Wenn Redebedarf zu Schweigen führt

Über seltsame Kommunikation habe ich erst vorgestern geschrieben. Eigentlich wollte ich gerne noch mehr zwischenreinpacken, aber jetzt hab ich mein Notizbuch liegen lassen und mir fällt spontan nix ein, was in den letzten Tagen so los war.

Also doch der Schweiger.

Ja, in den Kommentaren zu besagtem Beitrag ist natürlich auch gleich die Meinung bei einigen Kommentatoren durchgeklungen, dass man sich im Taxi ja auch nicht unterhalten muss. Das stimmt, und solche Fahrten habe ich gelegentlich auch. Ja, ich versuche immer am Beginn, einen Einstieg ins Gespräch zu bringen, aber wenn ich merke, dass die Leute ihre Ruhe wollen, dann sollen sie diese haben. Finde ich ok – und es freut mich ehrlich gesagt, wenn Menschen eine Fahrt mit mir zur Erholung nutzen können.

Bei dem langhaarigen Typen, den ich samt seiner schmucken Uniform vor einer Firmenzentrale eingesammelt habe, war diese Frage sehr schnell beantwortet. Ich sagte zum Einstieg, dass das nach sehr spätem Feierabend aussehe, er bejahte nur einsilbig, und ab da schwiegen wir.

Es war eine fast schon lange Tour knapp unter 20 €, und etwa zwei Drittel der Strecke glitten wir schleunig durch die Hauptstadt. In solchen Situationen merkt man erst einmal, wie laut Berlin, der Verkehr, ja sogar das eigene Auto so ist. Ich folgte ab dem letzten Streckenabschnitt dem Navi, da mir seine Straße nur grob etwas sagte und ich nicht als einzige Kommunikation eine Anfrage bezüglich des Weges haben wollte. Als das Navi mir in 2 Kilometern Entfernung einen Richtungswechsel nach rechts vorschlug, pochte mein Herz etwas lauter als zuvor. Dank des Verkehrs hat der Fahrgast es wahrscheinlich dennoch nicht gehört.

Fuck! Das war ja ein beschissener Weg, den ich mir da ausgesucht hatte! Hätte ich das blöde Navi nicht vorher einschalten können? Die Straße lag doch woanders als ich dachte, und somit hätte ich bereits auf dem Weg bis hierhin einiges abkürzen können, wenn ich eine andere Ausfallsroute aus der Stadt gewählt hätte. Na hoffentlich stört ihn der Weg nicht!
Das Schwierige an schweigenden Fahrgästen ist ja eben auch, dass man sie nur schlecht einschätzen kann.

„Darf ich sie mal was fragen?“

fragte es mit bedeutungsschwangerem Unterton aus dem Fond. In meinen Ohren ging der Satz etwa so weiter:

„Haben sie ihren P-Schein im Osterei gefunden?“ oder

„Sie wissen aber schon, in welche Stadt ich will?“

Es ärgert mich einfach, Fehler zu machen. Vor allem, wenn sie so blöd sind! Als ob man Stadtteile immer nur auf einem Weg anfahren könnte! Aber eigentlich wollte mein Fahrgast sich gar nicht über die Route beschweren:

„Sagen sie, haben sie schon mal einen nahen Verwandten verloren?“

Von da an führte ein Wort zum anderen, und der eigentlich recht kurze Rest der Fahrt verlor sich in Gesprächen über den Tod, Trauer, Gedenken, Philosophie und Religion. Es war mit Sicherheit nicht die angenehmste Fahrt der letzten Monate, aber manchmal sind die Touren eben auch nur so unkompliziert wie das Leben selbst.

9 Kommentare bis “Wenn Redebedarf zu Schweigen führt”

  1. Kein sehr angenehmes Gespräch, selbst wenn man den Gesprächspartner vermutlich nie wieder sieht und somit innerlich sich schnell distanzieren kann. Empathie ist manchmal echt ätzend.

  2. ednong sagt:

    „so unkompliziert wie das Leben selbst“ – ah ja. Unkompliziert. Mir war nur das Wort dafür entfallen.

    Ich denke, solche Fahrten ermöglichen einem, Distanz und Nähe immer wieder zu erlernen. Kundenkontakt ist immer wieder interessant und lehrreich, finde ich.

  3. malenki sagt:

    Hmm. Was hat der P-Schein nochmal mit der Ortskundeprüfung zu tun?
    *rätsel*
    😉

  4. Sash sagt:

    @Der Maskierte:
    Ja, aber wenn es gelegentlich sowas gibt: Ist ja im Nachhinein auch mal nicht schlecht, wenn es nicht nur ums Wetter geht…

    @ednong:
    Man lernt dabei zweifelsohne. Das einzig schlechte, wenn das bei Kundenkontakt passiert, ist, dass man sich nicht darauf vorbereiten kann. Also nicht für die eine spezielle Situation.

    @malenki:
    Wat ne Prüfung? Ich kann mich nicht erinnern 😉

  5. Aro sagt:

    Lieber Sash, Du solltest wirklich irgendwann endlich mal ’nen P-Schein machen. Der hat echt Vorteile.
    Glaube ich.

  6. SaltyCat sagt:

    Ortskunde – das ist doch, bzw. sollte sein, wenn man weiss, dass man das Berliner Tor in Hamburg, das Hamburger Tor jedoch in Berlin suchen muss … 😉

  7. Aro sagt:

    Naja, das Hamburger Tor in Berlin muss man nicht kennen. Es existiert immerhin schon seit rund 150 Jahren nicht mehr.

  8. SaltyCat sagt:

    ich weiss. mir ging es eigentlich auch eher um die Symbolik 😉 und was sind schon 150 Jahre im Leben der Bundeshauptstadt … 😉

  9. missac sagt:

    Hm mein Taxifahrer von neulich (danke nochmal für die Antwort) hat sich auch nicht groß mit mir unterhalten. Aber der war auch des Deutschen nicht so sehr mächtig und er stand am Ostbahnhof. 🙂

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