt:

    Hatte „Tegel“ gelesen und dachte, „oh, wollte dein Fahrgast nach Schönefeld?“ :-)))

  10. Wahlberliner sagt:

    Ich halte bezüglich der Ablenkung das Vergessen des Schulterblicks während des Gesprächs für die größte Gefahr.

  11. Tobias sagt:

    @ Tobias: Du solltest dich anders nennen, ich war zuerst hier 😀

  12. Tobias sagt:

    PS: Der Schulterblick ist so eine Sache für sich. Seit ich fast nur noch Transporter fahre, vergesse ich ihn ständig.

  13. Andreas G sagt:

    Laut §25 (3) BOKraft darf ein Taxi mit einer kugelsicheren Trennwand ausgestattet sein!
    Also wenn’s Dir mal zuviel wird… 🙂

  14. Wahlberliner sagt:

    @Tobias: Ja, weil der wohl von den meisten vergessen wird, sind ja die gekrümmten Außenspiegel eingeführt worden. Reichen nur manchmal nicht…

  15. TomTom sagt:

    Hallo zusammen,
    es ist schon gut und richtig was da passiert. Dadurch dass das Unterbewustsein alles steuert, können wir uns auf andere Dinge konzentrieren und im Notfall schnell reagieren. Das Athmen und Blinzeln passiert ganz klassisch bei jedem unbewusst – wäre nicht auszuhalten wenn man sich darauf konzentrieren müsste.
    Die ARD hat da eine interessante Doku zu gemacht. Einfach mal nach „Die Macht des Unbewussten“ suchen. Kann ich jedem wärmstens empfehlen!

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